1.
Nicht nur Politik: Schwerpunkte der
DDR-Auslandsspionage in Finnland im
Nordischen Vergleich
Deutsch-Finnisches Historikerseminar 2013
Berlin, 15.-17. Februar 2013
PD Dr. Kimmo Elo
Universität Turku, Finnland / Institut für Politik und Zeitgeschichte
Åbo Akademi Universität / „Deutschlandstudien”
E-Mail: kimmo.elo@utu.fi
17.2.2013 1
2.
Einleitende Anmerkungen
■ Die zentrale Zielsetzung meines heutigen Vortrages ist, durch ausgewählte
Fallbeispiele Entwicklungstendenzen der DDR-Auslandsspionage in den
Nordischen Ländern vergleichend zu diskutieren
■ Der Fokus des Vortrags liegt auf der Rekonstruktion des thematischen
Netzwerkes zu Nordischen Angelegenheiten
■ Der Vortrag heute befasst sich mit drei (3) Problemkomplexen:
● Die Quellenlage: SIRA-Daten als historische Quelle
● Finnland und die anderen Nordischen Länder als Objekte der DDR-
Auslandsspionage
● DDR-Auslandsspionage im Norden Europas aus dem Blickwinkel der
historischen Netzwerkanalyse
■ Alle Netzwerkanalysen und visuellen
Darstellungen sind mit Cytoscape erstellt
17.2.2013 2
3.
HV A als Forschungsgegenstand
■ Die Hauptverwaltung Aufklärung (HV A) war die für die Auslandsspionage
zuständige Diensteinheit des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) der DDR
■ Die HV A, zusammen mit ihren Abteilungen XV in den Bezirksverwaltungen des MfS,
war zuständig für eine offensive Arbeit im „Operationsgebiet“ (d.h. außerhalb der
DDR)
■ Obwohl die HV A (fast) weltweit tätig war, bildeten die Bundesrepublik Deutschland
und West-Berlin ihren zentralen Aktivitätsraum
■ Die HV A war in allen klassischen Bereichen der Spionage tätig, jedoch im
unterschiedlichen Umfang:
● Anteil der Wissenschafts- und Technikspionage ca. 39 %
● Anteil der politischen Spionage ca. 38 %
● Anteil der Militär-, Sicherheits- und Gegenspionage ca. 13 %
● Anteil der Wirtschaftsspionage ca. 10 %
17.2.2013 3
5.
Zur Quellenlage I
■ Im Archiv der Zentralstelle der Stasi-Unterlagen-Behörde (BStU) sind ca. 1700
Akteneinheiten der HV A erschlossen
● Ca. 1500 sind ”Eingangsinformationen” aus den weltweiten IM-Netzen der HVA
● Ca. 200 davon sind ”Ausgangsinformationen”, d.h. Berichte an die Staats- und Parteispitze
der DDR, die die HVA mit Hilfe von Eingangsinformationen erstellt hat
■ Die HVA führte eine operative Kartei, die ursprünglich aus Pappkarteikarten bestand
und in drei Karteien unterteilt war:
● Die Personenkartei der HVA enthielt personenbezogene Informationen und trug intern die
Bezeichnung ”F16” (Abk. für ”Form/Formblatt 16”). In dieser Kartei waren nicht nur die
inoffiziellen Mitarbeiter (IM) der HVA gespeichert, sondern auch Daten von Menschen, für
die sich die HVA aus irgendwelchen Gründen interessierte
● Die Vorgangskartei der HVA enthielt keine personenbezogenen Daten, sondern lediglich
nur Daten zum jeweiligen Vorgang. Intern trug sie die Bezeichnung ”F22” (”Form/Formblatt
22”)
● Die Statistikkartei der HVA enthielt sog. Statistikbögen, die sich auf Bundesbürger, die als
IM geführt wurden, beziehen. Die genaue Funktion dieser Kartei ist nicht bekannt.
● Jeder Vorgang besaß eine einmalige Registrierungsnummer, mit der sich die Verbindung zu
den F16-Karteikarten herstellen lässt.
