Höflichkeit – ein Problem?
• Zitat aus einem Merkblatt eines
russischen Reisebüros:
• «И ещё, на время поездки неплохо
запастись «буржуазной» привычкой –
улыбаться и говорить на местном языке
«здравствуйте», «спасибо»,
«пожалуйста», - это сразу же
расположит к Вам собеседника.»
Wie soll man mit Russen
sprechen?
• Vorschlag von Viktor Jerofejew,
Enzyklopädie der russischen Seele”
(1999) “Противогаз и впeред. (...) От
хорошего отношения они, русские,
разлагаются как колбаса на солнце.”
(Jerofejew 1999, S. 59) Ein Beispiel, das
zeigt, wie man – zum eigenen Volk – sehr
unhöflich sein kann. Und kaum
konstruktiv!
Höflichkeit im Westen
• Vorwiegend: Vermeiden des
Gesichtsverlusts
• „Höflichkeit“ kommt sprachlich und
historisch vom Kaiser-, Königs- und
Fürstenhof und beschreibt eine Etikette,
mit der man am Hof Erfolg hat.
Höflichkeit ist also
• eine Verhaltensweise, die den Respekt vor dem
Gegenüber zum Ausdruck bringen soll.
• Im Gegensatz zur Freundlichkeit, mit der man
vertraute Menschen behandelt, ist die Höflichkeit
betont distanziert und stark durch
gesellschaftliche Normen und Umgangsformen
geprägt. Diese sind kulturell und epochal oft
unterschiedlich. Historisch wurde sie im "Prozess der
Zivilisation" (Norbert Elias) im Mittelalter zuerst bei
Hofe entwickelt, wo die Rohheit und Gewalttätigkeit
des Feudaladels zur Höflichkeit des Hofadels
gebändigt wurde.
Einige wenige Beispiele von Höflichkeitsnormen,
die zumindest in westlichen Gesellschaften
allgemein gängig sind:
Man hält sich mit negativen
Meinungsäußerungen gegenüber einer Person
zurück und neigt eher dazu, das Positive über zu
betonen.
Man bringt Andere nicht in Verlegenheit oder
peinliche Situationen.
Man begrüßt und verabschiedet sich von
Anderen (siehe Gruß).
Man bevorzugt Frauen und ältere Menschen
gegenüber Männern und jüngeren
Menschen, etwa bei der Reihenfolge der
Begrüßung oder der Erteilung von Hilfe.
Man drückt sich sprachlich in distanzierter
und respektvoller Weise aus. Einige
Sprachen unterscheiden in der 2. Person
zwischen Höflichkeitsform ("Sie") und
allgemeiner Form ("Du") - vgl. Duzen.
Man dankt einem anderen für etwas, weicht
aber einem Dank taktvoll aus
Höflichkeit im westlichen Sinn:
• Je indirekter, desto höflicher:
• Sprachliche Mittel:
• Bitten/Befehle im Konjunktiv 2, möglichst
mit Modalverben, Modalwörtern und
Modalpartikeln und in Frageform.
• Beispiel: „Setzen Sie sich!“ oder
„Könnten Sie sich vielleicht mal bitte hier hin
setzen?“
Höflichkeit im Russischen
• Direkt, sprachökonomisch, positiv:
• Der Sprecher möchte (im besten Fall), dass man
über ihn gut denkt.
• «Присаживаетесь!»
• Verwirrend für Russischlerner: Alle
grammatischen Mittel, um westliche
Höflichkeitsrituale einzuhalten, gibt es auch im
Russischen, sie werden aber anders verwandt.
(Gesichtsverlust spielt keine Rolle.)
Beispiele
• 1. Putin im Kreml
• Fursenko und Putin.flv
• 2. Putin auf dem G – 8 – Gipfel in
Heiligendamm
• Putin2007.flv
Schlussfolgerung:
• Neben dem Sprachwissen sollte ein
Kontextwissen im interkulturellen Sinn
gelehrt und gelernt werden. Dabei wird
akzeptiert werden müssen: Die andere
Kultur ist tatsächlich anders, allerdings
weder schlechter noch besser! Die
jeweiligen Rituale sollten, um
Kommunikationserfolge zu erzielen,
akzeptiert werden.
Sprachliche Realisierung von
Höflichkeit
• Gruß- und Abschiedsformeln in ausführlichem
Stil (vor dem Wochenende wünscht man sich –
sogar in Geschäften, Zügen, Gaststätten – ein
schönes Wochenende!)
• Gruß- und Abschiedsformeln sollten miteinander
harmonieren, also einander adäquat sein und
der sozialen Beziehung entsprechen.
