1. Pressemitteilung vom 28. März 2011 Presse und Öffentlichkeitsarbeit
Jana-Carolin Wiemer
Tel.: (0351) 207 99 59
Der Krieg findet nicht statt!
Jacques Offenbachs „Die Großherzogin von Gerolstein“ presse@staatsoperette-dresden.de
an der Staatsoperette Dresden www.staatsoperette-dresden.de
Premiere: 8./9. April 2011
Jacques Offenbachs „Großherzogin von Gerolstein“ war der Erfolg der Pariser Weltausstellungs-Saison von
1867. Diese Opéra-bouffe gehört zu jenen Werken, in denen Operettenwirklichkeit und Realität miteinander
zu verschmelzen scheinen. Nach den Antiken- und Mittelalter-Travestien wie „Orphée aux Enfers“ (1858),
„La Belle Hélène“ (1864) oder „Barbe-Bleu“ (1866) wandten sich Offenbach und seine Librettisten
Henri Meilhac und Ludovic Halévy mit den nahezu gleichzeitig entstandenen Werken „La vie parisienne“
und „La Grande-Duchesse de Gérolstein“ nur wenig verklausuliert der unmittelbaren Gegenwart und ihren
Themen zu.
Die Politiker, Staatsbeamten und Militärs, die zur Weltausstellung in Paris weilten, konnten sich und ihre
Themen im Bühnengeschehen wiedererkennen. Durch ihre jahrelangen Erfahrungen mit der Pariser
Zensur konnten die Autoren aktuelle Themen durch Satire und Parodie haarscharf am Eingriff der Polizei
vorbeimanövrieren. Der russische Zar amüsierte sich im Zuschauerraum des Theatre des Varietés ebenso wie
Bismarck über die politischen Anspielungen der Handlung.
Die Rolle der Großherzogin erwies sich für Hortense Schneider – Offenbachs Lieblingsinterpretin – als
wahrer Türenöffner: Als Großherzogin von Gerolstein war sie Mittelpunkt vieler Empfänge von Fürsten und
Durchlauchten, die sie zuvor auf der Bühne in Offenbachs Theater bewundert hatten.
Zeitthemen im Fantasiestaat
Nicht nur, dass die Handlung der „Großherzogin von Gerolstein“ offensichtlich auf Themen wie Klein-
staaterei, die preußische Expansionspolitik und die Kriege der neuen westeuropäischen Allianz gegen das
Habsburgische Reich und Dänemark dieser Zeit verweist. Letztlich reicht die Spanne realpolitisch bis zum
Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71, dessen Ausbruch den deutschen Juden Jacques Offenbach aus
Paris ins deutsche Exil nach Bad Ems zwingen sollte. Mit diesem Krieg hatte die frei erfundene Handlung der
Opéra-bouffe einen ihrer Schöpfer in der Realität eingeholt: Das zuvor noch in einem Fantasiestaat
entworfene Handlungsgeflecht um Militärs und ihre sinnlosen Kriege wurde schneller blutige Realität, als die
zur Weltausstellung drei Jahre zuvor anwesenden europäischen Staatsoberhäupter ahnten. Die analytische
Kraft der Gattung Operette war ihrer Zeit hier deutlich voraus. Politik, Kleinstaaterei und Krieg als Thema der
Operette sind in der „Großherzogin“ nicht illustrierend gedacht (wie noch wenige Jahre zuvor in Donizettis
„Regimentstochter“ und ähnlichen Werken), sondern bewusst gewählte Themen des allgemeinen Tages-
diskurses, der sich unter anderem auch in den Zeitungen der Zeit spiegelte.
Den Autoren gelang es damit – und das war Teil ihres Erfolges – Themen auf die Bühne des Unterhaltungs-
theaters zu holen, die für gewöhnlich den ernsteren Gattungen vorbehalten waren. Damit weitete sich der
Rezipientenkreis: nun saßen nicht mehr nur das Bürgertum, sondern auch Vertreter des Adels und der
Politik im Zuschauerraum.
2. Von Paris nach Wien
Die Fassung der Pariser Uraufführung am 12. April 1867 erwies sich trotz ihres großen Erfolges als zu lang, so
dass die Autoren schon für die nächsten Aufführungen deutliche Änderungen an ihrem Werk vornahmen.
Vor allem der zweite und dritte Akt waren davon betroffen. Durch große Striche sowie Umstellungen verlor
die Handlung allerdings an Stringenz. Aus diesem Grunde nutzte Offenbach die Möglichkeit, das Stück
anlässlich der Wiener Erstaufführung, die nur einen Monat später am 15. Mai 1867 im Theater an der Wien
stattfand, einer gründlichen Revision zu unterziehen. Diese Wiener Fassung ist somit eine Weiterentwick-
lung der zweiten Pariser Fassung. Ein Verfahren, das Offenbach, der in Wien seit 1859 Erfolge feiern konnte,
schon des Öfteren praktiziert hatte.
