Dass angesichts dieser Indizien der Verdacht entsteht, die Verkäufer wollten zu einem Zeitpunkt vergleichsweise hoher Charterraten und damit hoher Kaufpreise für gebrauchte Schiffe noch einmal Kasse machen und das Risiko loswerden (Charterpool statt Festcharter) liegt auf der Hand. Dass das Emissionshaus MPC, das nicht schlecht daran verdient hat, hier den Weg bereitete, ebenso.
Kommanditgesellschaft MS Santa Giorgina Offen Reederei GmbH & Co. KG
MPC Reefer-Flottenfonds 1 und 2 - wurden langfristig unrentable Schiffe an Anleger verkauft?
1. MPC Reefer-Flottenfonds 1 und 2 – wurden langfristig unrentable Schiffe an Anleger
verkauft?
09. November 2012 - In den Jahren 2006 und 2007 verkauften Unternehmen, die zum
niederländischen Kühlschiff-Konzern Seahold N.V. gehörten, insgesamt 28 Kühlschiffe
(Reefer) mittelbar an zwei vom Emissionshaus MPC aufgelegte geschlossene Fonds. 265
Mio. € investierten Privatanleger in die die Fondsgesellschaften MPC Reefer-Flottenfonds
und MPC Reefer-Flottenfonds 2. Jetzt erhielten die Anleger Nachricht von wirtschaftlichen
Schwierigkeiten der beiden Fonds, die auf sinkende Charterraten infolge des Wettbewerbs
mit Containerschiffen zurückzuführen seien. Anleger werden aufgefordert, zusätzliches
Kapital nachzuschießen, um den Betrieb der Schiffe – einstweilen – aufrecht zu erhalten.
Doch überraschend kommt diese Nachricht eigentlich nicht. Bereits 2006 und 2007 sprach
viel dafür, dass die Kühlcontainer gegenüber den Kühlschiffen weitere Marktanteile gewinnen
werden. Dies wirft die Frage auf, ob die Prospektdarstellung des Marktes für Kühltransporte
auf See wirklich der tatsächlichen Situation entsprach. Oder wurden die Anleger über die
Marktsituation und damit über die Chancen und Risiken der Fondsbeteiligung getäuscht?
Kühlcontainer jagen Reefern Marktanteile ab
Heute wird vom Fondsmanagement eingeräumt, dass Reefer im Wettbewerb mit
Kühlcontainern weiter an Boden verloren haben. Im Prospekt wurde davon gesprochen, dass
sowohl Kühlcontainer als auch Reefer ihren Teilmarkt beim schiffsbasierten Transport von
Kühlgütern hätten. Davon, dass der Vormarsch der Kühlcontainer weiter anhalten, diese
auch in die Domäne der Reefer vordringen könnten und diese Entwicklung bereits in vollem
Gang war, findet sich in dem der „Markteinschätzung“ gewidmeten Teil des Prospekts kein
Hinweis.
War der Vormarsch der Kühlcontainer absehbar?
Dabei sprechen viele Indizien dafür, dass der Markt den Niedergang der spezialisierten
Reefer-Schiffe und den „Sieg“ der Kühlcontainer zum Zeitpunkt der Fondsplatzierung längst
akzeptiert hatte. Gerade die geringe Zahl an Neubestellungen von Kühlschiffen, die auch der
Prospekt erwähnt, trotz einer zunehmend überalternden Flotte, spricht dafür, dass der Markt
für die Kühlschiffe keine realistische Überlebenschance mehr sah und auf Kühlcontainer
setze. Denn diese weisen, wie bei Fachleuten unbestritten ist, offensichtliche Vorteile auf.
Die britische Financial Times zitiert einen Marktkenner: Container seien so viel leichter und
billiger zu laden, entladen und zwischen LKWs, Zügen und Schiffen zu verladen. Dies gelte
für normale Waren genauso wie für Kühlwaren.
Im Januar 2007 schrieb der Branchendienst Cargonews Asia, dass die Flotte spezialisierter
Reefer-Schiffe über die nächsten Jahre stagnieren und Marktanteile verlieren werde,
während Kühlcontainer weitere Kapazitäten hinzugewinnen würden. Der Marktanteil für
spezialisierte Kühlschiffe werde weiter schrumpfen. Die Annahme, dass die Kühlschiffe ganz
verschwinden würden, wird in diesem Artikel, der sich auf den annual reefer shipping market
2. review and forecast 2006/07 der Drewry Shipping Consultants bezieht, als „vorschnell“
verworfen. Trotzdem ist im Prospekt des MPC Reefer Flottenfonds 1 (Seite 6) von einem
steigenden Bedarf für Kühlschiffe und deren – zum damaligen Zeitpunkt nicht mehr in dem
Maße wie früher gegebenen - technischen Vorteilen gegenüber Kühlcontainern die Rede.
Haben die Prospekte die Marktverhältnisse falsch dargestellt?