Abweichungen haben Bedeutung und Folgen!
Beispiele
• Brief: „Sehr geehrter Herr Dr. D.“ (mein Vorgesetzter)
• Antwort: „Lieber Herr K.“ (Beziehungsverbesserung vom
Vorgesetzten erwünscht)
• Brief: „Herzliche Grüsse, Holger“ (an einen Kollegen)
• Antwort: „Gruss, Till“ oder nur „Till“ als Abschiedsformel
(Beziehungsverschlechterung)
• Prägnantes Beispiel: Briefwechsel HJK und Jurek
Becker Jurek Becker Briefwechsel Powerpoint.ppt
Willkommen und Abschied per Brief und Mail
Offiziell:
Anrede:
Sehr geehrter Herr… / Sehr geehrte (verehrte) Frau…
Grüß Gott!
Gruß zum Abschied:
Mit freundlichen Grüßen/mit freundlichem Gruß/Freundliche Grüße
Mit verbindlichen Grüßen
Mit herzlichen Empfehlungen an Ihre Frau
Viele Grüße
Schöne Grüße
In diesem Sinne
Habe die Ehre!
Ein schönes Wochenende wünscht Ihnen …
Vorsicht: Beste Grüße! (meist negativ konnotiert!)
Wechsel in die Sphäre zwischen offiziell-
formellem Ton und informeller
Umgangssprache: Der halboffizielle Tonfall
Nach dem ersten Brief- oder Mailwechsel
(offiziell) kennt man sich schon näher!
• Anrede:
• Hallo, …/
• Hey,…
• Schönen guten Morgen
Abschied (halboffiziell)
• In freudiger Erwartung einer Antwort
verbleibe ich
• Sei herzlich/lieb gegrüßt von
• Sei liebevoll umarmt
• Ihre…
• Viele Grüße aus dem regnerischen Bielefeld /
sonnigen Berlin / fröhlichen Tscherepowez
• Mit freundlichen Grüßen (sehr kalt!)
Abschied (halboffiziell) 2
• Fühl dich gedrückt/umarmt/geküsst
• Servus!
• Ahoi!
• Und tschüss!
• LG (Liebe Grüße)
• BR (Best regards)
• Mit freundlichen/ herzlichen Grüßen von Haus
zu Haus!
• Ich freue mich auf ein Wiedersehn und sende
Ihnen herzliche Grüße!
Abschiedsformel (informell):
• Bis dann mal wieder! Bis • Tschö mit ö!
denne! • Viele Grüße an die Füße!
• Bis die Tage! • hdl (habe dich lieb)
• dd (drück dich) • hdgdl (habe dich ganz
• Winkewinke! doll lieb)
• Huhu! • Knuddel!
• Herzigst! • Ciaou!
• Herzung! • Tschüssi!
• Pfüati! (österreichisch, • Haut rein!
korrespondiert mit Grüß • Baba! (österreichisch)
Gott!)
Höflichkeit (oder ihre Abwesenheit)
spiegeln soziale Rollen
• „Kommen Sie her!“ (Untersuchungsrichter
– Häftling)
• Kommen Sie doch mal her! (Lehrer-
Schüler oder Chef-Angestellter)
• Würden Sie mal herkommen? (Chef zu
einem höheren Angestellten)
• Könnten Sie vielleicht mal herkommen?
(Angestellter-Angestellter)
Weitere Beispiele
• Würde es Ihnen etwas ausmachen,
vielleicht mal herzukommen?
(Angestellter-Chef)
• Würden Sie die übergroße Freundlichkeit
besitzen und vielleicht doch noch
herkommen? (Überhöflichkeit – hier wird
Ärger mittels Übertreibung artikuliert!)
Duzen und Siezen
• Kriterien: Alter (Duzen kann man
Kommunikationspartner bis zum 40.
Lebensjahr)
• Stellung: Höhergestellte in jedem Fall
(zunächst) siezen, ein Du wird vom sozial
Höhergestellten angeboten, niemals
umgekehrt!
Sonderformen
• Bayern: Du plus Nachname: „Du, Frau
Schmidt!“
• Hamburger „Du“/“Sie“ – Sie plus Vorname:
„Holger, nehmen Sie sich doch einen
Stuhl!“
• Im Zweifel direkte Anrede vermeiden:
„Man könnte den Bus nehmen!“ oder „Wir
könnten den Bus nehmen!“
Imperfekt als Höflichkeitsform
• Im Restaurant, Sie haben gerade bestellt,
der Kellner vergewissert sich: „Sie
bekamen das Schnitzel und einen
trockenen Chianti?“
• Vergewisserung: Sie melden sich
namentlich an, der Beamte fragt noch
einmal: „Wie war Ihr Name?“ (Dagegen
klingt „Wie ist Ihr Name?“ strenger!)
