“Ich würd ja wollen, wenn ich nur könnt”. Wir alle haben diesen Satz so oder so ähnlich wohl schon als “Entschuldigung” meist uns selbst gegenüber gebraucht denke ich. Und er enthält meiner Meinung zwei Aspekte, die auch im folgenden Text immer wieder auftauchen werden.
Einerseits der Wunsch nach Veränderung: „Ich würd ja wollen“. Zwar im Konjunktiv formuliert, um den Wunsch vielleicht nicht zu drängend und konkret werden zu lassen. Aber doch mit der klaren Kenntnis darüber, was sich für mich ändern sollte, wenn ich mir „etwas wünschen“ dürfte.
Und zum anderen die Entschuldigung und Ausrede „wenn ich nur könnt“. Denn wie soll ich beispielsweise die gewünschte Veränderung erreichen, wenn ich letztendlich gar nicht dafür verantwortlich bin, wenn sie nicht in meiner Macht liegt?
2.
Sagt
die
Raupe
zum
Schmetterling:
„Sie
sind
aber
auch
nicht
mehr
der,
der
sie
einmal
waren.“
2
3.
Einleitung
“Ich
würd
ja
wollen,
wenn
ich
nur
könnt”.
Wir
alle
haben
diesen
Satz
so
oder
so
ähnlich
wohl
schon
als
“Entschuldigung”
meist
uns
selbst
gegenüber
gebraucht
denke
ich.
Und
er
enthält
meiner
Meinung
zwei
Aspekte,
die
auch
im
folgenden
Text
immer
wieder
auftauchen
werden.
Einerseits
der
Wunsch
nach
Veränderung:
„Ich
würd
ja
wollen“.
Zwar
im
Konjunktiv
formuliert,
um
den
Wunsch
vielleicht
nicht
zu
drängend
und
konkret
werden
zu
lassen.
Aber
doch
mit
der
klaren
Kenntnis
darüber,
was
sich
für
mich
ändern
sollte,
wenn
ich
mir
„etwas
wünschen“
dürfte.
Und
zum
anderen
die
Entschuldigung
und
Ausrede
„wenn
ich
nur
könnt“.
Denn
wie
soll
ich
beispielsweise
die
gewünschte
Veränderung
erreichen,
wenn
ich
letztendlich
gar
nicht
dafür
verantwortlich
bin,
wenn
sie
nicht
in
meiner
Macht
liegt?
Warum
gerade
dieses
Thema?
Warum
möchte
ich
über
den
Wunsch
nach
Veränderung
schreiben?
Und
einen
Weg
dorthin?
Zum
einen
sicherlich
weil
mich
das
Thema
durch
den
scheinbaren
(?)
Widerspruch
fasziniert,
der
sich
zeigt,
wenn
man
sich
aufmacht
„sich
zu
verändern“.
Denn
Veränderung
heißt
auch
immer
eine
Verabschiedung
von
Vertrautem
und
Bekannten.
Sei
es
im
Inneren
oder
Äußeren.
Im
Inneren
ein
Abschied
von
Denkmustern,
Rollen
und
Verhaltensweisen.
Die
man
einerseits
wohl
durchaus
ändern
will,
die
aber
andererseits
auch
bekannt
und
vertraut
sind.
Und
oft
nicht
im
Traum
daran
denken,
sich
einfach
so
verabschieden
zu
lassen.
Aus
den
Augen,
aus
dem
Sinn
–
aber
nicht
mit
mir
mein
Lieber.
Oder
im
Äußeren.
Eine
berufliche
Neuorientierung,
weil
man
selbst
sich
verändert
hat
und
neue
Aufgaben
sucht,
die
einen
ausfüllen
und
zu
denen
man
sich
mehr
berufen
fühlt.
Die
dann
aber
auch
mit
einem
Abschied
vom
vertrauten
Umfeld
einhergeht.
Und
schlussendlich:
Ich
möchte
über
Veränderung
schreiben,
weil
mein
Wunsch
nach
Veränderung
mich
letztendlich
dazu
gebracht
hat,
mich
auf
den
Weg
zu
machen,
den
ich
wohl
im
Jahre
1998
begonnen
habe,
als
ich
zum
ersten
Mal
bei
3
4.
Hans-‐Dieter
Knecht
in
dessen
(wie
er
immer
mit
schelmischen
Grinsen
betonte
„untypischen“
Gestalt-‐)
Praxis
saß,
und
der
mich
vor
gut
6
Jahren
ins
Gestalt-‐
Zentrum
Baden
geführt
hat.
Ein
Weg,
auf
dem
ich
mich
sicherlich
verändert
habe.
Aber
auch
ein
Weg,
auf
dem
ich
die
oben
angesprochenen
Widersprüche
am
eigenen
Leib
erfahren
habe.
Ein
Weg,
der
für
mich
mit
dieser
Arbeit
sicherlich
nicht
zu
Ende
geht
(Gott
sei
Dank!),
aber
sicherlich
eine
Zwischenetappe
findet.
Weil
der
Wunsch
nach
Veränderung
auch
in
Zukunft
immer
wichtig
sein
wird
für
mich.
Weil
dieser
Wunsch
(und
die
darin
liegende
Spannung
mit
dem
„sich
nicht
ändern
wollen“)
für
mich,
wie
wohl
für
jeden
Menschen,
der
Antriebsmotor
ist,
der
uns,
Stück
für
Stück
zu
dem
macht,
der
wir
sind.
Herangehensweise
Ich
werde
mich
dem
Thema
dieser
Arbeit
im
Folgenden
von
verschiedenen
Seiten
nähern.
Zuallererst
mit
der
Frage,
woher
der
Wunsch
nach
Veränderung
aus
gestalttherapeutischer
Sicht
überhaupt
kommt.
Darauf
aufbauend
möchte
ich
die
Frage
nach
Freiheit
und
Verantwortung
diskutieren.
Hab
ich
überhaupt
die
Freiheit
mich
zu
ändern,
und
in
wessen
Verantwortung
liegt
es
letztendlich?
Ein
Schwerpunkt
stellt
dann
die
Beschreibung
des
Veränderungsprozesses
an
sich
dar,
wobei
ich
dabei
verschiedene
„Modelle“
verfolge.
Und
zu
guter
Letzt
natürlich
die
Frage,
wie
ein
Gestalttherapeut
dabei
„helfen“
kann.
Darüberhinaus
möchte
ich
auch
eigene
Erfahrungen
einfließen
lassen,
die
ich
in
den
letzten
Jahren
bei
meinem
Veränderungsprozess
gemacht
habe
bzw.
die
ich
im
letzten
Jahr
bei
der
Arbeit
mit
mit
Coachees
und
Klienten
erlebt
habe.
4
5.
Der
Wunsch
nach
Veränderung
„Ein
gesunder
Mensch
ist
für
mich
jemand,
der
guten
Kontakt
zur
Realität
hat:
zu
der
großen
und
der
kleinen
Welt
um
ihn
herum
und
in
ihm
selbst.“
–
Bruno-‐Paul
de
Roeck
Fritz
Perls
hat
es
meiner
Meinung
nach
auf
den
Punkt
gebracht:
„Der
Wunsch
nach
Veränderung
ist
immer
begründet
in
nicht
befriedigten
Bedürfnissen“.
Und
obwohl
(oder
gerade
weil)
ich
mich
in
dieser
Arbeit
vor
allem
mit
diesem
Wunsch
und
den
Möglichkeiten
des
(Gestalt-‐)
Therapeuten
den
Klienten
darin
zu
unterstützen,
beschäftige,
möchte
ich
mit
dem
im
Sinne
der
Gestalttherapie
„gesunden“
Menschen
beginnen.
Einem
Menschen
also,
der
–
kurzum
gesagt
-‐
seine
Bedürfnisse
wahrnimmt
und
sie
verantwortungsvoll
für
sich
und
seine
Umwelt
befriedigt.
Im
Herbst
2010
wurde
ich
während
meiner
Annapurna-‐Umrundung
in
Nepal
stiller
Zeuge
der
folgenden
Szene,
die
für
mich
ein
sehr
schönes
Beispiel
für
einen
„gesunden“
Menschen
darstellt.
Während
der
mittäglichen
Rast
beobachte
ich
ein
kleines
Mädchen,
vielleicht
3
oder
4
Jahre
alt,
das
vor
einer
Hütte
auf
der
anderen
Seite
der
Straße
in
der
Sonne
sitzt.
Ein
Tourist
hat
ihr
offensichtlich
einen
grünen
Luftballon
geschenkt
und
in
dem
Moment,
in
dem
ich
sie
beobachte,
ist
das
Mädchen
voll
und
ganz
damit
beschäftigt,
den
Luftballon
zu
ziehen,
zu
dehnen
und
irgendwie
Luft
hineinzublasen.
Mit
weit
aufgeblasenen
Bäckchen,
hochkonzentriert
und
ein
wenig
außer
Atem
bei
all
dem
Luftballonaufblasen
sitzt
das
Mädchen
in
der
Sonne
und
hat
scheinbar
alles
andere
um
sich
herum
vergessen.
All
die
Wanderer,
die
in
dem
kleinen
Dorf
Rast
machen.
Die
Ziegen,
die
meckernd
über
die
Straße
springen.
Das
Geschrei
der
anderen
Kindern,
die
das
eine
oder
andere
Bonbon
von
den
müden
Gästen
ergattern
wollen.
Nein,
es
gibt
für
sie
in
diesem
Augenblick
nur
diesen
grünen
Luftballon.
Dann
mit
einem
Male
hält
das
Mädchen
inne
und
schaut
sich
suchend
nach
der
Mutter
um,
die
in
vielleicht
5
Meter
Entfernung
ebenfalls
vor
der
Hütte
sitzend
mit
5
6.
dem
Schneiden
und
Waschen
von
Gemüse
beschäftigt
ist.
Das
Mädchen
springt
auf,
geht
zu
ihrer
Mutter
und
drückt
sich
förmlich
in
ihre
Arme.
Die
Mutter
unterbricht
bereitwillig
ihre
Arbeit
und
spricht
und
lacht
mit
dem
Mädchen.
Nach
wenigen
Minuten
und
scheinbar
genauso
plötzlich
wie
zuvor
löst
sich
das
Mädchen
wieder
von
ihrer
Mutter,
sucht
sich
einen
neuen
Platz
am
Brunnen
und
widmete
sich
wieder
ausschließlich
dem
grünen
Luftballon.
Doch
keine
5
Minuten
später
verliert
es
erneut
das
Interesse
daran
und
erblickt
das
Brüderchen,
das
gerade
mit
den
kleinen
Kätzchen
spielt,
die
sich
am
Rand
des
Brunnen
in
der
Sonne
aalen.
