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Deckblatt
Diplomarbeit
Der wirtschaftliche Entwicklungsweg der Volksrepublik China seit 1980
von
2
Gliederung
Einleitung
1. Die Theoretischen Ansätze 6
1.1. Die Entwicklung Chinas aus der Sicht der Modernisierungstheorie 6
1.2. Der Fortschritt des Reiches der Mitte in Anbetracht der Dependenztheorie 10
1.3. Politisches System Chinas 13
2. Post-Mao-Periode 17
2.1. Die Rolle von Mao Zedong in der modernen Geschichte Chinas 17
2.2. Die Reformierung des Systems unter Deng Xiaoping 19
2.3. Jiang Zemin-Ära 21
2.4. Hu Jintao an der Machtspitze 23
2.5. Heutige Situation 25
3. Der wirtschaftliche Werdegang von VR China seit 1980 26
3.1. Sozialismus mit chinesischer Prägung 27
3.2. Natürliche Voraussetzungen für wirtschaftlichen Erfolg 34
3.3. Personalpolitik 35
3.4. Export- und Währungspolitik 38
3.5. Investitionen im Ausland 44
4. Probleme und Herausforderungen auf dem Weg zur Weltherrschaft 45
5. Die Prognosen für die Zukunft 50
Schluß 55
Literatur- und Quellenverzeichnis 63
3
Einleitung
Nach der Wende 1989-90 und dem Zerfall der Sowjetischen Union, schien unsere Welt einpolig zu
werden. Die Tatsache zeugte davon: nur ein Staat übte wirklich globalen Einfluss auf die vorgehenden
Prozesse aus. Die USA haben die führende Position in der globalen Politik/Wirtschaft eingenommen. Sie
betrachten alle Regionen der Welt als Sphäre ihrer Interessen und mischen sich in fast alle Konflikte auf
dem Planeten ein. Ihre Dominanz im militärischen, wirtschaftlichen Bereich ist nicht zu bestreiten.
Außerdem zwingen die Vereinigten Staaten auch ihre Lebensweise den meisten Ländern auf. Also könnte
man sagen, dass wir den einzigen Hegemon haben, der die Globalisierung antreibt und alle
nationalkulturelle Grenze löscht. Nur mit einem Zweck – die bedingungslose Herrschaft.
Doch wenn man näher die Situation analysiert, und die regionalen geopolitischen Aspekte
berücksichtigt, wird es klar, dass in Wirklichkeit die Welt multipolar ist. Zu dieser Zeit ist die
Gesamtbevölkerung auf dem Planeten über 7 Milliarden gestiegen. Die Ressourcen werden immer
knapper. Unter solchen Umständen gewinnen die regionalen Schwergewichtler langsam aber
unabwendbar an Bedeutung. Japan bleibt einer der wichtigsten Spieler auf der wirtschaftlichen Bühne.
Russland verfügt über den größten Territorium, riesigen Bodenschätzen und den größten
Atomwaffenarsenal. Die EU trotz der bestehenden Probleme, vereinigt sich immer enger und wird öfters
schon als eine komplexe Struktur – Konföderation betrachtet. Die EU gilt als die Vereinigung der Länder
mit den höchsten Lebensstandarden. Das Wort von Frankreich, Großbritannien und Deutschland bleibt
immer noch wichtig für die Weltgemeinschaft. Einzeln muss man solche bevölkerungsreiche und
wirtschaftlich wichtige Staaten zu nennen wie Brasilien, Indien, Indonesien, Malaysia, Mexiko, Nigeria,
Südafrikanische Republik, die ostasiatischen Tigerstaaten (Südkorea, Republik China (Taiwan),
Singapur). Die Liste könnte man fortsetzen, da die USA nicht überall ihre totale Überlegenheit einsetzen
oder in der Zukunft verlieren können.
Wir können sicher über die multipolare Welt sprechen, wenn wir noch einen mächtigen
geopolitischen Akteur erwähnen – China oder richtig - Volksrepublik China. Jeder von uns, wenn er über
die heutige Situation den Enkeln erzählen würde, würde unbedingt mitteilen, dass China unser Leben
Anfang des 21. Jahrhunderts, ohne Übertreibung gesagt, bestimmt hat. „Herr Gott hat diese Welt
geschaffen, alles andere wurde in China hergestellt“ sagt man im Volk. Der bevölkerungsreichste,
territorial viertgrößte Staat, Exporteur und Hersteller Nr1., der Staat, der die Atomwaffen auf Lager hat,
über die größte Armee (2,5 Mio.) verfügt, unabhängig sein Weltraumprogramm erfolgreich entwickelt,
und das wichtigste – schon mehr als 30 Jahren bisher noch nicht gesehenes Wirtschaftswachstum zeigt.
Diese kurz erwähnten Tatsachen sind schon verblüffend. China ist nicht nur eine der wichtigsten
4
geopolitischen Kräfte der Welt, es ist auch eine der ältesten Nationen der menschlichen Geschichte, die
zirka 5000 Jahre zählt.
Die Volksrepublik China ist die Weltwirtschaft Nummer 2 nach USA und setzt seinen
überraschenden Spurt fort. Die VR China ist das ständige Mitglied im UN-Sicherheitsrat und stellt damit
eine wesentliche Opposition den Vereinten Staaten dar. Wir sehen, dass viele wichtige Entscheidungen,
die von USA genehmigt werden, auf das Veto von China stoßen.
Also die Rolle von China ist auch global und betrifft schon fast jede Region der Welt. Außerdem
erwartet man sogar, dass China in der absehbaren Zukunft in 20-30 Jahren die führende Position in allen
Bereichen übernimmt, die USA überholt und zum einzigen Herrscher wird. Man sagt voraus, dass der US
Dollar durch RMB (Yuan) als Weltwährung ersetzt wird, und immer mehr Eltern denken schon darüber
nach, um den Kindern die chinesische Sprache beizubringen.
Haben diese Erwartungen den standhaften Boden? Wie realistisch sind die Prognosen der „Experten“
dass wir alle in 50 Jahren in den chinesischen Provinzen leben werden? Sehr aufregende und fast
fantastische Frage. Aber unsere Welt ist so dynamisch, dass wir alles erwarten können.
In der vorliegenden Diplomarbeit geht es um die Entwicklung von China nach Mao-Zeiten bis heute.
Das präzisere Thema berührt die phänomenale Erscheinung – den wirtschaftlichen Sprung dieser
Republik nach 1980. Es ist sehr weit und komplex. Die Hauptaufgabe der Arbeit ist die Ursachen, die
Hintergründe und Voraussetzungen des solchen enormen und mächtigen Aufschwungs des Drachen-
Staates zu erforschen.
Der erste Bestandteil der Arbeit ist mehr theoretisch. Man versucht die wichtigsten sozial-politischen
und wirtschaftlichen Entwicklungsfaktoren unter dem Gesichtswinkel der antagonistischen
Entwicklungstheorien – Modernisierungs- und Dependenztheorien zu betrachten. Im ersten Teil werden
die Hitergründe der Forschung gezeigt. Besondere Wichtigkeit widmen wir der Religionsüberzeugungen
der Chinesen, ihrer Weltanschauung und Mentalität. Z.B. die Lehre von Konfuzius. Diese Hintergründe
bilden die Basis für das in dieser Diplomarbeit betrachteten Phänomen der raschen wirtschaftlichen
Entwicklung. Wir versuchen festzustellen, inwiefern China in der Praxis mit diesen theoretischen
Grundlagen zusammenpasst. Wir betrachten die Besonderheiten der Modernisierung von China und
klären, ob die Richtigkeit der Dependenztheorie auf Chinas Beispiel bestätigt wird.
Im demselben Kapitel berichten wir auch über das Gerippe des heutigen Staates von China – das
politische System, das die Existenz dieses komplizierten und ungleichartigen Staates ermöglicht. Es wird
5
das interessanten politische Schema dargestellt. Das ist die Basis zum Verständnis der nachfolgenden
Schilderungen, Beschreibungen und Analysen. Das politische System zeigt auch die innere Philosophie
des Volkes in bestimmter Epoche.
Im zweiten Teil ist die Rede von der Rolle von Mao Zedong – dem bekanntesten Führer des
chinesischen Volkes aller Zeiten. Zuerst werden die Jahren der kommunistischen Erscheinungen wie
Großer Sprung und Kulturrevolution beschrieben, in dem werden auch den praktischen Einsatz der
maoistischen Ideen und die Lage der Nation in jener Zeit analysiert. Die Bedeutung von Mao, dem
Gründer des modernen vereinigten chinesischen Staates, ist nicht eindeutig, aber schon sehr wichtig für
weitere Seiten der Geschichte des größten Volkes der Welt. Dabei werden einige nützliche Gedanken und
Meinungen geäußert. Darüber reden wir auch in diesem Teil. Dann schildern wir die Nachfolger von Mao
in Form der kurzen Beschreibungen, die diese Zeiten und Jahrzehnten bis heute charakterisieren. Unter
Anderem erwähnt man auch die Rolle solcher Staatsmänner wie Deng Xiaopin, Jiang Zemin, Hu Jintao
und kommen bis den neugewählten Machthaber. So wird die Geschichte Chinas kurz seit Mao-Zeiten bis
heute geschildert.
Weiterhin zerlegen wir genauer den Entwicklungsweg von VR China seit 1980. Erstens werden die
Änderungen und Neueinführungen von Deng Xiaopin angegeben. Eigentlich er war der Antreiber des
rasanten Wachstums Chinas, denn Deng hat die präzedenzlosen Kurs des Staates angesetzt und den
Aufbau des Sozialismus mit chinesischer Prägung begonnen. Dann analysieren wir die Voraussetzungen
des erfolgreichen wirtschaftlichen Wachstums. Wir schenken besonders die Aufmerksamkeit der
Personalpolitik, Investitions-, Export- und Währungspolitik, sowie folgende Aspekte wie geographische
Lage, Umweltschutz und Menschenrechte. Danach lohnt es sich über die Probleme zu sprechen, die heute
China herausfordern. Die Lösung dieser Probleme spielt die bestimmende Rolle für die Bewahrung der
Tempi der wirtschaftlichen Überholjagd und für die geopolitischen Positionen von China in der Zukunft.
So kommen wir zu der Endphase unserer Arbeit – die Prognosen für die Zukunft. Dieser Teil ist sehr
heikel, aber gleichzeitig unentbehrlich für das vollständige Umschau des Themas.
Die höchste Aktualität des Themas ist nicht zu bestreiten. Jeder, der sogar kein Ökonom oder kein
Student oder Wissenschaftler ist, wird sich für diesen Wirtschaftsriesen, der unser Leben wesentlich
beeinflusst, interessieren. Die Ursache ist einfach: die Rolle Chinas ist so allseitig und massiv, dass es
schon jeden betrifft. Die Zusammenarbeit Deutschlands mit China ist strategisch wichtig. Die Folgen des
weiteren Wirtschaftswachstums (beides, wird es positiv verlaufen oder versagt) lassen von sich
unbedingt weltweit wissen und spüren.
