1. lite
Grammatik
Abraham P. ten Cate
Elementargrammatik Deutsch für niederländischsprachige
Studierende an Hochschulen und Universitäten.
Mit Übungen.
3. Vorwort
Diese „Grammatik lite“ ist eine kurze Einführung in die deutsche Grammatik für Studierende
an Universitäten und Hochschulen im niederländischen Sprachgebiet. Sie beabsichtigt die
Basis für eine grammatisch korrekte Beherrschung des Deutschen zu legen und ein Ausgangs-
punkt für eine sinnvolle Vertiefung in späteren Fasen des Studiums zu sein. Dies wird
dadurch erleichtert, dass (1.) diese Grammatik auch selbst auf Deutsch verfasst ist; (2.) sie auf
gängigem Deutsch fußt und (3.) sie sich terminologisch an eine weiterführende Grammatik1
anlehnt.
Der Autor dankt Dr. M. Vliegen, Drs. M.H. ten Cate-Toren und seinen Studenten für kritische
Hinweise und lädt die Benutzer dieser Grammatik herzlich ein ihm etwaige Bemerkungen und
Korrekturen zugehen zu lassen.
Abraham P. ten Cate Groningen, im Juli 2010
1
A.P. ten Cate, H.G. Lodder, A. Kootte. Deutsche Grammatik. Eine kontrastiv deutsch-niederländische
Beschreibung für den Fremdspracherwerb. Bussum: Coutinho, 3. Auflage 2008.
4. Inhalt
1 Syntax 1
1 Der einfache Satz 1
2 Der komplexe Satz 5
3 Die Stellung des Verbs im Satz 7
2 Das Verb 9
1 Die Konjugation der Verben 10
1.1 Indikativ- und Imperativformen; Infinite Verbformen 10
1.1.1 Die regelmäßigen Verben 10
1.1.2 Die unregelmäßigen Verben 11
1.2 Die Konjunktivformen 14
1.3 Ersatzinfinitiv statt 2. Partizip 15
1.4 Liste unregelmäßiger, ‚starker’ Verben 16
1.5 Haben oder sein in Perfekt und Plusquamperfekt 21
1.6 Trennbare und untrennbare Verben 22
2 Der Gebrauch des Konjunktivs 24
3 Das Modalverb 26
3.1 Modalverben 26
3.2 Modalitätsverben und der modale Infinitiv 29
4 Das Passiv 31
4.1 Die Formen des Passivs 31
4.2 Besonderheiten der Passivbildung 32
4.3 Passivbildung bei Verben mit einem Dativobjekt 32
4.4 Von und durch in Passivsätzen 33
4.5 Passivähnliche Konstruktionen 33
5 Die Infinitkonstruktion 36
5.1 Infinitivkonstruktionen 36
5.2 Partizipialkonstruktionen 38
6 Die Rektion der Verben 40
3 Das Bestimmwort 51
1 Die Formen der Bestimmwörter 51
2 Der Gebrauch des Artikels 52
4 Das Adjektiv 59
1 Die Deklination des Adjektivs 59
2 Komparation 64
5. 2.1 Formen von Komparativ und Superlativ 64
2.2 Gebrauch von Positiv, Komparativ und Superlativ 66
3 Besondere Adjektivgruppen 67
4 Die Rektion des Adjektivs 70
5 Das Zahlwort 72
5 Das Substantiv 75
1 Das Genus des Substantivs 75
1.1 Das Genus der Bezeichnungen von Lebewesen 75
1.2 Männliche Substantive 76
1.3 Weibliche Substantive 76
1.4 Neutrale Substantive 77
1.5 Deutsch-niederländische Genusunterschiede 79
2 Die Deklination des Substantivs 82
2.1 Die Singulardeklination 82
2.2 Die Pluraldeklination 84
2.3 Übersicht der Singular- und Pluralklassen 88
2.4 Die Deklination von Namen 89
3 Die Rektion des Substantivs 92
6 Das Pronomen 93
1 Das Personalpronomen 93
2 Das Reflexiv- und das Reziprokpronomen 95
3 Das Possessivpronomen 97
4 Das Demonstrativpronomen 98
5 Das Interrogativpronomen 100
6 Das Relativpronomen 101
7 Das Indefinitpronomen 104
8 Das Pronominaladverb 107
7 Die Präposition 109
8 Das Adverb 121
1 Lokale Adverbien 121
2 Temporale Adverbien 122
3 Andere Adverbien 122
9 Die Konjunktion 125
1 Koordinierende Konjunktionen 125
2 Subordinierende Konjunktionen 126
10 Orthografie und Interpunktion 131
Grammatisches Glossar 135
1 Deutsch – Niederländisch 135
2 Niederländisch – Deutsch 139
6.