Im Falle der „Großherzogin“ wurden u.a. einige Nummern, wie das Finale des zweiten Aktes, gänzlich neu
konzipiert, andere gekürzt oder gestrichen. Das Ergebnis war eine stringentere Dramaturgie in Musik und
Buch, die Aufführungsdauer orientierte sich wieder an der sonst üblichen Spieldauer.
Eine wesentliche Veränderung erfuhr die musikalische Gestaltung der Titelfigur durch die Besetzung mit
der gefeierten Sopranistin Marie Geistinger. Für sie arbeitete Offenbach den Gesangspart um, hatte er in Pa-
ris diesen doch für den dortigen Star der Operettenbühnen Hortense Schneider geschrieben, deren Gesangs-
register deutlich tiefer lag. In der transponierten Wiener Fassung erhielten vor allem die Ensembles mehr
Brillanz in der Führungsstimme. Zudem glich Offenbach die Besetzung dem größeren Orchesterapparat des
Theaters an der Wien an. Die Wiener „Neue Freie Presse“ urteilte am 18.5.1867 nach der Wiener Premiere:
„Offenbach behandelt seine Musik von jeher mit leichter Meisterschaft, alles sprudelt lustig und launig,
ohne ins Stocken zu geraten; die anmutigen Weisen springen dem Componisten fertig aus dem Haupt, in
voller Rüstung, mit Balletthöschen und in niedlichen Ballettschuhen.“
Tatsächlich war die Wiener Aufführung in der Übersetzung von Julius Hopp für Jacques Offenbach ein
nachhaltiger Erfolg. „Herr Jacques Offenbach kann die ,Großherzogin von Gerolstein‘ seinen besten Erfolgen
zuzählen. Er hat einmal wieder den Vorwurf schweigen gemacht, qu’il n’était grand que dans les petites
choses“, war etwa im Neuen Fremdenblatt am 15. Mai 1867 zu lesen.
Auch in Wien reagierte man auf die Wahl eines zeitgenössischen Sujets begeistert und amüsierte sich über
den Aktualitätsbezug der Handlung, obwohl selbstverständlich auch hier die Zensur versucht hatte, die
politische Deutlichkeit des Buches zu entschärfen: „Seltsames Land, dieses Gerolstein! Man arrangiert dort
Kriege, wie anderwärts Hofjagden; der Militär-Schematismus ist das Buch der Bücher: man schwört darauf,
wie sonst auf die Bibel. Gemeine Soldaten werden da über Nacht Generale und avanciren außer der Tour“
(Neue Freie Presse, 18. Mai 1867).
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3. Dresdner Offenbach
Den Kern der Dresdner Produktion, die im Rahmen eines auf mehrere Jahre hin angelegten Offenbach-
Zyklus’ unter der musikalischen Leitung von Chefdirigent Ernst Theis steht, bildet die von Offenbach
autorisierte Wiener Fassung vom Mai 1867, die, im Sinne einer noch stringenteren Dramaturgie, um
Nummern aus den Pariser Fassungen ergänzt wird. Um der schon bei Offenbach wichtigen Ebene einer
aktuellen Textversion heute gerecht zu werden, hat sich das Produktionsteam dafür entschieden, durch
die erfahrene Übersetzerin Bettina Bartz eine neue Textfassung anfertigen zu lassen.
Der niederländische Regisseur Michiel Dijkema liest das Stück für seine Dresdner Inszenierung konsequent
als Panoptikum aller Kriege der Weltgeschichte und fährt deshalb im wahrsten Sinne des Wortes schwere
Geschütze auf. Paradoxerweise spielt das Stück, in dem es tatsächlich nie zu einer Schlacht kommt, bei ihm
an der Front.
André Meyer und Uwe Schneider
Die Großherzogin von Gerolstein
Opéra-bouffe in drei Akten von Jacques Offenbach
Libretto von Henri Meilhac und Ludovic Halévy
Neue deutsche Übersetzung von Bettina Bartz
Musikalische Leitung: Ernst Theis
Inszenierung: Michiel Dijkema
Choreinstudierung: Thomas Runge
Dramaturgie: André Meyer
Bühnenbild: Michiel Dijkema
Kostüme: Jakob Knapp
Großherzogin: Sabine Brohm / Elke Kottmair
Fritz, Grenadier: Frank Ernst / Timothy Oliver
Prinz Paul: Bernd Könnes /Andreas Sauerzapf
Baron Puck: Christian Grygas / Bryan Rothfuss
General Bumm: Herbert G. Adami / Elmar Andree
Baron Grog: Andreas Schwarze
Nepomuk: Florian Maser
Wanda: Iris Stefanie Maier / Jeannette Oswald / Isabell Schmitt
Premiere: 8./9. April 2011, 19.30 Uhr
weitere Termine und Karten unter www.staatsoperette-dresden.de
Telefon: (0351) 207 99 99
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