6
Diese Forschung kann auch als eine Zusammenfassung der echten präzedenzlosen Erscheinung in der
Geschichte der Menschheit. Bisher noch keine Nation/Staat/Reich/Volk hat so schnell und mächtig sich
weltweit durchgesetzt und das System verändert. Es gab die wirtschaftlichen Wunder von Deutschland,
Korea, Japan, asiatischer Tigern, einen erfolgreichen und dramatischen Weg haben die USA geschafft,
aber in historischer Hinsicht, wenn wir über wirklich globale Rolle sprechen, hat noch kein Staat oder
Bund solchen spannenden Boom gezeigt. In unserer Zeit der Globalisierung, wenn alles jeden mittelbar
oder unmittelbar betrifft, ist es sogar nützlich die Eckdaten und Haupttendenzen über Chinas
Wirtschaftsweg zu erfahren.
1. Die Theoretischen Ansätze
1.1. Die Entwicklung Chinas aus der Sicht der Modernisierungstheorie
Die Modernisierungstheorien waren in den 1950er und 1960er Jahren das vorherrschende
entwicklungstheoretische Paradigma. Die führenden Vertreter waren u.a. Walt W. Rostow, Samuel P.
Huntington und David McCleland. Nachdem diese Theorien in den 1970er Jahren durch die
Dependenztheorien vorübergehend in die Defensive gedrängt wurden, befinden sie sich seit den 1980er
Jahren – begünstigt durch den Siegeszug neoliberaler Wirtschaftstheorien – wieder im Aufschwung.1
Die klassische Modernisierungstheorie wurde in den 1950er und 1960er Jahren in Abgrenzung zum
Sowjet-Marxismus entwickelt.2
Dem sowjet-marxistischen teleologischen Stufenmodell, wonach sich
eine Gesellschaft vom Feudalismus über den Kapitalismus zum Sozialismus entwickelte, wurde ein
eigenes teleologisches Stufenmodell entgegengestellt, wonach sich Gesellschaften von „traditionellen“ zu
„modernen Gesellschaften“ entwickeln. Die Dichotomie zwischen „traditionell“ und „modern“ findet sich
in allen Modernisierungstheorien.
–„Traditionelle Gesellschaften“ zeichnen sich in den meisten Modernisierungstheorien durch einen
geringen Urbanisierungs- und Industrialisierungsgrad, geringe Produktivität, Irrationalität,
Analphabetismus, eine starre gesellschaftliche Struktur, geringe Dynamik und soziale Mobilität, sowie
einen geringen Individualisierungs-, Domestizierungs- und Differenzierungsgrad aus.
–„Moderne Gesellschaften“ zeichnen sich der Theorie zufolge durch einen hohen Urbanisierungs-
,Industrialisierungs-, Individualisierungs- und Differenzierungs-, und Bildungsgrad, hohe Produktivität,
Massenkonsum, Rationalität, Demokratie, soziale Mobilität und Unternehmertum aus. Auch die
1
Rüland, Jürgen: Wirtschaftswachstum und Demokratisierung in Asien: Haben die Modernisierungstheorien doch recht? In:
Schulz, Manfred (Hrsg.): Entwicklung – Perspektiven der Entwicklungssoziologie, Westdeutscher Verlag, Göttingen 1997.
S.83-83
2
Hadi, Resasade: Zur Kritik der Modernisierungstheorien – Ein Versuch zur Beleuchtung
eines methodologischen Basissyndroms, Leske Verlag und Budrich, Leverkusen 1984, S.13
7
Domestizierung der Natur ist weit fortgeschritten. Das wirtschaftliche Wachstum und die Entstehung
einer breiten Mittelschicht fördern die Demokratisierung der politischen Institutionen.3
Hinzu kommt,
dass die Mitglieder sich modernisierender Gesellschaften „in ihren Rollen als Erwerbstätige und Wähler
gut ausgebildete, mobile, flexible, leistungsbewusste Persönlichkeiten4
werden müssen.
Im großen Ganzen wenn von Modernisierungstheorie gesprochen wird, so ist vorauszuschicken, dass
es sich dabei nicht um ein konsistentes, geschlossenes Theoriegebäude, sondern um ein »Agglomerat von
ähnlichen Vorannahmen, Methoden und Argumentationslinien«5
handelt.
Zur Darstellung des Modernisierungsprozesses wird das Stadienmodell von Rostow verwendet. Es
zeigt wie die „klassischen“ Modernisierungstheoretiker gesellschaftliche Entwicklung vorstellen. Das
Modell umfasst fünf Stadien:6
–Das erste Stadium ist die traditionelle Agrargesellschaft, in der es zwar „Krisen und
Prosperitätsphasen, aber kein Wachstum“ gibt.
–Das zweite Stadium ist das Vorbereitungsstadium, in dem sowohl die ökonomischen Ersparnisse als
auch die Investitionsquote langsam steigen und „technische Erfindungen und unternehmerische Talente“
sich sammeln.
–Das dritte Stadium ist die Durchbruchphase („Take-off“), in der die Investitionsquote und die
Wachstumsraten so stark ansteigen wie – bildlich gesprochen – ein Flugzeug kurz nach dem Start. In
dieser Phase entstehen „die großen Industrien, die Großstädte [und] die Verkehrssysteme“
–Das vierte Stadium ist das Stadium des Massenkonsums, in dem nach einer langen Zeit der
Entbehrungen große Teile der Bevölkerung am gesellschaftlichen Reichtum teilhaben können. Hier wird
bereits die Annahme der Modernisierungstheorie deutlich, dass Wirtschaftswachstum und Massenkonsum
(= Reduzierung der Armut) nicht gleichzeitig stattfinden können, sondern dass Massenkonsum erst „mit
erheblicher Verzögerung [und] nach den Entbehrungen der Gründerzeit“ realisierbar ist.
Wirtschaftswachstum ohne Teilhabe der breiten Bevölkerung sei eine notwendige Voraussetzung für
späteren Massenkonsum. Diese Annahme hat erhebliche Auswirkungen auf die von der
Modernisierungstheorie beeinflusste Entwicklungspolitik („trickledown Effekt“: Erst muss Reichtum
geschaffen werden, bevor er breit verteilt werden kann.)
3
Rüland, Jürgen: Wirtschaftswachstum und Demokratisierung in Asien: Haben die Modernisierungstheorien doch recht? In:
Schulz, Manfred (Hrsg.): Entwicklung – Perspektiven der Entwicklungssoziologie, Westdeutscher Verlag, Göttingen 1997,
S.91
4
Zapf, Wolfgang: Entwicklung als Modernisierung. In: Schulz. Manfred (Hrsg.), 1997:
Entwicklung – Perspektiven der Entwicklungssoziologie, Westdeutscher Verlag, Göttingen 1997, S.34
5
Mergel, Thomas: Geht es weiterhin voran? Die Modernisierungstheorie auf dem Weg zu einer Theorie der Moderne. In:
Ders./ Welskopp, Thomas(Hg.): Geschichte zwischen Kultur und Gesellschaft. Beiträge zur Theoriedebatte. München: Beck
1997 (Beck’sche Reihe 1211), S. 205.
6
Zapf, Wolfgang: Entwicklung als Modernisierung. In: Schulz. Manfred (Hrsg.), 1997:
Entwicklung – Perspektiven der Entwicklungssoziologie, Westdeutscher Verlag, Göttingen 1997, S.33
8
–Im fünften Stadium schwächt sich das Wirtschaftswachstum wieder ab und es kommt zur Suche
nach neuen Qualitäten, anderen Zielen und Lebensstilen (z.B. nachhaltiges und ökologisch verträgliches
Wachstum anstelle von Wachstum, das als einziges Erfolgskriterium die Steigerung der Produktivität
kennt). Rostow datiert den Beginn dieses Stadiums auf die 1970er Jahre.7
Die Modernisierungstheorien stehen unter Kritik. Die Kategorisierung der Welt in „traditionelle“ und
„moderne“ Gesellschaften führt zu zahlreichen verfälschenden Verallgemeinerungen. Sehr
unterschiedliche Gesellschaften werden in der Kategorie “traditionell” zusammengefasst (so z.B. alle
Länder der Peripherie und Semiperipherie). Auch ist die Trennlinie zwischen traditionellen und modernen
Gesellschaften in der Empirie deutlich unschärfer, als von den Theorien postuliert wird. Sowohl
„moderne“ Gesellschaften beinhalten „traditionelle“ Elemente, als auch umgekehrt. Auch wird
eingewandt, dass die Erhaltung von Traditionen bei gleichzeitiger Modernisierung kein Widerspruch
darstellen müsse.
Die Modernisierungstheorie berücksichtigt nicht, dass die historischen Rahmenbedingungen zu
jedem Zeitpunkt verschieden sind und somit auch die Entwicklungsmöglichkeiten einer Gesellschaft
unterschiedlich ausfallen. Es ist daher eher unwahrscheinlich, dass unter veränderten Rahmenbedingen
die gleiche Entwicklung eintritt. So ist z.B. nicht davon auszugehen, dass sich heute eine Gesellschaft so
entwickelt, wie sich die US-amerikanische Gesellschaft im 18. und 19. Jahrhundert entwickelt hat.8
Es
wird nicht erkannt, dass sowohl “moderne” als auch “traditionelle” Gesellschaften Teile desselben Welt-
Systems sind und ihre Entwicklungen nicht unabhängig voneinander stattfinden. Vielmehr sind die
unterschiedlichen Entwicklungen entscheidend von den Abhängigkeitsverhältnissen, die zwischen diesen
Gesellschaften bestehen, bestimmt. Die Beschränkung der Perspektive der Modernisierungstheorie auf
einzelne Nationalstaaten sowie die Annahme, dass die gesellschaftliche Entwicklung innerhalb eines
Nationalstaats hauptsächlich durch endogene Faktoren bestimmt wird, führt dazu, dass nicht erkannt wird,
dass sowohl “moderne” als auch vermeintlich “traditionelle” Gesellschaften Teil desselben modernen
Systems sind und sich gegenseitig bedingen.