Das im Prospekt benannte „Nebeneinander beider Transportbereiche“ (Kühlschiffe und
Kühlcontainer) gab es in der dort beschriebenen Form offensichtlich schon nicht mehr. Das
Vordringen der Kühlcontainer auch in die ehemalige Domäne der Kühlschiffe, den
Fruchttransport, war erkennbar.
So war beispielsweise die Umstellung der südafrikanischen Fruchtexporte von Reffer-
Schiffen auf Kühlcontainer zu diesem Zeitpunkt bereits voll im Gange. Schon im Jahr
1972 begann die Firma United Fruit (Chiquita) bekannt, Bananen in Kühlcontainern zu
befördern. Dole setzt spezielle Kühlcontainerschiffe ein. „Die Kühlcontainer haben
inzwischen die Kühlräume der Linien-Frachter ersetzt und seit dem Bananenkrieg
zwischen der EU und der USA 1993 wird auch die Konkurrenz mit den Kühlschiffen
immer deutlicher wahrgenommen. Seit 1966 wurden mehrere Innovationsschritte in
der Kälte- und Automationstechnik absolviert, die vom Isolier-Container (Porthole-
Container) ohne eigenes Kälteaggregat bis zum heutigen automatischen Integral-
Container mit eigenem Kälte- und Kaltluftsystem geführt haben. Damit wurde der 2005
abgeschlossene Übergang der Nord-Süd-Fahrtgebiete vom Porthole- zum
Integralcontainer möglich. Der Kühlcontainer beinhaltet jedoch den Vorteil einer
geschlossenen Kühlkette und ermöglicht den preiswerten Transport und Verteilung
kleiner Mengen an Kühlladung im intermodalen Verkehr.“ (Quelle: Wikipedia)
Auch andere Marktbeobachter sahen schwierige Zeiten auf die Reefer-Flotte
zukommen. Bereits im März 2007 schrieb die Norddeutsche Vermögen in einem
Newsletter:
Kühlschifffahrt
Im Jahr 2006 haben sich die Kühlschiffraten wie im vorherigen Berichtszeitraum
langsam weiter gefestigt. Mitte Oktober wurden die Zahlen aus der aktuellen Studie
"Annual reefer shipping market review and forecast 2006/07" von Drewry in der
Fachzeitung "Tradewinds" veröffentlicht. Den Angaben ist zu entnehmen, dass die
Raten bei langfristigen Verträgen durchschnittlich mit 0,86 USD pro Kubikfuß höher
liegen als die Spotmarktpreise. Der Großteil (70 Prozent) der Kühlschiffstonnage ist
über 15 Jahre alt, so dass es in den kommenden Jahren verstärkt zu Verschrottungen
kommt. Dem stehen lediglich 13 Neubaubestellungen gegenüber. Als Folge wird sich
die Transportkapazität von Kühlschiffen reduzieren. Im Gegensatz dazu wird die
Kühlcontainerkapazität drastisch zunehmen, da die Containerflotte durch die
vielen Neuzugänge rapide ansteigen wird. Verstärkt wird dieser Effekt durch den
Trend zur Großtonnage mit einem technisch möglichen Anteil an Kühlcontainern
von 15 bis 20 Prozent. Dieses stellt eine wachsende Konkurrenz für den
Transport von Kühlladungen dar. Derzeit teilen sich die Kühl- und Containerschiffe
jeweils zur Hälfte die Ladungen. Die durchschnittlich jährlichen Wachstumsraten von
Kühlladung im Seeverkehr liegen 2005 bis 2015 laut Drewry bei 3,5 Prozent.
Dass diese Entwicklung auch MPC nicht verborgen geblieben ist, dokumentiert
beispielsweise der Prospekt des nur wenige Monate zuvor emittierten MPC Fonds
Nr. 283 „Offen Flotte Santa B Schiffe“, bei dem mit der gegenüber vergleichbaren
Schiffen höheren Anzahl an Kühlcontainerstellplätzen, dem steigenden
3. Containerisierungsgrad und den daraus resultierenden Wettbewerbsvorteilen der in
dem Fonds zusammengefassten Containerschiffen geworben wurde.
Dass angesichts dieser Indizien der Verdacht entsteht, die Verkäufer wollten zu einem
Zeitpunkt vergleichsweise hoher Charterraten und damit hoher Kaufpreise für gebrauchte
Schiffe noch einmal Kasse machen und das Risiko loswerden (Charterpool statt Festcharter)
liegt auf der Hand. Dass das Emissionshaus MPC, das nicht schlecht daran verdient hat, hier
den Weg bereitete, ebenso.
Die Zeche werden jedenfalls – wie immer – die Anleger zahlen müssen, die ihr Eigenkapital
gänzlich oder zum überwiegenden Teil verlieren werden.
Nittel | Kanzlei für Bank- und Kapitalmarktrecht
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