2. 1 INFRASTRUKTUREN
Zu Beginn also ein paar allgemeine Betrachtungen zu Infrastrukturen. Hier möchte ich den zeitlichen
Bogen etwas weiter spannen. Die meisten Infrastrukturen, mit denen wir leben, sind schon ziemlich alt
und haben sich über die Zeit kaum verändert haben: Straße, Schiene, Flugbetrieb im Logistikbereich,
aber auch das Gesundheitswesen oder das Schulwesen sind in ihrem Kern oft schon über 100 Jahre alt.
Ganz grob könnte man in der OECD-Welt seit 1945 von zwei großen Infrasrukturphasen ausgehen:
Einer Aufbauphase, die vom Ende des zweiten Weltkrieges bis in die 70er Jahre hineinreicht-
beispielhaft dafür das Interstate-Projekt unter Eisenhower in den 50er Jahren – dem bislang
weltweit größten Infrastruktur-Projekt.
Die zweite Phase beginnt mit der Ölkrise und den daraus folgenden Zwängen für den Staat- im
Zentrum steht nun die Kostenreduzierung. Personifikation dieser Epoche ist Margaret Thatcher als
„Cb[mpcon“ ^_s Unbundlings und der Liberalisierung. Deutsche Post, Deutsche Telekom,
Energienetze – diese Phase der Liberalisierung zieht sich bis in die jüngste Vergangenheit – als
letzten Schritt könnten wir die Unbundling-Direktive der EU für den Strommarkt 2007 nehmen.
Meine erste These lautet nun, dass wir am Ende dieser Epoche stehen. Die bislang existierenden
Infrastruktur-Regime wie das Energiewirtschaftsgesetz atmen zwar noch den Geist Thatchers und der
Priorität der Kostensenkung, werden aber zunehmend von neuen Anforderungen überformt werden.
Die Treiber dieser neuen Infrastruktur-Epoche sind zwei Entwicklungen:
Erstens neue Herausforderungen: Klimawandel und demografischer Wandel stellen eine enorme
Herausforderung für die Infrastrukturen dar. Die Energiewende ist ja im Grunde nichts anderes als ein
riesiges Infrastrukturreformprogramm: Durch das Abschalten der Atomkraftwerke und das Einspeisen
erneuerbarer Energien werden wir die Energienetze grundlegend umbauen müssen, E-Mobility wird
neue Verkehrsinfrastrukturen benötigen.
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3. Zweitens neue technologische Entwicklungen: Infrastrukturen haben lange Innovationszyklen: Ein
Elektrotechniker von 1920 würde wahrscheinlich die meisten Gerätschaften in einem heutigen
Umspannwerk interpretieren können. Ein Straßenbauer sowieso – aber auch ein Lehrer von 1910 würde
keine Probleme haben, sich im heutigen Schulbetrieb zurecht zu finden. Dies ändert sich jedoch gerade.
Durch die Digitalisierung unserer Welt werden sich auch die Infrastrukturen massiv verändern. Sie
k_nn_n ^c_ _rübmt_n „_-Wört_r“: E-Energy, E-Mobility, E-Health, E-Government, E-Learning. Beim
BITKOM b[_n wcr ^c_s_ `ün` F_l^_r [ls ^c_ „intelligenten Netze ^_r Zukun`t“ _z_c]bn_t. Das „_“, ^[ss
diese Infrastrukturen um eine neue, digitale Ebene ergänzt werden. Es handelt sich zwar um ganz
verschiedene Infrastrukturen, aber im Kern geht es um das gleiche. Abstrakt gesprochen : ITK-
Technologie wird dazu benutzt, die Effizienz der gesamten Infrastruktur zu erhöhen. Dies geschieht
dadurch, dass man den Austausch von Informationen darüber, was eigentlich genau in der Infrastruktur
passiert, verbessert und so die Einzelteile besser auf einander abstimmen kann .
Beispielsweise Energienetze: Ich will an dieser Stelle nicht die Details von Smart Grids vorstellen. Viele
von Ihnen werden das Thema kennen. Experten gehen davon aus, dass weltweit sieben Prozent des
CO2-Ausstoßes durch Smart Grids eingespart werden können. Das ist möglich durch die Absenkung der
Lastspitzen aufgrund eines intelligenten Nachfragemanagements, höhere Flexibilität im Netz bei der
Einspeisung erneuerbarer Energien. Außerdem können E-Mobility-Konzepte in das Szenario integriert
werden.
Beispielsweise E-Health: Das Gesundheitssystem ist geprägt von zahlreichen Informationsinseln. De
facto wissen Krankenhäuser, niedergelassene Ärzte, Apotheken und Kassen nicht genau, was der
andere tut. Das ist nicht nur per se teuer und oft auch gefährlich, sondern bietet auch zahlreiche
Möglichkeiten des Betruges. Die elektronische Gesundheitskarte ist in diesem Kontext nichts anderes
als eine intelligente Netzinfrastruktur die eine Erhebung von Patientendaten und das Management des
Zugriffs auf diese Daten übernommen hätte. Das Einsparpotenzial betrüge pro Jahr 1.2 Mrd Euro.