Auch hält die These, dass die Mittelschichten die Hauptträger der Demokratisierung seien, einer
empirischen Überprüfung nicht stand. Historisch betrachtet, war – zumindest in einigen untersuchten
Fällen – eher die organisierte Arbeiterschaft eine treibende Kraft der Demokratisierung.9
7
http://neuesoziologie.files.wordpress.com/2011/01/modernisierungstheorie-und-dependenztheorie.pdf, S.4
8
Ebd., S.4
9
Ebd., S.4
9
Richtig ist, dass eine sehr ungleiche Verteilung des ökonomischen Kapitals und die damit
einhergehende Ungleichverteilung von Macht Demokratien gefährdet, und umgekehrt eine relativ
egalitäre Einkommensstruktur (was der Entstehung einer breiten Mittelschicht letztendlich sehr nahe
kommen kann) die Entstehung von Demokratien fördern und ihr Überleben begünstigen kann.10
Die
meisten Modernisierungstheoretiker bewerten „moderne Gesellschaften“ implizit oder explizit als
grundsätzlich besser als „traditionelle Gesellschaften“. Die aktuellen globalen Probleme (Klimawandel
etc.) werden nicht zurückgeführt auf die Wirtschaft der „modernen Gesellschaften“, (die z.B. den größten
CO2-Ausstoß produzieren), sondern umgekehrt werden die „modernen Gesellschaften“ als die einzigen
Akteure betrachtet, die in der Lage sind, diese Probleme zu lösen.11
Auch dass die Vorstellung der „modernen Gesellschaft“ weitgehend deckungsgleich ist mit den
westlichen Nationen ist kein Zufall. Die Modernisierungstheorie hat – neben ihren unzweifelhaften
wissenschaftlichen Stärken – eine ideologische Funktion: Die Legitimierung der Vorherrschaft des
Westens.12
Wir untersuchen das Zusammenspiel von China im Rahmen dieser Theorien. Und zwar nach der
Betrachtung der theoretischen Ansätze der Modernisierung, kann man verstehen, dass die VR ihren
eigenen Modernisierungsweg gebahnt hat. Dies hat sich durch die Kombination der antagonistischen
Wirtschaftssysteme in einem Topf ausgedrückt. Überraschende konvergente Gesellschaft mit starken
regionalen und sozialen Unterschieden lässt sich nicht einfach auf die etablierten
Modernisierungsmodellen auflegen. Ja, die Kommunistische Partei nach Mao hat auf seinen Kurs
tatsächlich verzichtet und die Reformen eingeführt. Weiter wird diesen Prozess in unserer Arbeit genauer
beschrieben. Die Gründung der Sonderwirtschaftszonen an der Seeküste hat das ausländische Kapital ins
Land eingeladen. Rasante Urbanisierung und Industrialisierung wurde als Teil des chinesischen Lebens.
Aber nur teilweise, weil der andere westliche Teil von Volksrepublik weiter in Armut und Rückstand lebt.
Er hat die Eigenschaften der Entwicklungs- oder Agrargesellschaft. Obwohl das Privateigentum erlaubt
wurde, steht alles im Land unter Kontrolle der KP Chinas. Alle Medien und Internet werden zensiert, die
Richtlinien der Politik und Wirtschaft werden auf den Tagungen der Kommunistischen Partei bestimmt,
die Menschenrechte werden überall verletzt. Also geht es gegenüber China um einen nichtdemokratischen
Staat. Die Modernisierung geht also nicht nach europäischem/amerikanischem Schema vor. Außerdem
stützt die Bevölkerung Chinas (eine der ältesten Nationen der Welt) auf die fünftausendjährige
10
Rüland, Jürgen: Wirtschaftswachstum und Demokratisierung in Asien: Haben die Modernisierungstheorien doch recht? In:
Schulz, Manfred (Hrsg.): Entwicklung – Perspektiven der Entwicklungssoziologie, Westdeutscher Verlag, Göttingen 1997,
S.89
11
http://neuesoziologie.files.wordpress.com/2011/01/modernisierungstheorie-und-dependenztheorie.pdf, S.4
12
Ebd, S.4
10
Geschichte und Traditionen! Das Bewusstsein jedes Chinesen basiert sich auf den Postulaten der
gesellschaftlichen Ordnung, die noch bei Konfuzius gegründet wurden.
„Konfuzius lebte in einer Zeit politischer Umbrüche und Unruhen. Das aus vielen unabhängigen
Teilstaaten bestehende China war feudalistisch orientiert und besaß keine offizielle Religion. Den
politisch und gesellschaftlich instabilen Verhältnissen stellte Konfuzius eine konservative Staats- und
Sittenlehre gegenüber, die ihre Ideale aus den traditionellen Werten der Vergangenheit schöpfte.
Übergeordnetes Ziel zur Überwindung der Krise war das Streben nach individueller und kollektiver
Harmonie sowie nach moralischer Vervollkommnung jedes Einzelnen. Hierzu stellte die konfuzianische
Philosophie Kardinaltugenden auf: Menschlichkeit, Schicklichkeit, Rechtschaffenheit, Weisheit und
Treue. Diese Pflichten sollen sich in den fünf grundlegenden zwischenmenschlichen Beziehungen
verwirklichen: dem Gehorsam und der Achtung der Kinder gegenüber ihren Eltern, der Untergebenen
gegenüber den Herrschern sowie zwischen Geschwistern, Gatten und Freunden. In allen konfuzianisch
geprägten Gesellschaften bestimmen diese Tugenden bis in die Gegenwart die traditionell und
hierarchisch geprägte Gesellschaftsordnung und kulturelle Mentalität.“13
Die Weltanschauung der Bevölkerung des Reiches der Mitte ist tief in die Verflechtung der uralten
Religions- und Sozialordnung eingewurzelt. Zum Wertsystem der „konfuzianischer Ethik“ gehören z.B.:
den Glauben an Hierarchien in der Gesellschaft, das Streben die Konflikte im Konsens und nicht durch
die Auseinandersetzungen zu lösen, großer Achtung der Familie und dem Alter. Die chinesischen
Gemeinden und Gruppen haben tatsächlich den erstaunlichen Zusammenhalt.14
Und dieses Phänomen ist
bisher noch nicht von der Modernisierung gelöscht. Daraus resultieren auch die Disziplin und die
Opferung des Eigenen zugunsten der Allgemeinen. Große Hartnäckigkeit und Geduld stammen auch
davon. Sie sind als Grundlagen zu Errungenschaften in der Bildung, Politik oder in der Wirtschaft.
Aber die Zeit zeigt, wie sich die kulturell bzw. national geprägten Eigenschaften in der absehbaren
Zukunft ändern/bewahren werden.
1.2. Der Fortschritt des Reiches der Mitte in Anbetracht der Dependenztheorie
Die Dependenztheorie entwickelte sich in den 1960er Jahren in Lateinamerika im Umfeld der
„Comisiуn Econуmica para America Latina y el Caribe“ (CEPAL) in klarer Abgrenzung und in
Frontstellung zur Modernisierungstheorie.15
Die zentrale These der Dependenztheorie ist, dass der
unterschiedliche Entwicklungsstand der verschiedenen Regionen der Welt nicht in erster Linie auf
endogene Faktoren, z.B. kulturelle Unterschiede, zurückzuführen sei, sondern von internationalen
13
http://www.wissen.de/lexikon/konfuzianismus?chunk=die-konfuzianische-philosophie
14
Hans van Ess: Ist China konfuzianisch? Center for East Asian and Pacific Studies, Trier University, Germany, China Analyses
No 23. 2003,S.10
15
http://neuesoziologie.files.wordpress.com/2011/01/modernisierungstheorie-und-dependenztheorie.pdf, S.4
11
Ausbeutungsverhältnissen verursacht wird. Wichtige Vertreter der Dependenztheorie sind u.a. Ral
Prebish, Andre Gunder Frank und Henrique Cardoso.
Die Abhängigkeit vieler Länder von den wenigen herrschenden Industrieländern drückt sich darin
aus, dass die weltweite wirtschaftliche Entwicklung weitgehend durch von den Industrieländern
determinierte Faktoren bestimmt wird, u.a. durch deren Importnachfrage/Exportangebot. Durch
Investitionsentscheidungen ausländischer Unternehmen, technische Weiterentwicklung und
Kreditbewilligung ausländischer Banken.
Dies führt nach Ansicht der Vertreter der Dependenztheorie dazu, dass die Entwicklungsländer in
den internationalen Handelsbeziehungen überwiegend Nachteile erleiden, die einen Abbau ihres
Entwicklungsrückstands verhindern und somit eine Ursache der Unterentwicklung darstellen. A.G. Frank,
US-amerikanischer Ökonom und Vertreter der Dependenztheorie, entwickelte seit dem Ende der 60er
Jahre eine viel diskutierte Weltwirtschaftskonzeption, deren Mittelpunkt die Analyse ökonomischer
Unterentwicklung ist. An erster Stelle steht für ihn historisch und theoretisch die Zirkulationssphäre. Dies
zeigt sich seiner Auffassung nach darin, dass die früheren Kolonien Lateinamerikas von Anfang an durch
ihre Einbeziehung in den kapitalistischen Weltmarkt geprägt waren und deshalb dort kapitalistische
Produktionsverhältnisse vorherrschen. Dies hat zur Konsequenz, dass sich seit der Kolonialzeit weder die
Klasseneinteilung noch die der ökonomischen Struktur innewohnenden Widersprüche wesentlich
verändert haben. Deshalb stand für ihn hier eine sozialistische Revolution unmittelbar auf der
Tagesordnung.16
Die zentralen Kategorien der Dependenztheorie sind „Zentrum“ bzw. Zentralstaaten,
„Semiperipherie“ und „Peripherie“.17
Die Grundannahme ist, dass es durch internationale
Ausbeutungsverhältnisse, durch die langfristige Verschlechterung der Terms of Trade und den daraus
hervorgehenden ungleichen Tausch zu einem kontinuierlichen Transfer von Mehrwert aus der Peripherie
und Semiperipherie in die Zentralstaaten kommt. Die ungleiche Entwicklung der verschiedenen Staaten
und Regionen der Welt ist demnach in erster Linie auf internationale Ausbeutungsverhältnisse, also
exogene Faktoren zurückzuführen, anstatt auf kulturelle, gesellschaftsimmanente, endogene Faktoren, wie
von der Modernisierungstheorie postuliert wird.
Während die lateinamerikanische Staaten wirklich von dem Eintritt in die globale Wirtschaft gelitten
haben, nimmt China seit der Öffnung zur Welt ab 1978 in diesem interessante Position ein. Im 19. und
Anfang des 20. Jahrhunderts war China wirklich von den kapitalistischen Kolonialmächten abhängig. In
zweiter Hälfte des 20. Jh. gab es schon ganz andere Situation auf der Weltkarte. Der kalte Krieg herrschte
16
http://www.wirtschaftslexikon24.net/d/dependenztheorie/dependenztheorie.htm
17
http://neuesoziologie.files.wordpress.com/2011/01/modernisierungstheorie-und-dependenztheorie.pdf, S.4
12
und China unter Mao hat sich für die Welt geschlossen. Die Folgen des Maoismus werden wir noch in der
Arbeit beschreiben. Nach Maos Tod war China ein schwach entwickeltes Agrarland. Man könnte damals
erwarten, dass das bevölkerungsreichte Volk wieder in Abhängigkeit von den mächtigen Staaten gerät.