Das
Mädchen
packt
den
grünen
Luftballon
in
ihre
Tasche
und
geht
zu
ihrem
Brüderchen
und
den
Kätzchen.
Der
Mensch
als
sich
selbst
regulierender
Organismus
Nach
Fritz
Perls
ist
der
Mensch,
wie
jedes
andere
lebendige
Wesen,
ein
sich
selbst
regulierender
Organismus,
der
aus
zahlreichen
Organen
und
Funktionen
besteht,
die
alle
ihren
eigenen
Stellenwert
als
Teil
des
Ganzen
haben.
Der
Mensch
als
Organismus
ist
dabei
im
wahrsten
Sinn
des
Wortes
nicht
„alleine
auf
der
Welt“
und
auch
nicht
auf
Dauer
alleine
und
autark
überlebensfähig.
Perls
redet
hierbei
von
einer
„Umwelt“,
die
jeder
Organismus
braucht,
um
„wesentliche
Stoffe
auszutauschen“.
6
7.
Weniger
abstrakt
formuliert
braucht
der
Mensch
bekanntermaßen
zum
Beispiel
Luft
zum
Atmen,
Nahrung
und
Wasser.
Er
braucht
ein
soziales
Umfeld
und
zwischenmenschliche
Beziehungen.
Er
braucht
den
(non-‐)
verbalen
Austausch
mit
anderen
und
die
Möglichkeit
Gefühle
(mit-‐)
zu
teilen,
um
nur
ein
paar
„wesentliche
Stoff“
zu
nennen,
die
der
Organismus
„Mensch“
mit
seiner
„Umwelt“
austauschen
muss,
um
überleben
zu
können.
Ein
gesunder
Organismus
ist
daher
im
ständigen
Austausch
mit
sich
und
seiner
Umwelt
um
die
Bedürfnisse
zu
befriedigen,
die
innerhalb
des
Organismus
auftauchen.
Es
können
dabei
problemlos
viele
Bedürfnisse
gleichzeitig
existieren,
im
gesunden
Organismus
wird
immer
das
in
einem
Augenblick
„wichtigste“
Bedürfnis
„zuoberst“
auftauchen
und
befriedigt
werden.
Das
alles
passiert
„automatisch“
und
stellt
das
gesunde
Leben
des
Organismus
sicher.
„Die
organismische
Selbstregulation“,
so
Gary
M.
Yontef,
„ist
ein
Prozess,
der
sich
ständig
erneuert
und
auf
Feedback
und
fortdauernd
neuer
´kreativer
Anpassung`
beruht“.
Oder
wie
Bruno-‐Paul
de
Roeck
formuliert:
„Der
Organismus
lässt
immer
wissen,
was
jetzt
wichtig
ist.
Er
äußert
seine
Vorlieben.
Wenn
wir
offenstehen
für
das,
was
in
uns
geschieht,
tut
er
es
auf
offene
Weise.
Wenn
wir
die
Signale
unterdrücken,
oder
zu
zensieren
versuchen,
tut
er
es
auf
versteckte
Art“.
Kontakt,
Kontaktgrenze
und
Kontaktzyklus
Der
dafür
notwenige
Austausch,
der
Kontakt,
zwischen
Organismus
und
seiner
Umwelt
findet
an
der
Kontaktgrenze
statt
(oder
nach
Perls
der
„Ich-‐Grenze“).
Die
Haut
ist
bestes
Beispiel
für
die
Kontaktgrenze
eines
Organismus.
Denn
die
Haut
trennt
den
Menschen
(den
Organismus)
einerseits
ab
von
seiner
Umwelt,
verbindet
ihn
aber
gleichzeitig
auch
mit
ihr,
indem
der
Mensch
z.B.
über
seiner
Haut
den
Wind
oder
Berührungen
von
anderen
Menschen
wahrnehmen
und
aufnehmen
kann,
oder
-‐
um
es
mit
den
Perls´schen
Worten
zu
sagen
-‐
mit
seiner
Umwelt
interagieren
und
in
Austausch
treten
kann.
7
8.
Der
von
Fritz
Perls,
Ralph
Hefferline
und
Paul
Goodman
entwickelte
Kontaktzyklus
beschreibt
darauf
aufbauend,
wie
ein
aufkommendes
Bedürfnis,
eine
Situation
oder
eine
Gestalt
an
der
Kontaktgrenze
idealtypisch
befriedigt
und
damit
abgeschlossen
und
integriert
wird.
Der
Kontaktzyklus
setzt
sich
hierbei
im
Wesentlichen
aus
vier
Phasen
zusammen
(Vorkontakt,
Kontaktnahme,
Kontaktvollzug
und
Nachkontakt).
Synonym
dazu
wird
oft
der
Begriff
der
Kontaktkurve
oder
der
Gestaltwelle
verwendet,
die
meist
eine
etwas
genauere
Unterteilung
des
Kontaktzyklus´
beinhaltet.
Ich
möchte
an
dieser
Stelle
nicht
abstrakt
auf
die
einzelne
Phasen
eingehen,
sondern
zurück
zu
meinem
Beispiel
vom
Anfang
dieses
Kapitels
kommen.
Zu
Beginn
ist
das
Mädchen
sich
selbst
genug
und
voll
und
ganz
mit
dem
grünen
Luftballon
beschäftigt.
Irgendwann
bemerkt
sie
aber
eine
stetig
wachsende
Unruhe
(Vorkontakt)
und
danach
ihren
„Hunger“
auf
das
Kuscheln
mit
der
Mutter
(Kontakt
mit
dem
eigenen
Bedürfnis).
Sie
nimmt
(Augen-‐)
Kontakt
mit
ihrer
Umwelt
auf,
die
in
diesem
Fall
vor
allem
aus
ihrer
Mutter
besteht.
(Kontakt
mit
der
Umwelt).
Das
Mädchen
steht
auf
und
begibt
sich
zu
ihrer
Mutter
und
drängt
sich
in
ihre
Arme
(Aggression).
Dort
verharrt
sich
ein
paar
Minuten
und
genießt
das
Geborgensein
bei
der
Mutter
(Assimilation
und
Integration).
Danach
steht
sie
wieder
auf,
begibt
sich
zu
dem
Brunnen
und
widmet
sich
wieder
dem
grünen
Luftballon
(Nachkontakt),
bis
ein
8
9.
neues
Bedürfnis
auftauchen
wird,
in
unserem
Fall,
das
Brüderchen
und
die
kleinen
Kätzchen,
die
sich
in
der
Sonne
aalen.
Der
gesunde
Mensch
Dieses
Beispiel
mag
zugegebenermaßen
sehr
einfach
sein,
es
zeigt
aber
meiner
Meinung
nach
sehr
gut,
was
es
heißt,
wenn
ein
Mensch
ein
sich
ihm
zeigendes
Bedürfnis
im
Austausch
mit
seiner
Umwelt
befriedigt
und
integriert.
Um
sich
danach
dem
nächsten
Bedürfnis,
der
nächsten
Situation,
der
nächsten
Gestalt
zu
widmen.
Und
dadurch
im
Fluss
des
Lebens,
des
Augenblickes
ist.
Im
Kontakt
mit
sich
und
seiner
Umwelt.
Solange
dies
geschieht,
ist
der
Mensch
im
gestalttherapeutischen
Sinne
gesund
und
wird
kaum
den
Wunsch
nach
Veränderung
spüren
oder
dafür
gar
Unterstützung
bei
einem
Therapeuten
suchen.
„Ein
völlig
gesunder
Mensch“,
so
Fritz
Perls,
„fühlt
sich
und
die
Wirklichkeit
ganz
und
gar.“
Unbefriedigte
Bedürfnisse.
Unvollendete
Gestalten
Doch
was
passiert,
wenn
der
Kontaktzyklus
nicht
in
seiner
idealtypischen
Weise
ablaufen
kann?
Wenn
es
zu
Kontaktstörungen
kommt?
Wenn
das
Mädchen
beispielsweise
ihr
Bedürfnis
nach
körperlicher
Nähe
mit
ihrer
Mutter
zwar
wahrnimmt,
sich
aber
nicht
traut,
auf
die
Mutter
zuzugehen,
weil
sie
am
Gesichtsausdruck
der
Mutter
zu
erkennen
glaubt,
dass
diese
gerade
keine
Zeit
dafür
hat.
Oder
weil
die
Mutter
in
ähnlichen
Situationen
zuvor
abweisend
reagiert
hat.
Oder
wenn
tatsächlich
niemand
da
ist,
und
das
Mädchen
sich
zwangsläufig
selbst
versorgen
muss?
Oder
wenn
das
Mädchen
zwar
auf
die
Mutter
zugeht,
diese
sich
aber
abwendet,
weil
sie
gerade
zu
sehr
mit
der
Zubereitung
des
Essens
beschäftigt
ist?
Die
Konsequenz
für
das
Mädchen
ist
in
allen
Fällen
die
gleiche:
ihr
Bedürfnis,
ihr
Wunsch
nach
körperlicher
Nähe,
nach
Geborgenheit,
wird
nicht
in
dem
Maße
befriedigt,
wie
sie
es
in
diesem
Augenblick
gebraucht
hätte.
Es
bleibt
ein
unbefriedigtes
Bedürfnis,
eine
im
gestalttherapeutischen
Sinne
ungeschlossene
Gestalt
zurück.
Die
in
unserem
Beispiel
natürlich
nicht
zwangsweise
zu
einem
9
10.
„echten“
und
nachhaltigen
Problem
für
das
Mädchen
werden
muss.
Nichtsdestotrotz
aber
im
Organismus
des
Mädchen
„stecken“
bleibt,
und
ähnlich
wie
ein
unverdautes
Essen
„schwer
im
Magen“
liegen
kann.
Wir
Neurotiker
Wir
haben
alle
hunderte,
wenn
nicht
tausende
solcher
ungeschlossenen
Gestalten
in
uns.
Das
ist
so,
und
grundsätzlich
auch
kein
Grund
zur
Besorgnis.
Und
dennoch
können
sie
uns
daran
hindern,
ein
Bedürfnis,
dass
sich
jetzt
gerade,
in
diesem
Augenblick
zeigt,
in
einer
für
uns
in
diesem
Augenblick
angemessen
Art
und
Weise
befriedigen
zu
können.
Weil
die
ungeschlossenen
Gestalten
„nachwirken“
und
uns
von
einem
gegenwärtigen
Erleben
abhalten.