7. 1 Syntax
Die Syntax gibt eine Beschreibung der Struktur des Satzes.
1 Der einfache Satz
Ein einfacher Satz ist immer ein Hauptsatz. Sätze sind aus Satzgliedern aufgebaut,
nämlich aus einem Prädikat und den nominalen Satzgliedern. Nominale Satzglieder
sind u.a. das Subjekt und das Objekt. Satzglieder lassen sich als Ganzes verschieben:
Im Herbst + haben + die Bauern + immer + viel + zu tun.
Haben + die Bauern + im Herbst + immer + viel + zu tun?
Die Bauern + haben + im Herbst + immer + viel + zu tun.
Immer + haben + die Bauern + im Herbst + viel + zu tun.
Viel + haben + die Bauern + im Herbst + immer + zu tun.
Zu tun + haben + die Bauern + im Herbst + immer + viel.
Das Prädikat besteht hier aus den zwei Teilen haben und zu tun. Diese Teile bilden in
Hauptsätzen eine ‚verbale Klammer’, die andere Satzglieder einschließt. In
Nebensätzen sind die Prädikatsteile vereint, das finite Verb (Finitum) steht dann am
Satzende:
(Der Minister sagte, dass) die Bauern + im Herbst + immer + viel + zu tun haben.
Nebensätze haben also eine andere Verbstellung als Hauptsätze; sie werden durch ein
Komma vom Hauptsatz abgetrennt.
1 DAS PRÄDIKAT
Das Prädikat ist der Satzteil, der das Verb oder die Verben des Satzes enthält.
Finite Verbformen kongruieren in Person und Numerus mit dem Subjekt. An
der finiten Verbform werden außerdem Tempus und Modus ausgedrückt:
Ich komme. (1. PERSON, SINGULAR, PRÄSENS, INDIKATIV)
Infinit sind die nichtkonjugierten Verbformen: der Infinitiv (kommen), das
1. Partizip (kommend) und das 2. Partizip (gekommen).
Vollverben können selbständig das Prädikat eines Satzes bilden:
Uwe liest die Zeitung.
Eine Kopula verbindet das Subjekt mit einem Adjektiv oder Substantiv, dem
‚Prädikativ‘. Die gebräuchlichsten Kopulae sind sein, werden und bleiben:
Uwe (SUBJEKT) ist (KOPULA) stark (PRÄDIKATIV).
Uwe und Jörg werden gute Handwerker.
Serge bleibt ein unverbesserlicher Optimist.
Sein und bleiben können auch Vollverben sein, sein und werden kommen auch
8. Kapitel 1: Syntax 2
als Hilfsverben vor. Sein ist also sowohl Kopula wie Hilfsverb und Vollverb!
Hilfsverben kommen zusammen mit einer infiniten Verbform im Prädikat vor.
Es gibt temporale und modale Hilfsverben, und die Hilfsverben des Passivs:
Dietrich hat sein Buch vergessen. (TEMPORALES HILFSVERB)
Wolfgang kann sich nicht mehr an die Verabredung erinnern. (MODALES HILFSVERB)
Das Buch wird von Esther ins Regal gestellt. (HILFSVERB DES PASSIVS)
Komplexe Prädikate bestehen aus mehr als einem Verb. Einfache Prädikate
enthalten nur ein Verb, nämlich ein Vollverb oder eine Kopula.
2 DAS SUBJEKT
Das Subjekt steht immer im Nominativ. Das finite Verb kongruiert mit dem
Subjekt in Person und Numerus:
Ich sehe dich. – Wir sehen ihn. – Siehst du sie? – Sie sieht euch.
3 DAS OBJEKT
Abhängig vom regierenden Verb oder Adjektiv stehen Objekte im Akkusativ,
Genitiv oder Dativ oder werden sie durch eine Präposition angeschlossen.