Und dann könnte man sicher die Dependenztheorie gegenüber China anwenden. Doch alles hat sich
anders herausgestellt. China ist auf den Reformweg getreten und seine eigene national geprägte Politik zu
führen begann. Man kann diese Politik als wirtschaftliche Offensive an allen Fronten nennen. Durch die
Gründung der Sonderwirtschaftszonen ist es den Chinesen gelungen, die ausländischen Investitionen zur
Entwicklung der Volkswirtschaft hinzuziehen. China ist dank der Verbindung der Plan- und
Marktwirtschaft und dem Einsatz allerseitigen Ressourcen und anderen zahlreichen Voraussetzungen und
Ursachen, die wir später betrachten, exportorientiert geworden ist und im 21. Jahrhundert begonnen hat,
sogar der Welt seine eigene Bedingungen aufzuzwingen. China ist nach seinem BIP pro Kopf die
Wirtschaft Nr.2 nach den USA geworden.18
Der Dependenztheorie zuwider hat der Beitritt in die globale
Wirtschaft China nicht nur keine Abhängigkeit gebracht, sondern den schnellen Aufstieg dem Reich der
Mitte gewährleistet. Das hat auch den WTO-Beitritt 2001 bewiesen.
Die chinesischen Studenten schöpfen die Kenntnisse an den besten Universitäten der Welt. Sie sind
sehr wichtiges Gehirnpotential für weiteren Aufschwung der Heimat. Die chinesischen Geschäftsleute
bereisen die Welt. Sie sind schon angesehene Männer und nicht die Vertreter eines Entwicklungslandes.
Es ist schon schwierig, ein Land irgendwo zu finden, wo China keinen Einfluß auf einheimischen Handel
und lokale Wirtschaft nicht hätte. Renminbi ist schon sogar an US Dollar nicht gebunden. Von welcher
Dependenz/Abhängigkeit kann man reden? Die Volksrepublik China hat sich sicher von dieser Theorie
abgegrenzt und scheint heute sogar die ganze Welt von sich abhängig zu werden!
China führt weiter seine folgerichtige Politik Richtung Wachstum und Bereicherung. Es ist schon zur
Großmacht geworden. Ein 1,3-Milliarden Volk, die Nation (oder Bund mehreren Nationen) mit der
uralten Geschichte und sehr tief ins Gedächtnis jedes Bürgers eingeprägten Traditionen, den Menschen,
die gnadenlosen Mao-Zeiten überlebt haben, sind sie nicht zum Angriff gegen die Welt bereit? Die
Erfahrung und Praxis von VR China könnte die Anti-Dependenztheorie präsentieren. Aber alles kann sich
jederzeit ändern, da die Weltökonomie sehr feinfühlig ist, und in letzten Jahrzehnten zahlreichen Krisen
unterworfen wurde. Die heutige Position von China lässt sich alle wundern und überrascht mit dem
langen Wachstumsprozess. Es entsteht die Frage, bis wann dieser Zuwachs dauern wird und wann endlich
die nachhaltige Entwicklung Chinas beginnt? Oder ob sie irgendwann beginnt? Wird China zur
Großmacht Nr.1 und seine Hegemonie bestärkt oder verursacht die globale verheerende Krise?
18
http://www.auswaertiges-amt.de/cae/servlet/contentblob/570866/publicationFile/166989/Wirtschaftsdatenblatt_pdf.pdf
13
Die lateinamerikanischen und afrikanischen Länder, die oft als die Opfer hinsichtlich der
Dependenztheorie sind, kann man nicht im Vergleich mit China stellen. Andere Bedingungen, andere
Ressourcen, andere Systeme, andere Mentalitäten und andere Maßstäbe.
1.3. Politisches System Chinas
Das politische System der VR China hat in Europa ein zwiespältiges Image. Die Kritiker sehen in
China eine Diktatur mit "eiserner Faust", die im Innern alle Ansätze zu politischer Erneuerung
unterdrückt und nach außen rücksichtslos nationale Interessen durchsetzen will. China-freundliche
Politiker und Geschäftsleute hingegen verweisen auf die außerordentliche wirtschaftliche Dynamik des
Landes und vertrauen auf die Wirkung der Marktwirtschaft, die auch China den Weg zu einer politischen
Neuordnung und zu verlässlicher internationaler Kooperation weisen werde. 19
Die chinesische Regierung selbst lehnt die "westliche Demokratie" als für China untaugliches
Ordnungsmodell ab. Die Kommunistische Partei Chinas (KPCh) hält an ihrem Machtmonopol fest, lässt
keine unabhängigen politischen Kontrollinstanzen zu und unterdrückt organisierte oppositionelle
Aktivitäten. Daraus lässt sich schlussfolgern, dass die VR China ein autoritäres Regierungssystem ist. Seit
den 1990er Jahren beeinflussen die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Veränderungen auch die
wesentlichen politischen Wandel. Die gegenwärtige politische Ordnung hat sich weit vom Totalitarismus
der Mao-Ära, in dem die Kommunistische Partei total in das wirtschaftliche, gesellschaftliche und
persönliche Leben einmischte. Politische Entscheidungen kommen heute auf andere Weise zustande und
werden auch mit anderen Mitteln durchgesetzt als am Ausgangspunkt der Wirtschaftsreformen. 20
Der Staatsaufbau der VR China ist de System der ehemaligen Sowjetunion ähnlich. Die politische
Führungsrolle der Kommunistischen Partei, umfassende Durchgriffsbefugnisse der Zentralregierung
gegenüber regionalen Führungen, die Gewaltenkonzentration - also die ausdrückliche Ablehnung einer
politischen Machtbegrenzung durch Gewaltenteilung zwischen Exekutive, Legislative und Judikative -
und der Vorrang der kollektiven Interessen vor den individuellen Rechten bis heute wesentliche
Prinzipien der Verfassungsordnung der VR China auszeichnen.
Bislang sind vier Verfassungen (1954, 1975, 1978, 1982) verabschiedet worden, in denen die
wechselnden politischen Ziele der KPCh zum Ausdruck kommen. Während insbesondere die
Verfassungen von 1975 und 1978 die Bedeutung des Klassenkampfes hervorhoben, spiegelt die derzeit
gültige Verfassung von 1982 (in Einzelelementen geändert in den Jahren 1988, 1993, 1999 und 2004) die
19
http://www.bpb.de/izpb/8861/charakteristika-des-politischen-systems
20
Ebd.
14
Bemühungen um eine "sozialistische Modernisierung" des Wirtschaftssystems und um eine Stabilisierung
der staatlichen Institutionen wider. 21
Unten werden die wichtigsten Verfassungsbestimmungen für Chinas politisches System angeführt.22
Die Hauptprinzipien der chinesischen Politik:
• Die Kommunistische Partei Chinas ist die einzige Regierungspartei Chinas
• Die demokratische Diktatur des Volkes
„Die Volksrepublik China ist ein sozialistischer Staat unter der demokratischen Diktatur des Volkes, der
von der Arbeiterklasse geführt wird und auf dem Bündnis der Arbeiter und Bauern beruht.
Die demokratische Diktatur des Volkes bedeutet ihrem Wesen nach die Diktatur des Proletariats.
Die Arbeiterklasse ist die führende Klasse des Staates, die Bauernschaft ist ihre Verbündete.“
• Das sozialistische System
Das von der Arbeiterklasse geführte und auf dem Bündnis der Arbeiter und Bauern beruhende
sozialistische System ist das grundlegende System der Volksrepublik China. Jede Organisation und jede
Einzelperson, die das sozialistische System sabotiert, ist ein Feind des Staates und Volkes.
• Alle Macht gehört dem Volk
Die Organe, durch die das Volk die Staatsmacht ausübt, sind der nationale Volkskongreß und die lokalen
Volkskongresse auf den verschiedenen Ebenen.
Das Volk verwaltet die Staatsangelegenheiten, die wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen
Angelegenheiten durch verschiedene Kanäle und in verschiedenen Formen.
Die Einheitsfront steht unter der Führung der Kommunistischen Partei Chinas. An ihr haben die
verschiedenen demokratischen Parteien und Massenorganisationen, alle sozialistischen Werktätigen
sowie alle Patrioten, die den Sozialismus unterstützen, und alle Patrioten, die für die Wiedervereinigung
des Vaterlandes eintreten, teil.
Die Politische Konsultativkonferenz des Chinesischen Volkes ist eine Organisation der Einheitsfront mit
umfassendem repräsentativem Charakter.
• Die grundlegende Aufgabe und das Ziel des Staates
Auf dem Weg des Aufbaus des Sozialismus chinesischer Prägung werden alle Kräfte auf die
sozialistische Modernisierung konzentriert. Unter der Führung der Kommunistischen Partei Chinas und
21
http://www.bpb.de/izpb/8861/charakteristika-des-politischen-systems
22
http://german.china.org.cn/de-zhengzhi/1.htm
15
angeleitet durch den Marxismus-Leninismus, die Mao-Zedong-Ideen und die Deng-Xiaoping-Theorie
werden die Volksmassen aller Nationalitäten an der demokratischen Diktatur des Volkes, dem
sozialistischen Weg und der Reform und Öffnung festhalten, ununterbrochen die sozialistischen
Institutionen vervollkommnen, die sozialistische Marktwirtschaft entwickeln, die sozialistische
Demokratie ausbauen, die sozialistische Rechtsordnung perfektionieren und im Vertrauen auf die eigene
Kraft hart arbeiten, um die Industrie, Landwirtschaft, Landesverteidigung und Wissenschaft und Technik
Schritt für Schritt zu modernisieren und China zu einem starken sozialistischen Staat mit
hochentwickelter Demokratie und Zivilisation aufzubauen.
• Der demokratische Zentralismus
Das organisatorische Prinzip der Staatsorgane ist der demokratische Zentralismus.
Die Volkskongresse aller Ebenen werden durch Wahlen gebildet.