Indem
wir
unser
Bedürfnis
im
Extremfall
beispielsweise
gar
nicht
mehr
wahrnehmen,
weil
wir
vielleicht
zu
oft
erlebt
haben,
dass
wir
es
im
Kontakt
mit
der
Umwelt
nicht
in
einer
für
uns
befriedigenden
Art
und
Weise
auflösen
können.
Oder
indem
wir
Tricks
und
Kniffe
entwickeln,
uns
Rollen
aneignen
oder
Spielchen
spielen,
um
von
unserer
Umwelt
das
zu
bekommen,
war
wir
eigentlich
benötigen,
es
aber
nicht
eigenverantwortlich
befriedigen
können
oder
wollen.
Für
Fritz
Perls
sind
wir
dann
Neurotiker:
"Ich
nenne
jeden
Menschen
neurotisch,
der
seine
Kraft
darauf
verwendet,
andere
zu
manipulieren
und
sich
weigert,
selbst
zu
wachsen“.
Konsequenzen
Das
kleine
Mädchen,
dass
ihr
Bedürfnis
nach
körperlichen
Nähe
und
Geborgenheit
mit
der
Mutter
oder
ihrem
(familiären)
Umfeld
nie
oder
viel
zu
selten
gemäß
der
obigen
Gestaltwelle
befriedigen
konnte,
kann
unter
Umständen
auch
als
erwachsene
Frau
Probleme
haben,
dieses
Bedürfnis
in
einer
Beziehung
oder
Freundschaft
zu
zeigen
und
auf
eine
für
sie
gute
Art
und
Weise
zu
befriedigen.
Weil
sie
als
Kind
vielleicht
gelernt
hat,
genau
dieses
Bedürfnis
zu
verdrängen.
Gelernt
hat,
sich
in
diesem
Punkt
lieber
selbst
zu
versorgen,
anstelle
das
im
Kontakt
mit
ihrer
Umwelt
und
anderen
Menschen
zu
tun.
Gelernt
hat
ohne
Nähe
und
Geborgenheit
10
11.
auszukommen.
Und
als
erwachsene
Frau
dann
vielleicht
zurückhaltend,
introvertiert,
„verkopft“
oder
emotionslos
auf
andere
wirkt.
Und
sich
selbst
wohl
so
einschätzt.
Oder
weil
sie
als
Kind
gelernt
hat,
dass
ihr
Bedürfnis
nur
dann
von
der
Mutter
oder
ihrem
(familiären)
Umfeld
gestillt
wird,
wenn
sie
brav
und
fleißig
war.
Oder
sich
besonders
hübsch
gemacht
hat.
Oder
anderweitig
„Leistung“
erbracht
hat
dafür.
Und
als
erwachsene
Frau
dann
vielleicht
von
einem
nie
zu
erfüllenden
Leistungsanspruch
sich
selbst
gegenüber
getrieben
ist.
Der
Wunsch
nach
Veränderung
An
diesem
Punkt
sind
wir
wieder
am
Beginn
des
Kapitels
angekommen.
Bei
dem
Wunsch
nach
Veränderung
auf
Grund
unbefriedigter
Bedürfnisse.
Und
dieser
Wunsch
lässt
die
Frau
vielleicht
zu
guter
Letzt
an
der
Tür
eines
Gestalttherapeuten
klingeln.
Weil
sie
„unzufrieden“
mit
sich
ist.
Weil
sie
eben
nicht
mehr
introvertiert
und
emotionslos
sein
möchte.
Weil
sie
spürt,
dass
ihr
eigener
Leistungsanspruch
sie
früher
oder
später
in
den
Burn-‐Out
treiben
wird
oder
sie
schon
genau
dort
ist.
Weil
sie
wegkommen
möchte
von
den
Rollen
und
Spielchen,
auf
die
sie
keine
Lust
mehr
hat,
aber
dennoch
immer
weiter
spielt.
11
12.
Freiheit
und
Verantwortung
Schicksal
und
was
daraus
entstehen
kann
Arnold
Beisser
ist
25
Jahre
alt
und
auf
dem
Weg
nach
Europa,
in
dem
gerade
der
2.
Weltkriegt
wütet,
um
dort
als
Kriegsberichterstatter
zu
arbeiten,
als
er
völlig
überraschend
an
Polio
(Kinderlähmung)
erkrankt,
einer
zu
dieser
Zeit
noch
unheilbaren
Krankheit.
Bis
dahin
lebte
er
den
amerikanischen
Traum
vom
„Alles
ist
möglich,
wenn
man
es
nur
versucht“.
Er
ist
nationaler
Tennis-‐Champion
und
einer
der
jüngsten
Professoren
der
amerikanischen
Universitäts-‐Geschichte.
Von
heute
auf
morgen
ist
Beisser
fast
komplett
gelähmt
und
für
viele
Monate
an
die
„eiserne
Lunge“
gefesselt,
die
ihn
zu
Beginn
seiner
Krankheit
am
Leben
erhält.
Mit
einem
Mal
ist
sein
bisher
so
geradlinig
und
zielstrebig
geplantes
Leben
dahin,
ein
Schicksalsschlag,
der
sein
Leben
auf
nachhaltigste
Weise
verändert.
Er
trifft
irgendwann
auf
Fritz
Perls
und
wird
ihm
Freund
und
Schüler.
Seine
paradoxe
Theorie
der
Veränderung
(auf
die
ich
an
späterer
Stelle
noch
eingehen
werde),
wonach
Veränderung
nicht
dadurch
geschieht,
indem
man
sich
darauf
konzentriert,
etwas
unbedingt
ändern
zu
wollen,
sondern
indem
man
zuallererst
akzeptiert
was
ist,
wird
ein
zentraler
Bestandteil
der
modernen
Gestalttherapie.
Er
leitet,
an
den
Rollstuhl
gefesselt,
für
viele
Jahre
eine
psychiatrische
Klinik,
hat
Frau
und
Familie
und
stirbt
1990
nach
einem
erfüllten
und
reichen
Leben.
Bucky
Kantor
ist
ungefähr
im
gleichen
Alter
wie
Beisser,
als
er
im
Jahr
1944
ebenfalls
an
Polio
erkrankt.
Er
ist
Sportlehrer
und
begnadeter
Turmspringer
und
betreut
zu
diesem
Zeitpunkt
in
Newark
Schülerinnen
und
Schüler
während
deren
Sommerferien.
Viel
lieber
wäre
er
aber
wie
alle
seine
Freunde
an
der
Front
in
Europa.
Aufgrund
seiner
extremen
Kurzsichtigkeit
aber
wurde
er
als
untauglich
eingestuft.
Eine
„Schmach“,
die
ihm
schwer
zu
schaffen
macht,
und
die
er
mit
einem
beinahe
krankhaften
(neurotischen?)
Verantwortungsbewusstsein
für
seine
Schülerinnen
und
Schüler
auszugleichen
versucht.
12
13.
Auch
Kantor
muss
für
viele
Monate
in
die
„eiserne
Lunge“,
und
ist
danach
für
immer
„ein
Krüppel“,
wie
er
selbst
sagt.
Er
ist
zwar
an
keinen
Rollstuhl
gebunden,
kann
sich
aber
nur
noch
mit
Krücken
und
unter
größten
Kraftanstrengungen
bewegen.
Obwohl
ihm
seine
Verlobte
ihre
Liebe
mehrfach
beteuert
und
ihn
ohne
Zögern
auch
mit
seiner
Behinderung
heiraten
will,
vertreibt
er
sie
aus
seinem
Leben
und
wird
ein
eigenbrötlerischer
und
frustrierter
Mann,
der
alleine
Gott
für
sein
Schicksal
verantwortlich
macht.
Er
stirbt
nach
vielen
Jahren
einsam
und
verbittert
mit
der
tiefen
Überzeugung,
dass
Gott
und
die
Welt
gegen
ihn
waren.
Bucky
Cantor
ist
im
Gegensatz
zu
Arnold
Beisser
keine
reale
Person,
sondern
die
Erfindung
von
Philip
Roth,
der
Bucky´s
Geschichte
in
seinem
Roman
„Nemesis“
erzählt
(dessen
Lektüre
ich
nur
empfehlen
kann,
auf
den
ich
aber
an
dieser
Stelle
nicht
weiter
eingehen
werde).
Mehr
oder
weniger
zufällig
habe
ich
Arnold
Beisser´s
Autobiografie
„Wozu
brauche
ich
Flügel“
und
Bucky
Cantor´s
Nemesis
parallel
gelesen.
Zwei
mehr
oder
weniger
identische
Schicksale
mit
so
unterschiedlichen
Auswirkungen
für
das
weitere
Leben
der
beiden
Betroffenen.
Hineingeworfen
ins
Leben
Sowohl
der
reale
Lebenslauf
Beisser´s
als
auch
der
fiktive
Cantor´s
zeigen,
dass
ein
Mensch
natürlich
äußeren
Einflüssen
unterworfen
ist.
Eine
plötzliche,
schwere
Krankheit,
der
überraschende
Verlust
des
Arbeitsplatzes,
der
unerwartete
Tod
eines
mir
wichtigen
Menschen.
Das
alles
sind
Ereignisse,
die
letztendlich
nicht
in
unserer
Macht
stehen.
Genauso
wenig
wie
wir
uns
unsere
Eltern
(und
deren
Erziehungsmethoden)
aussuchen
konnten,
oder
die
Zeit,
das
Land
und
die
gerade
herrschenden
Umstände,
in
die
wir
durch
unsere
Geburt
„hineingeworfen“
wurden.
Wir
alle
sind
ständig
materiellen,
politischen
und
sozialen
Umständen
unterworfen,
die
wir
häufig
auch
nicht
ändern
können
(zumal
nicht
in
jedem
von
uns
ein
Mahatma
Ghandi
oder
Martin
Luther
King
steckt).
Dieses
scheinbare
„Ausgeliefertsein“
steht
nun
im
auf
den
ersten
Blick
krassen
Gegensatz
zu
der
Aussage
von
Fritz
Perls,
für
den
„die
volle
Verantwortung
für
sein
13
14.
Leben
zu
übernehmen“
die
Grundvoraussetzung
für
Veränderung
und
persönlichem
Wachstum
ist.
Existenzialismus
In
dieser
Aussage
wird
der
Einfluss
des
Existenzialismus
auf
die
Gestalttherapie
deutlich.
Der
Mensch
hat
dabei
zwar
grundsätzlich
immer
die
Freiheit
zu
entscheiden,
nur
meist
in
einem
mehr
oder
weniger
eng
gesteckten
Rahmen.
