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Quo vadis, DaF?
Betrachtungen zu Deutsch als Fremdsprache
in der Tschechischen Republik
Silke Gester
Radim Bačuvčík - VeRBuM, 2011
KATALOGIZACE V KNIZE - NÁRODNÍ KNIHOVNA ČR
Gester, Silke
Quo vadis, DaF? : Betrachtungen zu Deutsch als Fremdsprache in der
Tschechischen Republik / Silke Gester. – 1. vyd. – Zlín : VeRBuM, 2011. – 128 s.
ISBN 978-80-87500-13-2
811.112.2 * 81'24 * 81'272 * (437.3)
- němčina – Česko
- jazyková výuka – Česko
- jazyková politika – Česko – 2001-2020
- monografie
811.112.2 - Němčina [11]
Recenzovali / Rezension: Univ.-Prof. Dr. Ulrich Ammon
Dr. Bernd Schneider
Monografii doporučila k publikaci Vědecká redakce nakladatelství VeRBuM /
Die Monographie wurde von der wissenschaftlichen Redaktion des Verlags
VeRBuM zur Veröffentlichung empfohlen
© Silke Gester, 2011
© Radim Bačuvčík – VeRBuM, 2011
ISBN 978-80-87500-13-2
Monografie vznikla za finanční podpory Rozvojového fondu Fakulty
humanitních studií Univerzity Tomáše Bati ve Zlíně / Die Monographie
entstand mit der Unterstützung des Entwicklungsfonds der
Fakultät für Humanwissenschaften der Thomas-Bata-Universität in Zlin
Für Otto
Silke Gester: Quo vadis, DaF? 5
Vorwort
Fragt man heute in Tschechien jemanden auf der Straße, ob Deutsch hierzulande
denn noch wichtig sei, dann wird die Antwort zweifellos positiv ausfallen. Dabei
spielen nicht nur die gemeinsame Geschichte oder kulturelle Kontakte eine große
Rolle. Mit Deutschland und Österreich grenzen gleich zwei deutschsprachige Länder
an die Tschechische Republik, von denen Deutschland außerdem Tschechiens
wichtigster Handelspartner ist. Dennoch könnte man in jüngster Zeit den Eindruck
gewinnen, dass das Interesse an der deutschen Sprache landesweit so drastisch
gesunken ist, dass in absehbarer Zeit nur noch einige wenige Vertreter der älteren
Generation in der Lage sein werden, sich mit den deutschsprachigen Nachbarn in
deren Landessprache zu verständigen. Deutschlehrkräfte klagen allerorts darüber,
dass in den Schulen fast keiner mehr Deutsch als Fremdsprache wähle, jeder nur
noch Englisch bevorzuge und manch ein Kollege gar aus dem Schuldienst austreten
musste. Vorschulbildung in Deutsch wird nicht selten als kaum realisierbares
Unterfangen belächelt.
Im Gegensatz zu diesem pessimistisch stimmenden Bild belegen jedoch zahlreiche
Studien, dass die deutsche Sprache in der Tschechischen Republik auch im Zeitalter
des Englischen als das universelle Kommunikationsmittel im 21. Jahrhundert nach
wie vor eine wichtige Rolle spielt, und zwar vor allem in der Wirtschaft. Und auch
jenseits der Grenzen hat man längst erkannt, dass die Beherrschung der Sprache der
tschechischen Nachbarn langfristig betrachtet nicht nur am Arbeitsmarkt Vorteile
bieten wird. Denn Sprache ist mehr als nur reines Verständigungsmittel – sie ist der
Schlüssel zum gegenseitigen Verständnis, zur Entdeckung der jeweils fremden
Kultur, des Andersseins, aber auch zur Erweiterung des eigenen Horizonts. Sie ist
ein wichtiger Beitrag zum friedlichen Zusammenleben der Nationen.
Wir haben es uns zur Aufgabe gemacht, mit der vorliegenden Publikation die aktuell
vor allem emotional gefärbte und insofern relativ diffuse Situation rund um das
Thema Deutsch als Fremdsprache in der Tschechischen Republik etwas eingehender
zu beleuchten und dabei die Ergebnisse verschiedener Arbeiten zu diesem Thema
zusammenzufassen und auszuwerten. Darüber hinaus wollten wir mit Hilfe eigener
Untersuchungen herausfinden, ob sich landesweit in repräsentativen Umfragen
ermittelte partielle Aussagen mit denen decken, die wir speziell für Mähren eruieren
konnten.
Sich mit natürlicher Sprache zu befassen, birgt immer die Gefahr, die Situation nicht
in ihrer gesamten Dimension zu erfassen, da es sich um einen äußerst
vielschichtigen und weitgehend subjektiv geprägten Gegenstand handelt, was sich
zweifellos in den Umfrageergebnissen niederschlägt. Dennoch lassen sich gewisse
Stimmungen feststellen und Tendenzen erkennen. Zudem geben langfristig
angelegte Bildungsstrategien der Regierung ebenfalls bestimmte Rahmen-
bedingungen für die Fremdsprachenpolitik eines Landes vor. Wir erheben dennoch
mit unseren Untersuchungen keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern möchten
vielmehr all denjenigen, die sich tagtäglich aus beruflichen oder privaten Gründen
6
mit der deutschen Sprache beschäftigen, sich für sie einsetzen, denen die Sprache
der Dichter und Denker, wie sie auch heute noch bezeichnet wird, am Herzen liegt,
deutlich machen, dass Deutsch in Tschechien in absehbarer Zeit weder aus der
Gesellschaft noch aus der Wirtschaft verschwinden wird, dass eine Generation
heranwächst, die sich sehr wohl dessen bewusst ist, dass Englisch als alleiniges
Kommunikationsmittel nicht ausreichen wird, dass sich jedoch die
Bildungsschwerpunkte künftig noch stärker in das früheste Kindesalter verschieben
werden (müssen) und nicht nur an den Bildungseinrichtungen noch viele
Möglichkeiten bislang ungenutzt geblieben sind.
An dieser Stelle sei allen fleißigen Studenten des Studiengangs Deutsche Sprache
für Managerpraxis an der Thomas-Bata-Universität Zlín (Univerzita Tomáše Bati ve
Zlíně) gedankt, die durch ihren unermüdlichen Einsatz vor Ort die Entstehung der
Monographie in dieser Form erst möglich gemacht haben, namentlich: Kateřina
Ševčíková – Vorschulbildung, Petra Kalužová und Jana Seidlová – Grundschulbil-
dung, Zdeněk Hrubý – Mittelschulbildung, Karel Vogl und Pavel Twyrdy – Tertiäre
Bildung und lebenslanges Lernen sowie Jiří Matěj – Wirtschaft. Unser Dank gilt
ebenfalls der Geisteswissenschaftlichen Fakultät der Thomas-Bata-Universität in
Zlín für die Bereitstellung der erforderlichen finanziellen Mittel für den Druck.
Gedankt sei an dieser Stelle ganz herzlich der Lektorin für deutsche Sprache am
Gymnasium Lesní čtvrť in Zlín Walpurga Engelmann, die uns Einblick in die Arbeit
der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen ermöglicht und viele praktische
Erfahrungen vermittelt hat.
Unser besonderer Dank gilt Herrn Prof. Dr. Ulrich Ammon von der Universität
Duisburg-Essen und Herrn Dr. Bernd Schneider, der von 1998 bis 2004 am Goethe-
Institut Prag als Referent für pädagogische Verbindungsarbeit tätig war und sich um
den Bereich Deutsch im Beruf gekümmert hat, für ihre konstruktive Kritik und ihre
wertvollen Hinweise.
Zlín, im Oktober 2011 Silke Gester
Mgr. Silke Gester, PhD.
Univerzita Tomáše Bati ve Zlíně
Fakulta humanitních studií
Ústav jazyků
Mostní 5139
CZ-76001 Zlín
gester@fhs.utb.cz
Inhaltsverzeichnis
1 EINLEITUNG ................................................................................................... 9
1.1 Allgemeines........................................................................................................................... 9
1.2 Stand der Forschung.......................................................................................................... 16
1.3 Institutionelle Förderer ..................................................................................................... 18
2 DEUTSCH IN DER LERNBIOGRAFIE .......................................................... 22
2.1 Frühkindliche Bildung....................................................................................................... 22
Untersuchung – Fremdsprachenunterricht im Kindergarten......................................................... 31
2.2 Grundschulbildung ............................................................................................................ 40
Untersuchung – Fremdsprachenunterricht in der Grundschule .................................................... 48
2.3 Mittelschulbildung ............................................................................................................. 59
Untersuchung – Fremdsprachenunterricht in der Mittelschule..................................................... 66
2.4 Tertiäre Bildung, lebenslanges Lernen ............................................................................ 73
Untersuchung – Fremdsprachen auf dem Arbeitsmarkt................................................................ 79
3 DEUTSCH IN DER WIRTSCHAFT ................................................................ 84
Untersuchung – Fremdsprachenbedarf in der Wirtschaft im Raum Zlín...................................... 89
4 ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK................................................... 104
SUMMARY.......................................................................................................... 106
RESUMÉ............................................................................................................. 107
LITERATURVERZEICHNIS................................................................................ 108
ANHANG............................................................................................................. 117
Verzeichnis der Abbildungen ..................................................................................................... 117
Verzeichnis der Tabellen ............................................................................................................ 117
Namensverzeichnis von tschechischen Behörden und Institutionen .......................................... 119
Verzeichnis der in der Arbeit verwendeten tschechischen Dokumente...................................... 120
Fragebogen 1 – Fremdsprachenbedarf im Kindergarten (Zlín) .................................................. 121
Fragebogen 2 – Fremdsprachenbedarf in der Grundschule (Hranice)........................................ 122
Fragebogen 3 – Fremdsprachenbedarf in der Grundschule (Znojmo)........................................ 123
Fragebogen 4 – Fremdsprachenbedarf in der Mittelschule (Blansko 1)..................................... 124
Fragebogen 5 – Fremdsprachenbedarf in der Mittelschule (Blansko 2)..................................... 125
Fragebogen 6 – Fremdsprachenbedarf in der Wirtschaft (Zlín).................................................. 126
Silke Gester: Quo vadis, DaF? 9
1 Einleitung
1.1 Allgemeines
Das Tschechische Amt für Statistik1
gibt in seinen Berichten an, dass zum 1. Januar
2011 in der Tschechischen Republik 10.532.770 Menschen lebten2
. Die
Amtssprache des Landes ist Tschechisch. Die tschechische Sprache (čeština, český
jazyk) gehört zum westslawischen Zweig der indogermanischen Sprachfamilie. Seit
dem Beitritt Tschechiens zur Europäischen Union im Jahre 2004 ist Tschechisch
eine der 23 Amtssprachen der EU. Einer europaweiten Befragung mit dem Titel
„Die Europäer und ihre Sprachen“ zufolge, die im Februar 2006 veröffentlicht
wurde, rangiert Deutsch, das auf dem Alten Kontinent von 85 Millionen Menschen
als Muttersprache gesprochen wird, auf Platz eins vor Englisch und Italienisch, die
sich Rang zwei teilen, gefolgt von Französisch auf dem dritten Platz3
. Tschechisch
gilt im europäischen Maßstab demzufolge als eine „kleine Sprache“4
, das heißt eine
Kultursprache mit relativ wenigen natürlichen Sprachträgern, im Vergleich etwa
zum Deutschen oder auch zum Polnischen, der nach Russisch weltweit am
häufigsten gesprochenen slawischen Sprache. In Ländern wie Tschechien kommt
dem Erwerb und der Kenntnis von Fremdsprachen traditionell ein hoher Stellenwert
zu5
. Unter den Mitgliedern der Nation herrscht ein tiefes Bewusstsein darüber, dass
man sich nur in seltenen Fällen der Muttersprache bedienen kann, wenn es um die
Kommunikation mit Angehörigen anderer Völker geht.
Dieser Aufgeschlossenheit einerseits stehen jedoch handfeste Fakten gegenüber, die
nicht so optimistisch stimmen: Bei einer repräsentativen Umfrage mit 1061
Probanden über 15 Jahren zu den Fremdsprachenkenntnissen der tschechischen
Bevölkerung, die im Mai 2010 vom Zentrum für Meinungsforschung im Auftrag
des Instituts für soziale und ökonomische Analysen (ISEA), des Goethe-Instituts
und des Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds erstellt wurde, kam heraus, dass
lediglich 27 Prozent der Menschen hierzulande die englische Sprache und 22
Prozent die deutsche Sprache „ziemlich gut“ beherrschen, aber 54 Prozent über
keinerlei Fremdsprachenkenntnisse verfügen6
. Noch geringer ist die Anzahl
1
Wir verwenden in der vorliegenden Arbeit ausschließlich deutsche Übersetzungen für die
Bezeichnungen der tschechischen Behörden und Institutionen (teilweise auch tschechische
Akronyme), um den Lesefluss nicht zu unterbrechen. Ein Verzeichnis der tschechischen
Originalbezeichnungen findet sich im Anhang des Buches.
2
Vgl. Český statistický úřad [1], www.czso.cz.
3
Vgl. Die Europäer und ihre Sprachen, Eurobarometer Spezial, Brüssel, 2006: 8 ff.
4
Zum Begriff der Kleinen Sprachen vgl. auch Čmejrková/Daneš, 1993: 19.
5
So findet sich auf der Homepage des tschechischen Schulministeriums eine gesonderte Rubrik, die
sich ausschließlich mit dem Thema Fremdsprachliche Bildung befasst:
www.msmt.cz/vzdelavani/jazykove-vzdelavani.
6
Sofern Dokumente oder Texte nicht in einer deutschen Fassung vorlagen, stammen die
Übersetzungen von der Autorin selbst.
10
derjenigen, die zwei Fremdsprachen sprechen, nämlich gerade einmal 14 Prozent7
.
Selbst wenn man in Betracht zieht, dass die Antworten auf freiwilliger Basis in
Form einer Selbsteinschätzung der Befragten gegeben, also nicht auf der Grundlage
eines Tests ermittelt wurden und Tschechen im Allgemeinen nicht selten dazu
neigen, sich zu unterschätzen8
, somit die Prozentzahlen möglicherweise tatsächlich
etwas höher liegen, können diese Ergebnisse keinesfalls befriedigen. Das
vielsprachige Europa, die globalen Vernetzungen und wirtschaftlichen
Verflechtungen brauchen Menschen, die in der Lage sind, mit der Welt zu
kommunizieren. „Die Fähigkeit, neben seiner Muttersprache eine Fremdsprache zu
beherrschen, wird zu einem der Schlüsselfaktoren für den Erfolg im Leben und des
Lebensstils für die gesamte Bevölkerung ohne Rücksicht auf die Bildung,“ stellte
der Leiter der Umfrage Petr Matějů fest. Er betonte auch die essentielle Rolle des
Schulwesens in dieser Frage9
.
In Bezug auf die deutschsprachigen Nachbarn fließt aus tschechischer Sicht jedoch
auch eine historische Dimension in den Diskurs ein: In der Jahrhunderte währenden
gemeinsamen Geschichte von Tschechen, Deutschen und Österreichern gibt es nicht
nur Zeiten des friedlichen Nebeneinanders und Miteinanders beider Sprachen und
Kulturen, sondern auch dunkle Momente, die geprägt waren von Hass und Neid, in
denen Gräben gezogen wurden oder man sich bewusst von einer Nation und ihrer
Sprache abwandte. Historische Befindlichkeiten sollen in der vorliegenden Arbeit
nicht thematisiert werden, obwohl derartige Ereignisse sicher auch heute noch –
bewusst oder unbewusst – in der gegenständlichen Debatte mitschwingen. So gab
beispielsweise ein Drittel der Befragten bei der repräsentativen Umfrage zu Deutsch
in Tschechien (ISEA-Studie) an, dass sie – selbst 65 Jahre nach Ende des Zweiten
Weltkrieges – einige Kapitel der deutsch-tschechischen Geschichte vom Erlernen
der deutschen Sprache abhalten würden10
.
Bis zur Auflösung der Föderation am 31. Dezember 1992 und der Entstehung der
Tschechischen und der Slowakischen Republik war das Land zweisprachig. Die
tschechische und die slowakische Sprache, beide westslawische Sprachen, weisen
zwar starke Gemeinsamkeiten, aber auch wesentliche Unterschiede auf. Sie
existierten jedoch in der Tschechoslowakei über viele Jahrzehnte hinweg
gleichberechtigt nebeneinander, und auch heute noch werden offizielle Dokumente
in der jeweils anderen Sprache automatisch anerkannt11
. In der jüngeren Generation,
7
Wir verwenden für diese Studie im weiteren Text, sofern nicht anders angegeben, die Bezeichnung
ISEA-Studie. Vgl. www.isea-cz.org (10. März 2011) und ČTK [1] unter www.ceskenoviny.cz (15.
Dezember 2010).
8
Zu Kulturunterschieden in der deutsch-tschechischen Zusammenarbeit vgl. Schroll-Machl/Nový,
2003.
9
Žádným cizím jazykem se nedomluví polovina Čechů, ČTK [1], veröffentlicht am 15. Dezember
2010 (www.ceskenoviny.cz).
10
Die Ergebnisse der Studie wurden in Zlín am 24. März 2011 im Rahmen eines Workshops an der
Thomas-Bata-Universität vorgestellt.
11
Vgl. Verwaltungsordnung (Správní řád 500/2004 Sb.) in Tschechien und Minderheits-
sprachengesetz (Zákon o použivání jazykov národnostných menšin 184/1999 Zb.) in der Slowakei.
Silke Gester: Quo vadis, DaF? 11
die erst nach der Trennung in Tschechien und Slowakei sprachlich sozialisiert
wurde, sind allerdings größere Verstehensprobleme zu beobachten, da der tägliche
Kontakt der Sprachen heute nicht mehr vorhanden ist. Trotz aller Bemühungen auf
allen gesellschaftlichen und politischen Ebenen dürfte es jedoch auch in den
nächsten Jahren kaum möglich sein, eine neue Bilingualität, und zwar jetzt
Tschechisch-Englisch, zu schaffen, die so tief verwurzelt ist und eine solche Qualität
aufweist, wie es zu Zeiten der Föderation in der Tschechoslowakei der Fall war.
Bei der Beschäftigung mit dem Thema Fremdsprachen und Fremdsprachenpolitik12
lohnt sich der Blick zurück noch aus anderen Gründen. Nach dem Zweiten
Weltkrieg, als die Tschechoslowakische Sozialistische Republik dem Warschauer
Pakt angehörte, spielte Deutsch als Fremdsprache eine wichtige Rolle. Aus
bündnispolitischen Gründen heraus wurde Russisch nicht nur hierzulande zur ersten
und einzigen Pflichtfremdsprache erklärt, es blieb jedoch weitgehend unpopulär und
wurde nicht selten bewusst gemieden. Vielmehr stieg Deutsch zu dieser Zeit zum
wichtigsten Verständigungsmittel im Ostblock auf13
. Für die Tschechen bedeutete
dies: Sie erlernten die Sprache der Nachbarn, des Bruderlandes DDR; sie hatten die
Möglichkeit, durch vielfältige, auf allen Ebenen großzügig geförderte Kontakte die
Sprache zu erleben. Englisch lag zu jener Zeit in der Rangliste der Fremdsprachen
weit hinter Deutsch. Es wurde, wie alle westlichen Sprachen, aus ideologischen
Gründen nicht nur im Bildungswesen gewollt vernachlässigt.
Die Samtene Revolution und die Öffnung des Landes brachten in Tschechien zu
Beginn der 1990er Jahre ein enormes Interesse an Fremdsprachen aller Art. Diese
Zeit eines fast euphorischen Aufsaugens allen Wissens in überfüllten Klassen-
räumen mit völlig veraltetem Lehrmaterial und wenigen technischen Hilfsmitteln ist
noch weitgehend geprägt von einem ausgewogenen Interesse zwischen Englisch und
Deutsch. In den folgenden Jahren sollte sich dieses Verhältnis jedoch immer stärker
in Richtung der englischen Sprache verschieben. Mittlerweile hat sich das Englische
weitgehend seinen Platz als universelles Kommunikationsmittel des 21.
Jahrhunderts erobert. Englisch ist in 40 Ländern der Erde Amtssprache, weltweit
sprechen es etwa 350 Millionen Menschen als Muttersprache. In der Europäischen
Union ist es mit 38 Prozent die meistgelernte Fremdsprache14
und es gehört in fast
allen Ländern Europas fest zum Curriculum der Schulen15
.
Tschechien bildet hierbei keine Ausnahme. Im Jahr 2001 wurde das „Nationale
Programm für die Entwicklung des Bildungswesens in der Tschechischen Republik“
12
„Sprachenpolitik ist die Gesamtheit systematischer, vernünftiger und theoretisch fundierter
Bemühungen, die eine Sprachsituation im Hinblick auf das Gesamtwohl der betreffenden
Gemeinschaft der Sprachbenutzer verbessern soll. Sie wird von offiziellen Körperschaften
ausgeführt und richtet sich auf die Bevölkerung (oder einen Teil von ihr), die der Jurisdiktion dieser
Organe unterliegt“ (Grin, 2003: 30 zitiert in Dovalil, 2010: 43).
13
Vgl. Ammon, 1991.
14
Vgl. Die Europäer und ihre Sprachen, Eurobarometer Spezial, Brüssel, 2006.
15
Vgl. Der Fremdsprachenunterricht an den Schulen in Europa. Eurydice, 2001.
12
(Nationales Bildungsprogramm – NPV)16
, das sogenannte Weißbuch, vom
Ministerium für Schulwesen, Jugend und Sport verabschiedet. Es ist das
„grundlegende strategische Dokument für das gesamte Bildungssystem der
Tschechischen Republik“ und versteht sich als „Systemprojekt, das die gedanklichen
Ausgangspunkte, allgemeinen Vorhaben und Entwicklungsprogramme, die für die
Entwicklung des Bildungssystems mittelfristig richtungsweisend sein sollen“,
formuliert (S. 7). Das Weißbuch und das neue Schulgesetz17
erheben den Anspruch,
sich „gegenseitig ergänzende Instrumente für die Änderungen im tschechischen
Bildungswesen“ darzustellen (S. 8). Im „Nationalen Bildungsprogramm“ werden die
notwendigen Entwicklungstrends für das tschechische Bildungssystem im
kommenden Jahrzehnt definiert. In Bezug auf Fremdsprachen heißt es hier explizit:
„Insbesondere der Fremdsprachenunterricht wird erheblich gestärkt. Sein Ziel ist es,
sich in einer und schrittweise in zwei Fremdsprachen verständlich zu machen“ (S.
38). Zur Erreichung dieses Ziels sollte der Unterricht von zwei Fremdsprachen
sukzessive in allen Schultypen eingeführt werden. Darüber hinaus sieht es vor, mit
der ersten Fremdsprache in der 3. Klasse der Grundschule zu beginnen und allen
Schülern die Wahl einer zweiten Fremdsprache in der Sekundarstufe der
Grundschule zu ermöglichen. In Bezug auf die beiden Fremdsprachen, die ein
Absolvent mit abgeschlossener Mittelschulbildung beherrschen sollte, wird speziell
ausgewiesen, dass eine davon Englisch sein muss.
Aufbauend auf dem Weißbuch wurden Rahmenbildungsprogramme (RVP) erlassen,
und zwar das „Rahmenbildungsprogramm für die Vorschulbildung“ (RVP PV) aus
dem Jahr 2004 (in Buchform veröffentlicht 2006), im Jahr 2007 das „Rahmenbil-
dungsprogramm für die Grundschulbildung“ (RVP ZV), das „Rahmenbildungs-
programm für die Gymnasien“ (RVP G), das „Rahmenbildungsprogramm für die
Sportgymnasien“ (RVP GSP) sowie die „Rahmenbildungsprogramme für die
mittlere Fachschulbildung“ (RVP SOV), letztere schrittweise in sogenannten
Wellen, und zwar 2007 – 1. Welle, 2008 – 2. Welle, 2009 – 3. Welle und 2010 –
4. Welle. Es existieren noch weitere Rahmenbildungsprogramme, beispielsweise für
Sprachschulen mit der Berechtigung zur Abnahme von staatlichen Prüfungen, für
Förderschulen für Lernbehinderte, für Spezialschulen u.a.18
Die Rahmenbildungs-
programme stellen die Schlüsselkompetenzen, ihre Verknüpfung mit den
Bildungsinhalten sowie die Anwendung der Kenntnisse und Fertigkeiten in den
Vordergrund. Sie stärken die Eigenverantwortung der Schulen und der Lehrer19
für
16
Wir verwenden in der vorliegenden Arbeit die Titel der tschechischen Dokumente nur in der
deutschen Übersetzung (teilweise auch tschechische Akronyme), um den Lesefluss nicht zu
behindern. Ein Verzeichnis der tschechischen Originalbezeichnungen findet sich im Anhang des
Buches.
17
Gesetz Nr. 561/2004 Gslg. über Vorschul-, Grundschul-, Mittelschul- und höhere Fachschul-
sowie andere Bildung (Schulgesetz), Ministerstvo školství, mládeže a tělovýchovy [12],
www.msmt.cz.
18
Alle gültigen Dokumente (Rahmenbildungsprogramme) können auf den Internetseiten des
Schulministeriums unter www.msmt.cz [1] oder des Pädagogischen Forschungsinstituts unter
www.rvp.cz [1] eingesehen werden.
19
Zur Vermeidung der Nennung von Doppelformen verwenden wir in der vorliegenden Arbeit
mitunter neutrale oder maskuline Formen und schließen dabei weibliche Personen mit ein.
Silke Gester: Quo vadis, DaF? 13
die Lernergebnisse. Seit 2009 ist es für fast alle Bildungseinrichtungen verbindlich,
auf der Grundlage des jeweiligen Rahmenbildungsprogramms ein eigenes
Schulbildungsprogramm (ŠVP) auszuarbeiten. Die folgende Grafik stellt die
Verknüpfungen der einzelnen Dokumente und den Zusammenhang zwischen der
staatlichen und schulischen Ebene, also der Makro- und der Mikroebene, dar.
Abb. 1: Verknüpfung des Nationalen Bildungsprogramms, der Rahmenbildungsprogramme
und der Schulbildungsprogramme
Den Fremdsprachen wird in den Rahmenprogrammen besondere Aufmerksamkeit
gewidmet. Den Ausgangspunkt der Forderung nach Muttersprache plus zwei
Fremdsprachen („eins plus zwei“) bildet die 2005 in Brüssel verabschiedete „Neue
Rahmenstrategie für Mehrsprachigkeit“. Die Mitteilung ergänzt den „Aktionsplan
der Kommission zur Förderung des Sprachenlernens und der Sprachenvielfalt (2004
– 2006)“20
. Sie beinhaltet drei Grundlinien der EU-Politik im Bereich
Mehrsprachigkeit: (1) den Zugang zu Rechtsprechung, Verfahren und Informationen
der EU für alle Bürgerinnen und Bürger in der jeweiligen Landessprache, (2) die
Betonung und weitere Stärkung der wichtigen Rolle der Sprachen und der
Mehrsprachigkeit in der europäischen Wirtschaft sowie (3) die Ermutigung aller
Bürgerinnen und Bürger, mehr Sprachen zu lernen und zu sprechen, um das
gegenseitige Verstehen und die Kommunikation zu verbessern. Eine der zu
erlernenden Fremdsprachen sollte der globalen Verständigung dienen, die zweite
legt den Fokus auf lokale Kommunikation (Sprache der Nachbarländer, innerhalb
multinationaler Regionen usw.). In beiden Dokumenten wird explizit darauf
20
Die neue Rahmenstrategie für Mehrsprachigkeit, der Aktionsplan der Kommission zur Förderung
des Sprachenlernens und der Sprachenvielfalt (2004 – 2006) und der Bericht über die Durchführung
des Aktionsplans „Förderung des Sprachenlernens und der Sprachenvielfalt“ von 2007 können auf
den Seiten der Europäischen Kommission unter www.ec.europa.eu eingesehen werden.