Die Volkskongresse aller Ebenen entscheiden über die wichtigsten Angelegenheiten im politischen Leben
des Staates, rufen alle Organe der Staatsverwaltung, alle Staatsorgane der Rechtsprechung und alle
Organe der Staatsanwaltschaft ins Leben.23
Tabellarisch kann man das politische System Chinas so darstellen:24
23
http://german.china.org.cn/de-zhengzhi/1.htm
24
http://www.bpb.de/izpb/8861/charakteristika-des-politischen-systems
16
Die führende Rolle Kommunistischen Partei ist das entscheidende Hindernis für eine Erneuerung der
staatlichen Institutionen. "Oberstes Organ der Staatsmacht" und Gesetzgebungsorgan ist laut Verfassung
der Nationale Volkskongress (NVK), der unter anderem zuständig ist für Verfassungsänderungen (mit
Zwei-Drittel-Mehrheit), Ausarbeitung und Änderung von grundlegenden Gesetzen, Wahl/Abberufung der
wichtigsten Mitglieder der Staatsorgane, sowie Prüfung und Bestätigung des Staatshaushaltes. Die rund
3000 Abgeordneten des NVK werden alle fünf Jahre von den Volkskongressen auf Provinzebene
bestimmt. Es findet also keine Volkswahl zum NVK statt. Mehr als zwei Drittel der NVK-Abgeordneten
gehören der Kommunistischen Partei an. Der NVK tritt nur einmal im Jahr zu einer ein- bis
zweiwöchigen Plenartagung zusammen. Den Charakter eines "Ersatzparlaments" besitzt deshalb der
Ständige Ausschuss des NVK, alle ein bis zwei Monate zu mehrtägigen Sitzungen zusammentritt und die
Mehrzahl der Gesetze verabschiedet sowie internationale Abkommen ratifiziert. 25
Als Staatsoberhaupt der VR China gilt der Staatspräsident, dem überwiegend formalrepräsentative
Funktionen zukommen. Er setzt mit seiner Unterschrift Gesetze in Kraft, ernennt und entlässt führende
Mitglieder von Staatsorganen nach Entscheidung des NVK und empfängt internationale Staatsgäste. Da
der Generalsekretär der KPCh - "Nummer 1" in der Parteihierarchie und damit der mächtigste chinesische
Politiker - seit 1993 zugleich auch das Amt des Staatspräsidenten bekleidet, hat dieses Amt ein größeres
Gewicht erlangt.
Der Staatsrat, die chinesische Zentralregierung, wird in der Verfassung als "Exekutivorgan" des NVK
und als "oberstes Organ der Staatsverwaltung" definiert. Dem Staatsrat gehören der Ministerpräsident,
dessen Stellvertreter sowie die Staatsratskommissare und Minister an. Der Ministerpräsident verfügt als
Leiter des Staatsrates über eine sehr große Machtfülle. Als "Kabinett" im engeren Sinne dient die
Ständige Konferenz des Staatsrates, die nur die höchstrangigen Regierungsmitglieder umfasst. Die
Kandidaten für alle Führungspositionen in der Regierung werden von Gremien der KPCh ausgewählt und
benannt; der NVK muss der Ernennung der wichtigsten Amtsträger zustimmen. 26
Lokale Volkskongresse und Volksregierungen aller Ebenen sind die örtlichen Organe der
Staatsmacht. Sie haben auf der jeweiligen Verwaltungsebene Kompetenzen, die im Wesentlichen mit
denen des NVK auf nationaler Ebene korrespondieren. Nur die Delegierten der Volkskongresse auf
Kreis- und Gemeindeebene werden direkt gewählt. Die lokalen Volksregierungen aller Ebenen "sind den
25
http://www.bpb.de/izpb/8861/charakteristika-des-politischen-systems
26
Ebd.
17
Organen der Staatsverwaltung der nächsthöheren Ebenen verantwortlich und rechenschaftspflichtig".27
Gemäß Verfassung kann die Zentralregierung die Annullierung "unangemessener Entscheidungen"
lokaler Organe der Staatsverwaltung anordnen. Hierin kommt der zentralistische Staatsaufbau zum
Ausdruck, der in der Verfassung festgelegt ist, in der Verwaltungspraxis jedoch durch vielfältige
dezentrale Entscheidungs- und Gestaltungsspielräume aufgelockert ist.
China hat sich seit Ende der 70er Jahre und förmlich mit seinem Ende 1990 beschlossenen
Zehnjahresprogramm langfristig zur Politik der wirtschaftlichen Reform und Öffnung bekannt. Das
Konzept der "sozialistischen Marktwirtschaft" wurde zunächst in die Parteistatuten, im März 1993
erstmals auch in die Verfassung aufgenommen und durch ergänzende Verfassungsänderungen vom März
1999 weiter präzisiert.
Das rasante Wirtschaftswachstum infolge der Reform- und Öffnungspolitik hat den Lebensstandard
der meisten Chinesen erhöht, allerdings zu großen Ungleichgewichten bei der Einkommensverteilung
zwischen Stadt und Land sowie Küsten- und Binnenprovinzen und zunehmender Arbeitslosigkeit geführt.
Das durchschnittliche Pro-Kopf-Jahreseinkommen (2011) der Landbevölkerung beträgt 6977 RMB(ca.
775 Euro); die in den Städten lebenden Chinesen haben ein durchschnittliches Pro-Kopf-
Jahreseinkommen von 21810 RMB (ca. 2.423 Euro).28
Die Zahl der in den Städten registrierten
Arbeitslosen wurde 2011 mit 4,1 Prozent angegeben. Die Asiatische Entwicklungsbank geht von bis zu
dreißig Prozent „überschüssigen Arbeitskräften“ auf dem Land aus.
2. Post-Mao-Periode
2.1. Die Rolle von Mao Zedong in der modernen Geschichte Chinas
Mao Zedong gehört zu den bekanntesten Staatsführern des 20. Jahrhunderts. Man nannte ihn „großer
Vorsitzende“, „großer Steuermann“. Die Tatsache, dass er im Oktober 1949 die Volksrepublik China
verkündet hatte, machte ihn zum Vater der Nation. Die weitere Politik war sehr grausam und traurig.
„Der Große Sprung nach vorn“ oder „die Kulturrevolution“ waren verheerend für das Land und
warfen es um viele Jahre zurück. Historiker schätzen heute, dass der Große Sprung nach vorn (1959-61)
bis zu 30 Millionen Menschen das Leben gekostet hat: die meisten verhungerten, weil Maos Politik zu
27
http://www.bpb.de/izpb/8861/charakteristika-des-politischen-systems
28
http://www.auswaertiges-
amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/China/Innenpolitik_node.html#doc334570bodyText6
18
gewaltigen Missernten führte.29
Während der Kulturrevolution (1966-1976) wurden in China viele
Schulen und Universitäten geschlossen, das wichtigste war nicht gebildet sondern "rot" (politisch korrekt)
zu sein. Trotzdem hat Mao nicht eindeutigen Eindruck über seine wirtschaftliche Tätigkeit gelassen:
einerseits wuchs das Bruttoinlandsprodukt zwischen 1952 und 1975 um jährlich durchschnittlich 6,7 %,
die Möglichkeiten für Bildung, medizinische Versorgung und soziale Sicherheit erreichten das höchste
Niveau in der Geschichte Chinas, und der Anteil der Industrie an der Wirtschaftskraft wurde von etwa 20
% 1952 auf 45 % 1975 gesteigert.30
Diese Resultate wurden dank dem Einsatz zusätzlicher Ressourcen
erreicht, die Investitionen wurden zunehmend ineffizienter, und das relativ hohe Wirtschaftswachstum
konnte nur zu einem sehr geringen Anteil in höheren Konsum der Bevölkerung umgesetzt werden. Mao
hat selbst anerkannt, dass sich seine Wirtschaftspolitik von utopischen Ideen geleitete wurde. Am Anfang
der 1970er Jahren ließ er die wirtschaftlich pragmatischen Politiker Deng Xiaoping und Zhou Enlai an die
Macht zurückzukehren.
Es gab und es gibt keine Entmaoisierung in China, wie es in den anderen posttotalitören Länders wie
z.B. in der Sowjetunion war. Das Kult der Person ist nicht mehr da, aber bis heute hängt auf dem
Tienanmen-Platz in China Maos Porträt, und dem "Platz des Himmlischen Friedens" steht das ihm zu
Ehren errichtete Mausoleum. Die Kommunistische Partei lässt China auf Mao nicht verzichten. In den
offiziellen Aussagen der Parteiführer wurde die Kulturrevolution als "gravierender Fehler" des "großen
Mao Zedong" bezeichnet. Deng Xiaoping, Maos Nachfolger, begann damit Maos Ideen zu relativieren,
ohne den Mythos des "Großen Vorsitzenden" zu vernichten. Plötzlich hieß es aus der Parteizentrale, Mao
habe viele gute und wahre und einige falsche Ideen propagiert. 70 Prozent der Mao-Ideen seien gut, 30
Prozent schlecht gewesen, so die Politrhetorik aus den Reihen der chinesischen Nomenklatur.31
Der
„Ruhm“ und Größe von Mao scheint einfach als Form als der Schleier zu sein, hinter dem das wahre
pragmatische Gesicht versteckt wird.
Als Zusammenfassung kann man auch hinzufügen, dass unter Mao China die möglichen
„kommunistischen“ Mittel zur Entwicklung in der Praxis erfahren hat. Die Folgen und Ergebnisse dieser
Experimente sind schrecklich. Aber unserer Meinung nach, hat die maoistische Periode sehr wesentlichen
Einfluß auf die künftigen Prozesse im Land ausgeübt.
29
http://www.china-zeichen.de/html/info_uber_china.html
30
Ebd.
31
http://www.planet-wissen.de/laender_leute/china/mao_zedong/china_mao_erinnerung.jsp
19
Erstens, die Chinesen hatten Angst vor gnadenlosen Aktionen der Mao-Anhänger und diese
unbarmherzigen Terrors haben dem Volk die zusätzliche Gehorsamkeit beigebracht. Also die Chinesen
waren schon gelernt die riesigen Taten im Namen der Idee zu vollbringen, ohne die Richtigkeit dieser
Prozesse zu bezweifeln. Mao Zedong hat die historisch riesige Einsatzbereitschaft des chinesischen
Volkes durch totalitaristische Mittel verstärkt. Heute vollbringen sie auch noch unvergleichbar größere
Taten, aber schon nicht im Namen der Idee, sondern im Namen der nationalen wirtschaftlichen
Entwicklung. Darum spricht man heutzutage über die Trendwende zum Nationalismus.
Zweitens, haben solche furchtbare Zeiten unter Kommunismus bei den chinesischen Bürgern die
gebändigte Energie zur Privattätigkeit, Privatgeschäft aufgeweckt. Diese gewaltige Energie wird heute in
die rasche Wirtschaftsentwicklung umgesetzt.
Drittens, die ideologische Vergangenheit war im großen Ganzen die negative Erfahrung für die
Chinesen. Jetzt werden sie schon keine solchen Experimente durchführen, sondern sich auf realistischen
Plänen und Projekten konzentrieren. Mao wollte wahrscheinlich bei dem Chinesischen Volk die riesige
Energie erwecken und ganz neue Generation großzuziehen. Die Folgen dieser Versuche sind in
umgekehrte Richtung gezielt und zwar – China wird mehr und mehr kapitalistisch bzw. liberal und
progressiv. Was ist nach dem großen Mao geblieben? Parteiausschuß? Zensur? Mausoleum? Die KP hat
schon die Kontrolle über das Wichtigste verloren – über das geistige Leben des Volkes.