Er
ist,
wie
es
Jean-‐Paul
Sartre
etwas
überspitzt
formuliert,
„verurteilt
frei
zu
sein.
Verurteilt,
weil
er
sich
nicht
selbst
erschaffen
hat,
andererseits
aber
dennoch
frei,
da
er,
einmal
in
die
Welt
geworfen,
für
alles
verantwortlich
ist,
was
er
tut."
Das
Sartre-‐Zitat
lässt
ahnen,
warum
das
Bewusstsein
von
Verantwortung
so
oft
eher
als
belastend,
denn
als
befreiend
empfunden
wird.
Denn
die
Welt,
in
der
ich
Verantwortung
übernehmen
soll,
kann
ich
mir
nicht
oder
nur
in
sehr
eingeschränktem
Masse
selbst
wählen.
Und
oft
sind
die
verbleibenden
Möglichkeiten
so,
dass
man
sich
der
Verantwortung
lieber
entziehen
möchte,
statt
sie
mit
allen
Konsequenzen
zu
tragen.
Bucky
Cantor
hat
sich
dieser
Verantwortung
entzogen,
indem
er
alleine
Gott
verantwortlich
macht.
Arnold
Beisser
stellt
sich
irgendwann
dieser
Verantwortung.
Wer
weiß
was
passiert
wäre,
wenn
auch
Bucky
Cantor
zur
richtigen
Zeit
auf
Fritz
Perls
getroffen
wäre?
Freiheit
und
Verantwortung
Wir
haben
als
Mensch
offensichtlich
oft
nicht
die
Freiheit,
die
Umstände,
in
denen
wir
leben,
zu
wählen,
und
wir
tragen
oft
auch
nicht
die
Verantwortung
dafür.
Wir
haben
aber
als
Mensch
immer
die
Freiheit
und
die
Verantwortung
uns
zu
entscheiden,
wie
wir
auf
diese
Umstände
antworten
oder
reagieren,
welche
Bedeutung
wir
ihnen
geben.
Diese
Freiheit
und
Verantwortung
kann
man
einem
Menschen
nicht
abnehmen.
Man
kann
sie
ihm
aber
auch
nicht
wegnehmen,
es
sei
denn
man
bringt
ihn
um
den
Verstand
oder
um
sein
Leben.
14
15.
Der
Klient,
der
mit
dem
Wunsch
nach
Veränderung
zu
einem
Gestalttherapeuten
kommt,
wird
oft
genau
diese
Verantwortung
nicht
übernehmen
wollen,
aber
wohl
auch
die
damit
verbundene
Freiheit
nicht
sehen.
Auf
dem
Weg
zu
einer
nachhaltigen
und
ganzheitlichen
Veränderung
kann
es
dann
ein
wichtiger
Schritt
sein,
ihm
diese
Verantwortung
„aufzubürden“,
zuzumuten
aber
auch
zuzutrauen.
Ihm
aber
gleichzeitig
immer
und
immer
wieder
auch
seine
Freiheit
und
die
damit
verbundenen
Wahlmöglichkeiten
im
Hier
und
Jetzt
bewusst
zu
machen.
Denn
„ohne
Bewusstheit“,
so
Fritz
Perls,
„gibt
es
keine
Kenntnis
einer
Wahlmöglichkeit“.
Ich
habe
dafür
immer
das
Bild
einer
Weggabelung
vor
mir.
Und
vielleicht
ist
der
Weg
vom
Wunsch
nach
Veränderung
hin
zu
Veränderung
und
Wachstum
auch
ein
kontinuierliches
Bewusstmachen
von
genau
dieser
Entscheidungsfreiheit,
ob
es
„links“
oder
„rechts“
weitergeht.
Oder
um
es
mit
den
Worte
von
Fritz
Perls
zu
sagen:
„Solange
man
ein
Symptom
bekämpft
wird
es
schlimmer.
Wenn
man
Verantwortung
übernimmt
für
das,
was
man
sich
selber
antut,
wie
man
seine
Symptome
hervorbringt,
wie
man
seine
Krankheit
hervorbringt,
wie
man
sein
ganzes
Dasein
hervorbringt
–
in
dem
15
16.
Augenblick,
in
dem
man
mit
sich
selbst
in
Berührung
kommt
–
beginnt
Wachstum,
beginnt
die
Integration,
die
Sammlung“.
16
17.
Veränderung
und
Wachstum
Und
nun
stand
er
wie
so
oft
in
den
letzten
Jahren
vor
den
riesigen
zwei
Felsen,
die
den
Geschichten
nach,
den
Held
und
den
Dämon
in
ewiger
Zweisamkeit
verbinden.
Die
seit
Menschengedenken
Sinnbild
für
die
Verschmelzung
von
„Gut“
und
„Böse“
waren
und
die,
wenn
man
den
Legenden
glauben
darf,
Basis
und
Wurzel
ihrer
so
wunderbaren
Welt
waren.
Die
nur
existierten,
weil
es
beide
gab,
den
Held
und
den
Dämon.
Und
die
nicht
existieren
könnten,
wenn
der
eine
den
anderen
vernichtet
hätte.
Und
in
der
Tat:
es
bedarf
nicht
allzu
viel
Phantasie,
um
in
den
zwei
Felsen,
die
mindestens
zehn
Meter
in
den
Himmel
ragten,
den
Held
und
den
Dämon
zu
erkennen.
Der
Held,
aufrecht
und
mit
stolz
erhobenem
Haupt.
Der
mit
klaren
Gesichtszügen,
stolz
und
furchtlos,
mit
Schwert
und
Schild
an
seiner
Seite,
dem
Dämon
entgegentritt.
Dem
Dämon,
der
weitaus
„diffuser“
wirkte,
weniger
greifbar,
doch
gleichzeitig
auch
mit
einer
immensen
Anziehungskraft.
Der
Dämon
überragte
den
Helden
noch
um
etliche
Meter,
der
Fels
war
wesentlich
zerklüfteter,
weniger
konkret.
Viel
schwärzer
als
der
Held
und
mit
einem
„Gesicht“,
in
dem
jeder
den
großen,
weit
aufgerissenen
Mund
entdecken
konnte,
mit
dem
der
Dämon
in
den
alten
Geschichten
den
Helden
so
furchterregend
und
angsteinflößend,
aber
gleichsam
auch
so
verzweifelt
anschrie
und
anflehte.
Ihn
gleichzeitig
bedrohte
und
um
Anerkennung
flehte.
Die
zwei
Felsen
standen
ca.
zwei
Meter
auseinander,
doch
ob
aus
einer
Laune
der
Natur
heraus
oder
aufgrund
der
Vereinigung
von
Held
und
Dämon,
wie
sie
in
den
Geschichten
erzählt
wird,
verband
ein
Bogen
aus
Fels
die
beiden
lange
Zeit
so
gegensätzlichen
und
unversöhnlichen
Seiten.
„Der
Held
und
der
Dämon
reichen
sich
die
Hand;
sie
akzeptieren
sich
so
wie
sie
sind,
geben
dem
anderen
den
ihm
zustehenden
Platz
in
unserer
Welt
und
ermöglichen
so
ein
neues,
gutes
Ganzes“,
dachte
er
und
wie
immer
fühlte
sich
diese
Vorstellung
für
ihn
befreiend
und
kraftvoll
an.
17
18.
Heldenreise
Es
mag
auf
den
ersten
Blick
vielleicht
überraschen,
dass
ich
an
dieser
Stelle
eine
Passage
aus
meiner
Abschlussarbeit
zum
Ende
der
Basisstufe
zitiere,
in
der
ich
eine
der
Phantasiereisen
während
meiner
Heldenreise
im
Sommer
2008
in
Weigenheim
beschreibe.
Wo
es
mir
doch
in
dieser
Arbeit
um
den
Wunsch
nach
Veränderung
und
einem
möglichen
gestalttherapeutischen
Weg
dorthin
geht.
Aber
gerade
deswegen
möchte
ich
in
diesem
Kapitel
auch
auf
die
Heldenreise
eingehen,
die
ich
heute
abseits
von
meinen
sehr
eindrücklichen,
persönlichen
Erfahrungen
auch
im
Rahmen
eines
gestalttherapeutischen
Prozesses
zu
nachhaltiger
Veränderung
und
persönlichem
Wachstum
einordnen
kann.
Die
fünf
Schichten
der
Neurose
Anfangen
möchte
ich
aber
mit
-‐
wie
könnte
es
anders
sein
-‐
Fritz
Perls,
der
schon
in
den
1960er
Jahren
ein
erstes
„Model“
für
einen
Veränderungsprozess
beschrieben
hat.
Er
spricht
dabei
(je
nach
Quelle)
von
vier
bis
fünf
„Schichten
der
Neurose“
(ich
werde
mich
im
Folgenden
auf
das
fünf-‐phasige
Model
beschränken).
Es
liese
sich
an
dieser
Stelle
trefflich
darüber
diskutieren,
ob
es
sich
dabei
um
(räumlich
orientierte)
Schichten
oder
Ebenen
oder
doch
mehr
um
(zeitlich
orientierte)
Phasen
handelt.
Ich
möchte
sein
Model
aber
vor
allem
aus
Sicht
der
dabei
stattfindenden
Veränderungen
beschreiben.
Die
erste
Phase
nennt
Perls
die
Klischee-‐Phase,
in
der
der
Mensch
nach
vorgegebenen
Mustern
und
Ritualen
lebt.
„Kontakt“
mit
anderen
Menschen
stellt
sich
meist
als
klischeehaftes
Händeschütteln
oder
mechanisches
„Guten
Morgen,
wie
geht
es
Dir?“
dar.
Das
Vorhandensein
des
Anderen
wird
bemerkt,
mehr
aber
auch
nicht.
Spontan
fällt
mir
dazu
eine
Übung
ein,
die
wir
während
einer
unserer
ersten
Wochenenden
in
der
Basisstufe
gemacht
haben.
Manfred
hatte
uns
aufgefordert,
durch
den
Raum
zu
gehen
und
die,
die
uns
dabei
begegnen,
zu
begrüßen.
Wir
taten
dies
im
Rückblick
sicherlich
sehr
„klischeehaft“
mit
Händedruck,
Umarmung
oder
gar
18
19.
Küsschen.
Nachdem
uns
Manfred
dazu
eingeladen
hatte,
in
dem
Moment
der
Begrüßung
wirklich
sehr
bewusst
zu
entscheiden,
wie
wir
den
Gegenüber
jetzt
gerade
in
diesem
Augenblick
begrüßen
wollen,
waren
die
Begrüßungen
fast
durchweg
zurückhaltender
aber
auch,
zumindest
in
meiner
Erinnerung,
ehrlicher
und
nachhaltiger.