14
hingewiesen, dass „Englisch allein nicht genügt“. Die Nationalstaaten sind
aufgefordert, nationale Pläne auszuarbeiten, den Aktionen zugunsten der
Mehrsprachigkeit eine Struktur zu geben, ihre Kohärenz zu sichern und ihnen die
Richtung vorzugeben.
Im Bericht über die Durchführung des Aktionsplans „Förderung des
Sprachenlernens und der Sprachenvielfalt“ von 2007 heißt es, von der Kommission
und den Mitgliedsstaaten seien signifikante Fortschritte bei der Umsetzung der im
Aktionsplan ausgewiesenen Maßnahmen gemacht worden. Es wird allerdings
angemahnt, dass gerade bei der Lehrerweiterbildung der Fokus immer noch zu stark
auf Englisch liege. Die Tschechische Republik findet mit ihrem „Aktionsplan für
den Fremdsprachenunterricht für den Zeitraum von 2005 – 2008“21
in diesem Papier
auf Seite 14 besondere Erwähnung, obwohl die Umsetzung der hier angekündigten
Vorhaben (Nationales Sprachenportal, Bildungsgutscheine für erwachsene
Lernende) bis heute noch aussteht. Wir werden in der vorliegenden Arbeit noch
mehrmals auf die vorgenannten Dokumente zu sprechen kommen.
Welche Bedeutung kommt nun Deutsch als Fremdsprache im Jahr 2011 in der
Tschechischen Republik zu? Es handelt sich um eine äußerst komplexe Frage mit
vielen Facetten. Das Netzwerk Deutsch, das aus Vertretern des Auswärtigen Amtes,
des Deutschen Akademischen Austauschdienstes, des Goethe-Instituts und der
Zentralstelle für das Auslandsschulwesen zur Förderung von Deutsch als Fremd-
sprache besteht, publiziert alle fünf Jahre die umfangreichste und aktuellste
Erhebung zu Deutsch als Fremdsprache. Diese Statistik verzeichnete im Jahr 2010
weltweit insgesamt 14.042.789 Deutschlerner. Das bedeutet um 2.675.912 weniger
als im Jahr 200522
. In den Ländern des ehemaligen Ostblocks gab es einen besonders
markanten Rückgang an Lernerzahlen. Die aktuelle Debatte um dieses Thema wird
nicht nur in Deutschland sehr emotional geführt. Auch in Tschechien weisen die
Statistiken einen ständigen Rückgang der Anzahl von Schülern, die Deutsch als
Fremdsprache wählen, aus. Die Deutschlehrerverbände schlagen Alarm. Die
folgende Grafik verdeutlicht dies anhand der Schülerzahlen, die in den Schuljahren
von 1995/1996 bis 2009/2010 am Englisch- bzw. Deutschunterricht teilnahmen.
21
Vgl. Ministerstvo školství, mládeže a tělovýchovy [2], www.msmt.cz.
22
Die deutsche Sprache in der Welt: „Netzwerk Deutsch“ Datenerhebung 2010, www.goethe.de.
Silke Gester: Quo vadis, DaF? 15
Abb. 2: Entwicklung der Schülerzahlen im Deutsch- und Englischunterricht zwischen
1995/1996 und 2009/2010 (Quelle: www.uiv.cz)
Auch die Wirtschaft ringt um qualifizierte Mitarbeiter, die über Sprachkompetenzen
in der deutschen Sprache verfügen – oftmals vergebens. Antworten allein in
Tschechien zu suchen, wäre jedoch zu einseitig. In ganz Osteuropa ist das Interesse
an der deutschen Sprache zurückgegangen; an ihre Stelle ist Englisch getreten, die
Lingua franca des beginnenden 21. Jahrhunderts, die zum globalen
Verständigungsmittel aufgestiegen ist. Es wäre also zu einfach, das sinkende
Interesse an der deutschen Sprache mit einem generellen Imageverlust alles
Deutschen zu erklären. Denn auch in den deutschsprachigen Ländern wächst die
Anzahl derjenigen, die über ausreichende fremdsprachliche Kompetenzen verfügen,
um auf Englisch mit Menschen aus aller Welt zu kommunizieren. Ob jedoch die
momentan tatsächlich zu einseitig auf das Englische ausgerichtete tschechische
Bildungspolitik die vorhandenen Defizite auszugleichen vermag und in der Zukunft
die erhofften Erfolge wird vorweisen können, bleibt fraglich. Wie wir jedoch auch
sehen werden, ist Deutsch in Tschechien unbestritten die Nummer zwei unter den
Fremdsprachen, und alle interessierten Seiten – in Tschechien, in Deutschland und
in Österreich23
– sollten zusammenwirken, um diese gute Position zu stabilisieren
und weiter auszubauen. Wir sehen dies nicht nur als Herausforderung, sondern als
echte Chance, nicht nur allein für den DaF-Unterricht.
Der Bildungsbiografie eines jeden Menschen folgend gehen wir in der vorliegenden
Arbeit zunächst auf die Vorschulbildung sowie den Grund- und
Mittelschulunterricht ein, befassen uns in diesem Zusammenhang neben
richtungsweisenden politischen Dokumenten (Makroebene) auch mit den relevanten
Kriterien bei der Entscheidung zugunsten der einen oder anderen Fremdsprache
23
In einigen Arbeiten wird in Bezug auf die deutschsprachigen Länder der Begriff D-A-CH-Länder
verwendet. Da die Schweiz aber kein eigenes Engagement in Bezug auf die DaF-Förderung in
Tschechien hat, wollen wir in der vorliegenden Arbeit diesen Begriff nicht gebrauchen.
16
durch die Schüler und ihre Eltern (Mikroebene). Ferner beschäftigen wir uns mit der
Hochschulbildung und dem Bereich des lebenslangen Lernens und werfen
abschließend einen Blick auf den Fremdsprachenbedarf in der Wirtschaft, denn die
Wahl für die eine oder andere Fremdsprache wird nicht selten von handfesten
ökonomischen Beweggründen getragen. Für unsere Arbeit haben wir zahlreiche
aktuelle Studien zum Thema ausgewertet, darüber hinaus lassen wir eigene
Forschungsergebnisse einfließen. Wir hoffen, dass die vorliegende Publikation einen
Beitrag leisten kann, um die künftige Arbeit und die notwendige Diskussion um das
Thema Deutsch als Fremdsprache in Tschechien mit wichtigen Argumenten zu
stützen.
1.2 Stand der Forschung
Deutsch als Fremdsprache ist seit mehr als einem Vierteljahrhundert ein
selbstständiger, interdisziplinärer Forschungsbereich der Germanistik mit den
Forschungsschwerpunkten Linguistik, Didaktik, Landeskunde/Kulturwissenschaft
und Literaturwissenschaft. Er stellt die Methoden und die Didaktik zum Erlernen der
deutschen Sprache als Nichtmuttersprache und als Nichtzweitsprache sowohl in den
deutschsprachigen Ländern als auch im Ausland bereit. Der erste Lehrstuhl wurde
1969 am Herder-Institut der Universität Leipzig von Gerhard Helbig besetzt. Allein
an über 20 Universitäten und Hochschulen in Deutschland wird Deutsch als
Fremdsprache im Magisterstudiengang angeboten.
Deutsch als Fremdsprache im Sinne der linguistischen Ausrichtung ist mittlerweile
gut erforscht. Neben sprachwissenschaftlichen Fragestellungen fließen hier vor
allem pädagogisch-didaktische Aspekte ein, die in zahlreichen Arbeiten thematisiert
werden. Zu den wichtigsten grundlagenorientierten Forschungsarbeiten zählen
Glück (1991) und Rösler (1994; 2012 Neuerscheinung).
Eine der umfangreichsten Arbeiten zu diesem Thema ist das 2001 erschienene
zweibändige Werk Deutsch als Fremdsprache: Ein internationales Handbuch von
Gerhard Helbig. Es bietet eine detaillierte Beschreibung des Deutschen als
Fremdsprache als spezifisches Lehr- und Forschungsgebiet und befasst sich
außerdem mit kontrastlinguistischen Erscheinungen zwischen Deutsch und
ausgewählten Einzelsprachen. Darüber hinaus widmet es sich der Sprachenpolitik
und Institutionen, die die Verbreitung der deutschen Sprache fördern. Gerhard
Helbig ist auch Verfasser bzw. Mitverfasser mehrerer Lehrwerke für Deutsch als
Fremdsprache, besonders hervorzuheben sind die Übungsgrammatiken (2000 u.a.).
Die im Jahr 2002 erschienene Publikation Deutsch als Fremdsprache in Europa vom
Mittelalter bis zur Barockzeit von Helmut Glück gibt einen umfassenden Überblick
über die historischen Anfänge der Fremdsprachenvermittlung zu einer Zeit, als
Latein auf dem Alten Kontinent die Rolle der Lingua franca zukam und Deutsch als
Sprache des gemeinen Volkes galt. Es befasst sich mit den Sprachkontakten der
Deutschen mit ihren Nachbarn und stellt erste Sprachbücher, Glossare, Lexika und
Grammatiken vor.
Silke Gester: Quo vadis, DaF? 17
Mit Grundfragen, Grundkonzepten und Grundpositionen der Fremdsprachen-
erwerbsforschung und -didaktik unter Berücksichtigung linguistischer, psycho-
linguistischer, lernpsychologischer und interkultureller Aspekte, nicht ausschließlich
für Deutsch als Fremdsprache, befasst sich die Arbeit Fremdsprachenerwerb und
Fremdsprachendidaktik von Jörg Roche, die 2008 herausgegeben wurde.
Beim Peter-Lang-Verlag erscheint eine Reihe unter dem Titel Werkstatt Deutsch als
Fremdsprache, deren Herausgeber Hartmut Schröder ist und die mittlerweile 86
erschienene Bände zählt. Der erste Band, der 1989 in 2. Auflage erschien, trägt den
Titel Einführung in das Studium des Faches Deutsch als Fremdsprache von Rolf
Ehnert (Herausgeber). Die folgenden Bände behandeln spezifische Fragen in einem
äußerst breit gefächerten Spektrum (Linguistik, Didaktik, Kontaktlinguistik,
Soziolinguistik u.v.a.).
Hans-Jürgen Krumm, Christian Fandrych, Britta Hufeisen und Claudia Riemer sind
die Herausgeber der Publikation Deutsch als Fremd- und Zweitsprache: Ein
internationales Handbuch, das 2010 auf den Markt kam. Dieses Handbuch mit über
200 Autoren stellt umfassend das Gesamtgebiet Deutsch als Fremdsprache
(weltweit) dar. Es enthält einen aktuellen und interdisziplinären
Forschungsüberblick zu Fragen des Lehrens und Lernens von Deutsch als Fremd-
und Zweitsprache. Darüber hinaus beleuchtet es die deutsche Sprache in 56 Ländern.
Deutsch als Fremdsprache rückt in den letzten Jahren verstärkt in den Fokus der
Soziolinguistik und der Soziologie, und zwar vor allem unter dem Eindruck des
sinkenden Interesses an der deutschen Sprache, was sich nicht zuletzt weltweit in
rückläufigen Lernerzahlen manifestiert. In Deutschland befasst sich u.a. Ulrich
Ammon mit diesem Thema. Im Jahr 1991 erschien sein Werk Die internationale
Stellung der deutschen Sprache. Hier wird die deutsche Sprache nach ihrem
Gebrauch in den unterschiedlichsten Bereichen im Detail reflektiert und mit anderen
Sprachen in Vergleich gesetzt. Ulrich Ammon ist außerdem Mitherausgeber der
Zeitschrift Sociolinguistica, die in ihrer Ausgabe 24/2010 neben anderen Fragen
auch speziell das Problem der Fremdsprachenpolitik Tschechiens thematisiert
(Dovalil, S. 43-60).
Mit Mehrsprachigkeit und Sprachenpolitik in Tschechien und anderen
osteuropäischen Ländern befasst sich Hans-Jürgen Krumm in zahlreichen Arbeiten,
so z.B. in Sprachen – Brücken über Grenzen; Deutsch als Fremdsprache in Mittel-
und Osteuropa (beide 1999) oder Mehrsprachigkeit und die Rolle der deutschen
Sprache, dieser Artikel erschien 2009/2010 in der tschechischen Zeitschrift Cizí
jazyky.
In Tschechien selbst wird die Fremdsprachenpolitik ebenfalls nicht kritiklos
aufgenommen. Eine umfangreiche Arbeit zum Thema frühkindlicher
Fremdsprachenerwerb stellt die Dissertation von Petr Najvar dar, die 2008 unter
dem Titel Raná výuka cizích jazyků v České republice na přelomu 20. a 21. století
erschien. Najvar analysiert zahlreiche weltweit erschienene Arbeiten, die der Frage
nachgehen, ob das Erlernen einer Fremdsprache im Kindergarten bzw. in der
Primarstufe der Grundschule sinnvoll ist, und wirft dabei einen kritischen Blick auf
18
die aktuelle Strategie des Tschechischen Schulministeriums in Bezug auf das
Erlernen von Fremdsprachen. Im Vordergrund steht hier allerdings Englisch.
Vít Dovalil geht in seinem 2010 in der Zeitschrift Sociolinguistica erschienenen
Artikel der Frage nach, ob zwei Fremdsprachen in der Tschechischen Republik
realistisch sind, und unterwirft die aktuelle tschechische Spracherwerbsplanung
einer kritischen Betrachtung.
Angesichts der Aktualität dieses Themas und des Rückgangs der Schülerzahlen im
Deutschunterricht, des wachsenden Bedarfs an Mitarbeitern mit Deutschkenntnissen
sowie der nach wie vor guten Aufstellung der Germanistik in der Tschechischen
Republik24
ist davon auszugehen, dass die aufgeworfenen Fragen auch weiterhin im
Fokus des Interesses stehen werden, was neben theoretischen Überlegungen vor
allem auch die intensive Beschäftigung mit praktischen Aspekten sowie mit der
gesellschaftlichen Reflexion und Relevanz des Themas einschließen muss. Die Fülle
von Veröffentlichungen in der Tagespresse, aber auch Konferenzen und Seminare zu
diesem Thema legen beredtes Zeugnis vom großen Interesse an der Problematik
Deutsch als Fremdsprache und Sprachenpolitik in der Tschechischen Republik, nicht
zuletzt im europäischen Kontext, ab.
1.3 Institutionelle Förderer
Im Folgenden findet sich eine Übersicht über wichtige institutionelle Förderer für
Deutsch als Fremdsprache, aber auch für Kontakte zwischen der Tschechischen
Republik und den deutschsprachigen Ländern, auf die wir in den einzelnen Kapiteln
teilweise noch ausführlicher zurückkommen werden.
Der in Göttingen ansässige Fachverband für Deutsch als Fremdsprache versteht
sich als Interessenvertretung für DaF-Lernende, DaF-Lehrende und DaF-
Institutionen (www.fadaf.de).
Im Ausland fördert das Goethe-Institut, ein gemeinnütziger Verein mit Hauptsitz in
München, die Verbreitung der deutschen Sprache und Kultur. Es besitzt weltweit ein
Netzwerk aus insgesamt 149 Goethe-Instituten, 39 Goethe-Zentren, 141 deutsch-
ausländischen Kulturgesellschaften, zahlreichen Lesesälen sowie Prüfungs- und
Sprachlernzentren. In der Tschechischen Republik befindet sich das Goethe-Institut
in der Hauptstadt Prag, 2 Goethe-Zentren in České Budějovice und Pardubice sowie
3 Lesesäle in Brno, Olomouc und Pilsen. Landesweit gibt es 12 Prüfungspartner25
.
Das Goethe-Institut bietet Sprachkurse und Prüfungen auf allen Stufen des
Gemeinsamen europäischen Referenzrahmens für Sprachen an (www.goethe.de).
Eine wichtige Rolle bei der Vermittlung der deutschen Sprache und Kultur kommt
der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen (ZFA) mit Sitz in Köln zu, die
weltweit etwa 1000 Schulen personell und finanziell fördert
(www.auslandsschulwesen.de). An den 29 Partnerschulen in Tschechien (28 DSD-
24
In der Tschechischen Republik gibt es 16 Lehrstühle und Institute für Germanistik, z.B. in Prag,
Brno, Olomouc oder Ostrava.
25
Die Angaben sind dem Jahrbuch des Goethe-Instituts 2010/2011 entnommen.
Silke Gester: Quo vadis, DaF? 19
Schulen, 1 Deutsche Auslandsschule, 3 FIT-Schulen mit erweitertem Deutschunter-
richt – vom Goethe-Institut betreut) haben die Schüler u.a. die Möglichkeit, das
Deutsche Sprachdiplom der Kultusministerkonferenz (DSD) abzulegen. Zum DSD
gibt es im Internet ein Wiki mit umfangreichen Materialsammlungen
(www.wikis.zum.de/dsd/Materialien).
Seit 85 Jahren ermöglicht der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD), die
weltweit größte Förderorganisation ihrer Art, jedes Jahr Akademikerinnen und
Akademikern aus der ganzen Welt, internationale Erfahrungen zu sammeln
(www.daad.de).
Das Netzwerk Deutsch ist eine Initiative des Auswärtigen Amtes, des Deutschen
Akademischen Austauschdienstes, des Goethe-Instituts und der Zentralstelle für das
Auslandsschulwesen zur Förderung von Deutsch als Fremdsprache
(www.goethe.de).
Auftrag des Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds (Česko-německý fond
budoucnosti) mit Sitz in Prag ist es, auf vielfältige Weise die Verständigung
zwischen Deutschen und Tschechen zu fördern, die Zahl der beiderseitigen
Begegnungen zu erhöhen und die Formen der Zusammenarbeit durch die
Unterstützung von gemeinsamen Projekten zu erweitern (www.fondbudoucnosti.cz).
Die in Köln ansässige Deutsch-Tschechische und -Slowakische Gesellschaft e.V.
(DTSG) setzt sich seit 1983 für die Vertiefung und Ausweitung der Beziehungen
zwischen der Bundesrepublik Deutschland, der Tschechischen Republik und der
Slowakischen Republik in den Bereichen Kultur, Politik, Wirtschaft und Soziales
ein (www.dtsg.de).
Das Deutsch-Tschechische Gesprächsforum (Česko-německé diskusní forum) mit
Sitz in Prag wurde am 27. Dezember 1997 auf der Grundlage der Deutsch-
Tschechischen Erklärung vom 21. Januar 1997 gegründet. Es hat die Aufgabe, unter
Beteiligung aller an einer engen und guten deutsch-tschechischen Partnerschaft
interessierten Kreise den deutsch-tschechischen Dialog zu pflegen
(www.diskusniforum.org).
Die Brücke-Most-Stiftung mit Sitz in Dresden fördert die deutsch-tschechische
Verständigung und Zusammenarbeit (www.bruecke-most-stiftung.de).
Die 1947 gegründete, politisch unabhängige Vereinigung zur Pflege und
Erforschung der deutschen Sprache, die Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS),
unterhält in Tschechien eine ehrenamtlich geleitete Zweigstelle (www.gfds.de).
Das Koordinierungszentrum Deutsch-Tschechischer Jugendaustausch – Tandem
(Koordinační centrum česko-německých výměn mládeže) mit Sitz im bayerischen
Regensburg und im westböhmischen Pilsen ist die zentrale Fachstelle in der
Bundesrepublik Deutschland für den Jugend- und Schüleraustausch mit Tschechien
(www.tandem-org.de).
Das Deutsch-Tschechische Jugendforum (Česko-německé forum mládeže) ist eine
Zusammenkunft 40 junger Menschen zwischen 16 und 26 Jahren aus Tschechien
20
und Deutschland, die sich für die Verbesserung und Vertiefung der deutsch-
tschechischen Beziehungen und Zusammenarbeit aktiv einsetzen (www.cnfm.cz).
Die Deutsch-Tschechische Industrie- und Handelskammer (Česko-německá
obchodní a průmyslová komora) mit Sitz in Prag ist eine bilaterale
Auslandshandelskammer im weltweit gespannten AHK-Netz, die den
wirtschaftlichen Austausch zwischen der Tschechischen Republik und Deutschland
aktiv fördert. Sie hat rund 550 Mitglieder und ist somit die größte bilaterale
Außenhandelskammer in Tschechien. Sie unterstützt den Auf- und Ausbau der
Geschäftsbeziehungen zwischen deutschen und tschechischen Firmen und setzt sich
bei Politik und Verwaltung für unternehmensfreundliche Rahmenbedingungen in
Tschechien ein (www.tschechien.ahk.de).
Das Österreichische Sprachdiplom (ÖSD) ist ein gemeinnütziger Verein und wurde
1994 auf Initiative der österreichischen Bundesministerien für auswärtige
Angelegenheiten, für Unterricht und Kultur sowie für Wissenschaft und Forschung
eingeführt. In Tschechien gibt es derzeit 14 Prüfungszentren (www.osd.at).
Eine wichtige Rolle bei der Umsetzung der auslandskulturpolitischen Ziele des
Bundesministeriums für europäische und internationale Angelegenheiten spielen die
Österreichischen Kulturforen. Das Österreichische Kulturforum Prag, die
Kulturabteilung der Österreichischen Botschaft in Prag, existiert seit 1993. Seine
Hauptziele sind die Präsentation der Kultur Österreichs in der Tschechischen
Republik und die Pflege der kulturellen und wissenschaftlichen Beziehungen beider
Länder (www.oekfprag.at).
Die Österreich-Bibliotheken entstanden aus der Initiative der Kulturpolitischen
Sektion des österreichischen Bundesministeriums für europäische und internationale
Angelegenheiten, um die deutsche Sprache in den Ländern des ehemaligen
Ostblocks nach 1989 zu verbreiten. In der Tschechischen Republik gibt es derzeit 7,
und zwar in Brno, České Budějovice, Liberec, Olomouc, Opava, Pilsen und Znojmo
(www.oesterreich-bibliotheken.at).
Einer der 9 Standorte des Österreich Instituts im Ausland ist Brno. Das Österreich
Institut wurde 1997 als gemeinnützige Gesellschaft mbH zur Durchführung von
Deutschkursen, zur Unterstützung und Förderung des Deutschunterrichts im
Ausland sowie zur Kooperation mit nationalen und internationalen Organisationen
gegründet. Eigentümer der Gesellschaft ist die Republik Österreich, die Vertretung
des Eigentümers nimmt das Bundesministerium für europäische und internationale
Angelegenheiten wahr (www.oesterreichinstitut.cz).
Der gemeinnützige Verein Österreich Kooperation in Wissenschaft, Bildung und
Kunst mit Sitz in Wien hilft bei Auswahl, Entsendung und Betreuung der
österreichischen Lektoren und Praktikanten an ausländischen Universitäten
(www.oek.at).
Das Österreichisch-Tschechische Dialogforum hat sich zum Ziel gesetzt, das
Zusammenleben und die beiderseitige Verständigung zwischen österreichischen
und tschechischen Bürgerinnen und Bürgern zu verbessern (www.a-cz-dialog.net).
Silke Gester: Quo vadis, DaF? 21
Die Österreichisch-tschechische Gesellschaft Bereich Wirtschaft (Rakousko-česká
hospodářská společnost) fördert die erfolgreiche Wirtschaftsentwicklung in den
Regionen beiderseits der Grenze, die gemeinsame Zusammenarbeit und setzt sich
für den Abbau von Behinderungen im Wirtschaftsverkehr ein (www.oetgw-
rchs.org).
Das Büro von Pro Helvetia in Prag, der Außenstelle der gleichnamigen Schweizer
Kulturstiftung in der Tschechischen Republik, funktioniert als Austausch-,
Vermittlungs- und Informationsstelle für tschechische und schweizerische
Kulturschaffende. Ziel ist es, das gegenseitige Interesse für künstlerische Projekte zu
wecken und das Verständnis für die unterschiedlichen Kulturen zu fördern
(www3.pro-helvetia.ch).
In České Budějovice befindet sich der Sitz des Vereins der Germanisten und
Deutschlehrer (Spolek germanistů a učitelů němčiny – SGUN) mit derzeit etwa 200
Mitgliedern, der sich dafür einsetzt, „Deutsch das verlorene Prestige
wiederzugeben“. Er organisiert Treffen und Workshops und gibt die Zeitschrift
SGUNSchrift heraus, die neue Trends im Bildungswesen vorstellt und methodisch-
didaktische Anregungen für den Deutschunterricht bietet (www.sgun.cz).
Der Tschechische Germanistenverband (Svaz germanistů ČR) als Zusammenschluss
von Institutionen und Einzelpersonen, die im Bereich der Wissenschaft tätig sind,
und die Goethe-Gesellschaft in der Tschechischen Republik (Goethova společnost
v České republice) haben ihren Sitz an der Philosophischen Fakultät der
Karlsuniversität in Prag, und zwar am Institut für germanische Studien
(www.svazgermanistu.cz, www.goethe.ff.cuni.cz/spolek.htm).
22
2 Deutsch in der Lernbiografie
2.1 Frühkindliche Bildung
Kinder werden geboren, aber noch ehe sie zur Welt kommen, setzen die perzeptiven
Lernprozesse ein1
. Später baut sich darauf ein konzeptuell fundierendes Wissen auf.
Die Zeit zwischen der Geburt und der Einschulung ist also – vereinfacht ausgedrückt
und vom linguistischen Blickwinkel her betrachtet – nicht nur im Hinblick auf die
muttersprachliche Entwicklung für ein Kind von großer Bedeutung; diese
Entwicklungsperiode rückt vielmehr auch im Zusammenhang mit dem Erlernen
einer ersten Fremdsprache heute wieder verstärkt in den Fokus des Interesses. Im
Folgenden möchten wir auf einige Fragen zum frühkindlichen Fremdsprachen-
erwerb und dem Status quo in der Tschechischen Republik unter besonderer
Berücksichtigung von Deutsch als Fremdsprache näher eingehen.
Dem Tschechischen Amt für Statistik zufolge erblickten im Jahre 2010 in
Tschechien 117.200 Kinder das Licht der Welt2
. Die meisten von ihnen wurden in
monolinguale (hier: tschechische) Familien hineingeboren, das heißt, dass beide
Elternteile tschechische Muttersprachler sind. Folglich wird ein solches Kind
zunächst einmal auch nur mit einer Muttersprache3
heranwachsen.
Das soziale System in Tschechien erlaubt es Müttern und Vätern, sich über eine
relativ lange Zeit voll und ganz der Erziehung ihrer Sprösslinge zu widmen. Nach
der aktuellen Gesetzgebung dauert der Erziehungsurlaub bis zum vollendeten vierten
Lebensjahr eines Kindes. Obwohl die Vorschulbildung nicht gesetzlich
vorgeschrieben ist, besuchen in der Regel jedoch die meisten Drei- bzw.
Vierjährigen einen staatlichen oder privaten Kindergarten4
; im Vorschuljahr besteht
in Tschechien ein Anspruch auf einen Kindergartenplatz, das heißt, Kinder in
diesem Alter werden auf Wunsch der Eltern bevorzugt im Kindergarten
aufgenommen.
Das im Jahr 2004 verabschiedete Schulgesetz5
ist für alle Stufen von der
Vorschulbildung bis zur tertiären Bildung – ausgenommen die Hochschulen –
verbindlich. Es erhebt die Vorschule zu einem legitimen Bestandteil des
1
Eine erste, auf sensorischen Wahrnehmungen beruhende und unbewusst wirkende Kategorie der
menschlichen Informationsverarbeitung ist ein Perzept. Es ist ein sich assoziativ mit Bedeutung
aufladendes Reizmuster (Mulhaup, 2011).
2
Vgl. Český statistický úřad [2], www.czso.cz.
3
Unter dem Begriff Muttersprache (mother tongue) verstehen wir die erste Sprache (first language,
L1), die sich ein Individuum im Laufe seines Lebens aneignet.
4
Zum 30. September 2010 besuchten insgesamt 328.612 Kinder (2009: 314.008 Kinder) eine der
4.880 Vorschuleinrichtungen in der Tschechischen Republik, das sind etwa 95 Prozent aller Kinder.
Im Schuljahr 2009/2010 waren 24.584 (2008/2009: 23.567) Erzieherinnen und Erzieher beschäftigt,
das entspricht 13,3 Kindern pro Pädagogen. (Die Angaben sind den Statistiken des Instituts für
Informationen im Schulwesen entnommen und können unter www.uiv.cz [1], [2] eingesehen
werden.)