17.2.2013 5
6.
Zur Quellenlage II
■ Ab 1974 wurde ein elektronisches Datenbanksystem unter dem Namen „System der
Informationsrecherche der HVA“ (SIRA) eingerichtet und aufgebaut
● Entwickelt zur Verwaltung von Arbeitsergebnissen der Spionage
■ Die SIRA-Datenbank gliedert sich in 5 Teildatenbanken:
● SIRA-TDB 11: Lieferungen an die Abteilung V der HV A, die für den Sektor „Wissenschaft und
Technik“ zuständig war. Enthält ~205.000 Eingangs- und ~2.000 Ausgangsinformationen aus dem
Zeitraum 1969 bis September 1989.
● SIRA-TDB 12: Lieferungen an die Auswertung und Information der Abteilung VII der HV A, die für
„Informationen zu außenpolitischen, innenpolitischen, wirtschaftspolitischen, militärpolitischen und
militärischen Problemen bzw. Vorgängen des Operationsgebiets“ zuständig war. Enthält ~161.000
Eingangs- und ~23.000 Ausgangsinformationen aus dem Zeitraum 1969-1987.
● SIRA-TDB 13: Lieferungen an die Abteilung VI der HV A, aber auch an verbündete Geheimdienste,
zu „Regimeverhältnissen im Operationsgebiet“. Enthält ~38.000 Eingangsinformationen (Zeitraum
ungenau)
● SIRA-TDB 14: Lieferungen an die Abteilung IX/C der HV A, die für „Gegenspionage und
Auswertung“ zuständig war. Enthält ~46.000 Eingangs-, 45 Ausgangs- und ~77.000
Personeninformationen aus dem Zeitraum 1980 bis 1988/89.
● SIRA-TDB 21 ist die elektronische Version der zentralen Vorgangskartei (F22) und darin sind u.a.
alle IMs registriert, die zwischen 1960 und 1989 für die HV A im Einsatz waren – jedoch nur mit
ihrem Decknamen und ihrer Registriernummer. Formal gehörte die TDB 21 nicht zum SIRA, sondern
zur „Zentralen Objekt und Personendatenbank“ (ZOPA). Enthält ~63.000 Einträge.
17.2.2013 6
13.
Struktur der HV A (1989)
Quelle: Helmut Müller-Enbergs: Hauptverwaltung A (HV A). Aufgaben – Strukturen – Quellen (MfS-Handbuch). BStU, Berlin 2011, S. 356.
17.2.2013 13
15.
Zusammenfassung
■ Die zur Verfügung stehenden Materialien zur DDR-Auslandsspionage sind
geeignet, quellnetztopografische, organisatorische, zeitliche sowie thematische
Relationen zu untersuchen
■ Historische Netzwerkanalysen können uns helfen, das Funktionieren der HV A
als Informationssystem zu verstehen
■ Personenbezogene Daten sind nur ausnahmsweise vorhanden ▶ geographische
Topologie des Netzwerkes ist kaum rekonstruierbar
■ Als zentrale Merkmale des Informationssystems der HV A zum Sammeln von
Informationen über nordische Angelegenheiten gelten:
● Der Schwerpunkt des Informationssammelns lag im Bereich Politik ▶ ABER:
Politische Informationen oft länderspezifisch, andere dagegen nicht!
● Die meisten Quellen lieferten nur ein paar Informationen ▶ Nur wenige
Hauptquellen ▶ Länderhinweise eher von sekundärer Bedeutung?
● Nur wenige Quellen lieferten zu mehreren operativen Bereichen
● Informationen flossen über diverse Diensteinheiten der HV A, viele Diensteinheiten
sammelten Informationen zu mehreren operativen Bereichen
17.2.2013 15
16.
Vielen Dank
für
Ihre Aufmerksamkeit!
PD Dr. Kimmo Elo
Universität Turku, Finnland / Institut für Politik und Zeitgeschichte
Åbo Akademi Universität / „Deutschlandstudien”
E-Mail: kimmo.elo@utu.fi