Nach
der
Klischee-‐Phase
folgt
das
Stadium
des
Als-‐ob-‐Verhaltens,
des
Rollenspiels.
„Die
Schicht“,
so
Perls,
„wo
wir
Spielchen
machen
und
in
Rollen
schlüpfen“.
Bruno-‐Paul
de
Roeck
führt
eine
sehr
treffende
„Spielchen-‐Sammlung“
auf:
Das
Mitleid-‐Spielchen,
indem
man
sich
übertrieben
bedauernswert
stellt,
um
das
Mitleid
der
anderen
zu
wecken.
Das
Erpresser-‐Spielchen
(„Du
bist
der
einzige,
der
mir
helfen
kann.“).
Das
Übertragungsspielchen
(„Du
bist
genau
wie
meine
Mutter.“),
das
Vergleichsspielchen
(„Du
hast
es
leichter.
Du
kannst
Dich
immer
leicht
über
etwas
hinwegsetzen.“)
oder
das
Vorwurfsspielchen
(„Warum
bist
Du
nicht
etwas
tüchtiger?“)
um
nur
ein
paar
Beispiele
zu
nennen.
All
diese
Spielchen
(und
es
gibt
sicherlich
Hunderte
davon)
dienen
nur
dem
einen
Zweck
-‐
nämlich
den
anderen
zu
manipulieren.
Doch
in
diesem
Stadium
betrügen
wir
letztendlich
vor
allem
uns
selbst,
weil
wir
jemanden
darstellen
wollen,
der
wir
nicht
sind.
„Wir
identifizieren
uns
selbst
und
andere“,
so
Bruno-‐Paul
de
Roeck,
„mit
einem
Idealbild,
das
uns
mit
seinen
Anforderungen
nur
terrorisiert
und
uns
schmerzlich
verfremdet
und
machtlos
macht“.
Wir
sind
dann
der
Frosch,
der
sich,
wie
in
der
Fabel
von
Aesop,
zur
Kuh
machen
will.
Mit
bekanntermaßen
dramatischen
Folgen
für
den
Frosch.
Wer
diese
Schicht
hinter
sich
lässt,
wer
aufhört
Spielchen
zu
spielen,
wer
aus
seiner
Rolle
heraustritt,
der
kommt
in
die
Phase
der
Impasse,
in
die
Ausweglosigkeit.
Die
(scheinbare)
Sicherheit
des
Klischees
oder
der
Rollen
sind
dahin,
der
Mensch
muss
mit
einem
Male
„auf
eigenen
Beinen
stehen“.
Die
bisherige
Wirklichkeit
erweist
sich
als
bloße
Phantasie,
die
bisherigen
Vorstellungen
und
Bilder
von
sich
selbst
und
der
Welt
sind
nichtig.
Ein
Zurück
in
das
Altbekannte
würde
das
gerade
begonnene
Wachstum
abwürgen,
doch
noch
fehlt
der
feste
Boden
unter
den
Füssen
19
20.
für
ein
Leben
abseits
von
Klischees
und
Rollen.
„Nicht
zurückziehen
ist
hier
die
Parole“,
so
de
Roeck.
„Der
Schmerz
des
Wachsens
lohnt
sich.
Sterben,
um
zu
leben“.
Wer
„nicht
zurückzieht“,
betritt
die
Implosionsphase
oder
so
Perls,
die
„Schicht
des
Todes“.
Der
Mensch
steht
kurz
davor,
sich
zu
erneuern,
der
zu
werden,
der
er
ist.
Doch
werde
ich
dann
noch
angenommen?
Werde
ich
dann
noch
geliebt?
Bedeutet
es
nicht
meinen
Tod,
wenn
ich
nicht
mehr
der
bin,
der
ich
war?
Das
letzte
Aufbäumen
findet
statt,
um
Veränderung
und
Wachstum
doch
noch
zu
verhindern.
Der
Mensch
versucht
krampfhaft,
die
gegensätzlichen
Kräfte,
die
in
ihm
wirken,
zusammenzuhalten.
Zieht
sich
zusammen.
Implodiert.
Stirbt.
Stirbt,
um
in
der
letzten
Phase,
der
Phase
der
Explosion,
neugeboren
zu
werden.
Die
vielzitierte
Katharsis.
Die
Explosion
hat
dabei
nichts
von
einer
Katastrophe,
sondern
ist
vielmehr
Ausdruck
von
echten
Gefühlen
auf
den
verschiedensten
Gebieten.
Echte
Trauer
und
Tränen
werden
zugelassen,
Wut
und
Aggression
dürfen
sein,
Freunde
und
Ausgelassenheit
werden
intensiv
gelebt.
Der
Mensch
entdeckt
seine
authentische
Persönlichkeit,
er
spürt
so
viel
Energie
in
sich
wie
nie
zuvor.
„Der
furchterregende
Berg“,
so
de
Roeck,
„der
dir
vorher
den
Weg
zum
Leben
versperrte
und
dich
hinderte,
Risiko
auf
dich
zu
nehmen,
wird
zu
einem
lächerlichen
Maulwurfshügel,
der
nur
durch
deine
Einbildung
so
riesenhaft
aufgebläht
wurde“.
WESENtliches
Oder
um
es
mit
den
Worten
meines
Wesens
zu
sagen,
das
mir
nach
meinem
ersten
Sommer-‐Intensiv
in
Weigenheim
die
folgenden
Zeilen
geschrieben
hat:
Ich
durfte
gestern
viele
Tränen
weinen
und
Schmerz
loslassen,
Für
den
Mut
dafür
danke
ich
Dir.
Ich
fühle
mich
am
Ende
einer
Etappe,
die
vielleicht
1998
angefangen
hat
und
die
gestern
ein
so
befreiendes
Ende
fand.
Es
war
sehr
schön,
diese
Etappe
dann
so
ausgiebig
zu
feiern.
Im
Kontakt
–
mit
Dir,
mit
Frauen,
mit
Männern.
Dieser
Kontakt
war
sehr
schön
für
mich
und
ich
kann
Dich
nur
ermutigen,
diesen
Weg
weiterzugehen.
Ich
werde
Dich
immer
unterstützen
und
Dir
helfen
wo
ich
kann.
20
21.
Die
Struktur
des
Veränderungsprozesses
Angelehnt
an
Perls´
Schichten
der
Neurose
haben
Frank
M.
Staemmler
und
Werner
Bock
ebenfalls
eine
Strukturierung
des
Veränderungsprozesses
vorgeschlagen,
auf
die
ich
nun
eingehen
möchte.
Die
erste
Phase,
die
Staemmler
und
Bock
als
Stagnation
bezeichnen,
zeichnet
sich
dadurch
aus,
dass
sich
ein
Mensch,
der
sich
darin
befindet,
nicht
mehr
selbst
als
Urheber
der
Veränderung
seiner
Situation
begreift.
Alle
„Macht“,
alle
Verantwortung
dafür
liegt
ausschließlich
bei
äußeren
Kräften.
Bei
dem
Partner
oder
der
Partnerin,
dem
Arbeitgeber,
der
Gesellschaft,
dem
Staat,
der
Kirche,
bei
Gott.
Wenig
überraschend
wird
dies
meist
als
belastende
Abhängigkeit
empfunden,
die
trotzdem
letztendlich
nicht
in
Frage
gestellt
wird,
weil
sie
natürlich
auch
einen
echten
„Vorteil“
bietet,
da
der
Mensch
„scheinbar“
nicht
für
seine
Situation
verantwortlich
ist.
Ein
Mensch
in
der
Stagnation
kann
durchaus
„aktiv“
an
seiner
Veränderung
arbeiten.
Den
Partner
oder
den
Arbeitsgeber
wechseln.
Gegen
Gesellschaft,
Staat
und
Kirche
demonstrieren.
Von
einem
Therapeuten
zum
nächsten
rennen.
Seminare
und
Workshops
besuchen.
Und
doch
wird
er
sich
nicht
persönlich
verändern
und
wachsen,
solange
er
in
der
Stagnation
bleibt.
In
meiner
Arbeit
als
interner
Coach
bei
SAP
habe
ich
einige
Coachees
kennengelernt,
die
sich
genau
in
der
Phase
der
Stagnation
befanden,
als
sie
mit
dem
Coaching
angefangen
haben.
Beispielsweise
Petra,
32
Jahre,
die
sich
nach
einem
gerade
überstandenen
Burn-‐Out
„neu
orientieren“
will
bei
SAP,
sich
zu
Beginn
des
Coachings
aber
vor
allem
als
„Opfer“
einer
„unmenschlichen
SAP“
sieht,
die
nicht
nur
sie,
sondern
auch
viele
Kollegen
„vorsätzlich
frustriert“.
Oder
Peter,
35
Jahre,
der
endlich
mehr
Einfluss
auf
die
Arbeitsweise
innerhalb
seines
Teams
nehmen
will,
aber
vom
uneinsichtigen
Team
und
seinem
Manager,
der
„ihm
nie
zuhört“
und
sowieso
„noch
nie
Interesse
für
neue
Themen
gezeigt
hat“
ausgebremst
und
demotiviert
wird.
Oder
Mia,
22
Jahre,
die
davon
träumt,
in
die
Medienbranche
zu
wechseln,
dafür
aber
nur
Kopfschütteln
von
Freunden
und
Eltern
erntet,
die
sie
„nicht
unterstützen“
und
ihr
„ihre
Flausen
ausreden
wollen“.
21
22.
Nach
der
Stagnation
folgt
die
Phase
der
Polarisation,
die
im
Vergleich
zur
Stagnation
einen
bemerkenswerten
Fortschritt
für
einen
Menschen
darstellen
kann.
Der
Mensch
entdeckt
(wiederentdeckt?)
nämlich
sich
selbst
als
Handelnden,
entdeckt
vielleicht
bislang
ungeahnte
Wahlmöglichkeiten.
Realisiert,
dass
die
äußeren
Kräfte,
denen
er
in
der
Stagnation
scheinbar
hoffnungslos
ausgeliefert
war,
oft
nur
Phantasiegebilde
sind.
Doch
für
echte
Veränderung
und
Wachstum
ist
es
noch
„zu
früh“.
Denn
der
neu
entdeckten
Handlungsfreiheit
steht
der
gleichzeitige
Versuch
diese
zu
unterdrücken
gegenüber.
„Ich
würd
ja
wollen,
wenn
ich
nur
könnt“
beschreibt
wie
schon
zu
Beginn
dieser
Arbeit
angedeutet,
die
für
die
Polarisation
typische
Zerrissenheit,
die
einem
Menschen
im
wahrsten
Sinne
des
Wortes
Angst
machen
kann.