5
Vgl. Ministerstvo školství, mládeže a tělovýchovy [12], www.msmt.cz.
Silke Gester: Quo vadis, DaF? 23
tschechischen Bildungssystems. Richtungsweisend für die Arbeit in den
Kindergärten ist das „Rahmenbildungsprogramm für die Vorschulbildung“ (RVP
PV) aus dem Jahr 20046
. Die Bildungsprinzipien werden in diesem Papier
folgendermaßen formuliert:
„Die Konzeption der Vorschulbildung basiert auf den gleichen Grundsätzen wie die übrigen
Bereiche und Niveaustufen des Bildungswesens und lässt sich mit ihnen von gemeinsamen
Zielen leiten: Sie ist darauf gerichtet, dass sich ein Kind vom frühesten Lebensalter an die
Grundlagen der Schlüsselkompetenzen aneignet und die Voraussetzungen für lebenslanges
Lernen erlangt, das es ihm ermöglicht, einfach und zuverlässig seinen Platz in der
Wissensgesellschaft zu finden.“ (RVP PV, 2004: 6)
Zu den Schlüsselkompetenzen, die ein Kind im Vorschulbildungsprozess bis zu
seiner Einschulung erwerben soll, zählen neben Lernbereitschaft,
Problemlösungskompetenz, sozialen, persönlichen, gesellschaftlichen Kompetenzen
und Handlungsfähigkeit auch kommunikative Kompetenzen. In der detaillierten
Beschreibung dessen, was in die kommunikativen Kompetenzen einfließt, heißt es in
einem der Punkte: „Ein Kind weiß am Ende der Vorschulbildungsphase, dass sich
Menschen auch in anderen Sprachen verständigen und dass man diese Sprachen
lernen kann. Es hat elementare Voraussetzungen zum Erlernen einer Fremdsprache
herausgebildet“ (RVP PV, 2004: 12). Fremdsprachen an sich spielen also in dieser
Bildungsphase keine bzw. nur eine untergeordnete Rolle, zumindest fehlen
verbindliche Vorgaben. Folglich liegt es im Ermessen jeder einzelnen Einrichtung,
die Angebotspalette über den geforderten Rahmen hinaus jeweils um weitere
Schwerpunkte zu erweitern. Solche Angebote umfassen neben
Fremdsprachenkursen auch künstlerische Aktivitäten, Sprachlerntherapien oder
Programme für hochbegabte Kinder7
.
Im Vergleich dazu sei an dieser Stelle stellvertretend auf ein Beispiel aus
Deutschland verwiesen, und zwar aus dem Bundesland Bayern8
. Der „Bayerische
Bildungs- und Erziehungsplan für Kinder in Tageseinrichtungen bis zur
Einschulung“, der im Jahre 2006 im Auftrag des Bayerischen Staatsministeriums für
Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen am Staatsinstitut für Frühpädagogik
entwickelt wurde, widmet sich im Kapitel 7.3. Sprache und Literacy der
zweisprachigen Erziehung der Kinder. Hier heißt es: „Eine konsequente
zweisprachige Erziehung ist eine besondere Chance. Diese erfordert allerdings
bestimmte Rahmenbedingungen. Voraussetzung ist u.a. der Einsatz zwei- bzw.
6
Vgl. Ministerstvo školství, mládeže a tělovýchovy [1], www.msmt.cz.
7
Von den 337 beim Institut für Informationen im Schulwesen aktuell registrierten
Vorschuleinrichtungen in Prag beispielsweise sind 48 als Kindergärten mit
Fremdsprachenunterricht ausgewiesen; bei vielen handelt es sich um private Einrichtungen. Die
Kindergärten bieten mehrheitlich Englischkurse an, aber auch weitere Sprachen werden
unterrichtet. Einige wenige Kindergärten sind zweisprachig oder als einsprachige (nicht
tschechische) ausgewiesen, darunter der Deutsche Kindergarten in Prag, der Deutsch-tschechische
Kindergarten in Vinohrady oder KinderWelt Maja in Prag 4. Vgl. Ústav pro informace ve školství
[2], www.uiv.cz.
8
In der Bundesrepublik Deutschland ist Bildung Ländersache. Aus diesem Grund existieren zum
gegenwärtigen Zeitpunkt auch 16 unterschiedliche Bildungspläne für die frühe Bildung in
Kindertageseinrichtungen. Der bayerische Bildungsplan gehört zu den detailliertesten.
24
mehrsprachiger Kräfte und ein auf zwei Sprachen ausgerichtetes pädagogisches
Konzept, das auf die Gleichberechtigung und gleichmäßige Gewichtung beider
Sprachen achtet. [...] Die frühe Begegnung mit anderen Sprachen ist ein erster
wichtiger Schritt auf dem Weg zur Mehrsprachigkeit. Dabei gilt es festzuhalten,
dass ein wöchentliches Angebot von einer, höchstens zwei Stunden kein fundiertes
Konzept für den Erwerb einer Zweitsprache ist“ (Bayerischer Bildungs- und
Erziehungsplan, 2006: 221 ff). Von Interesse erscheint darüber hinaus, dass in
besagtem Dokument selbst auf solche Details wie Differenzen einer korrekten
Aussprache bei Nichtmuttersprachlern (Erzieherinnen in den Kindertagesstätten)
eingegangen wird.
Im Jahre 2006 wurde der „Nationalplan für den Fremdsprachenunterricht“9
verabschiedet, der die angestrebten Fremdsprachenkompetenzen aller tschechischen
Bürgerinnen und Bürger in Anlehnung an die „Empfehlung der Kommission über
Mehrsprachigkeit“10
, wonach jeder EU-Bürger neben seiner Muttersprache
mindestens zwei Fremdsprachen beherrschen sollte, klar umriss. Der Nationalplan
wurde von einem ehrgeizigen „Aktionsplan für den Fremdsprachenunterricht für den
Zeitraum von 2005 – 2008“11
unterlegt, der speziell für die Vorschule das Ziel
absteckte, Englisch flächendeckend in allen Kindergärten als fakultatives Angebot
einzuführen. Darüber hinaus stellte er klare, hohe Forderungen hinsichtlich der
Qualifikation der Unterrichtenden. Es ist bedauernswert, dass kein weiterführendes
Dokument für den Zeitraum 2009 – 2012 auf den Weg gebracht wurde. In der Folge
gibt es bislang in der Tschechischen Republik relativ wenige greifbare Ergebnisse
seiner Umsetzung. Die Empfehlungen aus Brüssel in Bezug auf die
Mehrsprachigkeit werden allenfalls in den Grund- und Mittelschulen umgesetzt
(aber auch an diesen Bildungseinrichtungen ist gegenwärtig nur eine Fremdsprache
Pflicht). Für die Vorschulbildung liegen keine republikweiten Realisierungsmaßnah-
men vor. Zudem läuft die von der EU am 25. September 2009 gestartete
Aufklärungskampagne mit dem Namen Piccolingo zu kurze Zeit, um
aufschlussreiche Ergebnisse vorweisen zu können. Die Piccolingo-Kampagne, die
mit Hilfe des Unternehmens P.A.U. Education durchgeführt wird, soll nicht nur den
Eltern die Vorzüge eines frühen Beginns des Sprachenlernens nahe bringen, sondern
auch funktionierende Netzwerke ins Leben rufen. Gegenstand sind hier ebenfalls
zwei Fremdsprachen, die im Alter zwischen zwei und sechs Jahren erlernt werden
sollen12
.
Insgesamt lässt sich festhalten, dass nicht zuletzt dank des positiven Bildes, das in
den Medien über den frühkindlichen Fremdsprachenerwerb gezeichnet wird, in der
modernen tschechischen Gesellschaft ein relativ breiter Konsens darüber herrscht,
dass Fremdsprachen in der heutigen Zeit eine enorm wichtige Rolle spielen. Das
9
Vgl. Ministerstvo školství, mládeže a tělovýchovy [2], www.msmt.cz.
10
Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen
Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen – Eine neue Rahmenstrategie
für Mehrsprachigkeit, KOM (2005) 596, Brüssel, 22. November 2005.
11
Vgl. Ministerstvo školství, mládeže a tělovýchovy [3], www.msmt.cz.
12
Vgl. Informationen unter www.piccolingo.eu.
Silke Gester: Quo vadis, DaF? 25
Thema Fremdsprachen ist ständig präsent und zieht sich wie ein roter Faden durch
die Programmdiskussionen auf allen Bildungsstufen bis hin zur beruflichen Ebene.
Defizite werden in aller Deutlichkeit benannt, Lösungswege mitunter aufgezeigt.
Auch die alte deutsche Volksweisheit, wonach das, was „Hänschen nicht lernt, Hans
nur mit enormem Aufwand bewältigen kann“, scheinen die Tschechen durchaus zu
akzeptieren13
. Dennoch bleiben zahlreiche Fragen unbeantwortet, einige möchten
wir anschneiden und versuchen, mögliche Lösungen aufzuzeigen.
In vielen tschechischen Kindergärten wird Fremdsprachenunterricht14
in Form von
fakultativen Lerngruppen (zájmový kroužek) angeboten. Obwohl uns in Bezug auf
die Kosten solcher Kurse keine genauen Zahlen vorliegen, lässt sich aufgrund
unserer Beobachtungen davon ausgehen, dass die Fremdsprachenangebote vor allem
in den öffentlichen Kindergärten in der Regel kostenlos bzw. kostengünstig sind und
sich auf einige wenige Lerneinheiten pro Woche beschränken15
. In diesem
Zusammenhang sei auf den Bericht der Tschechischen Schulinspektion aus dem Jahr
2008 verwiesen, der den Titel „Fremdsprachenunterricht an den Schulen in den
Jahren 2005 – 2008“16
trägt. Im Schuljahr 2006/2007 besuchte die Behörde 635
Kindergärten um zu eruieren, ob die Einrichtungen den Kindern Fremdsprachen-
unterricht anbieten, wie der Unterricht organisiert ist und ob qualifizierte Lehrkräfte
zur Verfügung stehen. Von den inspizierten Kindergärten boten 47 Prozent
Fremdsprachenkurse an, wovon in 82 Prozent der Einrichtungen der Unterricht in
Form von freiwilligen Lerngemeinschaften erfolgte. In Bezug auf die Wahl der
Fremdsprache überwog Englisch eindeutig vor Deutsch, das in nur 4 Prozent der
Fälle angeboten wurde und meist auch nur dort, wo man bereits auf eine längere
Tradition verweisen konnte. In lediglich drei Kindergärten wurden sowohl Englisch-
als auch Deutschunterricht angeboten. Andere Sprachen gehörten nicht zum
Lernangebot. Im Durchschnitt nahmen 25 Prozent der Kinder an den Kursen teil. In
13
Dem Bericht der Tschechischen Schulinspektion aus dem Jahr 2008 zufolge haben 72 Prozent der
635 inspizierten Kindergärten die Eltern nach ihrem Interesse am Fremdsprachenunterricht für die
Kleinsten befragt. In 21 Prozent dieser Einrichtungen war die Mehrheit der Eltern für die
Einführung des Fremdsprachenunterrichts, in 17 Prozent hatte ungefähr die Hälfte der Eltern
Interesse gezeigt, in 62 Prozent der Einrichtungen stand jedoch nur weniger als die Hälfte der
Elternschaft diesem Vorhaben aufgeschlossen gegenüber. Vgl. Česká školní inspekce [1],
www.csicr.cz.
14
Wir möchten einschränkend hervorheben, dass wir im Zusammenhang mit der frühkindlichen
Bildung generell nicht gern den Begriff „Unterricht“ gebrauchen; im tschechischen Sprachgebrauch
wird jedoch auch für solche Lernformen üblicherweise das Wort výuka – dt. Unterricht verwendet.
15
So heißt es beispielsweise in einem Informationsblatt des Stadtbezirks Prag 6, in dem es um die
Frage des Englischunterrichts in den dortigen Kindergärten geht: „Der fremdsprachlichen Bildung
der Kinder widmen sich fast alle Kindergärten. Am häufigsten ist Gruppenunterricht unter
Ausnutzung von spielerischen Elementen anzutreffen. Die Organisation eines solchen Unterrichts
ist sehr variabel – sie erfolgt durch das Kindergartenpersonal, Eltern mit entsprechender
Qualifikation oder Sprachschulen, aber auch durch Muttersprachler. Ein unterschiedliches Niveau
gibt es ebenfalls in Bezug auf den Umfang des Unterrichts, insbesondere in Abhängigkeit vom Alter
und von den Fähigkeiten eines Kindes, von 30 Minuten bis zu 3 Stunden wöchentlich. Wiederum
überwiegt Englisch, in einem Fall werden auch Grundlagen des Französischen vermittelt.“
16
Vgl. Česká školní inspekce [1], www.csicr.cz.
26
einem zweiten Bericht der Tschechischen Schulinspektion aus dem Jahr 201017
, der
den Fremdsprachenunterricht in 115 Kindergärten zum Gegenstand hatte, heißt es,
dass von den 6629 Kindern, die diese Einrichtungen besuchten, 1196 am
Englischunterricht teilnahmen und gerade einmal 31 Kinder Deutsch lernten.
Welche Vorteile erwachsen Kindern, die schon sehr früh an eine Fremdsprache
herangeführt werden und welche Sprache sollte es sein? Petr Najvar (2008) sieht
keinen ursächlichen Zusammenhang zwischen frühkindlichem Fremdsprachen-
unterricht (hier: Englisch) und späteren Lernerfolgen in der Schule. In einer
empirischen Untersuchung verglich er das Niveau der Englischkenntnisse von 211
Achtklässlern aus 7 verschiedenen Schulen mit dem Ergebnis, dass diejenigen
Schüler, die bereits im Kindergarten Englischunterricht genossen hatten, beim Test
nicht wesentlich besser abschnitten als Gleichaltrige, die erst in der Grundschule
regulär mit dem Englischunterricht begonnen hatten. In einer weiteren Phase seiner
Untersuchung führte er Gespräche mit 16 Kindern, die in unterschiedlicher Weise
vom Durchschnitt abwichen (besonders gute oder schlechte Testergebnisse
aufwiesen, durch eine negative Einstellung zum Englischunterricht auffielen, eine
besonders intensive frühkindliche Ausbildung erfahren oder die Deutsch als erste
Fremdsprache gelernt hatten). Hier wurde jedoch deutlich, dass es erhebliche
Mängel in Bezug auf die Qualität der angebotenen Fremdsprachkurse gegeben
haben muss. Nicht selten beschränkten sich diese nämlich nur auf die Vermittlung
von isoliertem Wortschatz (Farben, Tiere, Familienangehörige usw.), auf einfache
syntaktische Strukturen oder das Erlernen von Kinderliedern18
.
Diese Erfahrungen decken sich weitgehend mit unseren Vor-Ort-Beobachtungen.
Auch der bereits erwähnte Bericht der Tschechischen Schulinspektion aus dem Jahre
2008 kommt zu ähnlichen Ergebnissen. Hier wurde vor allem die Qualifikation der
Lehrkräfte thematisiert mit dem Ergebnis, dass gerade einmal 6 Prozent der
Unterrichtenden sowohl eine Ausbildung als Kindergärtnerin als auch die
entsprechende Lehrbefähigung für die Fremdsprache besaßen. In 59 Prozent der
Fälle wurde der Unterricht durch externe Lehrkräfte abgesichert, die wiederum keine
fachliche Befähigung für die Arbeit im Kindergarten besaßen, also keine Kenntnisse
über die Spezifika der Entwicklung in dieser Altersklasse bzw. die entsprechenden
didaktischen Methoden hatten19
. Von Interesse erscheint darüber hinaus, dass dem
Bericht zufolge nur 36 Prozent der Einrichtungen, die einen solchen
Fremdsprachenunterricht anboten, auch den Verlauf dokumentierten und die
Qualität des Unterrichts auswerteten.
Im Jahr 2010 kommt die Tschechische Schulinspektion zu ähnlichen Ergebnissen.
Darüber hinaus wurde in jenem Jahr festgestellt, dass lediglich in 8 Prozent der 116
untersuchten Kindergärten Englisch täglich mit kurzen Sequenzen auf dem Lehrplan
17
Vgl. Česká školní inspekce [2], www.csicr.cz.
18
Die Problematik der Verwendung einer Metasprache, die Qualität der Ausbildung
nichtmuttersprachlicher Lehrpersonen und nicht zuletzt Schwierigkeiten mit der inkorrekten
Aussprache von Nichtmuttersprachlern sollen hierbei außer Acht gelassen werden.
19
Vgl. hierzu auch die Diskussion in der Zeitschrift Učitelské noviny, insbesondere den Beitrag von
Josef Vojáček in der Ausgabe 17/2006.
Silke Gester: Quo vadis, DaF? 27
stand, in fast zwei Drittel der Häuser erfolgte der Unterricht nur einmal wöchentlich.
Insofern erscheinen die Bemühungen vieler Vorschuleinrichtungen sicher
lobenswert, können jedoch auf lange Sicht als nicht effizient genug in Bezug auf die
Herausbildung einer wirklichen Zweisprachigkeit bezeichnet werden20
.
Was nicht in den offiziellen Statistiken erscheint, ist die Eigeninitiative der Eltern.
Mittlerweile haben sich in Tschechien einige Sprachschulen erfolgreich etabliert, die
Fremdsprachenkurse für die Kleinsten anbieten, meist für Englisch. Zu nennen wäre
an dieser Stelle u.a. Helen Doron, deren Methoden und Programme landesweit durch
Franchisenehmer verbreitet werden. Gute Erfolge erzielt auch die als „Babymusic“
bezeichnete Lernmethode von Helena Chaloupková, die im Raum Pardubice seit
einigen Jahren praktiziert wird. Für Deutsch als Fremdsprache wurde vom Goethe-
Institut ein Programm mit dem Titel „Hans Hase“ konzipiert, das sich „als
motivierendes Lernprogramm an Kinder zwischen 6 und 8 Jahren richtet. Die
Kinder sollen Spaß an der Beschäftigung mit der deutschen Sprache finden, eine
positive Einstellung zur deutschen Sprache und Kultur erhalten und generell offen
für Sprachen und Kulturen werden“ (www.goethe.cz).
Aus der Bildungsforschung weiß man, dass die frühen Jahre in jeder Hinsicht für die
Bildungsbiografie eines Kindes entscheidend sind. Die Kinder lernen aus eigenem
Antrieb, mit allen Sinnen, mit viel Neugier und großer Energie. Der
Zweitsprachenerwerb erfolgt spielerisch, in Interaktion mit der Umgebung, ohne
Anstrengung und Drill. Kinder unterscheiden in diesem Alter nicht nach
gesellschaftlich oder historisch relevanten Bezügen, Wohlklang oder Disharmonie,
wenn es um eine Fremdsprache geht21
. Die angebotenen Programme und andere
praktizierte Methoden basieren auf den wissenschaftlichen Erkenntnissen aus der
Hirnforschung, wonach in sogenannten Kritischen Phasen das Gehirn für bestimmte
Lernerfahrungen besonders empfänglich ist, weil dann die relevanten Synapsen
ausgewählt und miteinander verknüpft – also die entsprechenden Regionen des
Gehirns – strukturiert werden. Textor schreibt:
„Beispielsweise dauert die sensible Phase für den Spracherwerb bis zum 6. oder 7.
Lebensjahr. Das Baby kann schon alle Laute jeder Sprache dieser Welt unterscheiden, das
Kleinkind alle Phoneme korrekt nachsprechen. Innerhalb weniger Lebensjahre werden die
Synapsen eliminiert, die diese Leistung ermöglichen, aber nicht benötigt werden, da sich
das Kind in der Regel ja nur eine Sprache mit einer sehr begrenzten Zahl von Phonemen
aneignet. Deshalb kann ab dem Schulalter, insbesondere ab der Pubertät, eine neue Sprache
nicht mehr perfekt erlernt werden“ (Textor, 2010).
20
Genauere Untersuchungen zu den Vorzügen eines frühkindlichen Zweitsprachenerwerbs unter
Einbeziehung der qualitativen Aspekte der Ausbildung stehen unseres Wissens in Tschechien noch
aus.
21
So erbrachte die repräsentative ISEA-Studie 2010, dass von den befragten 1061 Probanden, die
alle älter als 15 Jahre waren, 3,5 Prozent angaben, Deutsch sei eine schwierige Sprache, und 7,3
Prozent waren der Meinung, dass die deutsche Sprache ihnen nicht gefalle. Meist wird in diesem
Zusammenhang das Argument gebracht, Deutsch sei eine „harte Sprache“, sie „klinge nicht gut“
usw. Immerhin gibt außerdem rund ein Drittel der Befragten an, dass einige Kapitel der deutsch-
tschechischen Geschichte sie vom Lernen der deutschen Sprache abhielten.
28
Helen Doron formuliert diese Erkenntnisse folgendermaßen: „Langzeitstudien
amerikanischer Wissenschaftler, die sich mit der Erforschung des menschlichen
Gehirns befassten, haben nachgewiesen, dass das Lernen einer weiteren Sprache im
frühen Kindesalter deshalb so erfolgreich ist, weil bis zum 7. Lebensjahr sämtliche
Eindrücke im Zusammenhang mit einer Sprache in ein und demselben
Gehirnbereich abgespeichert werden. Später wird für jede erlernte Sprache ein
anderes Neuronennetz gebildet, was ein Hin- und Herschalten zwischen den
einzelnen Netzen erforderlich macht und daher einen Mehraufwand bedeutet“
(www.helendoron.cz).
Chaloupková stellt die Musikerziehung, die Klangunterscheidung und die
Sensibilisierung des kindlichen Gehörs in den Vordergrund und erachtet bei der
Anwendung der geeigneten, auf die kognitiven Lernprozesse der Kinder
ausgerichteten und speziell auf die Bedürfnisse dieser Altersklasse zugeschnittenen
Lernmethoden die Tatsache, dass dadurch den Kindern eine sogenannte „unechte
Bilingualität“22
anerzogen wird, als angenehmen Nebeneffekt ihrer Arbeit.
(www.babymusic.cz)
Es ist sicher nicht die Aufgabe der vorliegenden Publikation, neurobiologische
Prozesse, die in der frühkindlichen Entwicklung im Zusammenhang mit dem
Zweitsprachenerwerb ablaufen, detailliert darzustellen und zu analysieren bzw.
fremdsprachendidaktische Methoden für entsprechende Kursprogramme zu
bewerten und anzubieten. Wir sind jedoch der Überzeugung, dass die Vermittlung
einer ersten oder zweiten Fremdsprache künftig in die Curricula aller
Vorschuleinrichtungen einfließen sollte, denn die momentane Situation kann auch
aus anderen Gründen nicht befriedigen.
Der Besuch privater Kindergärten, insbesondere einsprachiger (hier: nicht-
tschechischer) oder zweisprachiger, stellt hohe finanzielle Anforderungen an das
Familienbudget dar23
. Auch spezielle Sprachkurse, die regelmäßig besucht werden,
ziehen in der Regel enorme private Investitionen nach sich24
. Ein weiterer Nachteil
der privaten Bildungsinitiativen besteht darin, dass es eine Vielzahl von
kommerziellen Angeboten gibt, die für den Laien nicht immer überschaubar sind.
Auch die Tatsache, dass beim Übergang in die Grundschule die Kursinhalte nicht
mit den schulischen Curricula für den Fremdsprachenunterricht korrelieren,
erschwert die Entscheidung. In der Praxis bedeutet das nämlich in aller Regel, dass
ein Kind, das durch qualifizierte Lehrpersonen unter Anwendung effektiver
Sprachlernmethoden ab einem sehr frühen Alter fremdsprachlich gefördert wurde,
22
Unter „echter Bilingualität“ soll hier der Erwerb von zwei L1-Sprachen bei Kindern mit Eltern,
die beide eine unterschiedliche Muttersprache sprechen, verstanden werden. „Unechte Bilingualität“
führt zu ähnlichen Ergebnissen, jedoch mit Hilfe von gesteuertem Fremdsprachenerwerb.
23
Für die Anmeldung im Deutschen Kindergarten in Prag wird eine einmalige Gebühr von 16.000
Kronen fällig; der Jahresbeitrag für die Ganztagsbetreuung bewegt sich etwa um die 150.000
Kronen (www.dsp-praha.org). Zum Vergleich dazu: Das durchschnittliche Monatseinkommen liegt
Mitte des Jahres 2011 in Tschechien bei 23.984 Kronen (www.kurzy.cz).
24
So belaufen sich die Kosten für den Besuch von Kursen bei Helen Doron zwischen dem ersten
Lebensjahr und der Einschulung, wenn dies ohne längere Unterbrechung erfolgt, auf mehrere
Zehntausend Kronen.
Silke Gester: Quo vadis, DaF? 29
dann in der Schule in seinem Kenntnisstand den anderen Kindern weit voraus ist,
was im Lernverbund zwangsläufig zu heterogenen Klassenstrukturen führt.
Gleichzeitig muss jedoch auf Seiten der Eltern im Bestreben, ein Absinken des
erreichten Niveaus zu vermeiden, immer weiter privat in die Ausbildung des Kindes
investiert werden; alternativ nimmt man einen Kenntnisverlust in Kauf, da
Informationen im Gedächtnis, die nicht benötigt werden, mit der Zeit verloren
gehen. Aus zahlreichen Gesprächen wissen wir auch, dass Eltern bei früh
geförderten Kindern mitunter einen Rückgang des Interesses an der Fremdsprache
beobachten, sobald die Kinder den regulären Schulunterricht besuchen. Dies hängt
jedoch im weitesten Sinne mit dem Übergang von der natürlichen Umgebung, in der
sich der Aneignungsprozess bei ihnen bisher vollzogen hatte, in die institutionelle
Lernumgebung in der Schule zusammen. „Die impliziten Prozesse der Aneignung
einer Fremdsprache unterscheiden sich fundamental vom zielgerichteten Lernen in
der formalen Umgebung der Schule“ (Najvar, 2008: 35).
Die bisher dargestellten Sachverhalte in Bezug auf die frühkindliche
Zweitsprachenausbildung betreffen vor allem die englische Sprache. Wie wir
gesehen haben, werden Deutschkurse an Kindergärten kaum angeboten, Sprachkurse
in anderen Fremdsprachen (Französisch, Spanisch, Chinesisch u.a.) basieren fast
ausnahmslos auf Eigeninitiativen der Familien. Es stellt sich allerdings die Frage,
inwieweit die von der EU im Rahmen der Piccolingo-Kampagne geforderte
Zielsetzung der Beschäftigung mit zwei Fremdsprachen im Vorschulalter überhaupt
sinnvoll ist, wenn bislang noch nicht einmal für eine Fremdsprache
zufriedenstellende Ergebnisse erreicht werden (vgl. Najvar, 2008; Berichte der
Tschechischen Schulinspektion 2008 und 2010).
Von Interesse erscheinen in diesem Zusammenhang die „Homburger Empfehlungen
für eine sprachenteilige Gesellschaft in Deutschland und Europa“ aus dem Jahr
1980, in denen speziell für die Vorschule die Vermittlung einer Begegnungssprache,
einer europäischen Nachbarsprache, angeraten wird. Dies hätte den Vorteil, dass
eine solche Sprache erlebbar gemacht werden kann, beispielsweise durch
Patenschaften, Exkursionen u.a. Mit Deutschland und Österreich hat Tschechien
zwei deutschsprachige Nachbarländer, mit denen es viele historische, kulturelle und
gesellschaftliche Verknüpfungen gibt, die sich dafür nutzen ließen. Argumente, die
für Deutschkurse sprechen, also für die Vermittlung einer Begegnungssprache
Deutsch, finden sich sicher viele. Ebenso spielen aber auch Polnisch und Slowakisch
als erlebbare Sprachen der Nachbarn eine wichtige Rolle.