2.2. Die Reformierung des Systems unter Deng Xiaoping
Nach dem Tod von Mao Zedong 1976 versuchte die so genannte "Viererbande" um Maos Ehefrau,
die politische Macht an sich zu reißen.32
Bis 1980 Hua Gofeng stand an der Parteispitze. Deng Xiaoping,
einer der fünf stellvertretenden Parteivorsitzenden, wurde in China zur treibenden Kraft der chinesischen
Wirtschafts- und Außenpolitik. Im Rahmen einer sozialistischen Marktwirtschaft plädierte er für die
Liberalisierung und Öffnung der chinesischen Wirtschaft. Parallel zur wirtschaftlichen Öffnung vollzog
sich eine Verbesserung der politischen Beziehungen zu den Industrieländern. Z.B. wurden 1978 mit den
Vereinigten Staaten die diplomatische Beziehungen angeknüpft und ein Handelsabkommen
unterzeichnet. Es wurde auch die Normalisierung in den Beziehungen mit Japan und der Sowjetunion -
die strategischen Nachbarn bemerkt.
Anfang der 80er Jahre erreichte die Bevölkerung Chinas eine Milliarde Menschen und der Zuwachs
ging weiter. Seit 1980 hat die chinesische Regierung die Gesetzte angenommen, die die Ein-Kind-Familie
32
http://www.laender-lexikon.de/China_%28Geschichte%29
20
verlangten. Damals waren Zhao Ziyang als neuer Ministerpräsidenten, Hu Yaobang als
Parteivorsitzenden und Deng Xiaoping als starker Mann im Hintergrund an der Machtspitze. Die
Nichteinhaltung dieser Gesetze drohten den Eltern Geldstrafen bzw. massive Benachteiligungen bei der
Wohnraumvergabe. In der vierten Verfassung von 1982 wurde der Reformkurs von Deng Xiaoping
offiziell als politische Leitlinie festgeschrieben. 33
Xiaoping war als Chefarchitekt der chinesischen Reformpolitik bekannt geworden. Der
Modernisierer Deng hat Ende der 70er Jahre die Reform- und Öffnungspolitik durchgesetzt, die ein
Wirtschaftswachstum mit durchschnittlich über 9 Prozent Wachstum in den vergangenen mehr als 30
Jahren zur Folge hat. Das wirtschaftliche Gesamtpotenzial Chinas hat sich damit mehr als vervierfacht.34
Die dritte Plenartagung des 11. Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Chinas (Dezember
1978) ging in die Geschichte des Volkes als offizieller Start für die Reformierung und Modernisierung
Chinas. Der neue Kurs und das neue Programm wurden von Deng Xiaoping festgelegt.
Deng Xiaoping sah zuerst die Landwirtschaft als Ziel der Reformen ein. Ende der 70er Jahre noch 80
Prozent der gesamten chinesischen Bevölkerung lebte und arbeitete auf dem Land. Der Wohlstand der
der Bauern sehr wichtig für die Garantie der Stabilität in der chinesischen Gesellschaft. Im Rahmen
seiner Agrarreform schuff Deng zunächst ein sogenanntes vertragsgebundenes Verantwortungssystem
für die Bauern, bei dem diese einen Teil des erwirtschafteten und überschüssigen Ertrages auf speziellen
Landwirtschaftsmärkten verkaufen und als eigenen Gewinn verbuchen konnten. Die Bauern hatten
Eigentumsrechte an ihren Produkten, Landbesitz war jedoch weiterhin nicht möglich.35
Diese
Reformmaßnahme hat entscheidend die Arbeitsproduktivität von mehreren hundert Millionen
chinesischen Bauern beeinflusst und eine historische Steigerung der Getreideproduktion ausgelöst.
Ab Mitte der 1980er Jahre wurden auch nicht-staatliche Unternehmen in der Industrie zugelassen
und die Staatsunternehmen mussten auf den sich entwickelnden Märkten mit Privatunternehmen
konkurrieren.36
Als nächster Schritt wurden die Reformmaßnahmen in den Städten getroffen. Dort wurde die
wirtschaftliche Struktur allmählich komplett reformiert. Damit hat Deng die Meinung widerlegt, dass es
einen unüberbrückbaren Widerspruch zwischen der Plan- und der Warenwirtschaft gebe, und hat seine
33
http://german.china.org.cn/archive2006/txt/2004-08/12/content_2126626.htm
34
Ebd.
35
http://www.china-zeichen.de/html/info_uber_china.html
36
Ebd.
21
Reform theoretisch und definitiv begründet. Aufgrund dieser Theorien wurde nun auch in den
chinesischen Staatsbetrieben das System des vertragsgebundenen Verantwortungssystems eingeführt. Es
wurde auch als Versuch eine Verwandlung der Eigentumsform einiger Staatsbetriebe in
Aktiengesellschaften durchgeführt. Das Gemeineigentum ist allmählich nur eine der Eigentumsformen
geworden. Dabei wurde das Gemeineigentum als Hauptstütze unter den anderen proklamiert.
In Shenzhen und Shanghai wurden zwei Wertpapierbörsen gegründet. Im Zusammenhang mit der
eingeleiteten Preisreform wurden Verhältnis und Ausmaß des Einflusses von Marktfaktoren auf die
Preisfindung erweitert. Die Ansichten und Entscheidungen von Deng Xiaoping haben direkt dazu
beigetragen, dass die KP Chinas immer deutlicher die Etablierung einer sozialistischen Marktwirtschaft
chinesischer Prägung als Basis der Reformen auf ihre Fahnen schrieb, was fortan den ungebrochenen
Fortschritt ermöglichte.
Heutzutage gehen immer mehr Chinesen ins Ausland, während immer mehr Ausländer nach China
kommen. China ist inzwischen auch der Welthandelsorganisation WTO 2001 beigetreten.37
Auf der
außenpolitischen Bühne spielt China als ständiges Mitglied des UN-Sicherheitsrates in internationalen
Angelegenheiten eine immer größere Rolle. All diese Errungenschaften und Erfolge sind in erster Linie
der Einführung der Öffnungspolitik zu verdanken. Also diese von Deng Xiaoping eingeführte Politik
ermöglichte, dass China sich nach mehr als 500 jähriger Abschottung wieder zur Welt öffnet. Der VR
China ist es gelungen, sich von der Praxis der Übernahme von Theorien und Praktiken der anderen
Länder zu befreien und einen neuen eigenen Weg zu einer Modernisierung chinesischer Prägung zu
bahnen.
2.3. Jiang Zemin-Ära
Im Januar 1987 wurde Zhao Ziyang zum Generalsekretär der kommunistischen Partei ernannt, Hu
Yaobang wurde zum Rücktritt gezwungen. Die Änderungen in der Führungsspitze begannen nach einer
Demonstrationswelle der Studenten, die mehr Demokratie und Selbstbestimmungsrechte forderten. Hus
Tod im April 1989 zog eine neue Welle prodemokratischer Demonstrationen nach sich. Diese erreichten
im Mai ihren Höhepunkt, als der sowjetische Staatspräsident Michail Gorbatschow Peking besuchte, um
die 30 Jahre andauernden Unstimmigkeiten zwischen der UdSSR und China zu beenden. Die
Demonstranten besetzten den Tian-an-men-Platz in Peking, bis am Morgen des 4. Juni bewaffnete
Militäreinheiten die Innenstadt stürmten und mindestens 400 Zivilisten töteten.38
In der darauf folgenden
Phase harten politischen Durchgreifens wurde Zhao Ziyang seiner Parteiämter enthoben. Neuer
37
http://www.china-park.de/geschichte/zeittafel.html
38
http://chroniken-asien.de/ch_china04.htm
22
Generalsekretär wurde Jiang Zemin, der Ministerpräsident wurde Li Peng. Der achte Nationale
Volkskongress wählte Jiang im März 1993 zum neuen Staatsoberhaupt Chinas. Im Oktober desselben
Jahres wurden erstmals in beschränktem Umfang Handelsbeziehungen zu Taiwan erlaubt. Der
Grenzverlauf zu Russland wurde im September 1994 vertraglich bestätigt.39
Im Jahre 1995 wies die Wirtschaft ein stabiles hohes Wachstum auf, das vorher isolierte Land war
der siebentgrößte Teilnehmer im internationalen Handel und der Lebensstandard wuchs schnell, wobei
die Konsumausgaben der Haushalte zu konstanten Preissteigerungen um jährlich mehr als 7 % führten.40
Im Rückblick erscheint Jiang Zemin als unspektakulärer, aber wirkungsvoller Reformer und Mann
des politischen Ausgleichs. Ihm gelang es, eine Periode sehr tief greifenden wirtschaftlichen sozialen
Wandels erfolgreich zu managen, indem er trotz einschneidender Reformschritte (u.a. Restrukturierung
des Staatssektors, WTO-Beitritt) wenig politische Angriffsfläche bot. Die politische Führung unter Jiang
Zemin war zweifellos die stabilste in der Geschichte der VRCh.41
Jiang hat sehr aufmerksame Taktik ausgewählt. Er minimierte politische Konflikte und vermied
offene politische Konfrontationen: stetige Respektbezeugungen gegenüber Parteiveteranen, Rückgriff auf
unkontroverse politische Formeln (typisch etwa Formel der „Dreifachen Repräsentation“), Geduld in der
Herbeiführung parteiinterner Konsensfindung, vorbereitete Entfernung innerparteilicher Kritiker aus den
Führungsgremien (etwa Chen Xitong, Qiao Shi), Überantwortung kontroverser wirtschaftspolitischer
Maßnahmen und politischer Risiken (etwa Inflationsbekämpfung, Finanzsystemreformen, WTO-Beitritt)
an den Ministerpräsidenten Zhu Rongji und andere Wirtschaftspolitiker.
Unter Jiang vollzog sich der Wandel des Entscheidungssystems weg von der charismatischen
Autorität eines Parteichefs hin zu einem System der kollegialen Führung mit stärker formalisierten
Verfahrensregeln. Die Vermeidung politischer Grundsatz- und Großkonflikte trotz massiver sozialer
Verwerfungen und wirtschaftlicher Neuerungen ist als Jiang Zemins politische Leistung anzuerkennen.
Allerdings blieben viele grundlegende Probleme in der Ära Jiang Zemin ungelöst oder verschärften sich
sogar (Korruption, soziales Gefälle, politische Repression im Falle der Falungong-Bewegung).42
39
http://chroniken-asien.de/ch_china04.htm
40
http://www.china-zeichen.de/html/info_uber_china.html
41
http://www.chinapolitik.de/resources/no_20.pdf
42
Ebd.
23
Im Juni 1997 übergab Großbritannien seine ehemalige Kronkolonie Hongkong an China zurück.43
Hongkong wurde zur Sonderverwaltungszone, die chinesische Führung hat das bestehende wirtschaftliche
System da bewahrt. Nur das Parlament in Hongkong wurde aber durch ein Peking-freundliches ersetzt.