Denn,
so
Staemmler
und
Bock,
„ist
Angst
das
subjektive
Empfinden,
das
entsteht,
wenn
ein
Mensch
zwei
widersprüchliche
Handlungen
ausführt“.
Denn
die
neu
gewonnenen
Wahlmöglichkeiten
liegen
meist
klar
auf
dem
Tisch,
die
Aussichtslosigkeit
des
Opfer-‐Daseins
ist
dahin.
Andererseits
aber
nehmen
genau
diese
neu
gewonnenen
Wahlmöglichkeiten
dem
Menschen,
so
Staemmler
und
Bock
weiter,
„die
Möglichkeit,
äußere
Bedingungen
und
andere
Menschen
für
seine
persönliche
Misere
alleine
verantwortlich
zu
machen“.
Oder
wie
Franz
Mittermair
schreibt:
„Am
Ende
der
Polarisationsphase
sind
Bedürfnis
und
Widerstand
bewusst,
stehen
im
Dialog
und
wir
haben
keinerlei
Lösung“.
Dieses
Nichtvorhandensein
einer
Lösung
bringt
den
Menschen
in
die
dritte
Phase,
die
Phase
der
Diffusion.
Ähnlich
der
Impasse
beim
Perls´schen
Fünf-‐Schichten-‐Model
erlebt
ein
Mensch
diese
Phase
mitunter
als
hochgradig
verwirrend
und
beunruhigend.
Denn
er
realisiert,
dass
es
für
sein
Problem
der
ihm
jetzt
sehr
bewussten
Polaritäten
keine
inhaltliche
Lösung,
keine
Lösung
auf
Ebene
des
Verstandes
gibt.
Der
Mensch
fühlt
sich
orientierungslos,
ist
verwirrt.
Es
zeigt
sich
oft
ein
„Nichts“,
das
aber
da
vom
Menschen
erlebbar,
nicht
„Nichts“
ist,
sondern
oft
nur
wegen
einer
fehlenden
besseren
Terminologie
so
bezeichnet
wird.
Doch
das
„Nichts“,
die
22
23.
Verwirrung
hat
sein
Gutes,
denn,
so
Fritz
Perls
„wenn
du
...
bei
dieser
Verwirrung
bleibst,
wird
sich
die
Verwirrung
selbst
entwirren“.
Die
sich
anschließende
vierte
Phase
der
Kontraktion
erinnert
stark
an
Perls´
Implosionsphase
und
wird
meist
als
schmerzhaft
und
bedrohlich
empfunden.
Denn
auch
in
der
Kontraktion
erkennt
der
Mensch,
dass
er
sich
nur
dann
weiter
verändern
und
wachsen
kann,
wenn
er
vorher
„stirbt“.
Steve
Jobs
hat
dies
in
seiner
mittlerweile
vielzitierten
Rede
vor
Stanford-‐Absolventen
sehr
treffend
formuliert:
„Niemand
will
sterben.
Sogar
die
Menschen,
die
in
den
Himmel
kommen
wollen,
wollen
dafür
nicht
sterben.
Und
doch
ist
der
Tod
das
Schicksal,
das
wir
alle
teilen.
Niemand
ist
ihm
jemals
entronnen.
Und
so
soll
es
auch
sein:
Denn
der
Tod
ist
wohl
die
mit
Abstand
beste
Erfindung
des
Lebens.
Er
ist
der
Katalysator
des
Wandels.
Er
räumt
das
Alte
weg,
damit
Platz
für
Neues
geschaffen
wird.“
Und
wie
bei
Perls
mit
der
Phase
der
Explosion
kommt
nach
der
Kontraktion
mit
der
Phase
der
Expansion
die
Neugeburt
des
Menschen.
Wo
vorher
Zerrissenheit
war
ist
nun
Eins-‐Sein.
Aus
Schwierigkeiten
wird
Freude.
Aus
Verlust
wird
heilende
Trauer.
Aus
(innerem)
Kampf
wird
Frieden
und
tiefe
Gelassenheit.
Aus
Bedrücktheit
wird
Erleichterung.
Aus
scheinbar
unlösbaren
Problemen
wird
Stolz,
es
„geschafft“
zu
haben.
Theorie
und
Praxis
An
dieser
Stelle
möchte
ich
darauf
hinweisen,
dass
sowohl
das
Perls´sche
Schichtenmodel
als
auch
der
Veränderungsprozess
wie
ihn
Staemmler
und
Bock
vorschlagen,
letztendlich
nur
Modelle
sind,
die
in
der
(therapeutischen)
Realität
oft
nicht
exakt
so
wie
beschrieben
oder
nur
in
Teilen
davon
ablaufen.
Nicht
jeder
Veränderungsprozess
wird
die
beschriebenen
Schritte
„am
Stück“
durchlaufen,
gleichwohl
zum
Beispiel
Staemmler
und
Bock
darauf
hinweisen,
„dass
es
im
Interesse
einer
vollständigen
Bearbeitung
eines
jeweiligen
Themas
notwendig
ist,
alle
fünf
Phasen
zu
durchleben,
dass
keine
Phase
übersprungen
oder
umgangen
werden
kann“.
23
24.
Im
Sinne
der
Eigenverantwortung,
die
dem
Klienten
in
der
Gestalttherapie
bedingungslos
zugestanden
und
auferlegt
wird,
kann
er
jederzeit
entscheiden,
ob
er
einen
begonnenen
Prozess
fortführen
oder
unterbrechen
möchte,
oder
gar
(zumindest
für
den
Augenblick)
„einen
Schritt
zurück“
macht.
Die
(gestalt-‐)
therapeutische
Unterstützung
des
Klienten
kann
dabei
darin
bestehen,
ihn
auf
(vielleicht
unbewusste)
Selbstunterbrechungen
seines
Veränderungsprozesses
aufmerksam
zu
machen.
Manche
Prozesse
können
Jahre
dauern,
und
wohl
nur
in
seltenen
Fällen
wird
der
beschriebene
Prozess
beispielsweise
komplett
in
einer
Sitzung
erlebt.
Ganzheitliche
Veränderung
und
persönliches
Wachstum
setzt
sich
darüberhinaus
aus
einer
nicht
endenden,
lebenslangen
Kette
von
Veränderungsprozessen
dar.
Oder
wie
Staemmler
und
Bock
treffend
formulieren:
„Dieses
Wachstum
hört
ein
Leben
lang
nie
auf,
es
ist
das
Leben“.
Zurück
zur
Heldenreise
Wie
schon
zu
Beginn
dieses
Kapitels
erwähnt,
möchte
ich
neben
den
eben
vorgestellten
Veränderungsmodellen
von
Perls
bzw.
Staemmler
und
Bock
im
Rahmen
dieser
Arbeit
nun
auf
die
Heldenreise
eingehen,
da
diese
für
mich
ein
weiteres
(sehr
wohl
gestalttherapeutisch
orientiertes)
„Model“
für
persönliche
Veränderung
und
Wachstum
darstellt.
Der
Monomythos
von
Joseph
Campell
Der
Mythologe
Joseph
Campell
hat
dafür
die
Grundlagen
geliefert,
in
dem
er
unzählige
Mythen,
Legenden
und
Geschichten
aus
unterschiedlichsten
Zeitaltern,
Kulturen
und
Religionen
zusammengetragen
hat
und
dabei
erstaunliche
Übereinstimmungen
gefunden
hat.
Diese
Übereinstimmungen
hat
er
in
einem
„Monomythos“
vereint,
der
universellen
Geschichte
des
Helden,
der
auszieht
den
Drachen
zu
töten,
die
Prinzessin
zu
retten
oder
den
heiligen
Gral
zu
finden.
Der
unzählige
Abenteuer
bestehen
muss,
sich
dabei
aber
auf
Gefährten
verlassen
kann.
Der
Tore
in
für
ihn
bis
dahin
unbekannten
Welten
durchschreiten
muss.
Der
sich
dem
Drachen,
dem
Bösen,
der
„dunkeln
Seite
24
25.
der
Macht“
stellen
muss.
Um
am
Ende
zurückzukehren.
Mit
Prinzessin
oder
Schatz.
Aber
auch
der
Erkenntnis,
nicht
mehr
der
zu
sein,
der
er
zu
Beginn
der
Geschichte
war.
Und
damit
auch
nicht
sein
bis
dahin
gekanntes
Leben
weiterleben
kann.
Diese
Geschichten
kennen
wir
natürlich
alle,
sie
sind
der
Stoff,
aus
dem
im
wahrsten
Sinne
des
Wortes
„die
Helden“
sind.
Der
Stoff,
der
uns
Menschen
fasziniert,
fesselt
und
anspricht.
Wohl
auch,
weil
wir
in
diesen
Geschichten
uns
und
unseren
(vielleicht
nur
unbewussten)
Wunsch
nach
Veränderung
und
persönlichem
Wachstum
wiederfinden.
Paul
Rebillot´s
Heldenreise
Diesen
Zusammenhang
hat
Paul
Rebillot
erkannt
und
darauf
aufbauend
die
Heldenreise
konzipiert,
die
einen
Menschen
in
dem
Wunsch
nach
persönlicher
Veränderung
und
Wachstum
unterstützt.
Er
hat
dazu
eine
Reihe
von
Phantasiereisen,
Ritualen
und
(Gruppen-‐)
Übungen
entwickelt,
mit
denen
der
Held
seine
Heldenreise
durchlebt.
Dies
geschieht
beim
ihm
oft
in
szenischer
und
theatralischer
Form
(wohl
nicht
zuletzt
durch
seine
Theatervergangenheit).
Rebillot
gliedert
die
Heldenreise
in
die
folgenden
Schritte,
von
denen
ich
einige
im
nächsten
Abschnitt
näher
beschreiben
möchte.
25
26.
Der
Held
Rebillot´s
Held
ist
dabei
nicht
der
Ritter,
der
sich
dem
Kampf
gegen
den
Drachen
stellen
muss.
Und
er
ist
auch
kein
Hobbit
im
schier
ausweglosen
Kampf
gegen
das
Böse.
Der
Held,
der
sich
bei
Paul
Rebillot
zur
Heldenreise
aufmacht,
ist
der
Teil
in
einem
Menschen,
der
,
so
Franz
Mittermair,
„einen
Ruf
erhält
und
ihm
folgt“.
Der
Held
ist
der
Teil
in
einem
Menschen,
der
sich
weiterentwickeln
will,
sich
ein
lebendigeres
und
erfüllteres
Leben
wünscht.