Zusammenfassend sind wir zu der Ansicht gekommen, dass die Anstrengungen
mittelfristig auf die Lösung der folgenden vordringlichen Probleme gerichtet werden
sollten, die sich in den Grundzügen mit den Zielen des „Nationalplans für den
Fremdsprachenunterricht“ aus dem Jahr 2006 decken:
1. Curriculare Einführung einer Fremdsprache in den Bildungsplan aller
Vorschuleinrichtungen. Aufgrund der nicht mehr übersehbaren Tatsache, dass sich
die englische Sprache im beginnenden 21. Jahrhundert in Europa weitgehend als
Lingua franca etabliert hat, sollte der Beschäftigung mit der englischen Sprache im
Vorschuljahr besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden. Allerdings ist eine
30
flächendeckende Einführung zu überdenken; vielmehr muss Raum für
Begegnungssprachen der Nachbarländer geschaffen werden, da hier durch
Sprachbegegnungen die Sprache für die Kinder lebendig und erlebbar werden
kann. Der Unterricht kann zunächst in Form von fakultativen Lerngruppen
erfolgen, später sollte er jedoch fester Bestandteil des Bildungsplans werden.
Insgesamt muss der Vorschulbildung im Rahmen eines nationalen
Gesamtsprachenkonzepts die gebührende Bedeutung beigemessen werden.
2. Einsatz von qualifizierten Lehrkräften für Fremdsprachen in den
Vorschuleinrichtungen. Dies setzt nicht zuletzt voraus, dass auch die pädagogisch-
didaktischen Methoden einer strengen Prüfung unterzogen werden müssen. Die
Piccolingo-Kampagne könnte dazu einen wichtigen Beitrag leisten. Es sollten gute
Beispiele aus der Praxis herangezogen und weiterentwickelt werden. Die neuen
Lehrprogramme und Konzepte müssen die notwendigen Grundlagen legen, auf
denen später in der Schule weiter aufgebaut wird. In der Ausbildung der
Erzieherinnen müssen eine oder mehrere Fremdsprachen fester Bestandteil werden
und auf die Verwertbarkeit in der täglichen Erziehungsarbeit zugeschnitten sein.
3. Zusammenwirken von Vorschuleinrichtungen und Elternschaft. Die Eltern
können einen wichtigen Beitrag für langfristige Erfolge ihrer Kinder bei der
Aneignung einer Zweitsprache leisten, indem sie sich aktiv in den Lernprozess
einbringen. Das bedeutet allerdings, dass die Eltern informiert sind, ihnen
didaktische Hinweise gegeben oder auch Materialien (CDs, Bücher u.a.) zur
Verfügung gestellt werden. Hier muss die Initiative von den
Bildungseinrichtungen ausgehen.
4. Sinnvolle Fortsetzung des Fremdsprachenunterrichts in den Grundschulen. Mit
der Einschulung darf keine Lernpause mehr entstehen, weil möglicherweise der
Fremdsprachenunterricht erst in der dritten Klasse einsetzt. Der Lehrplan sollte auf
den vorhandenen Grundlagen aufbauen, diese weiterentwickeln und auf ein
höheres Niveau heben. Die Forderung nach der Kontinuität und dem reibungslosen
Übergang zwischen den verschiedenen Bildungsstufen in Bezug auf Lernziele,
Inhalte und Unterrichtsmethoden deckt sich im Übrigen mit den Empfehlungen der
Autoren einer im Auftrag der Europäischen Kommission erstellten Studie zum
frühkindlichen Fremdsprachenerwerb (Blondin, Candelier, Edelenbos, 1998) und
geht über die Vorschulbildung hinaus.
5. Mehr fremdsprachliche Angebote in den Medien. Auch die Medien sollten ihren
Beitrag leisten, um die gesetzten Ziele zu erreichen. Dies betrifft vor allem
kindgerechte, fremdsprachliche Angebote in Rundfunk und Fernsehen, die nicht
nur sporadisch, sondern regelmäßig ausgestrahlt werden. Diese können didaktisch
aufbereitet oder im Original belassen sein. Das Angebot an fremdsprachlichen
Publikationen für diese Altersklasse sollte erweitert werden. Diese Forderung
wurde bereits 2001 im Weißbuch gestellt25
.
Gute Beispiele aus der Praxis belegen, dass die vorgenannten Zielsetzungen
keinesfalls nur auf dem Papier stehen müssen. Insbesondere dort, wo sich
25
Nationales Programm für die Entwicklung des Bildungswesens (NPV), 2001: 91.
Silke Gester: Quo vadis, DaF? 31
unterschiedliche Interessengruppen zusammenschließen, Kräfte bündeln und
Synergien entstehen lassen, werden sich nachhaltige Erfolge einstellen. Die
Effizienz einer frühkindlichen Förderung im Bereich des Zweitsprachenerwerbs
macht man sich beispielsweise in den deutsch-tschechischen bzw. österreichisch-
tschechischen Grenzregionen zunutze. Tschechisch gilt als schwer erlernbare
Sprache, vor allem im Erwachsenenalter, aber Tschechischkenntnisse stellen heute
schon eine wertvolle Zusatzqualifikation auf dem Arbeitsmarkt dar. Es entstehen
daher immer mehr bilinguale Kindertagesstätten entlang des Erzgebirges. Hier
lernen vor allem die tschechischen Kinder Deutsch, aber auch die deutschen Kinder
eignen sich elementare Formen der tschechischen Sprache an und profitieren durch
gelebte Interkulturalität vom Miteinander von Deutschen und Tschechen. Als
konkretes Beispiel sei auf die Kindertagesstätte Regenbogen im sächsischen
Oberwiesenthal verwiesen, die sich um 130 deutsche und 20 tschechische Kinder
kümmert. Hervorzuheben ist vor allem das breit angelegte interkulturelle Konzept
dieser Einrichtung. Darüber hinaus pflegen zahlreiche Kindergärten diesseits und
jenseits der Grenze Partnerschaften, besuchen sich gegenseitig und tauschen in
regem Dialog Erfahrungen aus.
Im Raum Niederösterreich / Südböhmen läuft derzeit ein Projekt mit einem
Volumen von knapp 1,5 Millionen Euro, das den Titel „Interkulturelle Bildung von
Kindern und Erwachsenen“ trägt. „Das Erlernen der deutschen und tschechischen
Sprache erfolgt ausschließlich im spielerischen Charakter im Rahmen des normalen
Tagesablaufs im Kindergarten. Dies ermöglicht den Kindern, ihre Nachbarn in der
Nähe zu verstehen und mit ihnen zu kommunizieren. Die Sprache unserer Nachbarn
zu lernen, ihr Leben, ihre Bräuche und das Land kennen zu lernen, kann den
Kindern eine tolle Chance für die Zukunft geben“ (www.ibke-at-cz.eu), so die
Zielstellung des Vorhabens.
Aber auch in Bezug auf Englisch ließen sich positive Beispiele anführen. In der
kleinen südostmährischen Gemeinde Strání wurde mit Beginn des Schuljahres
2009/2010 ein Projekt gestartet, das den Titel „Innovation und Erweiterung des
Englischunterrichts an der Grundschule Strání“ trägt. Die Grundschule Strání ist die
einzige ihrer Art in Tschechien, die den Englischunterricht in der 1. und 2. Klasse
aus Fördermitteln der Europäischen Union finanziert. Nach einer erfolgreichen
Anlaufphase soll später der Unterricht auch auf die Vorschulgruppe des örtlichen
Kindergartens ausgedehnt werden, um so einen lückenlosen Übergang von einer
Bildungsstufe zur nächsten zu gewährleisten (Davidová, www.strani.cz). Solche
durchdachten Konzepte bieten die Garantie für einen kontinuierlichen Bildungsweg
der Kinder.
Untersuchung – Fremdsprachenunterricht im Kindergarten
Wie wir im vorhergehenden Kapitel gesehen haben, rücken die Vorschüler bei der
Diskussion um den richtigen Zeitpunkt des Beginns mit der Beschäftigung von
Fremdsprachen immer stärker in den Vordergrund. Zahlreiche Kindergärten bieten
Englischunterricht in Form von Lernzirkeln an, andere Kinder nutzen die
Möglichkeiten, die private Sprachschulen bieten, einige werden von ihren Eltern
32
unterrichtet. Trotzdem sind wir von dem durch die Europäische Union formulierten
Ziel „eins plus zwei“ (zusätzlich zur Muttersprache noch zwei Fremdsprachen) in
Tschechien weit entfernt und es scheint, dass es trotz verstärkter Anstrengungen in
Bezug auf die Aufnahme zumindest einer Fremdsprache (meist Englisch) in die
Bildungsprogramme der Vorschuleinrichtungen noch erhebliche Schwierigkeiten zu
bewältigen geben wird. Vor allem die Eingliederung der Vorschulbildung in das
nationale Gesamtsprachenkonzept und die Vermeidung von Lernpausen beim
Übertritt in die Grundschulen gelten als Grundvoraussetzung für langfristige Erfolge
in der fremdsprachlichen Bildungsbiografie eines Kindes.
Daten, aus denen hervorgeht, wie viele Kinder in den Kindergärten welche Sprachen
lernen, werden nicht erhoben, da der Besuch einer Vorschuleinrichtung nicht vom
Gesetzgeber vorgeschrieben ist26
. Die Angaben der Tschechischen Schulinspektion
in ihrem Bericht aus dem Jahre 2008 betreffen beispielsweise nur die durch die
Behörde inspizierten 635 Kindergärten. Demnach nahmen im Durchschnitt 25
Prozent der Kinder am Fremdsprachenunterricht teil, obwohl die genauen Zahlen
zwischen den einzelnen Einrichtungen stark schwankten (zwischen 10 und 100
Prozent). Wir haben diese Sachlage zum Anlass genommen, um einmal zu
untersuchen, wie sich diese Situation in Zlín und Umgebung darstellt.
Den Angaben auf den offiziellen Internetseiten von Zlín zufolge gab es zum 30. Juni
2011 in der Stadt 24 Kindergärten, die sich in städtischer Trägerschaft befanden
(www.zlin.eu). Darüber hinaus bieten einige private und kirchliche Einrichtungen
ihre Dienste an. Wir haben mehrere Einrichtungen besucht und die Eltern gebeten,
sich zum Fremdsprachenunterricht im Kindergarten und außerhalb zu äußern. Ziel
war es herauszufinden, wie viele Kinder in der preprimaren Bildungsstufe bereits
bewusst an Fremdsprachen herangeführt werden, wo und wie dies geschieht und
welche Rolle die Eltern in diesem Prozess für sich sehen. Eine der proklamierten
Absichten der Piccolingo-Kampagne der EU besteht nämlich speziell in der
Aufklärung der Elternschaft über die Vorteile des frühkindlichen
Fremdsprachenerwerbs. Insgesamt nahmen 141 Probanden an der Befragung teil,
die sicher nicht als repräsentativ gewertet werden kann, aber dennoch interessante
Ergebnisse gebracht hat. Diese wollen wir im Folgenden vorstellen.
Die Befragung fand im Spätsommer 2011 statt und erfolgte mit Hilfe eines
Fragebogens27
, der 10 Fragen enthielt. Die meisten Antwortmöglichkeiten waren aus
Zeitgründen vorgegeben; die Befragten hatten allerdings die Möglichkeit, weitere
Gedanken zu ergänzen. Die folgende Grafik zeigt die Altersstruktur der Kinder,
deren Eltern an der Umfrage teilgenommen haben.
26
Das Institut für Informationen im Schulwesen erfasst alle Schüler und Studenten in der
Tschechischen Republik von der Grundschule bis zur Universität, die eine Fremdsprache erlernen,
und gibt zudem genau an, welche Fremdsprachen gelernt werden (www.uiv.cz).
27
Vgl. Anhang, Fragebogen 1.
Silke Gester: Quo vadis, DaF? 33
Abb. 3: Altersstruktur der Kinder
Zunächst wollten wir wissen, ob die Kinder überhaupt schon mit Fremdsprachen in
Berührung gekommen sind und wenn ja, mit welchen Sprachen. Als
Antwortmöglichkeiten waren „keine“ (weiter mit Frage 8), „Englisch“, „Deutsch“,
„Spanisch“ oder „andere“ vorgegeben. In keinem einzigen Fall wurde Spanisch
angekreuzt, es wurden auch keine weiteren Fremdsprachen hinzugefügt, obwohl
einige Eltern angaben, selbst Russisch, Italienisch, Französisch oder Slowakisch zu
beherrschen. Nur ein Kind lernt Englisch und Deutsch. Die folgende Tabelle und die
Grafik zeigen die Antworten der Eltern.
3 Jahre 4 Jahre 5 Jahre 6 Jahre
keine Fremdsprache 6 36 32 13
Englisch 7 13 24 7
Deutsch 0 0 2 0
Englisch und Deutsch 0 0 1 0
Tab. 1: Fremdsprachen, die die Kinder lernen
34
Abb. 4: Fremdsprachen, die die Kinder lernen
Wie aus der Abbildung ersichtlich ist, beschäftigen sich die meisten Kinder noch
nicht mit einer Fremdsprache (61 Prozent). Dieses Ergebnis weicht nur geringfügig
von den Feststellungen der Tschechischen Schulinspektion28
ab: Diese kam bei ihrer
Untersuchung im Jahr 2008 auf 75 Prozent. Zu berücksichtigen sind allerdings auch
die durch die Inspektion festgestellten starken Schwankungen (zwischen 10 und 100
Prozent Teilnahme an Englischkursen). In Zlín bieten ebenfalls nicht alle städtischen
Kindergärten Englischkurse an. Dadurch sind die Eltern gezwungen, sich selbst nach
passenden Kursen umzusehen oder ihr Kind zu Hause zu unterrichten. Dies ist
beispielsweise bei dem einen Kind, das zwei Fremdsprachen lernt, der Fall. Viele
Eltern bedauern die fehlenden Angebote der Bildungseinrichtungen und sind
unsicher bei der Wahl kommerziell angebotener Kurse, die das Familienbudget
erheblich belasten. Nicht selten stießen wir jedoch bei den Eltern auch auf die
Meinung, ihr Kind müsse erst die Muttersprache gut beherrschen, ehe es Sinn
mache, mit einer Fremdsprache zu beginnen.
Die nächste Frage bezog sich darauf, wo die Kinder lernen. Die Organisation von
Fremdsprachenkursen in Form von Lerngemeinschaften ist Sache eines jeden
Kindergartens. Wie wir bereits dargelegt haben, bietet bei Weitem nicht jede
Einrichtung solche Kurse an. Wenn dies nicht der Fall ist, können die Eltern auf
private Sprachschulen, die in der Regel auf die Arbeit mit Kindern im Vorschulalter
spezialisiert sind, oder auf häuslichen Unterricht ausweichen. Aufgrund der geringen
Anzahl der Kinder, die nicht Englisch lernen, haben wir in der folgenden Grafik
nicht weiter nach den Fremdsprachen differenziert und alle Lernenden zu einer
Gruppe zusammengefasst.
28
Vgl. Česká školní inspekce [1], www.csicr.cz.
Silke Gester: Quo vadis, DaF? 35
Abb. 5: Ort des Fremdsprachenunterrichts
Die Abbildung zeigt, dass die meisten Kinder im Kindergarten lernen, und zwar in
Form einer Lerngemeinschaft, für die sich Interessenten anmelden können. In einem
Kindergarten gehört Englisch zum Bestandteil des Bildungsplans und alle Kinder
nehmen am Unterricht teil. 7 Kinder besuchen eine Sprachschule und 12 Kinder
werden – meist aufgrund fehlender Angebote – privat unterrichtet.
Die nächste Frage bezog sich auf die Zeit, die der Fremdsprachenunterricht
einnimmt. Wie wir im vorhergehenden Kapitel bereits dargelegt haben, ist ein
Unterricht mit einer Dauer von einer Stunde pro Woche wenig effektiv, trotzdem
gaben die meisten Befragten an, dass ihr Kind nur einmal pro Woche an einem Kurs
teilnimmt. Die folgende Grafik zeigt die Verteilung der Antworten.
Abb. 6: Dauer des Fremdsprachenunterrichts
36
Warum der Unterricht nur auf eine Wochenstunde beschränkt bleibt, wurde speziell
bei den Sprachschulen häufig mit zu hohen Kosten begründet. 44 Mal erhielten wir
die Antwort, dass die Eltern für die Kosten der Kurse aufkommen müssten, 11 Mal
wurde diese Frage verneint. Von Interesse erscheint, dass lediglich in einem Fall, wo
ein Kind im Kindergarten an einem Englischkurs teilnimmt, für die Eltern keine
Kosten entstehen. Viele Eltern sagten uns außerdem in Einzelgesprächen, sie seien
nicht in der Lage, den Lernfortschritt zu messen, wollten andererseits dem Kind
wichtige Erfahrungen nicht vorenthalten. Sie entschieden sich deshalb mehrheitlich
für 1 Wochenstunde, um wenigstens die Vermittlung von elementaren Kenntnissen
zu gewährleisten. In Bezug auf die Messbarkeit des Lernfortschritts halten wir die
Aufklärung seitens der Bildungseinrichtungen für zwingend notwendig.
Die nächste Frage zielte auf die Gründe für das Erlernen der Fremdsprache ab.
Dabei waren vier Gründe vorgegeben und eine Antwort für ergänzende
Informationen freigelassen. Mehrfachnennungen waren möglich. Die folgende
Tabelle zeigt die Antworten der Eltern.
Gründe für das Erlernen der Fremdsprache
Mein Kind hat Freude an der Fremdsprache. 20
Mein Kind wird später in der Schule bessere Möglichkeiten haben. 24
Wir fahren oft im Urlaub ins Ausland. 6
Wir haben Freunde/Verwandte im Ausland. 10
Tab. 2: Gründe für das Erlernen der Fremdsprache
Die häufigste Antwort, die wir von den Probanden erhielten, beinhaltete, dass die
Eltern hoffen, den Kindern mit der frühkindlichen Förderung zu einem besseren
Start in der Schule zu verhelfen. Die möglicherweise entstehende Lernpause
zwischen dem Fremdsprachenerwerb im Kindergarten und dem Beginn des
Englischunterrichts wird dabei in Kauf genommen. Allerdings bieten heute auch
schon einige Grundschulen im Raum Zlín Englischkurse in der 1. und 2. Klasse auf
fakultativer Basis an. Die zweithäufigste Nennung, nämlich Freude und
Begeisterung für das Fremdsprachenlernen bei Kindern, spiegelt die im
vorhergehenden Kapitel getroffenen Aussagen darüber, dass Kinder Sprache(n) für
sich auf spielerische Weise, frei von Vorurteilen und Befindlichkeiten entdecken
und erschließen, wider. Die Erwachsenen sollten sich diesen natürlichen Drang
zunutze machen und das Kind entsprechend führen. Einige Probanden gaben an,
Freunde oder Verwandte im Ausland zu haben, was das Fremdsprachenlernen
erheblich erleichtert, weil dadurch die Sprache erlebbar und lebendig wird. Gleiches
gilt auch für Urlaubsreisen ins Ausland, sofern dort die Möglichkeit zur
fremdsprachlichen Kommunikation besteht.
Bei einer Frequenz von 1 Wochenstunde ist es zwingend notwendig, dass die Eltern
ihre Kinder beim Erlernen der Fremdsprachen unterstützen, damit sich
entsprechende Lernerfolge einstellen können. Manche Sprachschulen bieten den
Eltern Materialien an, die sie entweder käuflich erwerben können oder die im Preis
für den jeweiligen Sprachkurs bereits enthalten sind. Bei dieser Frage waren
wiederum drei Antwortmöglichkeiten vorgegeben, aus denen die Probanden
auswählen konnten, wobei Mehrfachnennungen möglich waren. Darüber hinaus
Silke Gester: Quo vadis, DaF? 37
konnten die Eltern zusätzliche Hilfestellungen angeben. Die folgende Tabelle zeigt
die Antworten, die wir erhielten.
Wie unterstützen Sie Ihr Kind beim Fremdsprachenlernen?
Ich spreche mit ihm zu Hause manchmal in der Fremdsprache. 31
Ich spiele ihm CD/DVD in der Fremdsprache vor. 33
Ich lese ihm Märchen in der Fremdsprache vor. 5
Tab. 3: Art der Unterstützung des Kindes beim Fremdsprachenunterricht
Am häufigsten spielen die Eltern den Kindern fremdsprachliche Medien (CD, DVD)
vor. In einigen Sprachschulen, wie z.B. bei Helen Doron, gehören solche Tonträger,
die käuflich zu erwerben sind, obligatorisch zum Basisprogramm und die Eltern
werden aufgefordert, diese regelmäßig abzuspielen. Die Medien bieten den Vorteil,
dass sie von Muttersprachlern besprochen wurden und somit eine akzentfreie
Vermittlung der Fremdsprache möglich ist. Nicht selten klangen in
Einzelgesprächen nämlich Befürchtungen an, dass man mehr Schaden anrichte,
wenn man das Kind frühzeitig an die inkorrekte Aussprache heranführe. Das erklärt
auch, warum nur sehr wenige Eltern ihren Kindern Märchen in der Fremdsprache
vorlesen. Immer wieder beklagten sich die Probanden zudem darüber, dass zu wenig
(kostengünstige) kindgerechte Angebote in den Buchläden vorhanden seien und
Bibliotheken nicht immer die passende Literatur vorhielten. 31 Probanden gaben an,
dass sie hin und wieder mit ihren Kindern in einer Fremdsprache sprechen, um die
Sprache erlebbar zu machen und das erworbene Wissen zu festigen. Das setzt
allerdings voraus, dass die Eltern Kenntnis über die Kursinhalte haben, was bei
Weitem nicht immer der Fall ist. Hier sind vor allem die Kindergärten gefragt, da
die meisten privaten Sprachschulen die Eltern als ihre Partner sehen und sie
entsprechend didaktisch anleiten.
Die nächste Frage beinhaltete den Grundgedanken der Piccolingo-Kampagne,
nämlich die Aufklärung der Eltern über die Vorzüge des frühkindlichen
Fremdsprachenerwerbs. Die Frage war als Entscheidungsfrage formuliert worden,
die nur zwei einander ausschließende Antworten zuließ. Von Interesse erscheint,
dass sich fast alle Probanden zu dieser Frage äußerten. 129 bejahten die Frage, ob
sie wüssten, dass Kinder im Vorschulalter leicht eine Fremdsprache erlernen
könnten, nur 9 verneinten dies und 3 machten keine Angaben. Dies zeugt von einem
hohen Grad des Bewusstseins in Bezug auf die gegenständliche Problematik, nicht
zuletzt dank des enorm großen Medieninteresses an diesem Thema.
Mit Hilfe der vorletzten Frage wurden die Eltern gebeten, sich dazu zu äußern, ob
sie sich breitere Angebote an Fremdsprachenkursen bzw. mehr Informationen
seitens der Kindergärten wünschten. Sie konnten dabei aus fünf vorgegebenen
Antworten auswählen oder eigene Vorschläge ergänzen. Mehrfachnennungen waren
möglich. Die folgende Tabelle zeigt die Antworten, die wir erhielten.
38
Wünschen Sie breitere Angebote an Fremdsprachenkursen oder mehr
Informationen seitens des Kindergartens?
Ich möchte mehr Kurse. 17
Ich möchte andere Sprachen. Welche? 1/Deutsch
Ich möchte eine verbesserte Qualität der Kurse. 17
Ich möchte mehr Material für zu Hause. 18
Ich möchte mehr Informationen darüber, wie ich mit meinem Kind besser
lernen kann.
35
Tab. 4: Erweiterung der Angebote und Informationen
Ein Viertel der Eltern gab an, dass sie sich mehr didaktische Anleitung wünschen,
um mit dem Kind besser lernen zu können. Die Aufklärung der Eltern in Bezug auf
das Fremdsprachenlernen wurde auch im vorhergehenden Kapitel gefordert und
entspricht den Vorgaben des „Aktionsplans für den Fremdsprachenunterricht für den
Zeitraum von 2005 – 2008“. Hier sind vor allem die öffentlichen Bildungseinrich-
tungen gefragt. Die didaktische Führung und Anleitung schließt entsprechende
Materialien ein (18 Nennungen). Manche Einrichtungen bieten Informationsveran-
staltungen an, in einigen wenigen werden Wortlisten ausgereicht oder sogar eigene
Zeitschriften verfasst. Die methodisch-didaktische Anleitung kann die Effizienz der
Kurse wesentlich verbessern und sollte zum obligatorischen Bestandteil jeder
Bildungsmaßnahme werden.
17 Probanden wünschen sich mehr Kurse. Dies war vor allem in den Kindergärten
der Fall, die bislang keine Sprachkurse organisieren. Ebenso viele waren der
Meinung, dass sich die Qualität der Kurse verbessern müsse. Wir mussten jedoch in
Einzelgesprächen feststellen, dass viele Erwachsene nur diffuse Vorstellungen über
den Lernfortschritt im Vorschulalter besitzen und die Fremdsprachenkurse der
Kinder mit Erwachsenenmaßstäben gemessen werden. Dies unterstreicht die
Forderung nach verbesserter Aufklärung der Elternschaft in Bezug auf das
Lernverhalten, Lernstrategien und erzielte Lernerfolge. Von Interesse erscheint, dass
nur 1 Proband Sprachkurse in anderen Sprachen einforderte, und zwar Deutsch. Wir
haben vor allem in vertiefenden Einzelgesprächen den Eindruck gewonnen, dass
viele Eltern bereits mit einer Fremdsprache überfordert sind und das Ziel „eins plus
zwei“ derzeit wenig realistisch erscheint.
Abschließend baten wir die Eltern um eine Selbsteinschätzung ihrer
Fremdsprachenkenntnisse. Diese konnten sie je nach Sprache auf einer Skala
zwischen 1 = sehr gute Kenntnisse und 5 = Grundkenntnisse bewerten. Im
Folgenden sind die Antworten der Eltern dargestellt.
Silke Gester: Quo vadis, DaF? 39
Abb. 7: Fremdsprachenkenntnisse der Eltern – Englisch
44 Befragte gaben an, durchschnittliche Englischkenntnisse zu besitzen, das ist
knapp ein Drittel. Als „gut“ bis „sehr gut“ bewertet ein Viertel der Befragten seine
kommunikativen Fähigkeiten. Im Vergleich zur repräsentativen Umfrage des
Instituts für soziale und ökonomische Analysen (ISEA) zu den fremdsprachlichen
Kompetenzen der Tschechen aus dem Jahr 2010, bei der die Probanden ihre
Kenntnisse nach den Kriterien „ziemlich gut“ (27 Prozent) und „sehr gut“ bzw.
„problemlos in Wort und Schrift“ (10 Prozent) klassifizierten, schnitten die
Befragten in Zlín besser ab. Bei subjektiven Einschätzungen ist jedoch immer mit
einer Fehlerquote zu rechnen.
Interessant ist die Tatsache, dass selbst Eltern, die ihre Kenntnisse mit
„durchschnittlich bis gering“ bewerten, mit ihren Kindern Englisch kommunizieren
oder zumindest versuchen, sie über isolierte Lexeme und einfache syntaktische
Strukturen an die Fremdsprache heranzuführen.
Im Gesamtmaßstab relativ gering ist die Gruppe derjenigen, die angaben, überhaupt
keine Englischkenntnisse zu besitzen (24 Prozent).
40
Abb. 8: Fremdsprachenkenntnisse der Eltern – Deutsch
Im Vergleich zur ISEA-Studie von 2010 schnitten bei den Deutschkenntnissen die
Zlíner Befragten genauso ab wie der Landesdurchschnitt, denn auch hier gaben 5
Prozent der Befragten an, sehr gute Deutschkenntnisse zu besitzen (ISEA: 5
Prozent), und 20 Prozent können sich auf Deutsch verständigen (ISEA: 22 Prozent).
Würde man noch die erweiterten Grundkenntnisse hinzuzählen, ergäbe dies sogar
einen Wert von 34 Prozent.
Insgesamt 107 Probanden sprechen Englisch und 71 Deutsch, 48 Befragte
beherrschen beide Fremdsprachen, das sind 38 Prozent (ISEA: 14 Prozent). Darüber
hinaus wurden zahlreiche andere Fremdsprachen angegeben, die die Eltern sprechen,
wie beispielsweise Italienisch, Slowakisch, Polnisch, Russisch, Französisch oder
Spanisch. Auf die detaillierte Analyse soll jedoch an dieser Stelle verzichtet werden.