Verben mit einem Akkusativobjekt sind transitiv. Sie können meistens in Passiv-
konstruktionen vorkommen:
Der Bibliothekar suchte den Minister. – Der Minister wurde vom Bibliothekar gesucht.
Folgende Sätze enthalten ein Genitiv-, Dativ- oder Präpositionalobjekt
Der Flüchtling erinnerte sich des Verstecks am Dachboden. (sich erinnern + GENITIVOBJEKT)
Diese Frau ist sich ihres Aussehens bewusst. (bewusst + GENITIVOBJEKT)
Der Arzt hilft diesem Patienten. (helfen + DATIVOBJEKT)
Maria ist ihren Grundsätzen treu geblieben. (treu + DATIVOBJEKT)
Der Irak ist reich an historischen Stätten. (reich + PRÄPOSITIONALOBJEKT)
Die Kanzlerin glaubt an den Aufschwung. (glauben + PRÄPOSITIONALOBJEKT)
Mancher trauert über einen Verlust. (trauern + PRÄPOSITIONALOBJEKT)
Ein ,freier Dativ’ ist kein Objekt, sondern kommt als freier Zusatz im Satz vor.
Freie Dative kommen in einigen Bedeutungen vor:
Ich wasche Ihnen das Auto. (‚für Sie’: DATIVUS COMMODI oder DATIVUS SYMPATHICUS)
Die Südseereise war ihm zu teuer. (Beurteilung: DATIVUS IUDICANTIS)
Seit dem Wochenende tut mir die Zunge weh. (‚meine Zunge’: ZUGEHÖRIGKEITSDATIV)
4 DAS PRÄDIKATIV
Prädikative sind Satzglieder, die durch eine Kopula mit dem Subjekt verbunden
sind. Das Prädikativ ist ein Adjektiv oder ein Substantiv, nämlich das Prädikats-
adjektiv oder das Prädikatsnomen. Das Prädikatsnomen steht im Nominativ:
Ein Bauer ohne Land ist arm (PRÄDIKATSADJEKTIV).
Ein Bauer ohne Land ist ein armer Hund (PRÄDIKATSNOMEN (PRÄDIKATSPHRASE)).
5 DAS ADVERBIALE
Adverbiale sind nähere Bestimmungen eines Geschehens. Sie kommen in
mehreren Formen vor:
Maria ist glücklich (ADVERB) geschieden.
Selten haben wir auf Island jemand auf einem Rad (PRÄPOSITIONALES ADVERBIALE) gesehen.
9. 3 Kapitel 1: Syntax
Eines Tages (ADVERBIALER GENITIV) kommt eine alte Frau zu Schneewittchen.
Die Adverbiale können in Bedeutungskategorien eingeteilt werden:
Bei Regen (KONDITIONAL, BEDINGUNG) wird das Gartenfest in die Scheune (LOKAL) verlegt.
Die Ärzte streiken morgen (TEMPORAL) für den Erhalt ihrer Privilegien (FINAL, ZIEL).
Das Spiel musste wegen Regen (KAUSAL, URSACHE, GRUND) abgebrochen werden.
Neue Kleidungsstücke sollte man möglichst gründlich (MODAL, ART UND WEISE) waschen.
In präpositionalen Adverbialen kann die Präposition durch andere Präpositionen
ersetzt werden, in Präpositionalobjekten nicht, vgl.:
Das Auto steht neben/hinter/vor einem Baum (PRÄPOSITIONALES ADVERBIALE).
Ich trauere über (*für/*mit/*vor) diesen Verlust (PRÄPOSITIONALOBJEKT).
6 DAS ATTRIBUT
Attribute beziehen sich auf ein Substantiv, das Bezugswort. Sie kommen in
verschiedenen Formen vor:
Der Präsident wohnt im weißen Haus. (ADJEKTIVATTRIBUT zu Haus)
Maria wartet auf einen Prinzen auf dem weißen Pferd. (PRÄPOSITIONALATTRIBUT zu Prinz)
Peter ist der Präsident unseres Fußballvereins. (GENITIVATTRIBUT zu Präsident)
Wir wohnen nicht gern in Städten, wo man sich nicht kennt. (ATTRIBUTSATZ zu Städten)
In der Umgangssprache kommt oft nicht ein Genitivattribut, sondern ein
Präpositionalattribut mit von vor: der Präsident von unserem Fußballverein. In der
Schriftsprache ist der Gebrauch eines von-Attributs meistens nicht korrekt. In
einigen Fällen ist aber nur die von-Konstruktion möglich, nämlich:
wenn der Genitiv nicht ausgedrückt werden kann: Der Genitiv darf nämlich nicht
allein an einem Substantiv ausgedrückt werden! Vgl.:
Der Verkauf von Handys stagniert, dagegen boomt der Verkauf teurer MP3-Spieler.
wenn von mit dem Bezugswort fest verbunden ist:
Abweichungen von dem Sicherheitsstandard sollen gemeldet werden.