Oder
um
es
ungleich
lyrischer
mit
den
Worten
von
Nadya
Catalfano
zu
sagen:
„Etwas
Weiches,
Sanftes
gleitet
durch
deine
Finger.
Und
es
scheint
nach
deiner
Hand
zu
greifen,
dich
zu
führen
hin
zu
etwas
Größerem.
Wenn
du
nur
den
Drang
spürest,
ihm
zu
folgen“.
Der
Held
macht
sich
trotz
meist
heftiger
innerlicher
und
auch
äußerlicher
Widerständen
auf
„dem
Ruf
zu
folgen“.
In
den
Geschichten
sind
das
in
der
Tat
meist
lange
und
gefahrvolle
Reisen
in
unbekannte
Länder
oder
Welten.
Für
den
Helden
der
Heldenreise
kann
dies
weit
unspektakulärer
aber
genauso
„unwegsam“
der
Weg
aus
den
bekannten
Rollen
und
Klischees
sein,
die
er
bisher
gelebt
hat.
Während
Frodo
Beutlin
sein
geliebtes
und
beschauliches
Auenland
verlassen
muss,
wird
sich
der
Held
von
seinem
wenn
nicht
geliebten
aber
zumindest
vertrauten
Leben
und
seinen
Rollen
darin
verabschieden
müssen.
26
27.
Der
Dämon
Und
wie
im
„echten
Abenteuer“,
das
wir
aus
Büchern
oder
von
der
Leinwand
kennen
und
lieben,
hat
der
Held
auch
in
der
Heldenreise
einen
Gegenspieler,
dem
er
sich
im
Laufe
seiner
Heldenreise
stellen
muss:
den
Dämon.
Der
Dämon
ist
der
Teil
in
einem
Menschen,
der
eben
keine
Veränderung
will.
Der
„im
altbekannten
Fahrwasser“
bleiben
will.
Der
sich
lieber
mit
den
gegebenen
Umständen
arrangiert,
als
sie
aktiv
zu
verändern
und
zu
gestalten.
Also
kein
Drache,
kein
dreiköpfiger
Höllenhund,
kein
Sauron
auf
der
Jagd
nach
„dem
einen
Ring“.
Sondern
der
Teil
in
einem
Menschen,
mit
dem
man
sich
gewöhnlich
weit
weniger
gerne
identifiziert
als
mit
dem
Helden.
Die
„dunkeln“
Seiten
in
uns.
Die
Seiten,
die
man
gerne
loswerden
würde.
Die
vielzitierten
„Leichen
im
Keller“.
Aber
auch
die
Seiten,
die
einem
Menschen
oft
nicht
bewusst
sind,
und
daher
oft
ungleich
stärken
wirken
als
die
Seite
des
Helden.
27
28.
Die
der
Mensch
sich
zwar
oft
wünscht
und
herbeisehnt,
aber
dennoch
genauso
oft
nicht
wirklich
mit
Leben
füllen
kann.
Den
Helden
finden
Vor
dem
Aufbruch
des
Helden
in
der
Heldenreise
geht
es
daher
auch
um
die
Beschäftigung
mit
dem
Helden
in
uns.
Wer
waren
unsere
Helden
der
Kindheit?
Welcher
Filmheld
ist
der
unsrige?
Was
sieht
„mein“
Held
aus?
In
meiner
Heldenreise
habe
ich
dabei
das
Haus
meines
Helden
gesucht
und
die
Halle
meiner
Ahnen,
meiner
Väter
gefunden.
Ich
habe
meinem
Helden
den
Namen
„Johann“
gegeben,
den
Namen
meines
Vaters.
Mein
Vater
–
ein
Held.
Gefährten
Während
Frodo
Beutlin
u.a.
Gandalf
und
Sam
an
seiner
Seite
hat,
bekommt
auch
der
Held
der
Heldenreise
seinen
Gefährten,
den
er
sich
erwählt
und
der
ihn
auf
seiner
Reise
unterstützt.
Beim
Schreiben
dieser
Zeilen
kann
ich
mich
aber
beim
besten
28
29.
Willen
nicht
mehr
an
meinen
Gefährten
erinnern,
den
ich
mir
während
meiner
Heldenreise
ausgesucht
habe?
Ist
selbst
mein
Held
der
„perfekter
Selbstversorgern“?
Die
Konfrontation
Die
Heldenreise
gipfelt
in
der
Begegnung
von
Held
und
Dämon.
Eine
Begegnung,
in
der
es
nicht
um
Sieger
und
Besiegten
geht,
sondern
um
die
Integration
beider
Seiten.
Für
mich
war
diese
Begegnung
und
Integration
ein
sehr
bewegender
Moment
meiner
Heldenreise,
die
sich
ein
paar
Tage
später
in
dem
zu
Beginn
des
Kapitels
beschriebenen
Bild
manifestiert
hat:
„Der
Held
und
der
Dämon
reichen
sich
die
Hand;
sie
akzeptieren
sich
so
wie
sie
sind,
geben
dem
anderen
den
ihm
zustehenden
Platz
in
unserer
Welt
und
ermöglichen
so
ein
neues,
gutes
Ganzes“.
Heldenreise
und
gestalttherapeutischer
Veränderungsprozess
Warum
führe
ich
nun
die
Heldenreise
in
Zusammenhang
mit
einem
möglichen
(gestalttherapeutischen)
Veränderungsprozess
auf?
Zum
einen
sicherlich
auf
Grund
meiner
persönlichen,
sehr
intensiven
Erfahrungen
während
meiner
Heldenreise
in
Weigenheim,
die
sich
nahtlos
in
meinen
Veränderungsprozess
während
meiner
Ausbildung
eingefügt
hat.
Die
Dominanz
dieser
Erfahrungen
bzw.
die
Beschreibung
davon
in
meiner
Abschlussarbeit
nach
der
Basisstufe
zeigen
dies
deutlich.
Zum
anderen
aber
auch,
weil
ich
etliche
Aspekte
der
Heldenreise
in
den
vorgestellten
Veränderungsmodellen
wiederfinde.
Wenn
der
Held
„dem
Ruf
folgt“,
ist
dies
sicherlich
auch
der
hier
schon
beschriebene
Wunsch
nach
Veränderung
auf
Grund
unbefriedigter
Bedürfnisse.
Und
wenn
der
Held
um
dem
Ruf
zu
folgen
sein
bisheriges
Leben
und
seine
bisherigen
Rollen
verlassen
muss
und
damit
nicht
selten
gleich
zu
Beginn
seiner
Reise
in
große
(Selbst-‐)
Zweifel
und
Hilflosigkeit
stürzt,
ist
das
für
mich
die
von
Perls
beschriebene
Phase
der
Impasse,
in
dem
der
Mensch
seine
bisherige
Wirklichkeit
verlässt
und
dabei
auch
meist
zuerst
einmal
jeden
Halt
verliert.
Die
Erforschung
des
Helden
als
notwendigen
Schritt
vor
dem
Aufbruch
deckt
sich
für
mich
mit
Arnold
Beisser´s
paradoxen
Theorie
der
Veränderung.
So
wie
der
Held
dem
Ruf
erst
dann
folgen
kann,
wenn
er
sich
selbst
und
seine
Herkunft
kennt,
so
wird
29
30.
Veränderung
bei
einem
Menschen
erst
dann
entstehen,
wenn
sich
der
Mensch
wirklich
bewusst
macht,
wer
er
ist,
und
nicht
darauf
konzentriert,
wer
er
sein
möchte.
Die
Konfrontation
von
Held
und
Dämon
findet
sich
meiner
Meinung
nach
in
der
Phase
der
Polarisation
wieder.
Stehen
sich
doch
dort
Bedürfnis
und
Widerstand
genauso
gegenüber
wie
Held
und
Dämon,
die
sich
beispielsweise
bei
meiner
Heldenreise
lange
Zeit
so
unversöhnlich
auf
dem
Schlachtfeld
gegenüberstanden.
Unversöhnlich
und
damit
ohne
Lösung
für
den
Konflikt
zwischen
Bedürfnis
und
Vermeidung.
Erst
die
Phasen
der
Diffusion
und
Kontraktion
ermöglichen
die
Geburt
des
Neuen
in
der
Phase
der
Expansion.
Genauso
wie
sich
der
Held
nach
der
Integration
des
Dämons
der
„höchsten
Prüfung“
stellen
muss,
die
er
nur
bestehen
kann,
in
dem
er
sich
seinen
größten
Ängsten
stellt.
Um
danach
neugeboren
zurückzukehren.
Für
Staemmler
und
Bock
kommt
vom
Schritt
der
Polarisation
zur
Diffusion
dabei
„dem
Vermeidungspol“,
also
dem
Dämon,
„eine
zentrale
Bedeutung
für
den
weiteren
Verlauf
des
therapeutischen
Prozesses
zu“.
Denn
„die
Vermeidungsstrategien
des
Klienten
sind
es
letztlich,
die
ihn
verlassen,
sich
in
eine
Therapie
zu
begeben“
(denn
ohne
sie
würde
er
sein
Bedürfnis
einfach
befriedigen)
und
daher
„kann
der
Therapeut
sich
mit
seinem
ganzen
Interesse,
seiner
Neugierde
und
Entdeckungsfreude
der
Frage
widmen,
wie
der
Klient
sich
selbst
im
Wege
steht“.
Wie
passend,
dass
am
Ende
nicht
Frodo
Beutlin,
dessen
Mission
es
ist
„den
einen
Ring“
zu
vernichten,
sondern
Gollum,
der
genau
dies
verhindern
will,
den
Ring
in
die
„ewigen
Feuer
des
Schicksalsbergs“
wirft
und
damit
das
Böse
besiegt.
30
31.
Coachender
Gestalttherapeut
“Ich
akzeptiere
niemand
als
kompetenten
Gestalttherapeuten,
solange
er
noch
‘Techniken’
benützt.
Wenn
er
nicht
seinen
eigenen
Stil
gefunden
hat,
wenn
er
sich
nicht
selbst
ins
Spiel
bringen
kann
und
den
Modus
(oder
die
Technik),
die
die
Situation
verlangt,
nicht
der
Eingebung
des
Augenblick
folgend
erfindet,
ist
er
kein
Gestalttherapeut.”
-‐
Fritz
Perls
Ich
habe
in
den
letzten
Kapiteln
beschrieben,
woher
der
Wunsch
nach
Veränderung
im
gestalttherapeutischen
Sinne
kommt.
Welche
große
(Wahl-‐)
Freiheit
und
auch
Verantwortung
dabei
bei
jedem
Einzelnen
liegt.