Zusammenfassend lässt sich feststellen: Mehr als die Hälfte der Kinder, deren Eltern
an der Befragung in Zlín teilgenommen haben, ist bislang noch nicht in Kontakt mit
einer Fremdsprache gekommen. Diejenigen Kinder, die eine frühkindliche
fremdsprachliche Förderung erfahren, lernen fast ausnahmslos Englisch, die meisten
davon mit einer Frequenz von einer Wochenstunde. Die Eltern sind bemüht, den
Lernprozess zu unterstützen; bemängelt wurde neben einem zu geringen Angebot an
Fremdsprachenkursen seitens der Kindergärten vor allem die fehlende didaktische
Anleitung, um den Lernprozess bei den Kindern effizienter zu gestalten. Unserer
Meinung nach wird das Potential an frühkindlicher fremdsprachlicher Bildung bei
Weitem noch nicht adäquat genutzt.
2.2 Grundschulbildung
Bis zum gesellschaftlichen und politischen Umschwung im November 1989, der
auch als Samtene Revolution bezeichnet wird, war in der Tschechischen Republik
die einzige Pflichtfremdsprache an den Schulen Russisch. Der Russischunterricht
begann in der Regel im 5. Schuljahr. Je nach Schultyp folgte dann in der
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Silke Gester: Quo vadis, DaF?

  • 1.
  • 2. Quo vadis, DaF? Betrachtungen zu Deutsch als Fremdsprache in der Tschechischen Republik Silke Gester Radim Bačuvčík - VeRBuM, 2011
  • 3. KATALOGIZACE V KNIZE - NÁRODNÍ KNIHOVNA ČR Gester, Silke Quo vadis, DaF? : Betrachtungen zu Deutsch als Fremdsprache in der Tschechischen Republik / Silke Gester. – 1. vyd. – Zlín : VeRBuM, 2011. – 128 s. ISBN 978-80-87500-13-2 811.112.2 * 81'24 * 81'272 * (437.3) - němčina – Česko - jazyková výuka – Česko - jazyková politika – Česko – 2001-2020 - monografie 811.112.2 - Němčina [11] Recenzovali / Rezension: Univ.-Prof. Dr. Ulrich Ammon Dr. Bernd Schneider Monografii doporučila k publikaci Vědecká redakce nakladatelství VeRBuM / Die Monographie wurde von der wissenschaftlichen Redaktion des Verlags VeRBuM zur Veröffentlichung empfohlen © Silke Gester, 2011 © Radim Bačuvčík – VeRBuM, 2011 ISBN 978-80-87500-13-2 Monografie vznikla za finanční podpory Rozvojového fondu Fakulty humanitních studií Univerzity Tomáše Bati ve Zlíně / Die Monographie entstand mit der Unterstützung des Entwicklungsfonds der Fakultät für Humanwissenschaften der Thomas-Bata-Universität in Zlin
  • 5.
  • 6. Silke Gester: Quo vadis, DaF? 5 Vorwort Fragt man heute in Tschechien jemanden auf der Straße, ob Deutsch hierzulande denn noch wichtig sei, dann wird die Antwort zweifellos positiv ausfallen. Dabei spielen nicht nur die gemeinsame Geschichte oder kulturelle Kontakte eine große Rolle. Mit Deutschland und Österreich grenzen gleich zwei deutschsprachige Länder an die Tschechische Republik, von denen Deutschland außerdem Tschechiens wichtigster Handelspartner ist. Dennoch könnte man in jüngster Zeit den Eindruck gewinnen, dass das Interesse an der deutschen Sprache landesweit so drastisch gesunken ist, dass in absehbarer Zeit nur noch einige wenige Vertreter der älteren Generation in der Lage sein werden, sich mit den deutschsprachigen Nachbarn in deren Landessprache zu verständigen. Deutschlehrkräfte klagen allerorts darüber, dass in den Schulen fast keiner mehr Deutsch als Fremdsprache wähle, jeder nur noch Englisch bevorzuge und manch ein Kollege gar aus dem Schuldienst austreten musste. Vorschulbildung in Deutsch wird nicht selten als kaum realisierbares Unterfangen belächelt. Im Gegensatz zu diesem pessimistisch stimmenden Bild belegen jedoch zahlreiche Studien, dass die deutsche Sprache in der Tschechischen Republik auch im Zeitalter des Englischen als das universelle Kommunikationsmittel im 21. Jahrhundert nach wie vor eine wichtige Rolle spielt, und zwar vor allem in der Wirtschaft. Und auch jenseits der Grenzen hat man längst erkannt, dass die Beherrschung der Sprache der tschechischen Nachbarn langfristig betrachtet nicht nur am Arbeitsmarkt Vorteile bieten wird. Denn Sprache ist mehr als nur reines Verständigungsmittel – sie ist der Schlüssel zum gegenseitigen Verständnis, zur Entdeckung der jeweils fremden Kultur, des Andersseins, aber auch zur Erweiterung des eigenen Horizonts. Sie ist ein wichtiger Beitrag zum friedlichen Zusammenleben der Nationen. Wir haben es uns zur Aufgabe gemacht, mit der vorliegenden Publikation die aktuell vor allem emotional gefärbte und insofern relativ diffuse Situation rund um das Thema Deutsch als Fremdsprache in der Tschechischen Republik etwas eingehender zu beleuchten und dabei die Ergebnisse verschiedener Arbeiten zu diesem Thema zusammenzufassen und auszuwerten. Darüber hinaus wollten wir mit Hilfe eigener Untersuchungen herausfinden, ob sich landesweit in repräsentativen Umfragen ermittelte partielle Aussagen mit denen decken, die wir speziell für Mähren eruieren konnten. Sich mit natürlicher Sprache zu befassen, birgt immer die Gefahr, die Situation nicht in ihrer gesamten Dimension zu erfassen, da es sich um einen äußerst vielschichtigen und weitgehend subjektiv geprägten Gegenstand handelt, was sich zweifellos in den Umfrageergebnissen niederschlägt. Dennoch lassen sich gewisse Stimmungen feststellen und Tendenzen erkennen. Zudem geben langfristig angelegte Bildungsstrategien der Regierung ebenfalls bestimmte Rahmen- bedingungen für die Fremdsprachenpolitik eines Landes vor. Wir erheben dennoch mit unseren Untersuchungen keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern möchten vielmehr all denjenigen, die sich tagtäglich aus beruflichen oder privaten Gründen
  • 7. 6 mit der deutschen Sprache beschäftigen, sich für sie einsetzen, denen die Sprache der Dichter und Denker, wie sie auch heute noch bezeichnet wird, am Herzen liegt, deutlich machen, dass Deutsch in Tschechien in absehbarer Zeit weder aus der Gesellschaft noch aus der Wirtschaft verschwinden wird, dass eine Generation heranwächst, die sich sehr wohl dessen bewusst ist, dass Englisch als alleiniges Kommunikationsmittel nicht ausreichen wird, dass sich jedoch die Bildungsschwerpunkte künftig noch stärker in das früheste Kindesalter verschieben werden (müssen) und nicht nur an den Bildungseinrichtungen noch viele Möglichkeiten bislang ungenutzt geblieben sind. An dieser Stelle sei allen fleißigen Studenten des Studiengangs Deutsche Sprache für Managerpraxis an der Thomas-Bata-Universität Zlín (Univerzita Tomáše Bati ve Zlíně) gedankt, die durch ihren unermüdlichen Einsatz vor Ort die Entstehung der Monographie in dieser Form erst möglich gemacht haben, namentlich: Kateřina Ševčíková – Vorschulbildung, Petra Kalužová und Jana Seidlová – Grundschulbil- dung, Zdeněk Hrubý – Mittelschulbildung, Karel Vogl und Pavel Twyrdy – Tertiäre Bildung und lebenslanges Lernen sowie Jiří Matěj – Wirtschaft. Unser Dank gilt ebenfalls der Geisteswissenschaftlichen Fakultät der Thomas-Bata-Universität in Zlín für die Bereitstellung der erforderlichen finanziellen Mittel für den Druck. Gedankt sei an dieser Stelle ganz herzlich der Lektorin für deutsche Sprache am Gymnasium Lesní čtvrť in Zlín Walpurga Engelmann, die uns Einblick in die Arbeit der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen ermöglicht und viele praktische Erfahrungen vermittelt hat. Unser besonderer Dank gilt Herrn Prof. Dr. Ulrich Ammon von der Universität Duisburg-Essen und Herrn Dr. Bernd Schneider, der von 1998 bis 2004 am Goethe- Institut Prag als Referent für pädagogische Verbindungsarbeit tätig war und sich um den Bereich Deutsch im Beruf gekümmert hat, für ihre konstruktive Kritik und ihre wertvollen Hinweise. Zlín, im Oktober 2011 Silke Gester Mgr. Silke Gester, PhD. Univerzita Tomáše Bati ve Zlíně Fakulta humanitních studií Ústav jazyků Mostní 5139 CZ-76001 Zlín gester@fhs.utb.cz
  • 8. Inhaltsverzeichnis 1 EINLEITUNG ................................................................................................... 9 1.1 Allgemeines........................................................................................................................... 9 1.2 Stand der Forschung.......................................................................................................... 16 1.3 Institutionelle Förderer ..................................................................................................... 18 2 DEUTSCH IN DER LERNBIOGRAFIE .......................................................... 22 2.1 Frühkindliche Bildung....................................................................................................... 22 Untersuchung – Fremdsprachenunterricht im Kindergarten......................................................... 31 2.2 Grundschulbildung ............................................................................................................ 40 Untersuchung – Fremdsprachenunterricht in der Grundschule .................................................... 48 2.3 Mittelschulbildung ............................................................................................................. 59 Untersuchung – Fremdsprachenunterricht in der Mittelschule..................................................... 66 2.4 Tertiäre Bildung, lebenslanges Lernen ............................................................................ 73 Untersuchung – Fremdsprachen auf dem Arbeitsmarkt................................................................ 79 3 DEUTSCH IN DER WIRTSCHAFT ................................................................ 84 Untersuchung – Fremdsprachenbedarf in der Wirtschaft im Raum Zlín...................................... 89 4 ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK................................................... 104 SUMMARY.......................................................................................................... 106 RESUMÉ............................................................................................................. 107 LITERATURVERZEICHNIS................................................................................ 108 ANHANG............................................................................................................. 117 Verzeichnis der Abbildungen ..................................................................................................... 117 Verzeichnis der Tabellen ............................................................................................................ 117 Namensverzeichnis von tschechischen Behörden und Institutionen .......................................... 119 Verzeichnis der in der Arbeit verwendeten tschechischen Dokumente...................................... 120 Fragebogen 1 – Fremdsprachenbedarf im Kindergarten (Zlín) .................................................. 121 Fragebogen 2 – Fremdsprachenbedarf in der Grundschule (Hranice)........................................ 122 Fragebogen 3 – Fremdsprachenbedarf in der Grundschule (Znojmo)........................................ 123 Fragebogen 4 – Fremdsprachenbedarf in der Mittelschule (Blansko 1)..................................... 124 Fragebogen 5 – Fremdsprachenbedarf in der Mittelschule (Blansko 2)..................................... 125 Fragebogen 6 – Fremdsprachenbedarf in der Wirtschaft (Zlín).................................................. 126
  • 9.
  • 10. Silke Gester: Quo vadis, DaF? 9 1 Einleitung 1.1 Allgemeines Das Tschechische Amt für Statistik1 gibt in seinen Berichten an, dass zum 1. Januar 2011 in der Tschechischen Republik 10.532.770 Menschen lebten2 . Die Amtssprache des Landes ist Tschechisch. Die tschechische Sprache (čeština, český jazyk) gehört zum westslawischen Zweig der indogermanischen Sprachfamilie. Seit dem Beitritt Tschechiens zur Europäischen Union im Jahre 2004 ist Tschechisch eine der 23 Amtssprachen der EU. Einer europaweiten Befragung mit dem Titel „Die Europäer und ihre Sprachen“ zufolge, die im Februar 2006 veröffentlicht wurde, rangiert Deutsch, das auf dem Alten Kontinent von 85 Millionen Menschen als Muttersprache gesprochen wird, auf Platz eins vor Englisch und Italienisch, die sich Rang zwei teilen, gefolgt von Französisch auf dem dritten Platz3 . Tschechisch gilt im europäischen Maßstab demzufolge als eine „kleine Sprache“4 , das heißt eine Kultursprache mit relativ wenigen natürlichen Sprachträgern, im Vergleich etwa zum Deutschen oder auch zum Polnischen, der nach Russisch weltweit am häufigsten gesprochenen slawischen Sprache. In Ländern wie Tschechien kommt dem Erwerb und der Kenntnis von Fremdsprachen traditionell ein hoher Stellenwert zu5 . Unter den Mitgliedern der Nation herrscht ein tiefes Bewusstsein darüber, dass man sich nur in seltenen Fällen der Muttersprache bedienen kann, wenn es um die Kommunikation mit Angehörigen anderer Völker geht. Dieser Aufgeschlossenheit einerseits stehen jedoch handfeste Fakten gegenüber, die nicht so optimistisch stimmen: Bei einer repräsentativen Umfrage mit 1061 Probanden über 15 Jahren zu den Fremdsprachenkenntnissen der tschechischen Bevölkerung, die im Mai 2010 vom Zentrum für Meinungsforschung im Auftrag des Instituts für soziale und ökonomische Analysen (ISEA), des Goethe-Instituts und des Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds erstellt wurde, kam heraus, dass lediglich 27 Prozent der Menschen hierzulande die englische Sprache und 22 Prozent die deutsche Sprache „ziemlich gut“ beherrschen, aber 54 Prozent über keinerlei Fremdsprachenkenntnisse verfügen6 . Noch geringer ist die Anzahl 1 Wir verwenden in der vorliegenden Arbeit ausschließlich deutsche Übersetzungen für die Bezeichnungen der tschechischen Behörden und Institutionen (teilweise auch tschechische Akronyme), um den Lesefluss nicht zu unterbrechen. Ein Verzeichnis der tschechischen Originalbezeichnungen findet sich im Anhang des Buches. 2 Vgl. Český statistický úřad [1], www.czso.cz. 3 Vgl. Die Europäer und ihre Sprachen, Eurobarometer Spezial, Brüssel, 2006: 8 ff. 4 Zum Begriff der Kleinen Sprachen vgl. auch Čmejrková/Daneš, 1993: 19. 5 So findet sich auf der Homepage des tschechischen Schulministeriums eine gesonderte Rubrik, die sich ausschließlich mit dem Thema Fremdsprachliche Bildung befasst: www.msmt.cz/vzdelavani/jazykove-vzdelavani. 6 Sofern Dokumente oder Texte nicht in einer deutschen Fassung vorlagen, stammen die Übersetzungen von der Autorin selbst.
  • 11. 10 derjenigen, die zwei Fremdsprachen sprechen, nämlich gerade einmal 14 Prozent7 . Selbst wenn man in Betracht zieht, dass die Antworten auf freiwilliger Basis in Form einer Selbsteinschätzung der Befragten gegeben, also nicht auf der Grundlage eines Tests ermittelt wurden und Tschechen im Allgemeinen nicht selten dazu neigen, sich zu unterschätzen8 , somit die Prozentzahlen möglicherweise tatsächlich etwas höher liegen, können diese Ergebnisse keinesfalls befriedigen. Das vielsprachige Europa, die globalen Vernetzungen und wirtschaftlichen Verflechtungen brauchen Menschen, die in der Lage sind, mit der Welt zu kommunizieren. „Die Fähigkeit, neben seiner Muttersprache eine Fremdsprache zu beherrschen, wird zu einem der Schlüsselfaktoren für den Erfolg im Leben und des Lebensstils für die gesamte Bevölkerung ohne Rücksicht auf die Bildung,“ stellte der Leiter der Umfrage Petr Matějů fest. Er betonte auch die essentielle Rolle des Schulwesens in dieser Frage9 . In Bezug auf die deutschsprachigen Nachbarn fließt aus tschechischer Sicht jedoch auch eine historische Dimension in den Diskurs ein: In der Jahrhunderte währenden gemeinsamen Geschichte von Tschechen, Deutschen und Österreichern gibt es nicht nur Zeiten des friedlichen Nebeneinanders und Miteinanders beider Sprachen und Kulturen, sondern auch dunkle Momente, die geprägt waren von Hass und Neid, in denen Gräben gezogen wurden oder man sich bewusst von einer Nation und ihrer Sprache abwandte. Historische Befindlichkeiten sollen in der vorliegenden Arbeit nicht thematisiert werden, obwohl derartige Ereignisse sicher auch heute noch – bewusst oder unbewusst – in der gegenständlichen Debatte mitschwingen. So gab beispielsweise ein Drittel der Befragten bei der repräsentativen Umfrage zu Deutsch in Tschechien (ISEA-Studie) an, dass sie – selbst 65 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges – einige Kapitel der deutsch-tschechischen Geschichte vom Erlernen der deutschen Sprache abhalten würden10 . Bis zur Auflösung der Föderation am 31. Dezember 1992 und der Entstehung der Tschechischen und der Slowakischen Republik war das Land zweisprachig. Die tschechische und die slowakische Sprache, beide westslawische Sprachen, weisen zwar starke Gemeinsamkeiten, aber auch wesentliche Unterschiede auf. Sie existierten jedoch in der Tschechoslowakei über viele Jahrzehnte hinweg gleichberechtigt nebeneinander, und auch heute noch werden offizielle Dokumente in der jeweils anderen Sprache automatisch anerkannt11 . In der jüngeren Generation, 7 Wir verwenden für diese Studie im weiteren Text, sofern nicht anders angegeben, die Bezeichnung ISEA-Studie. Vgl. www.isea-cz.org (10. März 2011) und ČTK [1] unter www.ceskenoviny.cz (15. Dezember 2010). 8 Zu Kulturunterschieden in der deutsch-tschechischen Zusammenarbeit vgl. Schroll-Machl/Nový, 2003. 9 Žádným cizím jazykem se nedomluví polovina Čechů, ČTK [1], veröffentlicht am 15. Dezember 2010 (www.ceskenoviny.cz). 10 Die Ergebnisse der Studie wurden in Zlín am 24. März 2011 im Rahmen eines Workshops an der Thomas-Bata-Universität vorgestellt. 11 Vgl. Verwaltungsordnung (Správní řád 500/2004 Sb.) in Tschechien und Minderheits- sprachengesetz (Zákon o použivání jazykov národnostných menšin 184/1999 Zb.) in der Slowakei.
  • 12. Silke Gester: Quo vadis, DaF? 11 die erst nach der Trennung in Tschechien und Slowakei sprachlich sozialisiert wurde, sind allerdings größere Verstehensprobleme zu beobachten, da der tägliche Kontakt der Sprachen heute nicht mehr vorhanden ist. Trotz aller Bemühungen auf allen gesellschaftlichen und politischen Ebenen dürfte es jedoch auch in den nächsten Jahren kaum möglich sein, eine neue Bilingualität, und zwar jetzt Tschechisch-Englisch, zu schaffen, die so tief verwurzelt ist und eine solche Qualität aufweist, wie es zu Zeiten der Föderation in der Tschechoslowakei der Fall war. Bei der Beschäftigung mit dem Thema Fremdsprachen und Fremdsprachenpolitik12 lohnt sich der Blick zurück noch aus anderen Gründen. Nach dem Zweiten Weltkrieg, als die Tschechoslowakische Sozialistische Republik dem Warschauer Pakt angehörte, spielte Deutsch als Fremdsprache eine wichtige Rolle. Aus bündnispolitischen Gründen heraus wurde Russisch nicht nur hierzulande zur ersten und einzigen Pflichtfremdsprache erklärt, es blieb jedoch weitgehend unpopulär und wurde nicht selten bewusst gemieden. Vielmehr stieg Deutsch zu dieser Zeit zum wichtigsten Verständigungsmittel im Ostblock auf13 . Für die Tschechen bedeutete dies: Sie erlernten die Sprache der Nachbarn, des Bruderlandes DDR; sie hatten die Möglichkeit, durch vielfältige, auf allen Ebenen großzügig geförderte Kontakte die Sprache zu erleben. Englisch lag zu jener Zeit in der Rangliste der Fremdsprachen weit hinter Deutsch. Es wurde, wie alle westlichen Sprachen, aus ideologischen Gründen nicht nur im Bildungswesen gewollt vernachlässigt. Die Samtene Revolution und die Öffnung des Landes brachten in Tschechien zu Beginn der 1990er Jahre ein enormes Interesse an Fremdsprachen aller Art. Diese Zeit eines fast euphorischen Aufsaugens allen Wissens in überfüllten Klassen- räumen mit völlig veraltetem Lehrmaterial und wenigen technischen Hilfsmitteln ist noch weitgehend geprägt von einem ausgewogenen Interesse zwischen Englisch und Deutsch. In den folgenden Jahren sollte sich dieses Verhältnis jedoch immer stärker in Richtung der englischen Sprache verschieben. Mittlerweile hat sich das Englische weitgehend seinen Platz als universelles Kommunikationsmittel des 21. Jahrhunderts erobert. Englisch ist in 40 Ländern der Erde Amtssprache, weltweit sprechen es etwa 350 Millionen Menschen als Muttersprache. In der Europäischen Union ist es mit 38 Prozent die meistgelernte Fremdsprache14 und es gehört in fast allen Ländern Europas fest zum Curriculum der Schulen15 . Tschechien bildet hierbei keine Ausnahme. Im Jahr 2001 wurde das „Nationale Programm für die Entwicklung des Bildungswesens in der Tschechischen Republik“ 12 „Sprachenpolitik ist die Gesamtheit systematischer, vernünftiger und theoretisch fundierter Bemühungen, die eine Sprachsituation im Hinblick auf das Gesamtwohl der betreffenden Gemeinschaft der Sprachbenutzer verbessern soll. Sie wird von offiziellen Körperschaften ausgeführt und richtet sich auf die Bevölkerung (oder einen Teil von ihr), die der Jurisdiktion dieser Organe unterliegt“ (Grin, 2003: 30 zitiert in Dovalil, 2010: 43). 13 Vgl. Ammon, 1991. 14 Vgl. Die Europäer und ihre Sprachen, Eurobarometer Spezial, Brüssel, 2006. 15 Vgl. Der Fremdsprachenunterricht an den Schulen in Europa. Eurydice, 2001.
  • 13. 12 (Nationales Bildungsprogramm – NPV)16 , das sogenannte Weißbuch, vom Ministerium für Schulwesen, Jugend und Sport verabschiedet. Es ist das „grundlegende strategische Dokument für das gesamte Bildungssystem der Tschechischen Republik“ und versteht sich als „Systemprojekt, das die gedanklichen Ausgangspunkte, allgemeinen Vorhaben und Entwicklungsprogramme, die für die Entwicklung des Bildungssystems mittelfristig richtungsweisend sein sollen“, formuliert (S. 7). Das Weißbuch und das neue Schulgesetz17 erheben den Anspruch, sich „gegenseitig ergänzende Instrumente für die Änderungen im tschechischen Bildungswesen“ darzustellen (S. 8). Im „Nationalen Bildungsprogramm“ werden die notwendigen Entwicklungstrends für das tschechische Bildungssystem im kommenden Jahrzehnt definiert. In Bezug auf Fremdsprachen heißt es hier explizit: „Insbesondere der Fremdsprachenunterricht wird erheblich gestärkt. Sein Ziel ist es, sich in einer und schrittweise in zwei Fremdsprachen verständlich zu machen“ (S. 38). Zur Erreichung dieses Ziels sollte der Unterricht von zwei Fremdsprachen sukzessive in allen Schultypen eingeführt werden. Darüber hinaus sieht es vor, mit der ersten Fremdsprache in der 3. Klasse der Grundschule zu beginnen und allen Schülern die Wahl einer zweiten Fremdsprache in der Sekundarstufe der Grundschule zu ermöglichen. In Bezug auf die beiden Fremdsprachen, die ein Absolvent mit abgeschlossener Mittelschulbildung beherrschen sollte, wird speziell ausgewiesen, dass eine davon Englisch sein muss. Aufbauend auf dem Weißbuch wurden Rahmenbildungsprogramme (RVP) erlassen, und zwar das „Rahmenbildungsprogramm für die Vorschulbildung“ (RVP PV) aus dem Jahr 2004 (in Buchform veröffentlicht 2006), im Jahr 2007 das „Rahmenbil- dungsprogramm für die Grundschulbildung“ (RVP ZV), das „Rahmenbildungs- programm für die Gymnasien“ (RVP G), das „Rahmenbildungsprogramm für die Sportgymnasien“ (RVP GSP) sowie die „Rahmenbildungsprogramme für die mittlere Fachschulbildung“ (RVP SOV), letztere schrittweise in sogenannten Wellen, und zwar 2007 – 1. Welle, 2008 – 2. Welle, 2009 – 3. Welle und 2010 – 4. Welle. Es existieren noch weitere Rahmenbildungsprogramme, beispielsweise für Sprachschulen mit der Berechtigung zur Abnahme von staatlichen Prüfungen, für Förderschulen für Lernbehinderte, für Spezialschulen u.a.18 Die Rahmenbildungs- programme stellen die Schlüsselkompetenzen, ihre Verknüpfung mit den Bildungsinhalten sowie die Anwendung der Kenntnisse und Fertigkeiten in den Vordergrund. Sie stärken die Eigenverantwortung der Schulen und der Lehrer19 für 16 Wir verwenden in der vorliegenden Arbeit die Titel der tschechischen Dokumente nur in der deutschen Übersetzung (teilweise auch tschechische Akronyme), um den Lesefluss nicht zu behindern. Ein Verzeichnis der tschechischen Originalbezeichnungen findet sich im Anhang des Buches. 17 Gesetz Nr. 561/2004 Gslg. über Vorschul-, Grundschul-, Mittelschul- und höhere Fachschul- sowie andere Bildung (Schulgesetz), Ministerstvo školství, mládeže a tělovýchovy [12], www.msmt.cz. 18 Alle gültigen Dokumente (Rahmenbildungsprogramme) können auf den Internetseiten des Schulministeriums unter www.msmt.cz [1] oder des Pädagogischen Forschungsinstituts unter www.rvp.cz [1] eingesehen werden. 19 Zur Vermeidung der Nennung von Doppelformen verwenden wir in der vorliegenden Arbeit mitunter neutrale oder maskuline Formen und schließen dabei weibliche Personen mit ein.
  • 14. Silke Gester: Quo vadis, DaF? 13 die Lernergebnisse. Seit 2009 ist es für fast alle Bildungseinrichtungen verbindlich, auf der Grundlage des jeweiligen Rahmenbildungsprogramms ein eigenes Schulbildungsprogramm (ŠVP) auszuarbeiten. Die folgende Grafik stellt die Verknüpfungen der einzelnen Dokumente und den Zusammenhang zwischen der staatlichen und schulischen Ebene, also der Makro- und der Mikroebene, dar. Abb. 1: Verknüpfung des Nationalen Bildungsprogramms, der Rahmenbildungsprogramme und der Schulbildungsprogramme Den Fremdsprachen wird in den Rahmenprogrammen besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Den Ausgangspunkt der Forderung nach Muttersprache plus zwei Fremdsprachen („eins plus zwei“) bildet die 2005 in Brüssel verabschiedete „Neue Rahmenstrategie für Mehrsprachigkeit“. Die Mitteilung ergänzt den „Aktionsplan der Kommission zur Förderung des Sprachenlernens und der Sprachenvielfalt (2004 – 2006)“20 . Sie beinhaltet drei Grundlinien der EU-Politik im Bereich Mehrsprachigkeit: (1) den Zugang zu Rechtsprechung, Verfahren und Informationen der EU für alle Bürgerinnen und Bürger in der jeweiligen Landessprache, (2) die Betonung und weitere Stärkung der wichtigen Rolle der Sprachen und der Mehrsprachigkeit in der europäischen Wirtschaft sowie (3) die Ermutigung aller Bürgerinnen und Bürger, mehr Sprachen zu lernen und zu sprechen, um das gegenseitige Verstehen und die Kommunikation zu verbessern. Eine der zu erlernenden Fremdsprachen sollte der globalen Verständigung dienen, die zweite legt den Fokus auf lokale Kommunikation (Sprache der Nachbarländer, innerhalb multinationaler Regionen usw.). In beiden Dokumenten wird explizit darauf 20 Die neue Rahmenstrategie für Mehrsprachigkeit, der Aktionsplan der Kommission zur Förderung des Sprachenlernens und der Sprachenvielfalt (2004 – 2006) und der Bericht über die Durchführung des Aktionsplans „Förderung des Sprachenlernens und der Sprachenvielfalt“ von 2007 können auf den Seiten der Europäischen Kommission unter www.ec.europa.eu eingesehen werden.