Im März 1998 wurde der Wirtschaftsreformer Zhu Rongji neuer Ministerpräsident Chinas, Jiang
Zemin wurde für eine weitere Amtszeit von fünf Jahren als Staatspräsident bestätigt, Li Peng blieb
wichtigster zweiter Mann im Staat, jetzt als Parlamentspräsident.44
Die chinesische Regierung wollte ein
WTO-Mitglied werden. Und erst nach der Senkung der Einfuhrzölle und weiterer Öffnung des
chinesischen Marktes wurde VR China in die WTO (World Trade Organisation,
Welthandelsorganisation) 2001 aufgenommen. Damals stand China unter der Kritik internationaler
Menschenrechtsorganisationen, die der chinesischen Staatsführung die wiederholte Verletzung der
Menschenrechte an Tausenden von Chinesen vorwarfen.
1999 gab Portugal die Kolonie Macao an China zurück. Wie auch in Hongkong wurde der
ehemaligen Kolonie die Aufrechterhaltung der Wirtschaftsform für zunächst 50 Jahre zugesichert (nach
dem Prinzip "Ein Land - zwei Systeme"). 45
Der chinesische Volkskongress verabschiedete im Januar 2002 ein Gesetz zur Bevölkerungsplanung,
das die Regierung zur Änderung der seit 1970 verfolgten Ein-Kind-Politik auffordert. In der Zukunft soll
der Staat nur noch im Bereich der Schwangerschaftsverhütung eingreifen; Zwangssterilisationen und
erzwungene Abtreibungen wurden verboten. Das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei stimmte im
Oktober 2003 einer Änderung der Staatsverfassung zu. In ihr sind jetzt die Grundrechte auf Streik und
Freizügigkeit sowie ein Recht auf Privatsphäre vorgesehen.
2.4. Hu Jintao an der Machtspitze
2003 wurde der neue Generalsekretär der KP, Hu Jintao, zum Staatspräsidenten gewählt. So ist der
macht sowie der Generationswechsel Seit 2004 ist Hu zusätzlich Vorsitzender der Zentralen
Militärkommission der Volksbefreiungsarmee. Hu Jintao setzt die Reformpolitik unter Beibehaltung des
von der KP geprägten politischen Systems fort. Er wird hierbei seit 2003 von Ministerpräsident Wen
Jiabao unterstützt. Themen sind verstärkt die Verringerung des sozialen Gefälles zwischen Stadt und
43
http://www.laender-lexikon.de/China_%28Geschichte%29
44
Ebd.
45
http://www.laender-lexikon.de/China_%28Geschichte%29
24
Land, aber auch der Schutz von Umwelt und Ressourcen. 2008 wurden fünf neue "Superministerien"
geschaffen, die sich künftig der innenpolitischen Prioritäten annehmen. Auf die sich häufenden
Meldungen von menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen
Im Oktober 2003 ist China der dritte Staat geworden (nach UdSSR/Russland und den USA), der
allein den bemannten Weltraumflug schaffte. Der Ständige Ausschuss des NVK (Nationaler
Volkskongress) verabschiedete 2006 ein Gesetz, nach dem künftig alle Todesurteile der Bestätigung
durch das Oberste Gericht bedürfen. Aufgrund mehrerer spektakulärer Fehlurteile war es zu einer
öffentlichen Debatte über die Verhängung der Todesstrafe gekommen, die vor allem Provinzgerichte
oftmals exzessiv betreiben. Schätzungsweise werden im Jahr 8 000 Todesurteile ausgesprochen. 46
Im Frühjahr 2008 gab es erneut eine schwere Krise zwischen Tibet und China: Nach dem
Freiheitskampf tibetischer Demonstranten kam es zu blutigen Unruhen. China gelang es, Tibet nahezu
völlig abzuschotten, es entsandte tausende Soldaten und lehnte jegliche ausländische Berichterstattung ab.
- Mit Taiwan wurden dagegen im Juni 2008 nach zehn Jahren erstmals wieder direkte politische
Gespräche geführt. 47
Ein schweres Erdbeben erschütterte den Südwesten Chinas im Mai 2008. Die Naturkatastrophe
kostete nach Schätzungen 50 000 Menschen das Leben. Viele Bauwerke, darunter Staudämme, wurden
beschädigt. Schätzungsweise fünf Millionen Menschen verloren ihre Behausung. Es war das schwerste
Beben seit 32 Jahren, das China erlebte. Die chinesische Regierung schickte 130 000 Soldaten und
Angehörige paramilitärischer Einheiten in die betroffenen Regionen, die noch Tage später von
Nachbeben heimgesucht wurden.
Vor den Olympischen Spielen, die in Peking vom 8. bis 24. August 2008 stattfanden, gab es kritische
Stimmen aus aller Welt. Im Mittelpunkt der Diskussion standen die Menschenrechtsverletzungen, in
denen auch die Menschenrechtsorganisation Amnesty International eine Diskrepanz zwischen den Idealen
der Olympischen Bewegung und der politischen Realität Chinas erkannte und zur Sprache brachte. Im
Zuge der Tibetkrise im Frühjahr hatten mehrere Länder einen Boykott der Spiele erwogen. Die Bilanz
von IOC-Präsident Jacques Rogge zu den Spielen in Peking fiel überwiegend positiv aus.48
Zugleich
räumte Rogge die Machtlosigkeit des IOC im Umgang mit den Gastgebern ein. Insbesondere zur
46
http://www.laender-lexikon.de/China_%28Geschichte%29
47
Ebd.
48
Ebd.
25
Pressezensur und Unterdrückung von Protesten sagte er, die Situation sei "nicht perfekt" gewesen. 2010
ist China Japan aus der zweiten Platz abgelöst und die zweite Wirtschaft der Welt geworden.49
Das war schneller passiert, als die Experten erwartet hatten. Aber der erfolgreiche Werdegang Chinas
setzt sich weiter fort.
2.5. Heutige Situation
2012 hat sich chinesisches Wachstum etwas verlangsamt. Und zwar in diesem Jahr hat sich das
Wirtschaftswachstum von durchschnittlich rund zehn Prozent in den vergangenen zwei Jahrzehnten auf
7,4 Prozent im dritten Quartal verlangsamt. Das offizielle Ziel der Regierung für das Gesamtjahr 2012
liegt bei 7,5 Prozent.50
Das Land hat längst eine Schlüsselrolle im Welthandel eingenommen. Laut
Internationalem Währungsfonds ist China mittlerweile für 78 Staaten der wichtigste oder zweitwichtigste
Handelspartner. Auch viele deutsche Firmen sind von der Konjunktur des Landes abhängig. 2011 betrug
das BIP-Wachstum 9,2 % und 2012 schon 7,8 %.51
Während der über 30 Jahren der erfolgreichen
Entwicklung, sind 500 Millionen Menschen aus der Armut geholt.52
Heute hat man hat begonnen über
den Untergang Chinas zu reden. Aber diese Enttäuschungsstimmung widerlegt das IWF mit seiner
Prognose für das Jahr 2013 mit 8,2. Diese kleine Rezession scheint auf dem großen Bild des 30-jährigen
Wachstums nur eine Ausnahme oder besser gesagt – kleine Pause zu sein. Eine Pause vor einem neuen
dauernden Aufschwung.
Am 18. Parteikongress hat der chinesische Staats- und Parteichef Hu Jintao seinem Volk eine
Verdoppelung des Einkommens bis 2020 versprochen.53
Und das ist trotz der langsameren
Wirtschaftsentwicklung. Zur Eröffnung des der chinesischen Kommunisten in Peking sagte der
scheidende Parteichef, dass sich auch die gesamte Wirtschaftsleistung der Volksrepublik bis dahin
verdoppeln solle. Es sei das erste Mal, dass die Partei konkrete Ziele für Wachstum und Einkommen
genannt habe.54
In seiner letzten Rede zum Volk rief Hu Jintao die Wirtschaftsentwicklung
49
China 2030. Building a Modern, Harmonious, and Creative High-Income Society. The World Bank Development Research
Center of the State Council, the People’s Republic of China. International Bank for Reconstruction and Development /
International Development Association or The World Bank. 2012, S.3
50
http://www.spiegel.de/politik/ausland/chinas-parteichef-hu-verspricht-dem-volk-reichtum-a-865997.html
51
http://www.imf.org/external/pubs/ft/weo/2012/02/pdf/text.pdf
52
China 2030. Building a Modern, Harmonious, and Creative High-Income Society. The World Bank Development Research
Center of the State Council, the People’s Republic of China. International Bank for Reconstruction and Development /
International Development Association or The World Bank. 2012, S.XV
53
http://www.spiegel.de/politik/ausland/chinas-parteichef-hu-verspricht-dem-volk-reichtum-a-865997.html
54
Ebd.
26
"ausgeglichener, koordinierter und nachhaltiger" zu gestalten. Als Konsequenz müsse China die Wende
zu einem neuen - weniger auf Export und Investitionen gestützten - Wachstumsmodell beschleunigen.
Dafür sollte die heimische Nachfrage angekurbelt werden.55
Am 15.11.2012 wurde Xi Jinping zum
Generalsekretär der Kommunistischen Partei Chinas gewählt.56
Mit ihm soll das neue Team der sieben
Mitglieder des Ständigen Ausschusses des Politbüros das Land unter Kontrolle halten. Xi Jinping gilt als
ein vorsichtiger Reformer zu sein 57
und versprach eine Fortsetzung der Reform- und Öffnungspolitik.
Das alte Team hat reiches Erbe für die Nachfolger hinterlassen. Also sie werden aus sehr guten
Positionen starten und verfügen über die grundsätzlichen Voraussetzungen für den neuen Boom. Solche
schnelle Entwicklung wurde von zahlreichen Errungenschaften begleitet. Das sind einige von ihnen:
2 der 10 Top-Banken sind schon chinesisch;
61 chinesische Unternehmen gehören zur Global Fortune 500-Liste;
China besitzt das zweitgrößte Autobahnnetz,
die 3 längste Seebrücken,
und 6 der 10 größten Containerhäfen der Welt
Der Staat hat große Erfolge in Medizin, Bildung, Wissenschaft, Technologien gemacht. Und
der Rückstand zu den hochentwickelten Ländern wird schnell aufgeholt.58
Weiter schauen wir um, wie diesen historischen Weg gebahnt wurde.
3. Der wirtschaftliche Werdegang von VR China seit 1980
In den 80er Jahren hat das wirtschaftliche Wachstum Chinas begonnen. Angefangen aus den
Reformen von Deng Xiaoping, ausgeglichene Politik von Jiang Zemin und über den Aufschwung bei Hu
Jintao bis heutige Zeit blieb die Erscheinung des chinesischen Wunders für alle Menschen der Welt von
besonderem Interesse. Schon drei Generationen der Bürger beobachteten diesen atemberaubenden Weg
des Milliarden-Volkes. Welche Faktoren hatten darauf Einfluß und welche Mittel und Mühe haben die
Chinesen dafür eingesetzt? Was liegt diesem Sprung zugrunde? Darum geht es weiter.