Leiharbeit ist die Ausnahme von der Regel.
Der Autor kann von dem Ertrag seiner Bücher gut leben. (leben von)
wenn mit der von-Phrase ein Inhalt oder eine Herkunft bezeichnet wird,
allgemeiner gesagt, wenn die von-Phrase (auch) eine adverbiale Funktion hat:
Villon schrieb die Ballade von den Vogelfreien.
Ich bin ein Beamter vom Finanzamt.
An der Deutschen Weinstraße zeigt sich die Pfalz von ihrer schönsten Seite.
Appositionen sind eine besondere Art von Attributen. Sie werden durch Kommata
vom Bezugswort abgegrenzt und stehen im gleichen Kasus wie das Bezugswort:
Der Präsident, ein älterer Herr, wohnt im weißen Haus.
Klaus wartet in seinem Auto, einem schwarzen Mercedes.
Maria wartet auf Joseph, ihren Prinzen auf dem weißen Pferd.
Appositionen können auch durch als oder wie angeschlossen sein. Als- und wie-
Appositionen können sich sowohl auf das Subjekt wie auf das Objekt beziehen.
Beispiele:
Ich fühle mich wie der Hamster im Rad.
Das Seebeben zerknüllte den Boden wie einen Teppich.
Richard Loeb beendete mit 17 Jahren als jüngster Absolvent die Universität von Chicago.
Ich nehme dich an als meinen Ehemann.
10. Kapitel 1: Syntax 4
Übungen zum einfachen Satz
1 Lesen Sie folgenden Satz und beantworten Sie die anschließenden Fragen.
Der Verleger fand britische Investoren für die Zeitung.
1. Es ist ein einfacher Satz, denn _________ .
2. In dem Satz kommt eine finite Verbform vor, nämlich _________ .
3. Die finite Verbform kongruiert mit dem Subjekt des Satzes. Das Subjekt des
Satzes ist _________ .
4. Das Subjekt besteht aus ___ Wörtern. Zu welchen Wortkategorien gehören
diese Wörter?
5. Außer dem Subjekt und dem finiten Verb enthält der Satz noch weitere Satzteile.
Welche sind das?
a. _________
b. _________
6. Welche syntaktische Funktion hat Satzteil a?
7. Welche syntaktische Funktion hat Satzteil b?
8. Zu welchen Wortkategorien gehören die Wörter von Satzteil a?
9. Zu welchen Wortkategorien gehören die Wörter von Satzteil b?
2 Analysieren Sie nach dem soeben durchlaufenen Muster auch folgende Sätze.
1. Meine Freundin schläft jetzt.
2. Der Bürgermeister unserer Stadt liebt seine Arbeit sehr.
3. Die Wunschkandidatin Miers war ihrem eigenen Lager zu liberal.
4. Ein Langzeitarbeitsloser hat in einer Gastwirtschaft ein Blutbad angerichtet.
5. Mich tritt ein Pferd!
6. Die Dresdner Frauenkirche entwickelt sich zum Besuchermagneten.
3 Analysieren Sie auch folgende Sätze.
1. Einen Tag nach der glanzvollen Weihe setzte sich der Ansturm auf das Gotteshaus
am Reformationstag fort.
2. Nach der blutigen Anschlagsserie läuft die Suche nach den Hintermännern auf
Hochtouren.
3. Trotz der Führungskrise in der SPD glaubt die CDU-Parteichefin weiter an die
Bildung einer großen Koalition.
4. Führende Politiker von Union und SPD werteten die Führungskrise als schwere
Belastung für die Koalitionsverhandlungen.
5. Mit der Nominierung des 55-jährigen Juristen Alito will der Präsident den
Konservativen in seiner Partei entgegenkommen.
6. Der Parteivorsitzende hält seinen Eintritt ins Bundeskabinett in Berlin offen.