  • 15. 14 hingewiesen, dass „Englisch allein nicht genügt“. Die Nationalstaaten sind aufgefordert, nationale Pläne auszuarbeiten, den Aktionen zugunsten der Mehrsprachigkeit eine Struktur zu geben, ihre Kohärenz zu sichern und ihnen die Richtung vorzugeben. Im Bericht über die Durchführung des Aktionsplans „Förderung des Sprachenlernens und der Sprachenvielfalt“ von 2007 heißt es, von der Kommission und den Mitgliedsstaaten seien signifikante Fortschritte bei der Umsetzung der im Aktionsplan ausgewiesenen Maßnahmen gemacht worden. Es wird allerdings angemahnt, dass gerade bei der Lehrerweiterbildung der Fokus immer noch zu stark auf Englisch liege. Die Tschechische Republik findet mit ihrem „Aktionsplan für den Fremdsprachenunterricht für den Zeitraum von 2005 – 2008“21 in diesem Papier auf Seite 14 besondere Erwähnung, obwohl die Umsetzung der hier angekündigten Vorhaben (Nationales Sprachenportal, Bildungsgutscheine für erwachsene Lernende) bis heute noch aussteht. Wir werden in der vorliegenden Arbeit noch mehrmals auf die vorgenannten Dokumente zu sprechen kommen. Welche Bedeutung kommt nun Deutsch als Fremdsprache im Jahr 2011 in der Tschechischen Republik zu? Es handelt sich um eine äußerst komplexe Frage mit vielen Facetten. Das Netzwerk Deutsch, das aus Vertretern des Auswärtigen Amtes, des Deutschen Akademischen Austauschdienstes, des Goethe-Instituts und der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen zur Förderung von Deutsch als Fremd- sprache besteht, publiziert alle fünf Jahre die umfangreichste und aktuellste Erhebung zu Deutsch als Fremdsprache. Diese Statistik verzeichnete im Jahr 2010 weltweit insgesamt 14.042.789 Deutschlerner. Das bedeutet um 2.675.912 weniger als im Jahr 200522 . In den Ländern des ehemaligen Ostblocks gab es einen besonders markanten Rückgang an Lernerzahlen. Die aktuelle Debatte um dieses Thema wird nicht nur in Deutschland sehr emotional geführt. Auch in Tschechien weisen die Statistiken einen ständigen Rückgang der Anzahl von Schülern, die Deutsch als Fremdsprache wählen, aus. Die Deutschlehrerverbände schlagen Alarm. Die folgende Grafik verdeutlicht dies anhand der Schülerzahlen, die in den Schuljahren von 1995/1996 bis 2009/2010 am Englisch- bzw. Deutschunterricht teilnahmen. 21 Vgl. Ministerstvo školství, mládeže a tělovýchovy [2], www.msmt.cz. 22 Die deutsche Sprache in der Welt: „Netzwerk Deutsch“ Datenerhebung 2010, www.goethe.de.
  • 16. Silke Gester: Quo vadis, DaF? 15 Abb. 2: Entwicklung der Schülerzahlen im Deutsch- und Englischunterricht zwischen 1995/1996 und 2009/2010 (Quelle: www.uiv.cz) Auch die Wirtschaft ringt um qualifizierte Mitarbeiter, die über Sprachkompetenzen in der deutschen Sprache verfügen – oftmals vergebens. Antworten allein in Tschechien zu suchen, wäre jedoch zu einseitig. In ganz Osteuropa ist das Interesse an der deutschen Sprache zurückgegangen; an ihre Stelle ist Englisch getreten, die Lingua franca des beginnenden 21. Jahrhunderts, die zum globalen Verständigungsmittel aufgestiegen ist. Es wäre also zu einfach, das sinkende Interesse an der deutschen Sprache mit einem generellen Imageverlust alles Deutschen zu erklären. Denn auch in den deutschsprachigen Ländern wächst die Anzahl derjenigen, die über ausreichende fremdsprachliche Kompetenzen verfügen, um auf Englisch mit Menschen aus aller Welt zu kommunizieren. Ob jedoch die momentan tatsächlich zu einseitig auf das Englische ausgerichtete tschechische Bildungspolitik die vorhandenen Defizite auszugleichen vermag und in der Zukunft die erhofften Erfolge wird vorweisen können, bleibt fraglich. Wie wir jedoch auch sehen werden, ist Deutsch in Tschechien unbestritten die Nummer zwei unter den Fremdsprachen, und alle interessierten Seiten – in Tschechien, in Deutschland und in Österreich23 – sollten zusammenwirken, um diese gute Position zu stabilisieren und weiter auszubauen. Wir sehen dies nicht nur als Herausforderung, sondern als echte Chance, nicht nur allein für den DaF-Unterricht. Der Bildungsbiografie eines jeden Menschen folgend gehen wir in der vorliegenden Arbeit zunächst auf die Vorschulbildung sowie den Grund- und Mittelschulunterricht ein, befassen uns in diesem Zusammenhang neben richtungsweisenden politischen Dokumenten (Makroebene) auch mit den relevanten Kriterien bei der Entscheidung zugunsten der einen oder anderen Fremdsprache 23 In einigen Arbeiten wird in Bezug auf die deutschsprachigen Länder der Begriff D-A-CH-Länder verwendet. Da die Schweiz aber kein eigenes Engagement in Bezug auf die DaF-Förderung in Tschechien hat, wollen wir in der vorliegenden Arbeit diesen Begriff nicht gebrauchen.
  • 17. 16 durch die Schüler und ihre Eltern (Mikroebene). Ferner beschäftigen wir uns mit der Hochschulbildung und dem Bereich des lebenslangen Lernens und werfen abschließend einen Blick auf den Fremdsprachenbedarf in der Wirtschaft, denn die Wahl für die eine oder andere Fremdsprache wird nicht selten von handfesten ökonomischen Beweggründen getragen. Für unsere Arbeit haben wir zahlreiche aktuelle Studien zum Thema ausgewertet, darüber hinaus lassen wir eigene Forschungsergebnisse einfließen. Wir hoffen, dass die vorliegende Publikation einen Beitrag leisten kann, um die künftige Arbeit und die notwendige Diskussion um das Thema Deutsch als Fremdsprache in Tschechien mit wichtigen Argumenten zu stützen. 1.2 Stand der Forschung Deutsch als Fremdsprache ist seit mehr als einem Vierteljahrhundert ein selbstständiger, interdisziplinärer Forschungsbereich der Germanistik mit den Forschungsschwerpunkten Linguistik, Didaktik, Landeskunde/Kulturwissenschaft und Literaturwissenschaft. Er stellt die Methoden und die Didaktik zum Erlernen der deutschen Sprache als Nichtmuttersprache und als Nichtzweitsprache sowohl in den deutschsprachigen Ländern als auch im Ausland bereit. Der erste Lehrstuhl wurde 1969 am Herder-Institut der Universität Leipzig von Gerhard Helbig besetzt. Allein an über 20 Universitäten und Hochschulen in Deutschland wird Deutsch als Fremdsprache im Magisterstudiengang angeboten. Deutsch als Fremdsprache im Sinne der linguistischen Ausrichtung ist mittlerweile gut erforscht. Neben sprachwissenschaftlichen Fragestellungen fließen hier vor allem pädagogisch-didaktische Aspekte ein, die in zahlreichen Arbeiten thematisiert werden. Zu den wichtigsten grundlagenorientierten Forschungsarbeiten zählen Glück (1991) und Rösler (1994; 2012 Neuerscheinung). Eine der umfangreichsten Arbeiten zu diesem Thema ist das 2001 erschienene zweibändige Werk Deutsch als Fremdsprache: Ein internationales Handbuch von Gerhard Helbig. Es bietet eine detaillierte Beschreibung des Deutschen als Fremdsprache als spezifisches Lehr- und Forschungsgebiet und befasst sich außerdem mit kontrastlinguistischen Erscheinungen zwischen Deutsch und ausgewählten Einzelsprachen. Darüber hinaus widmet es sich der Sprachenpolitik und Institutionen, die die Verbreitung der deutschen Sprache fördern. Gerhard Helbig ist auch Verfasser bzw. Mitverfasser mehrerer Lehrwerke für Deutsch als Fremdsprache, besonders hervorzuheben sind die Übungsgrammatiken (2000 u.a.). Die im Jahr 2002 erschienene Publikation Deutsch als Fremdsprache in Europa vom Mittelalter bis zur Barockzeit von Helmut Glück gibt einen umfassenden Überblick über die historischen Anfänge der Fremdsprachenvermittlung zu einer Zeit, als Latein auf dem Alten Kontinent die Rolle der Lingua franca zukam und Deutsch als Sprache des gemeinen Volkes galt. Es befasst sich mit den Sprachkontakten der Deutschen mit ihren Nachbarn und stellt erste Sprachbücher, Glossare, Lexika und Grammatiken vor.
  • 18. Silke Gester: Quo vadis, DaF? 17 Mit Grundfragen, Grundkonzepten und Grundpositionen der Fremdsprachen- erwerbsforschung und -didaktik unter Berücksichtigung linguistischer, psycho- linguistischer, lernpsychologischer und interkultureller Aspekte, nicht ausschließlich für Deutsch als Fremdsprache, befasst sich die Arbeit Fremdsprachenerwerb und Fremdsprachendidaktik von Jörg Roche, die 2008 herausgegeben wurde. Beim Peter-Lang-Verlag erscheint eine Reihe unter dem Titel Werkstatt Deutsch als Fremdsprache, deren Herausgeber Hartmut Schröder ist und die mittlerweile 86 erschienene Bände zählt. Der erste Band, der 1989 in 2. Auflage erschien, trägt den Titel Einführung in das Studium des Faches Deutsch als Fremdsprache von Rolf Ehnert (Herausgeber). Die folgenden Bände behandeln spezifische Fragen in einem äußerst breit gefächerten Spektrum (Linguistik, Didaktik, Kontaktlinguistik, Soziolinguistik u.v.a.). Hans-Jürgen Krumm, Christian Fandrych, Britta Hufeisen und Claudia Riemer sind die Herausgeber der Publikation Deutsch als Fremd- und Zweitsprache: Ein internationales Handbuch, das 2010 auf den Markt kam. Dieses Handbuch mit über 200 Autoren stellt umfassend das Gesamtgebiet Deutsch als Fremdsprache (weltweit) dar. Es enthält einen aktuellen und interdisziplinären Forschungsüberblick zu Fragen des Lehrens und Lernens von Deutsch als Fremd- und Zweitsprache. Darüber hinaus beleuchtet es die deutsche Sprache in 56 Ländern. Deutsch als Fremdsprache rückt in den letzten Jahren verstärkt in den Fokus der Soziolinguistik und der Soziologie, und zwar vor allem unter dem Eindruck des sinkenden Interesses an der deutschen Sprache, was sich nicht zuletzt weltweit in rückläufigen Lernerzahlen manifestiert. In Deutschland befasst sich u.a. Ulrich Ammon mit diesem Thema. Im Jahr 1991 erschien sein Werk Die internationale Stellung der deutschen Sprache. Hier wird die deutsche Sprache nach ihrem Gebrauch in den unterschiedlichsten Bereichen im Detail reflektiert und mit anderen Sprachen in Vergleich gesetzt. Ulrich Ammon ist außerdem Mitherausgeber der Zeitschrift Sociolinguistica, die in ihrer Ausgabe 24/2010 neben anderen Fragen auch speziell das Problem der Fremdsprachenpolitik Tschechiens thematisiert (Dovalil, S. 43-60). Mit Mehrsprachigkeit und Sprachenpolitik in Tschechien und anderen osteuropäischen Ländern befasst sich Hans-Jürgen Krumm in zahlreichen Arbeiten, so z.B. in Sprachen – Brücken über Grenzen; Deutsch als Fremdsprache in Mittel- und Osteuropa (beide 1999) oder Mehrsprachigkeit und die Rolle der deutschen Sprache, dieser Artikel erschien 2009/2010 in der tschechischen Zeitschrift Cizí jazyky. In Tschechien selbst wird die Fremdsprachenpolitik ebenfalls nicht kritiklos aufgenommen. Eine umfangreiche Arbeit zum Thema frühkindlicher Fremdsprachenerwerb stellt die Dissertation von Petr Najvar dar, die 2008 unter dem Titel Raná výuka cizích jazyků v České republice na přelomu 20. a 21. století erschien. Najvar analysiert zahlreiche weltweit erschienene Arbeiten, die der Frage nachgehen, ob das Erlernen einer Fremdsprache im Kindergarten bzw. in der Primarstufe der Grundschule sinnvoll ist, und wirft dabei einen kritischen Blick auf
  • 19. 18 die aktuelle Strategie des Tschechischen Schulministeriums in Bezug auf das Erlernen von Fremdsprachen. Im Vordergrund steht hier allerdings Englisch. Vít Dovalil geht in seinem 2010 in der Zeitschrift Sociolinguistica erschienenen Artikel der Frage nach, ob zwei Fremdsprachen in der Tschechischen Republik realistisch sind, und unterwirft die aktuelle tschechische Spracherwerbsplanung einer kritischen Betrachtung. Angesichts der Aktualität dieses Themas und des Rückgangs der Schülerzahlen im Deutschunterricht, des wachsenden Bedarfs an Mitarbeitern mit Deutschkenntnissen sowie der nach wie vor guten Aufstellung der Germanistik in der Tschechischen Republik24 ist davon auszugehen, dass die aufgeworfenen Fragen auch weiterhin im Fokus des Interesses stehen werden, was neben theoretischen Überlegungen vor allem auch die intensive Beschäftigung mit praktischen Aspekten sowie mit der gesellschaftlichen Reflexion und Relevanz des Themas einschließen muss. Die Fülle von Veröffentlichungen in der Tagespresse, aber auch Konferenzen und Seminare zu diesem Thema legen beredtes Zeugnis vom großen Interesse an der Problematik Deutsch als Fremdsprache und Sprachenpolitik in der Tschechischen Republik, nicht zuletzt im europäischen Kontext, ab. 1.3 Institutionelle Förderer Im Folgenden findet sich eine Übersicht über wichtige institutionelle Förderer für Deutsch als Fremdsprache, aber auch für Kontakte zwischen der Tschechischen Republik und den deutschsprachigen Ländern, auf die wir in den einzelnen Kapiteln teilweise noch ausführlicher zurückkommen werden. Der in Göttingen ansässige Fachverband für Deutsch als Fremdsprache versteht sich als Interessenvertretung für DaF-Lernende, DaF-Lehrende und DaF- Institutionen (www.fadaf.de). Im Ausland fördert das Goethe-Institut, ein gemeinnütziger Verein mit Hauptsitz in München, die Verbreitung der deutschen Sprache und Kultur. Es besitzt weltweit ein Netzwerk aus insgesamt 149 Goethe-Instituten, 39 Goethe-Zentren, 141 deutsch- ausländischen Kulturgesellschaften, zahlreichen Lesesälen sowie Prüfungs- und Sprachlernzentren. In der Tschechischen Republik befindet sich das Goethe-Institut in der Hauptstadt Prag, 2 Goethe-Zentren in České Budějovice und Pardubice sowie 3 Lesesäle in Brno, Olomouc und Pilsen. Landesweit gibt es 12 Prüfungspartner25 . Das Goethe-Institut bietet Sprachkurse und Prüfungen auf allen Stufen des Gemeinsamen europäischen Referenzrahmens für Sprachen an (www.goethe.de). Eine wichtige Rolle bei der Vermittlung der deutschen Sprache und Kultur kommt der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen (ZFA) mit Sitz in Köln zu, die weltweit etwa 1000 Schulen personell und finanziell fördert (www.auslandsschulwesen.de). An den 29 Partnerschulen in Tschechien (28 DSD- 24 In der Tschechischen Republik gibt es 16 Lehrstühle und Institute für Germanistik, z.B. in Prag, Brno, Olomouc oder Ostrava. 25 Die Angaben sind dem Jahrbuch des Goethe-Instituts 2010/2011 entnommen.
  • 20. Silke Gester: Quo vadis, DaF? 19 Schulen, 1 Deutsche Auslandsschule, 3 FIT-Schulen mit erweitertem Deutschunter- richt – vom Goethe-Institut betreut) haben die Schüler u.a. die Möglichkeit, das Deutsche Sprachdiplom der Kultusministerkonferenz (DSD) abzulegen. Zum DSD gibt es im Internet ein Wiki mit umfangreichen Materialsammlungen (www.wikis.zum.de/dsd/Materialien). Seit 85 Jahren ermöglicht der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD), die weltweit größte Förderorganisation ihrer Art, jedes Jahr Akademikerinnen und Akademikern aus der ganzen Welt, internationale Erfahrungen zu sammeln (www.daad.de). Das Netzwerk Deutsch ist eine Initiative des Auswärtigen Amtes, des Deutschen Akademischen Austauschdienstes, des Goethe-Instituts und der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen zur Förderung von Deutsch als Fremdsprache (www.goethe.de). Auftrag des Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds (Česko-německý fond budoucnosti) mit Sitz in Prag ist es, auf vielfältige Weise die Verständigung zwischen Deutschen und Tschechen zu fördern, die Zahl der beiderseitigen Begegnungen zu erhöhen und die Formen der Zusammenarbeit durch die Unterstützung von gemeinsamen Projekten zu erweitern (www.fondbudoucnosti.cz). Die in Köln ansässige Deutsch-Tschechische und -Slowakische Gesellschaft e.V. (DTSG) setzt sich seit 1983 für die Vertiefung und Ausweitung der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland, der Tschechischen Republik und der Slowakischen Republik in den Bereichen Kultur, Politik, Wirtschaft und Soziales ein (www.dtsg.de). Das Deutsch-Tschechische Gesprächsforum (Česko-německé diskusní forum) mit Sitz in Prag wurde am 27. Dezember 1997 auf der Grundlage der Deutsch- Tschechischen Erklärung vom 21. Januar 1997 gegründet. Es hat die Aufgabe, unter Beteiligung aller an einer engen und guten deutsch-tschechischen Partnerschaft interessierten Kreise den deutsch-tschechischen Dialog zu pflegen (www.diskusniforum.org). Die Brücke-Most-Stiftung mit Sitz in Dresden fördert die deutsch-tschechische Verständigung und Zusammenarbeit (www.bruecke-most-stiftung.de). Die 1947 gegründete, politisch unabhängige Vereinigung zur Pflege und Erforschung der deutschen Sprache, die Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS), unterhält in Tschechien eine ehrenamtlich geleitete Zweigstelle (www.gfds.de). Das Koordinierungszentrum Deutsch-Tschechischer Jugendaustausch – Tandem (Koordinační centrum česko-německých výměn mládeže) mit Sitz im bayerischen Regensburg und im westböhmischen Pilsen ist die zentrale Fachstelle in der Bundesrepublik Deutschland für den Jugend- und Schüleraustausch mit Tschechien (www.tandem-org.de). Das Deutsch-Tschechische Jugendforum (Česko-německé forum mládeže) ist eine Zusammenkunft 40 junger Menschen zwischen 16 und 26 Jahren aus Tschechien
  • 21. 20 und Deutschland, die sich für die Verbesserung und Vertiefung der deutsch- tschechischen Beziehungen und Zusammenarbeit aktiv einsetzen (www.cnfm.cz). Die Deutsch-Tschechische Industrie- und Handelskammer (Česko-německá obchodní a průmyslová komora) mit Sitz in Prag ist eine bilaterale Auslandshandelskammer im weltweit gespannten AHK-Netz, die den wirtschaftlichen Austausch zwischen der Tschechischen Republik und Deutschland aktiv fördert. Sie hat rund 550 Mitglieder und ist somit die größte bilaterale Außenhandelskammer in Tschechien. Sie unterstützt den Auf- und Ausbau der Geschäftsbeziehungen zwischen deutschen und tschechischen Firmen und setzt sich bei Politik und Verwaltung für unternehmensfreundliche Rahmenbedingungen in Tschechien ein (www.tschechien.ahk.de). Das Österreichische Sprachdiplom (ÖSD) ist ein gemeinnütziger Verein und wurde 1994 auf Initiative der österreichischen Bundesministerien für auswärtige Angelegenheiten, für Unterricht und Kultur sowie für Wissenschaft und Forschung eingeführt. In Tschechien gibt es derzeit 14 Prüfungszentren (www.osd.at). Eine wichtige Rolle bei der Umsetzung der auslandskulturpolitischen Ziele des Bundesministeriums für europäische und internationale Angelegenheiten spielen die Österreichischen Kulturforen. Das Österreichische Kulturforum Prag, die Kulturabteilung der Österreichischen Botschaft in Prag, existiert seit 1993. Seine Hauptziele sind die Präsentation der Kultur Österreichs in der Tschechischen Republik und die Pflege der kulturellen und wissenschaftlichen Beziehungen beider Länder (www.oekfprag.at). Die Österreich-Bibliotheken entstanden aus der Initiative der Kulturpolitischen Sektion des österreichischen Bundesministeriums für europäische und internationale Angelegenheiten, um die deutsche Sprache in den Ländern des ehemaligen Ostblocks nach 1989 zu verbreiten. In der Tschechischen Republik gibt es derzeit 7, und zwar in Brno, České Budějovice, Liberec, Olomouc, Opava, Pilsen und Znojmo (www.oesterreich-bibliotheken.at). Einer der 9 Standorte des Österreich Instituts im Ausland ist Brno. Das Österreich Institut wurde 1997 als gemeinnützige Gesellschaft mbH zur Durchführung von Deutschkursen, zur Unterstützung und Förderung des Deutschunterrichts im Ausland sowie zur Kooperation mit nationalen und internationalen Organisationen gegründet. Eigentümer der Gesellschaft ist die Republik Österreich, die Vertretung des Eigentümers nimmt das Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten wahr (www.oesterreichinstitut.cz). Der gemeinnützige Verein Österreich Kooperation in Wissenschaft, Bildung und Kunst mit Sitz in Wien hilft bei Auswahl, Entsendung und Betreuung der österreichischen Lektoren und Praktikanten an ausländischen Universitäten (www.oek.at). Das Österreichisch-Tschechische Dialogforum hat sich zum Ziel gesetzt, das Zusammenleben und die beiderseitige Verständigung zwischen österreichischen und tschechischen Bürgerinnen und Bürgern zu verbessern (www.a-cz-dialog.net).
  • 22. Silke Gester: Quo vadis, DaF? 21 Die Österreichisch-tschechische Gesellschaft Bereich Wirtschaft (Rakousko-česká hospodářská společnost) fördert die erfolgreiche Wirtschaftsentwicklung in den Regionen beiderseits der Grenze, die gemeinsame Zusammenarbeit und setzt sich für den Abbau von Behinderungen im Wirtschaftsverkehr ein (www.oetgw- rchs.org). Das Büro von Pro Helvetia in Prag, der Außenstelle der gleichnamigen Schweizer Kulturstiftung in der Tschechischen Republik, funktioniert als Austausch-, Vermittlungs- und Informationsstelle für tschechische und schweizerische Kulturschaffende. Ziel ist es, das gegenseitige Interesse für künstlerische Projekte zu wecken und das Verständnis für die unterschiedlichen Kulturen zu fördern (www3.pro-helvetia.ch). In České Budějovice befindet sich der Sitz des Vereins der Germanisten und Deutschlehrer (Spolek germanistů a učitelů němčiny – SGUN) mit derzeit etwa 200 Mitgliedern, der sich dafür einsetzt, „Deutsch das verlorene Prestige wiederzugeben“. Er organisiert Treffen und Workshops und gibt die Zeitschrift SGUNSchrift heraus, die neue Trends im Bildungswesen vorstellt und methodisch- didaktische Anregungen für den Deutschunterricht bietet (www.sgun.cz). Der Tschechische Germanistenverband (Svaz germanistů ČR) als Zusammenschluss von Institutionen und Einzelpersonen, die im Bereich der Wissenschaft tätig sind, und die Goethe-Gesellschaft in der Tschechischen Republik (Goethova společnost v České republice) haben ihren Sitz an der Philosophischen Fakultät der Karlsuniversität in Prag, und zwar am Institut für germanische Studien (www.svazgermanistu.cz, www.goethe.ff.cuni.cz/spolek.htm).
  • 23. 22 2 Deutsch in der Lernbiografie 2.1 Frühkindliche Bildung Kinder werden geboren, aber noch ehe sie zur Welt kommen, setzen die perzeptiven Lernprozesse ein1 . Später baut sich darauf ein konzeptuell fundierendes Wissen auf. Die Zeit zwischen der Geburt und der Einschulung ist also – vereinfacht ausgedrückt und vom linguistischen Blickwinkel her betrachtet – nicht nur im Hinblick auf die muttersprachliche Entwicklung für ein Kind von großer Bedeutung; diese Entwicklungsperiode rückt vielmehr auch im Zusammenhang mit dem Erlernen einer ersten Fremdsprache heute wieder verstärkt in den Fokus des Interesses. Im Folgenden möchten wir auf einige Fragen zum frühkindlichen Fremdsprachen- erwerb und dem Status quo in der Tschechischen Republik unter besonderer Berücksichtigung von Deutsch als Fremdsprache näher eingehen. Dem Tschechischen Amt für Statistik zufolge erblickten im Jahre 2010 in Tschechien 117.200 Kinder das Licht der Welt2 . Die meisten von ihnen wurden in monolinguale (hier: tschechische) Familien hineingeboren, das heißt, dass beide Elternteile tschechische Muttersprachler sind. Folglich wird ein solches Kind zunächst einmal auch nur mit einer Muttersprache3 heranwachsen. Das soziale System in Tschechien erlaubt es Müttern und Vätern, sich über eine relativ lange Zeit voll und ganz der Erziehung ihrer Sprösslinge zu widmen. Nach der aktuellen Gesetzgebung dauert der Erziehungsurlaub bis zum vollendeten vierten Lebensjahr eines Kindes. Obwohl die Vorschulbildung nicht gesetzlich vorgeschrieben ist, besuchen in der Regel jedoch die meisten Drei- bzw. Vierjährigen einen staatlichen oder privaten Kindergarten4 ; im Vorschuljahr besteht in Tschechien ein Anspruch auf einen Kindergartenplatz, das heißt, Kinder in diesem Alter werden auf Wunsch der Eltern bevorzugt im Kindergarten aufgenommen. Das im Jahr 2004 verabschiedete Schulgesetz5 ist für alle Stufen von der Vorschulbildung bis zur tertiären Bildung – ausgenommen die Hochschulen – verbindlich. Es erhebt die Vorschule zu einem legitimen Bestandteil des 1 Eine erste, auf sensorischen Wahrnehmungen beruhende und unbewusst wirkende Kategorie der menschlichen Informationsverarbeitung ist ein Perzept. Es ist ein sich assoziativ mit Bedeutung aufladendes Reizmuster (Mulhaup, 2011). 2 Vgl. Český statistický úřad [2], www.czso.cz. 3 Unter dem Begriff Muttersprache (mother tongue) verstehen wir die erste Sprache (first language, L1), die sich ein Individuum im Laufe seines Lebens aneignet. 4 Zum 30. September 2010 besuchten insgesamt 328.612 Kinder (2009: 314.008 Kinder) eine der 4.880 Vorschuleinrichtungen in der Tschechischen Republik, das sind etwa 95 Prozent aller Kinder. Im Schuljahr 2009/2010 waren 24.584 (2008/2009: 23.567) Erzieherinnen und Erzieher beschäftigt, das entspricht 13,3 Kindern pro Pädagogen. (Die Angaben sind den Statistiken des Instituts für Informationen im Schulwesen entnommen und können unter www.uiv.cz [1], [2] eingesehen werden.) 5 Vgl. Ministerstvo školství, mládeže a tělovýchovy [12], www.msmt.cz.