Anwendungsbereiche für
Höflichkeit
• Flirten auf deutsch (indirekt) und russisch
(direkter)
• Trinkrituale
• Augenkontakt
• Grußformen
• Duzen oder Siezen
• Höflichkeitsrituale unterliegen ständigem
Wandel (Beispiele aus Zeitungen oder
Tests beweisen dies.)
Was ist eigentlich ein Flirt?
• Und wer beginnt? Wie reagiert man
darauf?
• Beispiel 1: Flirten.flv
• Beispiel 2 (wenn U-Bahn vorhanden):
Flirten in der U-bahn.flv
• flirtlehrerin.flv
• flirtenlernen.flv.flv
• flirtreportage.flv
Flirten in Deutschland
Die Ergebnisse eines Bundesländer-Vergleichs.
Berlin ist Deutschlands Flirt-Hauptstadt. Mehr als
drei Viertel der Frauen in der Bundeshauptstadt
(77,5 Prozent) lassen sich gerne auf einen Flirt ein.
Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage
der Gesellschaft für Rationelle Psychologie im
Auftrag des Männer-Magazins Men’s Health. Mehr
als drei von vier Berlinerinnen (78 Prozent) ergreifen
dabei sogar selbst die Initiative.
• Noch forscher waren unter den 4000 befragten
Frauen zwischen 18 und 35 Jahren nur die
Kölnerinnen. Vier von fünf Flirts gehen von ihnen
aus. Und nirgendwo in Deutschland endet der
Flirt so häufig im Bett (1,7 Prozent) wie in der
Rhein-Metropole.
Große Erfolge beim anderen Geschlecht können
Männer auch in München haben. Beinahe ein
Viertel aller Flirts (22,5 Prozent) wird an der Isar
zumindest mit einem kurzen Gespräch belohnt.
Armer, armer Norden!
• Der Norden ist dagegen Deutschlands
Flirt-Wüste. Nur etwa jede zweite Frau (46
Prozent) in Bremen, Schleswig-Holstein,
Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern
ist zu einem Flirt bereit.
Im zugeknöpften Norden wird laut
Umfrage nur etwas mehr als jeder zehnte
interessierte Blickkontakt mit einem
Gespräch belohnt.
Was versteht man unter einem
Flirt?
• Der Flirt ist die Annäherung zweier Menschen
aneinander motiviert durch den Wunsch, miteinander …
zu haben.
Der Flirt beginnt meist mit Augenkontakt, kann jedoch
auch durch einen Spruch begonnen werden. Der Flirt
lebt vom Spiel mit erotischer Spannung. Meist versucht
der Mann die Frau zu beeindrucken (vorausgesetzt es
handelt sich um einen heterosexuellen Flirt.) (siehe auch
Imponiergehabe) Der Flirt ist ungezwungen und endet
nicht zwangsläufig in einer erotischen Beziehung.
Entscheidend für das Gelingen eines Flirts ist die
Körpersprache.
Flirtsprüche
für jede Gelegenheit
• [Wenn sie gerade das Lokal verlassen
will]: "Hast Du nicht etwas vergessen?"
Sie: "Was denn?" "Mich!„
• Fragen Sie die Frau nach der Uhrzeit. "21
Uhr 30? Also, heute ist Montag, der 28.
August, 21:30 Uhr. Danke. Ich wollte mich
nur an den genauen Zeitpunkt erinnern
können, an dem ich Sie getroffen habe."
• "Ich bin neu in der Stadt. Könntest Du mir
den Weg zu Deiner Wohnung zeigen?"
• "Wenn ich Dir nach Hause folgen würde -
würdest Du mich behalten?"
• "Ich habe meine Telefon-Nummer verlegt.
Könnte ich mir Ihre leihen?"
• „Ich frage mich, wie unsere Kinder
aussehen würden!“
Flirttricks für Schüchterne!
• Studien haben
ergeben, daß 8 von
10 Frauen darauf mit
einem Lächeln
reagieren, nur 12 %
mit Ohrfeigen und
ganze 8 % mit
Hilferufen
Der Abschiedsbrief-Köder
• Er ist traurig, müde, einfach schlecht drauf
und sitzt in einer Bar.
• Er zu ihr: "Entschuldigen Sie, ich möchte
Sie wirklich nicht belästigen. Aber dieser
Brief ist unheimlich wichtig für mich. Und
gerade jetzt ist meine Brille ... Würden, äh,
könnten Sie ihn mir vorlesen? Bitte!"