Angesichts der kommenden Belastungen aufgrund des demografischen Wandels ein wichtiger
Ansatzpunkt.
Interessant ist übrigens, dass diese überragende Relevanz von Infrastrukturen in den sich
entwickelnden Ländern natürlich wesentlich klarer zu erkennen ist. Infrastruktur-Politik ist in Indien,
China oder Brasilien (mit Abstrichen) das zentrale Politikfeld der letzten Jahre gewesen. Wenn ich von
einer Renaissance der Infrastruktur-Politik in der OECD-Welt spreche, dann können wir davon
ausgehen, dass sich diese Renaissance zumindest in Teilen an Vorbildern aus den BRIC-Staaten
orientieren wird. Wir können nicht davon ausgehen, dass die Infrastrukturen der Zukunft unbedingt in
der OECD-Welt als erstes implementiert werden. Das ist vielleicht ein starkes Indiz für den globalen
Strukturwandel, in dem wir uns gerade befinden.
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4. 2 ANALYSERASTER INFRASTRUKTUREN
Ich würde an dieser Stelle gerne ein Analysemodell für diese Infrastrukturen vorstellen, anhand dessen
die Funktionsweise deutlicher wird. Die Digitalisierung der Infrastrukturen wird zu drei Ebenen führen,
die wir unterscheiden sollten. Am Beispiel des Stromnetzes wird dies deutlich.
Die erste Ebene besteht aus den physischen Infrastrukturen, die schon lange existieren: Gebäude,
Masten, Kabel etc.
Die zweite Ebene besteht aus einem Sensor, der misst, was in den physischen Infrastrukturen genau
passiert und einer Daten-Plattform, auf der die Daten zusammenlaufen. Im Fall des Energiesektors
handelt es sich hier um die so genannten Smart Meter, die in regelmäßigen Abständen über den
Stromverbrauch eines Haushalts oder eines gewerblichen Nutzers informiert und diese Daten
versendet. Gleiche Funktion haben zum Beispiel die Kameras von TollCollect im Bereich der
intelligenten Verkehrsnetze.
Technisch gesehen sind hier mehrere Umsetzungen möglich. Ohne auf Details eingehen zu wollen:
Es wäre sowohl eine richtige Datenbank denkbar, auf der alle Nutzer- und Nutzungsdaten
gespeichert werden. Es wäre aber auch denkbar, dass man eine Art Datendrehscheibe einrichtet, die
im Grunde genommen nur Kommunikationskanäle zwischen Nutzern und Anbietern von
Applikationen öffnet.
Die dritte Ebene besteht aus Applikationen und Anwendungen, die auf Grundlage der Daten-
Plattform funktionieren. Dieser Applikationsgedanke ist in etwa vergleichbar mit dem, was wir alle
auf unserem iPhone oder Android-Handy erleben: Wir können Anwendungen von Dritten dazuladen
und so neue Funktionen nutzen – aber nur, wenn wir diesen Applikationen den Zugriff auf die
notwendigen Daten ermöglichen. Im Energiebereich handelt es sich um Anwendungen, die vor allem
^[r[u` [zc_l_n, ^_n En_rac_v_rr[u]b „sm[rt“ zu st_u_rn. Das können virtuelle Kraftwerke oder
„Prosum_r-Mo^_ll_“ s_cn.
Dieses Drei-Ebenen-Modell lässt sich im Grunde auf alle oben genannten intelligenten Netze übertragen.
Das Analyseraster ist deswegen wichtig, weil hierdurch drei entscheidende neuralgische Punkte
intelligenter Netze deutlich werden:
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7. 4 ALTERNATIVEN?
Ich bin mir sicher, dass es Alternativen zu den vorgeschlagenen drei Policy-Punkten gibt. Wichtig ist zu
verstehen, dass dies nicht gleichzusetzen ist mit einer Alternative zum Prozess der Digitalisierung. Kurz:
Nur weil wir keine intelligente Standortpolitik betreiben, löst sich die grundlegende Problematik nicht
auf. Es ist ja nicht so, dass die Welt still steht weil wir in Deutschland keine digitale Infrastruktur nach
dem genannten Muster aufbauen. Statt dessen sehen wir zahlreiche digitale Teil-Anwendungen, für die
es Geschäftsmodelle gibt. Beispiele liefert der Gesundheitssektor: Hier entstehen zahlreiche Webseiten
kommerzieller Anbieter zur Speicherung von Gesundheitsdaten, die auf einer Einwilligung der
Betroffenen beruhen (opt in). Interessanterweise haben insbesondere die Datenschützer bei solchen
Lösungen oft Probleme, da die Einwilligung zwar rechtens, aber aufgrund der Komplexität der Materie
oftmals zu bedenklicheren Lösungen führt, als es die eGK jemals gewesen wäre.
Die Alternative, vor der wir stehen, lautet also nicht Digitalisierung ja oder nein, sondern
standortpolitisch gewollte und gesteuerte Intelligente Netze mit vereinbarten Datenschutz-Konzepten
oder Wildwuchs?
Vielen Dank.
Kontakt
Ansgar Baums
Director Government Relations
SAP AG
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ansgar.baums@sap.com
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