  • 24. Silke Gester: Quo vadis, DaF? 23 tschechischen Bildungssystems. Richtungsweisend für die Arbeit in den Kindergärten ist das „Rahmenbildungsprogramm für die Vorschulbildung“ (RVP PV) aus dem Jahr 20046 . Die Bildungsprinzipien werden in diesem Papier folgendermaßen formuliert: „Die Konzeption der Vorschulbildung basiert auf den gleichen Grundsätzen wie die übrigen Bereiche und Niveaustufen des Bildungswesens und lässt sich mit ihnen von gemeinsamen Zielen leiten: Sie ist darauf gerichtet, dass sich ein Kind vom frühesten Lebensalter an die Grundlagen der Schlüsselkompetenzen aneignet und die Voraussetzungen für lebenslanges Lernen erlangt, das es ihm ermöglicht, einfach und zuverlässig seinen Platz in der Wissensgesellschaft zu finden.“ (RVP PV, 2004: 6) Zu den Schlüsselkompetenzen, die ein Kind im Vorschulbildungsprozess bis zu seiner Einschulung erwerben soll, zählen neben Lernbereitschaft, Problemlösungskompetenz, sozialen, persönlichen, gesellschaftlichen Kompetenzen und Handlungsfähigkeit auch kommunikative Kompetenzen. In der detaillierten Beschreibung dessen, was in die kommunikativen Kompetenzen einfließt, heißt es in einem der Punkte: „Ein Kind weiß am Ende der Vorschulbildungsphase, dass sich Menschen auch in anderen Sprachen verständigen und dass man diese Sprachen lernen kann. Es hat elementare Voraussetzungen zum Erlernen einer Fremdsprache herausgebildet“ (RVP PV, 2004: 12). Fremdsprachen an sich spielen also in dieser Bildungsphase keine bzw. nur eine untergeordnete Rolle, zumindest fehlen verbindliche Vorgaben. Folglich liegt es im Ermessen jeder einzelnen Einrichtung, die Angebotspalette über den geforderten Rahmen hinaus jeweils um weitere Schwerpunkte zu erweitern. Solche Angebote umfassen neben Fremdsprachenkursen auch künstlerische Aktivitäten, Sprachlerntherapien oder Programme für hochbegabte Kinder7 . Im Vergleich dazu sei an dieser Stelle stellvertretend auf ein Beispiel aus Deutschland verwiesen, und zwar aus dem Bundesland Bayern8 . Der „Bayerische Bildungs- und Erziehungsplan für Kinder in Tageseinrichtungen bis zur Einschulung“, der im Jahre 2006 im Auftrag des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen am Staatsinstitut für Frühpädagogik entwickelt wurde, widmet sich im Kapitel 7.3. Sprache und Literacy der zweisprachigen Erziehung der Kinder. Hier heißt es: „Eine konsequente zweisprachige Erziehung ist eine besondere Chance. Diese erfordert allerdings bestimmte Rahmenbedingungen. Voraussetzung ist u.a. der Einsatz zwei- bzw. 6 Vgl. Ministerstvo školství, mládeže a tělovýchovy [1], www.msmt.cz. 7 Von den 337 beim Institut für Informationen im Schulwesen aktuell registrierten Vorschuleinrichtungen in Prag beispielsweise sind 48 als Kindergärten mit Fremdsprachenunterricht ausgewiesen; bei vielen handelt es sich um private Einrichtungen. Die Kindergärten bieten mehrheitlich Englischkurse an, aber auch weitere Sprachen werden unterrichtet. Einige wenige Kindergärten sind zweisprachig oder als einsprachige (nicht tschechische) ausgewiesen, darunter der Deutsche Kindergarten in Prag, der Deutsch-tschechische Kindergarten in Vinohrady oder KinderWelt Maja in Prag 4. Vgl. Ústav pro informace ve školství [2], www.uiv.cz. 8 In der Bundesrepublik Deutschland ist Bildung Ländersache. Aus diesem Grund existieren zum gegenwärtigen Zeitpunkt auch 16 unterschiedliche Bildungspläne für die frühe Bildung in Kindertageseinrichtungen. Der bayerische Bildungsplan gehört zu den detailliertesten.
  • 25. 24 mehrsprachiger Kräfte und ein auf zwei Sprachen ausgerichtetes pädagogisches Konzept, das auf die Gleichberechtigung und gleichmäßige Gewichtung beider Sprachen achtet. [...] Die frühe Begegnung mit anderen Sprachen ist ein erster wichtiger Schritt auf dem Weg zur Mehrsprachigkeit. Dabei gilt es festzuhalten, dass ein wöchentliches Angebot von einer, höchstens zwei Stunden kein fundiertes Konzept für den Erwerb einer Zweitsprache ist“ (Bayerischer Bildungs- und Erziehungsplan, 2006: 221 ff). Von Interesse erscheint darüber hinaus, dass in besagtem Dokument selbst auf solche Details wie Differenzen einer korrekten Aussprache bei Nichtmuttersprachlern (Erzieherinnen in den Kindertagesstätten) eingegangen wird. Im Jahre 2006 wurde der „Nationalplan für den Fremdsprachenunterricht“9 verabschiedet, der die angestrebten Fremdsprachenkompetenzen aller tschechischen Bürgerinnen und Bürger in Anlehnung an die „Empfehlung der Kommission über Mehrsprachigkeit“10 , wonach jeder EU-Bürger neben seiner Muttersprache mindestens zwei Fremdsprachen beherrschen sollte, klar umriss. Der Nationalplan wurde von einem ehrgeizigen „Aktionsplan für den Fremdsprachenunterricht für den Zeitraum von 2005 – 2008“11 unterlegt, der speziell für die Vorschule das Ziel absteckte, Englisch flächendeckend in allen Kindergärten als fakultatives Angebot einzuführen. Darüber hinaus stellte er klare, hohe Forderungen hinsichtlich der Qualifikation der Unterrichtenden. Es ist bedauernswert, dass kein weiterführendes Dokument für den Zeitraum 2009 – 2012 auf den Weg gebracht wurde. In der Folge gibt es bislang in der Tschechischen Republik relativ wenige greifbare Ergebnisse seiner Umsetzung. Die Empfehlungen aus Brüssel in Bezug auf die Mehrsprachigkeit werden allenfalls in den Grund- und Mittelschulen umgesetzt (aber auch an diesen Bildungseinrichtungen ist gegenwärtig nur eine Fremdsprache Pflicht). Für die Vorschulbildung liegen keine republikweiten Realisierungsmaßnah- men vor. Zudem läuft die von der EU am 25. September 2009 gestartete Aufklärungskampagne mit dem Namen Piccolingo zu kurze Zeit, um aufschlussreiche Ergebnisse vorweisen zu können. Die Piccolingo-Kampagne, die mit Hilfe des Unternehmens P.A.U. Education durchgeführt wird, soll nicht nur den Eltern die Vorzüge eines frühen Beginns des Sprachenlernens nahe bringen, sondern auch funktionierende Netzwerke ins Leben rufen. Gegenstand sind hier ebenfalls zwei Fremdsprachen, die im Alter zwischen zwei und sechs Jahren erlernt werden sollen12 . Insgesamt lässt sich festhalten, dass nicht zuletzt dank des positiven Bildes, das in den Medien über den frühkindlichen Fremdsprachenerwerb gezeichnet wird, in der modernen tschechischen Gesellschaft ein relativ breiter Konsens darüber herrscht, dass Fremdsprachen in der heutigen Zeit eine enorm wichtige Rolle spielen. Das 9 Vgl. Ministerstvo školství, mládeže a tělovýchovy [2], www.msmt.cz. 10 Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen – Eine neue Rahmenstrategie für Mehrsprachigkeit, KOM (2005) 596, Brüssel, 22. November 2005. 11 Vgl. Ministerstvo školství, mládeže a tělovýchovy [3], www.msmt.cz. 12 Vgl. Informationen unter www.piccolingo.eu.
  • 26. Silke Gester: Quo vadis, DaF? 25 Thema Fremdsprachen ist ständig präsent und zieht sich wie ein roter Faden durch die Programmdiskussionen auf allen Bildungsstufen bis hin zur beruflichen Ebene. Defizite werden in aller Deutlichkeit benannt, Lösungswege mitunter aufgezeigt. Auch die alte deutsche Volksweisheit, wonach das, was „Hänschen nicht lernt, Hans nur mit enormem Aufwand bewältigen kann“, scheinen die Tschechen durchaus zu akzeptieren13 . Dennoch bleiben zahlreiche Fragen unbeantwortet, einige möchten wir anschneiden und versuchen, mögliche Lösungen aufzuzeigen. In vielen tschechischen Kindergärten wird Fremdsprachenunterricht14 in Form von fakultativen Lerngruppen (zájmový kroužek) angeboten. Obwohl uns in Bezug auf die Kosten solcher Kurse keine genauen Zahlen vorliegen, lässt sich aufgrund unserer Beobachtungen davon ausgehen, dass die Fremdsprachenangebote vor allem in den öffentlichen Kindergärten in der Regel kostenlos bzw. kostengünstig sind und sich auf einige wenige Lerneinheiten pro Woche beschränken15 . In diesem Zusammenhang sei auf den Bericht der Tschechischen Schulinspektion aus dem Jahr 2008 verwiesen, der den Titel „Fremdsprachenunterricht an den Schulen in den Jahren 2005 – 2008“16 trägt. Im Schuljahr 2006/2007 besuchte die Behörde 635 Kindergärten um zu eruieren, ob die Einrichtungen den Kindern Fremdsprachen- unterricht anbieten, wie der Unterricht organisiert ist und ob qualifizierte Lehrkräfte zur Verfügung stehen. Von den inspizierten Kindergärten boten 47 Prozent Fremdsprachenkurse an, wovon in 82 Prozent der Einrichtungen der Unterricht in Form von freiwilligen Lerngemeinschaften erfolgte. In Bezug auf die Wahl der Fremdsprache überwog Englisch eindeutig vor Deutsch, das in nur 4 Prozent der Fälle angeboten wurde und meist auch nur dort, wo man bereits auf eine längere Tradition verweisen konnte. In lediglich drei Kindergärten wurden sowohl Englisch- als auch Deutschunterricht angeboten. Andere Sprachen gehörten nicht zum Lernangebot. Im Durchschnitt nahmen 25 Prozent der Kinder an den Kursen teil. In 13 Dem Bericht der Tschechischen Schulinspektion aus dem Jahr 2008 zufolge haben 72 Prozent der 635 inspizierten Kindergärten die Eltern nach ihrem Interesse am Fremdsprachenunterricht für die Kleinsten befragt. In 21 Prozent dieser Einrichtungen war die Mehrheit der Eltern für die Einführung des Fremdsprachenunterrichts, in 17 Prozent hatte ungefähr die Hälfte der Eltern Interesse gezeigt, in 62 Prozent der Einrichtungen stand jedoch nur weniger als die Hälfte der Elternschaft diesem Vorhaben aufgeschlossen gegenüber. Vgl. Česká školní inspekce [1], www.csicr.cz. 14 Wir möchten einschränkend hervorheben, dass wir im Zusammenhang mit der frühkindlichen Bildung generell nicht gern den Begriff „Unterricht“ gebrauchen; im tschechischen Sprachgebrauch wird jedoch auch für solche Lernformen üblicherweise das Wort výuka – dt. Unterricht verwendet. 15 So heißt es beispielsweise in einem Informationsblatt des Stadtbezirks Prag 6, in dem es um die Frage des Englischunterrichts in den dortigen Kindergärten geht: „Der fremdsprachlichen Bildung der Kinder widmen sich fast alle Kindergärten. Am häufigsten ist Gruppenunterricht unter Ausnutzung von spielerischen Elementen anzutreffen. Die Organisation eines solchen Unterrichts ist sehr variabel – sie erfolgt durch das Kindergartenpersonal, Eltern mit entsprechender Qualifikation oder Sprachschulen, aber auch durch Muttersprachler. Ein unterschiedliches Niveau gibt es ebenfalls in Bezug auf den Umfang des Unterrichts, insbesondere in Abhängigkeit vom Alter und von den Fähigkeiten eines Kindes, von 30 Minuten bis zu 3 Stunden wöchentlich. Wiederum überwiegt Englisch, in einem Fall werden auch Grundlagen des Französischen vermittelt.“ 16 Vgl. Česká školní inspekce [1], www.csicr.cz.
  • 27. 26 einem zweiten Bericht der Tschechischen Schulinspektion aus dem Jahr 201017 , der den Fremdsprachenunterricht in 115 Kindergärten zum Gegenstand hatte, heißt es, dass von den 6629 Kindern, die diese Einrichtungen besuchten, 1196 am Englischunterricht teilnahmen und gerade einmal 31 Kinder Deutsch lernten. Welche Vorteile erwachsen Kindern, die schon sehr früh an eine Fremdsprache herangeführt werden und welche Sprache sollte es sein? Petr Najvar (2008) sieht keinen ursächlichen Zusammenhang zwischen frühkindlichem Fremdsprachen- unterricht (hier: Englisch) und späteren Lernerfolgen in der Schule. In einer empirischen Untersuchung verglich er das Niveau der Englischkenntnisse von 211 Achtklässlern aus 7 verschiedenen Schulen mit dem Ergebnis, dass diejenigen Schüler, die bereits im Kindergarten Englischunterricht genossen hatten, beim Test nicht wesentlich besser abschnitten als Gleichaltrige, die erst in der Grundschule regulär mit dem Englischunterricht begonnen hatten. In einer weiteren Phase seiner Untersuchung führte er Gespräche mit 16 Kindern, die in unterschiedlicher Weise vom Durchschnitt abwichen (besonders gute oder schlechte Testergebnisse aufwiesen, durch eine negative Einstellung zum Englischunterricht auffielen, eine besonders intensive frühkindliche Ausbildung erfahren oder die Deutsch als erste Fremdsprache gelernt hatten). Hier wurde jedoch deutlich, dass es erhebliche Mängel in Bezug auf die Qualität der angebotenen Fremdsprachkurse gegeben haben muss. Nicht selten beschränkten sich diese nämlich nur auf die Vermittlung von isoliertem Wortschatz (Farben, Tiere, Familienangehörige usw.), auf einfache syntaktische Strukturen oder das Erlernen von Kinderliedern18 . Diese Erfahrungen decken sich weitgehend mit unseren Vor-Ort-Beobachtungen. Auch der bereits erwähnte Bericht der Tschechischen Schulinspektion aus dem Jahre 2008 kommt zu ähnlichen Ergebnissen. Hier wurde vor allem die Qualifikation der Lehrkräfte thematisiert mit dem Ergebnis, dass gerade einmal 6 Prozent der Unterrichtenden sowohl eine Ausbildung als Kindergärtnerin als auch die entsprechende Lehrbefähigung für die Fremdsprache besaßen. In 59 Prozent der Fälle wurde der Unterricht durch externe Lehrkräfte abgesichert, die wiederum keine fachliche Befähigung für die Arbeit im Kindergarten besaßen, also keine Kenntnisse über die Spezifika der Entwicklung in dieser Altersklasse bzw. die entsprechenden didaktischen Methoden hatten19 . Von Interesse erscheint darüber hinaus, dass dem Bericht zufolge nur 36 Prozent der Einrichtungen, die einen solchen Fremdsprachenunterricht anboten, auch den Verlauf dokumentierten und die Qualität des Unterrichts auswerteten. Im Jahr 2010 kommt die Tschechische Schulinspektion zu ähnlichen Ergebnissen. Darüber hinaus wurde in jenem Jahr festgestellt, dass lediglich in 8 Prozent der 116 untersuchten Kindergärten Englisch täglich mit kurzen Sequenzen auf dem Lehrplan 17 Vgl. Česká školní inspekce [2], www.csicr.cz. 18 Die Problematik der Verwendung einer Metasprache, die Qualität der Ausbildung nichtmuttersprachlicher Lehrpersonen und nicht zuletzt Schwierigkeiten mit der inkorrekten Aussprache von Nichtmuttersprachlern sollen hierbei außer Acht gelassen werden. 19 Vgl. hierzu auch die Diskussion in der Zeitschrift Učitelské noviny, insbesondere den Beitrag von Josef Vojáček in der Ausgabe 17/2006.
  • 28. Silke Gester: Quo vadis, DaF? 27 stand, in fast zwei Drittel der Häuser erfolgte der Unterricht nur einmal wöchentlich. Insofern erscheinen die Bemühungen vieler Vorschuleinrichtungen sicher lobenswert, können jedoch auf lange Sicht als nicht effizient genug in Bezug auf die Herausbildung einer wirklichen Zweisprachigkeit bezeichnet werden20 . Was nicht in den offiziellen Statistiken erscheint, ist die Eigeninitiative der Eltern. Mittlerweile haben sich in Tschechien einige Sprachschulen erfolgreich etabliert, die Fremdsprachenkurse für die Kleinsten anbieten, meist für Englisch. Zu nennen wäre an dieser Stelle u.a. Helen Doron, deren Methoden und Programme landesweit durch Franchisenehmer verbreitet werden. Gute Erfolge erzielt auch die als „Babymusic“ bezeichnete Lernmethode von Helena Chaloupková, die im Raum Pardubice seit einigen Jahren praktiziert wird. Für Deutsch als Fremdsprache wurde vom Goethe- Institut ein Programm mit dem Titel „Hans Hase“ konzipiert, das sich „als motivierendes Lernprogramm an Kinder zwischen 6 und 8 Jahren richtet. Die Kinder sollen Spaß an der Beschäftigung mit der deutschen Sprache finden, eine positive Einstellung zur deutschen Sprache und Kultur erhalten und generell offen für Sprachen und Kulturen werden“ (www.goethe.cz). Aus der Bildungsforschung weiß man, dass die frühen Jahre in jeder Hinsicht für die Bildungsbiografie eines Kindes entscheidend sind. Die Kinder lernen aus eigenem Antrieb, mit allen Sinnen, mit viel Neugier und großer Energie. Der Zweitsprachenerwerb erfolgt spielerisch, in Interaktion mit der Umgebung, ohne Anstrengung und Drill. Kinder unterscheiden in diesem Alter nicht nach gesellschaftlich oder historisch relevanten Bezügen, Wohlklang oder Disharmonie, wenn es um eine Fremdsprache geht21 . Die angebotenen Programme und andere praktizierte Methoden basieren auf den wissenschaftlichen Erkenntnissen aus der Hirnforschung, wonach in sogenannten Kritischen Phasen das Gehirn für bestimmte Lernerfahrungen besonders empfänglich ist, weil dann die relevanten Synapsen ausgewählt und miteinander verknüpft – also die entsprechenden Regionen des Gehirns – strukturiert werden. Textor schreibt: „Beispielsweise dauert die sensible Phase für den Spracherwerb bis zum 6. oder 7. Lebensjahr. Das Baby kann schon alle Laute jeder Sprache dieser Welt unterscheiden, das Kleinkind alle Phoneme korrekt nachsprechen. Innerhalb weniger Lebensjahre werden die Synapsen eliminiert, die diese Leistung ermöglichen, aber nicht benötigt werden, da sich das Kind in der Regel ja nur eine Sprache mit einer sehr begrenzten Zahl von Phonemen aneignet. Deshalb kann ab dem Schulalter, insbesondere ab der Pubertät, eine neue Sprache nicht mehr perfekt erlernt werden“ (Textor, 2010). 20 Genauere Untersuchungen zu den Vorzügen eines frühkindlichen Zweitsprachenerwerbs unter Einbeziehung der qualitativen Aspekte der Ausbildung stehen unseres Wissens in Tschechien noch aus. 21 So erbrachte die repräsentative ISEA-Studie 2010, dass von den befragten 1061 Probanden, die alle älter als 15 Jahre waren, 3,5 Prozent angaben, Deutsch sei eine schwierige Sprache, und 7,3 Prozent waren der Meinung, dass die deutsche Sprache ihnen nicht gefalle. Meist wird in diesem Zusammenhang das Argument gebracht, Deutsch sei eine „harte Sprache“, sie „klinge nicht gut“ usw. Immerhin gibt außerdem rund ein Drittel der Befragten an, dass einige Kapitel der deutsch- tschechischen Geschichte sie vom Lernen der deutschen Sprache abhielten.
  • 29. 28 Helen Doron formuliert diese Erkenntnisse folgendermaßen: „Langzeitstudien amerikanischer Wissenschaftler, die sich mit der Erforschung des menschlichen Gehirns befassten, haben nachgewiesen, dass das Lernen einer weiteren Sprache im frühen Kindesalter deshalb so erfolgreich ist, weil bis zum 7. Lebensjahr sämtliche Eindrücke im Zusammenhang mit einer Sprache in ein und demselben Gehirnbereich abgespeichert werden. Später wird für jede erlernte Sprache ein anderes Neuronennetz gebildet, was ein Hin- und Herschalten zwischen den einzelnen Netzen erforderlich macht und daher einen Mehraufwand bedeutet“ (www.helendoron.cz). Chaloupková stellt die Musikerziehung, die Klangunterscheidung und die Sensibilisierung des kindlichen Gehörs in den Vordergrund und erachtet bei der Anwendung der geeigneten, auf die kognitiven Lernprozesse der Kinder ausgerichteten und speziell auf die Bedürfnisse dieser Altersklasse zugeschnittenen Lernmethoden die Tatsache, dass dadurch den Kindern eine sogenannte „unechte Bilingualität“22 anerzogen wird, als angenehmen Nebeneffekt ihrer Arbeit. (www.babymusic.cz) Es ist sicher nicht die Aufgabe der vorliegenden Publikation, neurobiologische Prozesse, die in der frühkindlichen Entwicklung im Zusammenhang mit dem Zweitsprachenerwerb ablaufen, detailliert darzustellen und zu analysieren bzw. fremdsprachendidaktische Methoden für entsprechende Kursprogramme zu bewerten und anzubieten. Wir sind jedoch der Überzeugung, dass die Vermittlung einer ersten oder zweiten Fremdsprache künftig in die Curricula aller Vorschuleinrichtungen einfließen sollte, denn die momentane Situation kann auch aus anderen Gründen nicht befriedigen. Der Besuch privater Kindergärten, insbesondere einsprachiger (hier: nicht- tschechischer) oder zweisprachiger, stellt hohe finanzielle Anforderungen an das Familienbudget dar23 . Auch spezielle Sprachkurse, die regelmäßig besucht werden, ziehen in der Regel enorme private Investitionen nach sich24 . Ein weiterer Nachteil der privaten Bildungsinitiativen besteht darin, dass es eine Vielzahl von kommerziellen Angeboten gibt, die für den Laien nicht immer überschaubar sind. Auch die Tatsache, dass beim Übergang in die Grundschule die Kursinhalte nicht mit den schulischen Curricula für den Fremdsprachenunterricht korrelieren, erschwert die Entscheidung. In der Praxis bedeutet das nämlich in aller Regel, dass ein Kind, das durch qualifizierte Lehrpersonen unter Anwendung effektiver Sprachlernmethoden ab einem sehr frühen Alter fremdsprachlich gefördert wurde, 22 Unter „echter Bilingualität“ soll hier der Erwerb von zwei L1-Sprachen bei Kindern mit Eltern, die beide eine unterschiedliche Muttersprache sprechen, verstanden werden. „Unechte Bilingualität“ führt zu ähnlichen Ergebnissen, jedoch mit Hilfe von gesteuertem Fremdsprachenerwerb. 23 Für die Anmeldung im Deutschen Kindergarten in Prag wird eine einmalige Gebühr von 16.000 Kronen fällig; der Jahresbeitrag für die Ganztagsbetreuung bewegt sich etwa um die 150.000 Kronen (www.dsp-praha.org). Zum Vergleich dazu: Das durchschnittliche Monatseinkommen liegt Mitte des Jahres 2011 in Tschechien bei 23.984 Kronen (www.kurzy.cz). 24 So belaufen sich die Kosten für den Besuch von Kursen bei Helen Doron zwischen dem ersten Lebensjahr und der Einschulung, wenn dies ohne längere Unterbrechung erfolgt, auf mehrere Zehntausend Kronen.
  • 30. Silke Gester: Quo vadis, DaF? 29 dann in der Schule in seinem Kenntnisstand den anderen Kindern weit voraus ist, was im Lernverbund zwangsläufig zu heterogenen Klassenstrukturen führt. Gleichzeitig muss jedoch auf Seiten der Eltern im Bestreben, ein Absinken des erreichten Niveaus zu vermeiden, immer weiter privat in die Ausbildung des Kindes investiert werden; alternativ nimmt man einen Kenntnisverlust in Kauf, da Informationen im Gedächtnis, die nicht benötigt werden, mit der Zeit verloren gehen. Aus zahlreichen Gesprächen wissen wir auch, dass Eltern bei früh geförderten Kindern mitunter einen Rückgang des Interesses an der Fremdsprache beobachten, sobald die Kinder den regulären Schulunterricht besuchen. Dies hängt jedoch im weitesten Sinne mit dem Übergang von der natürlichen Umgebung, in der sich der Aneignungsprozess bei ihnen bisher vollzogen hatte, in die institutionelle Lernumgebung in der Schule zusammen. „Die impliziten Prozesse der Aneignung einer Fremdsprache unterscheiden sich fundamental vom zielgerichteten Lernen in der formalen Umgebung der Schule“ (Najvar, 2008: 35). Die bisher dargestellten Sachverhalte in Bezug auf die frühkindliche Zweitsprachenausbildung betreffen vor allem die englische Sprache. Wie wir gesehen haben, werden Deutschkurse an Kindergärten kaum angeboten, Sprachkurse in anderen Fremdsprachen (Französisch, Spanisch, Chinesisch u.a.) basieren fast ausnahmslos auf Eigeninitiativen der Familien. Es stellt sich allerdings die Frage, inwieweit die von der EU im Rahmen der Piccolingo-Kampagne geforderte Zielsetzung der Beschäftigung mit zwei Fremdsprachen im Vorschulalter überhaupt sinnvoll ist, wenn bislang noch nicht einmal für eine Fremdsprache zufriedenstellende Ergebnisse erreicht werden (vgl. Najvar, 2008; Berichte der Tschechischen Schulinspektion 2008 und 2010). Von Interesse erscheinen in diesem Zusammenhang die „Homburger Empfehlungen für eine sprachenteilige Gesellschaft in Deutschland und Europa“ aus dem Jahr 1980, in denen speziell für die Vorschule die Vermittlung einer Begegnungssprache, einer europäischen Nachbarsprache, angeraten wird. Dies hätte den Vorteil, dass eine solche Sprache erlebbar gemacht werden kann, beispielsweise durch Patenschaften, Exkursionen u.a. Mit Deutschland und Österreich hat Tschechien zwei deutschsprachige Nachbarländer, mit denen es viele historische, kulturelle und gesellschaftliche Verknüpfungen gibt, die sich dafür nutzen ließen. Argumente, die für Deutschkurse sprechen, also für die Vermittlung einer Begegnungssprache Deutsch, finden sich sicher viele. Ebenso spielen aber auch Polnisch und Slowakisch als erlebbare Sprachen der Nachbarn eine wichtige Rolle. Zusammenfassend sind wir zu der Ansicht gekommen, dass die Anstrengungen mittelfristig auf die Lösung der folgenden vordringlichen Probleme gerichtet werden sollten, die sich in den Grundzügen mit den Zielen des „Nationalplans für den Fremdsprachenunterricht“ aus dem Jahr 2006 decken: 1. Curriculare Einführung einer Fremdsprache in den Bildungsplan aller Vorschuleinrichtungen. Aufgrund der nicht mehr übersehbaren Tatsache, dass sich die englische Sprache im beginnenden 21. Jahrhundert in Europa weitgehend als Lingua franca etabliert hat, sollte der Beschäftigung mit der englischen Sprache im Vorschuljahr besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden. Allerdings ist eine
  • 31. 30 flächendeckende Einführung zu überdenken; vielmehr muss Raum für Begegnungssprachen der Nachbarländer geschaffen werden, da hier durch Sprachbegegnungen die Sprache für die Kinder lebendig und erlebbar werden kann. Der Unterricht kann zunächst in Form von fakultativen Lerngruppen erfolgen, später sollte er jedoch fester Bestandteil des Bildungsplans werden. Insgesamt muss der Vorschulbildung im Rahmen eines nationalen Gesamtsprachenkonzepts die gebührende Bedeutung beigemessen werden. 2. Einsatz von qualifizierten Lehrkräften für Fremdsprachen in den Vorschuleinrichtungen. Dies setzt nicht zuletzt voraus, dass auch die pädagogisch- didaktischen Methoden einer strengen Prüfung unterzogen werden müssen. Die Piccolingo-Kampagne könnte dazu einen wichtigen Beitrag leisten. Es sollten gute Beispiele aus der Praxis herangezogen und weiterentwickelt werden. Die neuen Lehrprogramme und Konzepte müssen die notwendigen Grundlagen legen, auf denen später in der Schule weiter aufgebaut wird. In der Ausbildung der Erzieherinnen müssen eine oder mehrere Fremdsprachen fester Bestandteil werden und auf die Verwertbarkeit in der täglichen Erziehungsarbeit zugeschnitten sein. 3. Zusammenwirken von Vorschuleinrichtungen und Elternschaft. Die Eltern können einen wichtigen Beitrag für langfristige Erfolge ihrer Kinder bei der Aneignung einer Zweitsprache leisten, indem sie sich aktiv in den Lernprozess einbringen. Das bedeutet allerdings, dass die Eltern informiert sind, ihnen didaktische Hinweise gegeben oder auch Materialien (CDs, Bücher u.a.) zur Verfügung gestellt werden. Hier muss die Initiative von den Bildungseinrichtungen ausgehen. 4. Sinnvolle Fortsetzung des Fremdsprachenunterrichts in den Grundschulen. Mit der Einschulung darf keine Lernpause mehr entstehen, weil möglicherweise der Fremdsprachenunterricht erst in der dritten Klasse einsetzt. Der Lehrplan sollte auf den vorhandenen Grundlagen aufbauen, diese weiterentwickeln und auf ein höheres Niveau heben. Die Forderung nach der Kontinuität und dem reibungslosen Übergang zwischen den verschiedenen Bildungsstufen in Bezug auf Lernziele, Inhalte und Unterrichtsmethoden deckt sich im Übrigen mit den Empfehlungen der Autoren einer im Auftrag der Europäischen Kommission erstellten Studie zum frühkindlichen Fremdsprachenerwerb (Blondin, Candelier, Edelenbos, 1998) und geht über die Vorschulbildung hinaus. 5. Mehr fremdsprachliche Angebote in den Medien. Auch die Medien sollten ihren Beitrag leisten, um die gesetzten Ziele zu erreichen. Dies betrifft vor allem kindgerechte, fremdsprachliche Angebote in Rundfunk und Fernsehen, die nicht nur sporadisch, sondern regelmäßig ausgestrahlt werden. Diese können didaktisch aufbereitet oder im Original belassen sein. Das Angebot an fremdsprachlichen Publikationen für diese Altersklasse sollte erweitert werden. Diese Forderung wurde bereits 2001 im Weißbuch gestellt25 . Gute Beispiele aus der Praxis belegen, dass die vorgenannten Zielsetzungen keinesfalls nur auf dem Papier stehen müssen. Insbesondere dort, wo sich 25 Nationales Programm für die Entwicklung des Bildungswesens (NPV), 2001: 91.