• Lieber Stephan,
ich verlasse Dich! Ja, gewiss, wir hatten eine
wundervolle Zeit! Niemand hatte bisher so viele Dinge
wie Du mit mir unternommen. Ob Theater, Kino oder
Konzerte - immer hattest du eine Überraschung für mich
bereit. Es war wunderbar, wie Du Dich um den Haushalt
gekümmert hast.
Wirklich, ich habe Deinen sprühenden Charme, Deinen
Humor aber auch Deine Besonnenheit sehr genossen.
Nie werde ich die langen Waldspaziergänge in
Schweden vergessen, nie die Segel-Turns bei
Griechenland, nie die plötzlichen Wochenendtrips nach
London, Paris oder Sidney.
Und dass Du trotz Deiner Position als Chefarzt in der
Uniklinik immer Zeit für mich hattest, ist wirklich
unglaublich. Doch Du hast mir einfach zuviel Freiheit
gelassen. Karl, Du weißt schon, der Body-Builder aus
meinem Fitness-Club, ist völlig anders.
Bitte, vergiss mich!
• Claudia
Fangfragen der Frauen
• Schaust du anderen Frauen nach?
• Woran denkst du gerade?
• Findest du, dass ich zu dick bin?
• Wie findest du meine Freundinnen?
• Was würdest du tun, wenn ich nur noch
zwei Wochen zu leben hätte?
Neue Flirtform für Leute ohne Zeit:
Speed-Dating
• Flirtwillige Frauen und Männer treffen sich
in bestimmten Lokalen und sprechen ca.
fünf Minuten miteinander und wechseln
dann zum nächsten Partner. Nach
mehreren Partnerwechseln kann man sich
für einen Partner/eine Partnerin
entscheiden, muss aber nicht.
• Schmidt__amp__Pocher__Speed-Dating-
1.flv
Trinkrituale und seine (möglichen)
Folgen
• «Нет, нет, нет! Так не пойдёт! –
объявил он.- Когда чокаешься, надо
смотреть в глаза тому, с кем
чокаешься. Это обязательно! А то ужас
и кошмар! (...)Итальянцы говорят, что,
если чокаться и не смотреть в глаза
тому, с кем чокаешься, семь лет не
будет хорошего секса. Вот так!»
(Евгений Гришковец, Планка, Москва
2006, 263)
Kulturtraditionen
• Traditionen: Im Deutschen gilt Höflichkeit
a) als Norm b) als Zeichen für die
Ungefährlichkeit des Sprechers. Im
Russischen gelten (zu) Höfliche
manchmal als Schwächlinge oder
Betrüger!?!
• Händeschütteln mit der rechten Hand
zeigt dem Begrüßten, dass der Grüßende
keine Waffe in der Hand hält.
Verbale Höflichkeit – Mittel, um offene
Konflikte zu vermeiden oder abzumindern
• Mittels höflicher Umgangsformen kann es
gelingen, selbst schwerste Konflikte im
zwischenmenschlichen Bereich auf eine zivile
Weise zu regeln. Beispiel: Episode aus dem
Film „Halbe Treppe“.
• Ausgangssituation eines Konflikts: Zwei
befreundete Paare leben in Frankfurt an der
Oder – Chris ist mit Katrin verheiratet, Uwe mit
Ellen. Chris geht mit Ellen fremd, Katrin entdeckt
die beiden in der eigenen Wohnung!
Beobachtungsaufgabe
• Versuchen Sie beim Betrachten der Episoden
die Höflichkeitsformen - hier im
umgangssprachlichen Bereich – herauszufinden
und zu interpretieren.
• Wie würden sich die Ehe- und
Gesprächspartner, wenn der Film in Russland
spielen würde, verbal und nonverbal verhalten?
Gibt es Unterschiede oder/und
Gemeinsamkeiten? Halbe Treppe Fragmente.avi
Alternative: Beobachtungsaufgabe
• Der Moderator möchte ein stimmungsreiches
Wintermärchen vorlesen und setzt sich dazu ins
Publikum. Neben ihm sitzt eine Zuschauerin, mit
der er ein kurzes Gespräch über Strümpfe bzw.
Strumpfhosen führt, um dann vom Redakteur
unterbrochen zu werden.
• Welche Höflichkeitsregeln werden hier wie und
von wem verletzt? Wer verliert in diesem Fall
sein Gesicht und wie bewerten Sie die Reaktion
des Moderators?
• ..Schmidt Hoeflichkeit.rm