Und
wie
sich
der
Veränderungsprozess
beschreiben
lassen
kann.
Doch
welche
Rolle
spielt
dabei
der
Gestalttherapeut,
zu
dem
der
Klient
mit
seinem
Wunsch
nach
Veränderung
kommt?
Die
Katalysatoren
des
ganzheitlichen
Veränderungsprozess
Aufbauend
auf
der
im
letzten
Kapitel
vorgestellten
Struktur
des
Veränderungsprozesses
haben
Frank
M.
Staemmler
und
Werner
Bock
bestimmte
Katalysatoren
beschrieben,
die
dem
Klienten
den
Übergang
von
einer
Phase
des
Veränderungsprozesses
in
die
nächste
ermöglichen
bzw.
erleichtern
können.
Das
folgende
Schaubild
fasst
die
verschiedenen
Phasen
und
die
Katalysatoren
für
einen
Übergang
von
der
einen
in
die
nächste
Phase
zusammen.
31
32.
Coaching-‐Beispiel
Ich
möchte
an
dieser
Stelle
nicht
im
Detail
und
theoretisch
auf
die
einzelnen
Katalysatoren
eingehen.
Stattdessen
möchte
in
anhand
einer
Arbeit
im
Rahmen
meines
Coachings
bei
SAP
beispielhaft
einige
der
Phasen
des
Veränderungsprozesses
und
den
Übergängen
dazwischen
erläutern.
Die
Arbeit
fand
(für
mich!)
bemerkenswerterweise
auf
Englisch
und
per
Videokonferenz
statt.
Ich
habe
mit
Peter,
35
Jahre,
gearbeitet,
der
sich
wie
schon
weiter
oben
erwähnt
mehr
in
sein
Team
einbringen
möchte,
dort
aber
wie
er
sagt
wenig
Zuspruch
erhält.
Wir
hatten
uns
zu
diesem
Zeitpunkt
schon
drei
Mal
getroffen
(ausschließlich
per
Videokonferenz
vor
dem
Rechner,
da
Peter
in
der
Nähe
von
Montreal
lebt
und
arbeitet).
Zu
Beginn
der
Stunde
wirkte
Peter
sehr
frustriert.
Bleich
und
fast
bewegungslos
sehe
ich
ihn
vor
seinem
Rechner
sitzen
und
mit
lebloser
und
leiser
Stimme
erzählt
er
mir,
dass
er
„aufgegeben
haben“,
weil
„sein
Manager
ihn
nicht
unterstützt“.
Peter
sieht
sich
als
Opfer,
und
würde
doch
so
gerne
seine
Erfahrung
und
sein
Wissen
über
Arbeitsabläufe
ins
Team
einbringen.
Wir
befinden
uns
offensichtlich
in
der
Phase
der
Stagnation.
Da
ich
die
Problematik
aus
anderen
Teams
sehr
wohl
kenne,
frage
ich
ihn,
warum
ihm
das
Thema
so
am
Herzen
liegt.
Er
erzählt
mir
davon,
dass
er
mithelfen
will,
„die
SAP
besser
zu
machen“,
dass
er
„einen
Beitrag
leisten
will“.
Diese
Punkte
scheinen
ihm
aber
nicht
wirklich
wichtig
zu
sein,
und
klingen
für
mich
doch
sehr
nach
den
Botschaften
unseres
Managements.
Seine
Mimik
und
Stimme
bleiben
dementsprechend
weiterhin
sehr
reduziert.
Ich
zeige
aber
Interesse
an
seinen
Ausführungen,
halte
Blickkontakt
und
bin
„im
Dialog“.
Dann
kommt
mit
einem
Male
Farbe
in
sein
Gesicht,
seine
Stimme
wird
lebhafter,
ich
sehe
ihn
sich
zu
ersten
Mal
während
dieser
Stunde
bewegen.
Er
erzählt,
dass
er
sich
außerhalb
der
SAP
sehr
intensiv
mit
der
Frage
beschäftigt,
wie
Entwicklungsteams
in
der
Softwarebranche
effektiver
zusammenarbeiten
können.
In
diesem
32
33.
Zusammenhang
besucht
er
Konferenzen
(teilweise
auf
eigenen
Kosten)
und
hat
sogar
eine
Community
in
Montreal
gegründet,
in
der
er
in
regem
Austausch
mit
Gleichgesinnten
ist,
die
sein
Fachwissen
und
seine
Begeisterung
für
das
Thema
gerne
annehmen.
Ich
teile
ihm
meine
Wahrnehmung
mit.
Beschreibe,
dass
ich
gerade
einen
„ganz
anderen“
Peter
erlebe.
Und
stelle
ein
wenig
(gespielt)
überrascht
fest,
dass
er
offensichtlich
in
der
Lage
ist,
andere
zu
begeistern
und
Dinge
mitzugestalten.
Dieses
Feedback
von
mir
freut
ihn
ganz
offensichtlich
(er
strahlt
über
das
ganze
Gesicht),
macht
ihn
aber
auch
offensichtlich
stutzig.
Meine
nächste
Frage
liegt
nun
auf
der
Hand.
Wie
er
es
denn
schaffe,
innerhalb
seines
Teams
eben
nicht
mitzugestalten?
Und
was
er
in
der
Community
außerhalb
der
SAP
anders
mache?
frage
ich
ihn,
worauf
ich
ein
erstauntes
„This
is
a
good
question!“
erhalte.
Mit
einem
Mal
wird
Peter
klar,
dass
er
selbst
zu
der
Situation
beiträgt.
Wir
sind
in
der
Phase
der
Polarisation
angekommen.
In
den
nächsten
Minuten
kristallisieren
sich
mehr
und
mehr
zwei
Pole
heraus,
die
Peter
beide
sehr
gut
kennt
aber
wohl
noch
nie
„zusammen“
betrachtet
hat.
Denn
Peter
kennt
sich
sowohl
als
„Driver“
und
auch
als
„to
be
driven“
(um
die
englischen
Begriffe
zu
verwenden,
die
ihm
sehr
gefallen).
Er
fängt
an,
sich
mir
(!)
gegenüber
zu
rechtfertigen,
warum
er
nicht
immer
der
„Driver“
sein
kann
und
will,
doch
da
habe
ich
eine
bessere
Idee:
ich
lade
ihn
ein,
sich
zwei
Stühle
vor
seinen
Rechner
zu
stellen:
den
„Driver“-‐Stuhl
und
den
Stuhl,
auf
dem
er
der
„Beifahrer“
ist.
Peter
ist
zuerst
überrascht,
dann
lässt
er
sich
aber
auf
das
Experiment
ein.
Da
er
sich
nun
nacheinander
auf
die
zwei
Stühle
setzt,
kann
ich
ihn
nicht
immer
komplett
sehen
(da
eine
Kamera
dazu
nicht
ausreicht).
Ich
lade
ihn
aber
ein,
mir
zu
erzählen,
wie
es
im
geht
und
„was
gerade
passiert“.
Es
entsteht
eine
lebhafte
Diskussion
zwischen
den
Stühlen,
den
beiden
Polaritäten.
Peter
wechselt
mehrmals
die
Stühle.
Ist
sichtbar
gerührt,
vor
alle
auf
dem
Stuhl,
auf
dem
er
nicht
der
„Driver“
ist.
Mit
Tränen
in
den
Augen
sagt
er
„I
feel
so
guilty“.
Ich
frage
nach,
doch
an
dieser
Stelle
möchte
er
nicht
mehr
erzählen
und
da
ich
„nur“
sein
Coach
und
nicht
sein
Therapeut
bin,
akzeptiere
ich
dies
in
dem
Moment.
33
34.
Für
mich
bemerkenswert
ist
aber
nichtsdestotrotz
die
„Verwandlung“,
die
Peter
im
Laufe
dieser
Arbeit
durchmacht,
die
für
mich
ganz
offensichtlich
mit
der
Phase
der
Expansion
endet.
Denn
als
Peter
sich
wieder
auf
seinen
Stuhl
vor
den
Rechner
setzt,
sehe
ich
ihn
sehr
aufrecht,
sichtlich
gelöst
und
lächelnd
vor
mir.
Er
bewegt
seinen
Körper
beim
Reden
und
seine
Hände
„sprechen“
auf
einem
Male
mit.
Ich
teile
ihm
meine
Wahrnehmung
mit
und
er
bestätigt
mich
darin.
In
die
Folgestunden
erlebe
ich
ihn
in
der
Tat
verändert:
nicht
länger
als
Opfer,
sondern
als
einen
sehr
engagierten
Mitarbeiter,
der
sich
bewusst
entscheidet,
in
welchen
Situationen
er
„Driver“
sein
will
und
in
welchen
„nur
Beifahrer“.
Und
der
seine
Angebote
an
das
Team
als
Einladung
versteht
und
eine
Ablehnung
nicht
als
persönliche
Kränkung.
Nachbetrachtung
Fritz
Perls
hätte
sicherlich
nicht
im
Traum
daran
gedacht,
dass
Stuhlarbeiten
im
Jahr
2011
per
Videokonferenz
zwischen
Therapeut
und
Klient
übertragen
werden.
Und
ich
bin
in
der
Tat
auch
nach
wie
vor
hin-‐
und
hergerissen,
ob
„echte“
Gestaltarbeit
überhaupt
am
Rechner
mit
Videobild
passieren
kann.
Das
obige
Beispiel
zeigt
meiner
Meinung
nach
zumindest,
dass
es
grundsätzlich
funktionieren
kann.
Im
Augenblick
sehe
ich
diese
Art
von
Arbeiten,
die
(noch?)
die
absolute
Ausnahme
auch
im
Coaching
bei
SAP
darstellen,
als
Experiment
und
Möglichkeit
des
Lernens.
Ich
bin
gespannt,
was
die
Zukunft
bringen
wird.
Spannend
für
mich
in
diesem
Zusammenhang
ist
auch
die
Frage,
wie
ich
(klar
zielorientiertes)
Coaching
und
(rein
prozessorientierte)
Gestalttherapie
zusammenbringen
kann
und
will.
Da
sehe
ich
mich
noch
ganz
am
Anfang
und
nutze
jeder
Stunde
auch
für
mich
zum
Lernen
und
Ausprobieren.
Was
ich
jedoch
heute
schon
uneingeschränkt
in
meine
Coachings
einbringe,
ist
die
gestalttherapeutische
Haltung,
mit
der
ich
dem
Coachee
gegenübersitze.
Ich
möchte
daher
dieses
Kapitel
mit
einigen
Gedanken
dazu
abschließen.
34