  • 32. Silke Gester: Quo vadis, DaF? 31 unterschiedliche Interessengruppen zusammenschließen, Kräfte bündeln und Synergien entstehen lassen, werden sich nachhaltige Erfolge einstellen. Die Effizienz einer frühkindlichen Förderung im Bereich des Zweitsprachenerwerbs macht man sich beispielsweise in den deutsch-tschechischen bzw. österreichisch- tschechischen Grenzregionen zunutze. Tschechisch gilt als schwer erlernbare Sprache, vor allem im Erwachsenenalter, aber Tschechischkenntnisse stellen heute schon eine wertvolle Zusatzqualifikation auf dem Arbeitsmarkt dar. Es entstehen daher immer mehr bilinguale Kindertagesstätten entlang des Erzgebirges. Hier lernen vor allem die tschechischen Kinder Deutsch, aber auch die deutschen Kinder eignen sich elementare Formen der tschechischen Sprache an und profitieren durch gelebte Interkulturalität vom Miteinander von Deutschen und Tschechen. Als konkretes Beispiel sei auf die Kindertagesstätte Regenbogen im sächsischen Oberwiesenthal verwiesen, die sich um 130 deutsche und 20 tschechische Kinder kümmert. Hervorzuheben ist vor allem das breit angelegte interkulturelle Konzept dieser Einrichtung. Darüber hinaus pflegen zahlreiche Kindergärten diesseits und jenseits der Grenze Partnerschaften, besuchen sich gegenseitig und tauschen in regem Dialog Erfahrungen aus. Im Raum Niederösterreich / Südböhmen läuft derzeit ein Projekt mit einem Volumen von knapp 1,5 Millionen Euro, das den Titel „Interkulturelle Bildung von Kindern und Erwachsenen“ trägt. „Das Erlernen der deutschen und tschechischen Sprache erfolgt ausschließlich im spielerischen Charakter im Rahmen des normalen Tagesablaufs im Kindergarten. Dies ermöglicht den Kindern, ihre Nachbarn in der Nähe zu verstehen und mit ihnen zu kommunizieren. Die Sprache unserer Nachbarn zu lernen, ihr Leben, ihre Bräuche und das Land kennen zu lernen, kann den Kindern eine tolle Chance für die Zukunft geben“ (www.ibke-at-cz.eu), so die Zielstellung des Vorhabens. Aber auch in Bezug auf Englisch ließen sich positive Beispiele anführen. In der kleinen südostmährischen Gemeinde Strání wurde mit Beginn des Schuljahres 2009/2010 ein Projekt gestartet, das den Titel „Innovation und Erweiterung des Englischunterrichts an der Grundschule Strání“ trägt. Die Grundschule Strání ist die einzige ihrer Art in Tschechien, die den Englischunterricht in der 1. und 2. Klasse aus Fördermitteln der Europäischen Union finanziert. Nach einer erfolgreichen Anlaufphase soll später der Unterricht auch auf die Vorschulgruppe des örtlichen Kindergartens ausgedehnt werden, um so einen lückenlosen Übergang von einer Bildungsstufe zur nächsten zu gewährleisten (Davidová, www.strani.cz). Solche durchdachten Konzepte bieten die Garantie für einen kontinuierlichen Bildungsweg der Kinder. Untersuchung – Fremdsprachenunterricht im Kindergarten Wie wir im vorhergehenden Kapitel gesehen haben, rücken die Vorschüler bei der Diskussion um den richtigen Zeitpunkt des Beginns mit der Beschäftigung von Fremdsprachen immer stärker in den Vordergrund. Zahlreiche Kindergärten bieten Englischunterricht in Form von Lernzirkeln an, andere Kinder nutzen die Möglichkeiten, die private Sprachschulen bieten, einige werden von ihren Eltern
  • 33. 32 unterrichtet. Trotzdem sind wir von dem durch die Europäische Union formulierten Ziel „eins plus zwei“ (zusätzlich zur Muttersprache noch zwei Fremdsprachen) in Tschechien weit entfernt und es scheint, dass es trotz verstärkter Anstrengungen in Bezug auf die Aufnahme zumindest einer Fremdsprache (meist Englisch) in die Bildungsprogramme der Vorschuleinrichtungen noch erhebliche Schwierigkeiten zu bewältigen geben wird. Vor allem die Eingliederung der Vorschulbildung in das nationale Gesamtsprachenkonzept und die Vermeidung von Lernpausen beim Übertritt in die Grundschulen gelten als Grundvoraussetzung für langfristige Erfolge in der fremdsprachlichen Bildungsbiografie eines Kindes. Daten, aus denen hervorgeht, wie viele Kinder in den Kindergärten welche Sprachen lernen, werden nicht erhoben, da der Besuch einer Vorschuleinrichtung nicht vom Gesetzgeber vorgeschrieben ist26 . Die Angaben der Tschechischen Schulinspektion in ihrem Bericht aus dem Jahre 2008 betreffen beispielsweise nur die durch die Behörde inspizierten 635 Kindergärten. Demnach nahmen im Durchschnitt 25 Prozent der Kinder am Fremdsprachenunterricht teil, obwohl die genauen Zahlen zwischen den einzelnen Einrichtungen stark schwankten (zwischen 10 und 100 Prozent). Wir haben diese Sachlage zum Anlass genommen, um einmal zu untersuchen, wie sich diese Situation in Zlín und Umgebung darstellt. Den Angaben auf den offiziellen Internetseiten von Zlín zufolge gab es zum 30. Juni 2011 in der Stadt 24 Kindergärten, die sich in städtischer Trägerschaft befanden (www.zlin.eu). Darüber hinaus bieten einige private und kirchliche Einrichtungen ihre Dienste an. Wir haben mehrere Einrichtungen besucht und die Eltern gebeten, sich zum Fremdsprachenunterricht im Kindergarten und außerhalb zu äußern. Ziel war es herauszufinden, wie viele Kinder in der preprimaren Bildungsstufe bereits bewusst an Fremdsprachen herangeführt werden, wo und wie dies geschieht und welche Rolle die Eltern in diesem Prozess für sich sehen. Eine der proklamierten Absichten der Piccolingo-Kampagne der EU besteht nämlich speziell in der Aufklärung der Elternschaft über die Vorteile des frühkindlichen Fremdsprachenerwerbs. Insgesamt nahmen 141 Probanden an der Befragung teil, die sicher nicht als repräsentativ gewertet werden kann, aber dennoch interessante Ergebnisse gebracht hat. Diese wollen wir im Folgenden vorstellen. Die Befragung fand im Spätsommer 2011 statt und erfolgte mit Hilfe eines Fragebogens27 , der 10 Fragen enthielt. Die meisten Antwortmöglichkeiten waren aus Zeitgründen vorgegeben; die Befragten hatten allerdings die Möglichkeit, weitere Gedanken zu ergänzen. Die folgende Grafik zeigt die Altersstruktur der Kinder, deren Eltern an der Umfrage teilgenommen haben. 26 Das Institut für Informationen im Schulwesen erfasst alle Schüler und Studenten in der Tschechischen Republik von der Grundschule bis zur Universität, die eine Fremdsprache erlernen, und gibt zudem genau an, welche Fremdsprachen gelernt werden (www.uiv.cz). 27 Vgl. Anhang, Fragebogen 1.
  • 34. Silke Gester: Quo vadis, DaF? 33 Abb. 3: Altersstruktur der Kinder Zunächst wollten wir wissen, ob die Kinder überhaupt schon mit Fremdsprachen in Berührung gekommen sind und wenn ja, mit welchen Sprachen. Als Antwortmöglichkeiten waren „keine“ (weiter mit Frage 8), „Englisch“, „Deutsch“, „Spanisch“ oder „andere“ vorgegeben. In keinem einzigen Fall wurde Spanisch angekreuzt, es wurden auch keine weiteren Fremdsprachen hinzugefügt, obwohl einige Eltern angaben, selbst Russisch, Italienisch, Französisch oder Slowakisch zu beherrschen. Nur ein Kind lernt Englisch und Deutsch. Die folgende Tabelle und die Grafik zeigen die Antworten der Eltern. 3 Jahre 4 Jahre 5 Jahre 6 Jahre keine Fremdsprache 6 36 32 13 Englisch 7 13 24 7 Deutsch 0 0 2 0 Englisch und Deutsch 0 0 1 0 Tab. 1: Fremdsprachen, die die Kinder lernen
  • 35. 34 Abb. 4: Fremdsprachen, die die Kinder lernen Wie aus der Abbildung ersichtlich ist, beschäftigen sich die meisten Kinder noch nicht mit einer Fremdsprache (61 Prozent). Dieses Ergebnis weicht nur geringfügig von den Feststellungen der Tschechischen Schulinspektion28 ab: Diese kam bei ihrer Untersuchung im Jahr 2008 auf 75 Prozent. Zu berücksichtigen sind allerdings auch die durch die Inspektion festgestellten starken Schwankungen (zwischen 10 und 100 Prozent Teilnahme an Englischkursen). In Zlín bieten ebenfalls nicht alle städtischen Kindergärten Englischkurse an. Dadurch sind die Eltern gezwungen, sich selbst nach passenden Kursen umzusehen oder ihr Kind zu Hause zu unterrichten. Dies ist beispielsweise bei dem einen Kind, das zwei Fremdsprachen lernt, der Fall. Viele Eltern bedauern die fehlenden Angebote der Bildungseinrichtungen und sind unsicher bei der Wahl kommerziell angebotener Kurse, die das Familienbudget erheblich belasten. Nicht selten stießen wir jedoch bei den Eltern auch auf die Meinung, ihr Kind müsse erst die Muttersprache gut beherrschen, ehe es Sinn mache, mit einer Fremdsprache zu beginnen. Die nächste Frage bezog sich darauf, wo die Kinder lernen. Die Organisation von Fremdsprachenkursen in Form von Lerngemeinschaften ist Sache eines jeden Kindergartens. Wie wir bereits dargelegt haben, bietet bei Weitem nicht jede Einrichtung solche Kurse an. Wenn dies nicht der Fall ist, können die Eltern auf private Sprachschulen, die in der Regel auf die Arbeit mit Kindern im Vorschulalter spezialisiert sind, oder auf häuslichen Unterricht ausweichen. Aufgrund der geringen Anzahl der Kinder, die nicht Englisch lernen, haben wir in der folgenden Grafik nicht weiter nach den Fremdsprachen differenziert und alle Lernenden zu einer Gruppe zusammengefasst. 28 Vgl. Česká školní inspekce [1], www.csicr.cz.
  • 36. Silke Gester: Quo vadis, DaF? 35 Abb. 5: Ort des Fremdsprachenunterrichts Die Abbildung zeigt, dass die meisten Kinder im Kindergarten lernen, und zwar in Form einer Lerngemeinschaft, für die sich Interessenten anmelden können. In einem Kindergarten gehört Englisch zum Bestandteil des Bildungsplans und alle Kinder nehmen am Unterricht teil. 7 Kinder besuchen eine Sprachschule und 12 Kinder werden – meist aufgrund fehlender Angebote – privat unterrichtet. Die nächste Frage bezog sich auf die Zeit, die der Fremdsprachenunterricht einnimmt. Wie wir im vorhergehenden Kapitel bereits dargelegt haben, ist ein Unterricht mit einer Dauer von einer Stunde pro Woche wenig effektiv, trotzdem gaben die meisten Befragten an, dass ihr Kind nur einmal pro Woche an einem Kurs teilnimmt. Die folgende Grafik zeigt die Verteilung der Antworten. Abb. 6: Dauer des Fremdsprachenunterrichts
  • 37. 36 Warum der Unterricht nur auf eine Wochenstunde beschränkt bleibt, wurde speziell bei den Sprachschulen häufig mit zu hohen Kosten begründet. 44 Mal erhielten wir die Antwort, dass die Eltern für die Kosten der Kurse aufkommen müssten, 11 Mal wurde diese Frage verneint. Von Interesse erscheint, dass lediglich in einem Fall, wo ein Kind im Kindergarten an einem Englischkurs teilnimmt, für die Eltern keine Kosten entstehen. Viele Eltern sagten uns außerdem in Einzelgesprächen, sie seien nicht in der Lage, den Lernfortschritt zu messen, wollten andererseits dem Kind wichtige Erfahrungen nicht vorenthalten. Sie entschieden sich deshalb mehrheitlich für 1 Wochenstunde, um wenigstens die Vermittlung von elementaren Kenntnissen zu gewährleisten. In Bezug auf die Messbarkeit des Lernfortschritts halten wir die Aufklärung seitens der Bildungseinrichtungen für zwingend notwendig. Die nächste Frage zielte auf die Gründe für das Erlernen der Fremdsprache ab. Dabei waren vier Gründe vorgegeben und eine Antwort für ergänzende Informationen freigelassen. Mehrfachnennungen waren möglich. Die folgende Tabelle zeigt die Antworten der Eltern. Gründe für das Erlernen der Fremdsprache Mein Kind hat Freude an der Fremdsprache. 20 Mein Kind wird später in der Schule bessere Möglichkeiten haben. 24 Wir fahren oft im Urlaub ins Ausland. 6 Wir haben Freunde/Verwandte im Ausland. 10 Tab. 2: Gründe für das Erlernen der Fremdsprache Die häufigste Antwort, die wir von den Probanden erhielten, beinhaltete, dass die Eltern hoffen, den Kindern mit der frühkindlichen Förderung zu einem besseren Start in der Schule zu verhelfen. Die möglicherweise entstehende Lernpause zwischen dem Fremdsprachenerwerb im Kindergarten und dem Beginn des Englischunterrichts wird dabei in Kauf genommen. Allerdings bieten heute auch schon einige Grundschulen im Raum Zlín Englischkurse in der 1. und 2. Klasse auf fakultativer Basis an. Die zweithäufigste Nennung, nämlich Freude und Begeisterung für das Fremdsprachenlernen bei Kindern, spiegelt die im vorhergehenden Kapitel getroffenen Aussagen darüber, dass Kinder Sprache(n) für sich auf spielerische Weise, frei von Vorurteilen und Befindlichkeiten entdecken und erschließen, wider. Die Erwachsenen sollten sich diesen natürlichen Drang zunutze machen und das Kind entsprechend führen. Einige Probanden gaben an, Freunde oder Verwandte im Ausland zu haben, was das Fremdsprachenlernen erheblich erleichtert, weil dadurch die Sprache erlebbar und lebendig wird. Gleiches gilt auch für Urlaubsreisen ins Ausland, sofern dort die Möglichkeit zur fremdsprachlichen Kommunikation besteht. Bei einer Frequenz von 1 Wochenstunde ist es zwingend notwendig, dass die Eltern ihre Kinder beim Erlernen der Fremdsprachen unterstützen, damit sich entsprechende Lernerfolge einstellen können. Manche Sprachschulen bieten den Eltern Materialien an, die sie entweder käuflich erwerben können oder die im Preis für den jeweiligen Sprachkurs bereits enthalten sind. Bei dieser Frage waren wiederum drei Antwortmöglichkeiten vorgegeben, aus denen die Probanden auswählen konnten, wobei Mehrfachnennungen möglich waren. Darüber hinaus
  • 38. Silke Gester: Quo vadis, DaF? 37 konnten die Eltern zusätzliche Hilfestellungen angeben. Die folgende Tabelle zeigt die Antworten, die wir erhielten. Wie unterstützen Sie Ihr Kind beim Fremdsprachenlernen? Ich spreche mit ihm zu Hause manchmal in der Fremdsprache. 31 Ich spiele ihm CD/DVD in der Fremdsprache vor. 33 Ich lese ihm Märchen in der Fremdsprache vor. 5 Tab. 3: Art der Unterstützung des Kindes beim Fremdsprachenunterricht Am häufigsten spielen die Eltern den Kindern fremdsprachliche Medien (CD, DVD) vor. In einigen Sprachschulen, wie z.B. bei Helen Doron, gehören solche Tonträger, die käuflich zu erwerben sind, obligatorisch zum Basisprogramm und die Eltern werden aufgefordert, diese regelmäßig abzuspielen. Die Medien bieten den Vorteil, dass sie von Muttersprachlern besprochen wurden und somit eine akzentfreie Vermittlung der Fremdsprache möglich ist. Nicht selten klangen in Einzelgesprächen nämlich Befürchtungen an, dass man mehr Schaden anrichte, wenn man das Kind frühzeitig an die inkorrekte Aussprache heranführe. Das erklärt auch, warum nur sehr wenige Eltern ihren Kindern Märchen in der Fremdsprache vorlesen. Immer wieder beklagten sich die Probanden zudem darüber, dass zu wenig (kostengünstige) kindgerechte Angebote in den Buchläden vorhanden seien und Bibliotheken nicht immer die passende Literatur vorhielten. 31 Probanden gaben an, dass sie hin und wieder mit ihren Kindern in einer Fremdsprache sprechen, um die Sprache erlebbar zu machen und das erworbene Wissen zu festigen. Das setzt allerdings voraus, dass die Eltern Kenntnis über die Kursinhalte haben, was bei Weitem nicht immer der Fall ist. Hier sind vor allem die Kindergärten gefragt, da die meisten privaten Sprachschulen die Eltern als ihre Partner sehen und sie entsprechend didaktisch anleiten. Die nächste Frage beinhaltete den Grundgedanken der Piccolingo-Kampagne, nämlich die Aufklärung der Eltern über die Vorzüge des frühkindlichen Fremdsprachenerwerbs. Die Frage war als Entscheidungsfrage formuliert worden, die nur zwei einander ausschließende Antworten zuließ. Von Interesse erscheint, dass sich fast alle Probanden zu dieser Frage äußerten. 129 bejahten die Frage, ob sie wüssten, dass Kinder im Vorschulalter leicht eine Fremdsprache erlernen könnten, nur 9 verneinten dies und 3 machten keine Angaben. Dies zeugt von einem hohen Grad des Bewusstseins in Bezug auf die gegenständliche Problematik, nicht zuletzt dank des enorm großen Medieninteresses an diesem Thema. Mit Hilfe der vorletzten Frage wurden die Eltern gebeten, sich dazu zu äußern, ob sie sich breitere Angebote an Fremdsprachenkursen bzw. mehr Informationen seitens der Kindergärten wünschten. Sie konnten dabei aus fünf vorgegebenen Antworten auswählen oder eigene Vorschläge ergänzen. Mehrfachnennungen waren möglich. Die folgende Tabelle zeigt die Antworten, die wir erhielten.
  • 39. 38 Wünschen Sie breitere Angebote an Fremdsprachenkursen oder mehr Informationen seitens des Kindergartens? Ich möchte mehr Kurse. 17 Ich möchte andere Sprachen. Welche? 1/Deutsch Ich möchte eine verbesserte Qualität der Kurse. 17 Ich möchte mehr Material für zu Hause. 18 Ich möchte mehr Informationen darüber, wie ich mit meinem Kind besser lernen kann. 35 Tab. 4: Erweiterung der Angebote und Informationen Ein Viertel der Eltern gab an, dass sie sich mehr didaktische Anleitung wünschen, um mit dem Kind besser lernen zu können. Die Aufklärung der Eltern in Bezug auf das Fremdsprachenlernen wurde auch im vorhergehenden Kapitel gefordert und entspricht den Vorgaben des „Aktionsplans für den Fremdsprachenunterricht für den Zeitraum von 2005 – 2008“. Hier sind vor allem die öffentlichen Bildungseinrich- tungen gefragt. Die didaktische Führung und Anleitung schließt entsprechende Materialien ein (18 Nennungen). Manche Einrichtungen bieten Informationsveran- staltungen an, in einigen wenigen werden Wortlisten ausgereicht oder sogar eigene Zeitschriften verfasst. Die methodisch-didaktische Anleitung kann die Effizienz der Kurse wesentlich verbessern und sollte zum obligatorischen Bestandteil jeder Bildungsmaßnahme werden. 17 Probanden wünschen sich mehr Kurse. Dies war vor allem in den Kindergärten der Fall, die bislang keine Sprachkurse organisieren. Ebenso viele waren der Meinung, dass sich die Qualität der Kurse verbessern müsse. Wir mussten jedoch in Einzelgesprächen feststellen, dass viele Erwachsene nur diffuse Vorstellungen über den Lernfortschritt im Vorschulalter besitzen und die Fremdsprachenkurse der Kinder mit Erwachsenenmaßstäben gemessen werden. Dies unterstreicht die Forderung nach verbesserter Aufklärung der Elternschaft in Bezug auf das Lernverhalten, Lernstrategien und erzielte Lernerfolge. Von Interesse erscheint, dass nur 1 Proband Sprachkurse in anderen Sprachen einforderte, und zwar Deutsch. Wir haben vor allem in vertiefenden Einzelgesprächen den Eindruck gewonnen, dass viele Eltern bereits mit einer Fremdsprache überfordert sind und das Ziel „eins plus zwei“ derzeit wenig realistisch erscheint. Abschließend baten wir die Eltern um eine Selbsteinschätzung ihrer Fremdsprachenkenntnisse. Diese konnten sie je nach Sprache auf einer Skala zwischen 1 = sehr gute Kenntnisse und 5 = Grundkenntnisse bewerten. Im Folgenden sind die Antworten der Eltern dargestellt.
  • 40. Silke Gester: Quo vadis, DaF? 39 Abb. 7: Fremdsprachenkenntnisse der Eltern – Englisch 44 Befragte gaben an, durchschnittliche Englischkenntnisse zu besitzen, das ist knapp ein Drittel. Als „gut“ bis „sehr gut“ bewertet ein Viertel der Befragten seine kommunikativen Fähigkeiten. Im Vergleich zur repräsentativen Umfrage des Instituts für soziale und ökonomische Analysen (ISEA) zu den fremdsprachlichen Kompetenzen der Tschechen aus dem Jahr 2010, bei der die Probanden ihre Kenntnisse nach den Kriterien „ziemlich gut“ (27 Prozent) und „sehr gut“ bzw. „problemlos in Wort und Schrift“ (10 Prozent) klassifizierten, schnitten die Befragten in Zlín besser ab. Bei subjektiven Einschätzungen ist jedoch immer mit einer Fehlerquote zu rechnen. Interessant ist die Tatsache, dass selbst Eltern, die ihre Kenntnisse mit „durchschnittlich bis gering“ bewerten, mit ihren Kindern Englisch kommunizieren oder zumindest versuchen, sie über isolierte Lexeme und einfache syntaktische Strukturen an die Fremdsprache heranzuführen. Im Gesamtmaßstab relativ gering ist die Gruppe derjenigen, die angaben, überhaupt keine Englischkenntnisse zu besitzen (24 Prozent).
  • 41. 40 Abb. 8: Fremdsprachenkenntnisse der Eltern – Deutsch Im Vergleich zur ISEA-Studie von 2010 schnitten bei den Deutschkenntnissen die Zlíner Befragten genauso ab wie der Landesdurchschnitt, denn auch hier gaben 5 Prozent der Befragten an, sehr gute Deutschkenntnisse zu besitzen (ISEA: 5 Prozent), und 20 Prozent können sich auf Deutsch verständigen (ISEA: 22 Prozent). Würde man noch die erweiterten Grundkenntnisse hinzuzählen, ergäbe dies sogar einen Wert von 34 Prozent. Insgesamt 107 Probanden sprechen Englisch und 71 Deutsch, 48 Befragte beherrschen beide Fremdsprachen, das sind 38 Prozent (ISEA: 14 Prozent). Darüber hinaus wurden zahlreiche andere Fremdsprachen angegeben, die die Eltern sprechen, wie beispielsweise Italienisch, Slowakisch, Polnisch, Russisch, Französisch oder Spanisch. Auf die detaillierte Analyse soll jedoch an dieser Stelle verzichtet werden. Zusammenfassend lässt sich feststellen: Mehr als die Hälfte der Kinder, deren Eltern an der Befragung in Zlín teilgenommen haben, ist bislang noch nicht in Kontakt mit einer Fremdsprache gekommen. Diejenigen Kinder, die eine frühkindliche fremdsprachliche Förderung erfahren, lernen fast ausnahmslos Englisch, die meisten davon mit einer Frequenz von einer Wochenstunde. Die Eltern sind bemüht, den Lernprozess zu unterstützen; bemängelt wurde neben einem zu geringen Angebot an Fremdsprachenkursen seitens der Kindergärten vor allem die fehlende didaktische Anleitung, um den Lernprozess bei den Kindern effizienter zu gestalten. Unserer Meinung nach wird das Potential an frühkindlicher fremdsprachlicher Bildung bei Weitem noch nicht adäquat genutzt. 2.2 Grundschulbildung Bis zum gesellschaftlichen und politischen Umschwung im November 1989, der auch als Samtene Revolution bezeichnet wird, war in der Tschechischen Republik die einzige Pflichtfremdsprache an den Schulen Russisch. Der Russischunterricht begann in der Regel im 5. Schuljahr. Je nach Schultyp folgte dann in der