55
http://www.spiegel.de/politik/ausland/chinas-parteichef-hu-verspricht-dem-volk-reichtum-a-865997.html
56
http://www.weltalmanach.de/staaten/details/china_volksrepublik/
57
http://www.spiegel.de/politik/ausland/chinas-parteichef-hu-verspricht-dem-volk-reichtum-a-865997.html
58
China 2030. Building a Modern, Harmonious, and Creative High-Income Society. The World Bank Development Research
Center of the State Council, the People’s Republic of China. International Bank for Reconstruction and Development /
International Development Association or The World Bank. 2012, S.4
27
3.1. Sozialismus mit chinesischer Prägung
Seit 1978 hat die chinesische Wirtschaft eine auch international anerkannte enorme Entwicklung
genommen. 59
„Ein Land – zwei Systeme“ – mit dieser Parole läutete der stellvertretende chinesische
Ministerpräsident Deng Xiaoping im Jahre 1979 eine neue Phase der chinesischen Politik ein.60
Damals
spielte der Plan bei der Verteilung der Ressourcen in der Gesellschaft eine wesentliche Rolle. Es gab
überhaupt keine Privatunternehmen in VR. Es gab nur staatliche und kollektive Betriebe.
Materialzulieferung, Produktion, Auslieferung und Vertrieb wurden von der Regierung kontrolliert.61
Ebenso war bereits vorher festgelegt worden, was und wieviel für wen produziert wird, und auch, was das
jeweilige Produkt kosten würde. So gesehen war der Staat eine einzige riesige Fabrik, andererseits war
jede kleine Werkstatt eine staatliche Produktionseinheit. Dazu gehöre auch, dass Beruf und Arbeitsstelle
der Menschen als Subjekt der Produktion planmäßig zugeteilt wurden und demzufolge unveränderlich
waren.
Eine Zentrale Staatliche Planungskommission plante und regulierte alle Wirtschaftsaktivitäten. Eine
staatliche Entwicklungs- und Planungskommission gibt es in China auch heute noch, allerdings hat die
wenig mit ihrer Vorgängerbehörde gemein.
Das System der Planwirtschaft war im Jahr 1949 unter den damals bestimmenden historischen
Umständen mit einer unterentwickelten Wirtschaftsbasis und –Struktur, verschärft durch die
Wirtschaftsblockade westlicher Länder, etabliert worden.
Das System hat viel zur Zentralisation der Arbeitskräfte, der Finanzen und der materiellen
Ressourcen, zum Bau von industriellen Schwerpunktprojekten, zur Entwicklung der Wirtschaft, zur
Stabilisierung des Marktes und zur Verbesserung des Lebens der Menschen beigetragen. Im Zuge der
Entwicklung der Wirtschaft in China konnte das System der Planwirtschaft aber nicht mehr an neue
Entwicklungstendenzen angepasst werden – das System wurde zum Hindernis für die weitere
Entwicklung.
Seit der Reform des Wirtschaftssystems gibt es in China zusammen mit den staatlichen und
kollektiven Betrieben, auch die Privatunternehmen, Jointventures, kooperative Unternehmen und rein
59
http://german.china.org.cn/archive2006/txt/2002-11/06/content_2048349.htm
60
Andreas Tank: Sonderwirtschaftszonen in China, Universität Kassel, Kassel, 2002, S.5
61
http://german.china.org.cn/archive2006/txt/2002-11/06/content_2048349.htm
28
auswärtige Unternehmen. Materialversorgung, Produktion, Zirkulation, Vermarktung und Konsum
werden für die meisten Betriebe in China nicht mehr vom Staat organisiert, sondern von den Betrieben
selbst auf dem Markt.
Die Betriebe sind für Gewinne und Verluste selbst verantwortlich. Die Preise der meisten Waren
und Dienstleistungen werden von den Betrieben nach Marktbedingungen festgesetzt. Die
Wirtschaftsreform hat somit die Entscheidungsbefugnisse und die Lebenskraft der Betriebe gestärkt.62
Noch wichtiger ist, dass die Subjekte der Produktion, die Menschen also, mittlerweile Beruf und
Arbeitsstelle frei wählen können. Dies hat übrigens ein beträchtliches Potential schöpferischer
Aktivitäten der Menschen freigesetzt.
Diese Veränderungen sind nicht sofort gekommen. Die erste Phase von 1978 bis 1983 kann als
Etappe des Beginns begrenzter und versuchsweiser Wirtschaftsreformen bezeichnet werden.63
Der
Schwerpunkt dieser Reformen lag auf dem Lande. Dort wurde nach entsprechenden Tests ein System der
vertragsgebundenen Verantwortlichkeit in Verbindung mit dem Produktionsertrag auf der Basis der
Haushalte eingeführt, eine Art Pachtsystem also, bei dem die Überschüsse den Pächtern zugutekamen.
Mit den dadurch freigesetzten Aktivitäten der Bauern entwickelte sich die Landwirtschaft sehr schnell.“
Die zweite Phase der Wirtschaftsreformen in China dauerte dann von 1984 bis 1991.64
In dieser
Phase konzentrierten sich die Reformen vor allem auf die Städte. Schwerpunkt der Reform waren die
staatlichen Betriebe, es ging um die Trennung von Regierung und Betrieben. Der Staat blieb weiterhin
Eigentümer der Betriebe, wobei die wirtschaftslenkenden Funktionen der Regierung deutlich auf
allgemeine Führungsaufgaben beschränkt wurden. Die Produktion, die Wirtschaftsführung, die
Verteilung und der Absatz waren fortan Sache der Betriebe selbst und von diesen zu organisieren und zu
verantworten.
Die dritte und bis heute andauernde Phase der Wirtschaftsreform in China begann dann 1992. Diese
Etappe wird als Phase der Vertiefung der Reform des Wirtschaftssystems bezeichnet. Im Frühling 1992
hatte Deng Xiaoping, der als Chefarchitekt der Reform und Öffnung Chinas gilt, in Reden in Shenzhen
und in Shanghai erklärt, wenn die Reformen der Befreiung und Entwicklung der Produktivkräfte, der
62
http://german.china.org.cn/archive2006/txt/2002-11/06/content_2048349.htm
63
Ebd.
64
Ebd.
29
Stärkung des umfassenden Potentials Chinas und einem höheren Lebensstandard der Bevölkerung
dienten, dann müsse man alle nur denkbaren Maßnahmen wagemutig ausprobieren. Von diesen Reden
gingen starke Impulse für die Reform des Wirtschaftssystems aus.65
Auf dem 14. Parteitag der KP Chinas legte Generalsekretär Jiang Zemin in seinem Bericht eindeutig
dar, dass in China ein System der sozialistischen Marktwirtschaft aufgebaut werden müsse. Damit traten
Wirtschaft und Gesellschaft in China in eine neue Entwicklungsphase ein. Das umfassende Potential
Chinas verstärkt sich immer weiter, und ebenso stetig erhöht sich das Lebensniveau der Bevölkerung.
Inzwischen ist in China der grundsätzliche Rahmen einer sozialistischen Marktwirtschaft fest etabliert.
Mit einem Blick zurück auf den Prozess der Reform des Wirtschaftssystems in den letzten über 20
Jahren sagte der Experte des Büros des Staatsrates für Reform des Wirtschaftssystems, Hu Deqiao:„Die
Reform des Wirtschaftssystems förderte die Reform auf dem Lande. Die Chinesen konnten ausreichend
mit Kleidung und Nahrung versorgt werden. Warenproduktion und Zirkulation, Marktwirtschaft und
Wettbewerbsmechanismen haben die Wirtschaft in Stadt und Land angekurbelt. Die Regulierung und
Vervollkommnung der Eigentumsstruktur in der Wirtschaft sowie die Entwicklung der Betriebe und die
Reform der Betriebsführung wurden gefördert.66
Bei der Reform der Regierungsorgane wurden die Funktionen der Regierung in großen Maßen
verändert. Gleichzeitig wurde die Wirtschaft Chinas im Zuge der Reform und Öffnung enger mit der
internationalen Wirtschaft verbunden.“
Also heute zeigt China ein einzigartiges Beispiel für kombinierte und ungleichzeitige Entwicklung,
einzigartig in Zusammensetzung und Ausmaß. Die anfänglichen Reformen gestatteten die Herausbildung
von Kapital innerhalb der VR China, aber die strikte Regulierung durch die Partei stellte sicher, dass die
im Inneren entstehende Kapitalistenklasse gegängelt und überwacht wurde. 67
Gleichzeitig lieferte die
Etablierung der Küstenenklaven ein Reservoir billiger Arbeitskräfte zwecks Ausbeutung durch die
chinesische Exilbourgeoisie. Obwohl das diese sicher bereichert hat, blieb sie doch im Exil gespalten und
war abhängig von Peking und der Kommunistischen Partei für die Garantie der Bedingungen, unter denen
sie aufblühen konnte.
65
http://german.china.org.cn/archive2006/txt/2002-11/06/content_2048349.htm
66
Ebd.
67
Peter Main: Von Mao zum Markt. Wie die chinesische KP den Kapitalismus zurückholte. Revolutionärer Marxismus 39,
August 2008. In http://www.arbeitermacht.de/rm/rm39/maomarkt.htm
30
Die streng kontrollierte Restauration des Kapitalismus unterhöhlte die Planwirtschaft, erlaubte
jedoch nicht nur viele Aspekte staatlicher Wirtschaftsüberwachung, sondern auch der vom degenerierten
Arbeiterstaat ererbten politischen Struktur beizubehalten, v.a. die Partei und den Sicherheitsapparat.
Alle chinesischen Konzerne, die „nationale Spitzenreiter“ werden sollen wie Sinopec, Huawei,
Lenovo, Baoshan Stahl, Schanghai Auto und Nanking Auto verdanken ihre Größe und Kapitalquelle
ihren Wurzeln im Staatssektor und haben alle sehr enge Beziehungen zu Staat und Partei aufrechterhalten.
Nur Haier, das Haushaltsverbrauchsgüter herstellt, scheint als unabhängige Gesellschaft von seinen
Ursprüngen aus einer bankrotten Fabrik des kleinen und mittleren Stadt-Land-Sektors her aufgebaut
worden zu sein.68
Wegen der andauernden Parteidiktatur ist es besonders aus der Ferne unmöglich, das Ausmaß zu
kennen, in dem die verschiedenen Bestandteile einer neuen chinesischen Kapitalistenklasse, die
zweifellos „an sich“ existiert, zu einer Klasse zusammengeballt sind, die sich ihrer Interessen bewusst
und fähig ist, diese in einem politischen Programm zu formulieren, dass die Bedürfnisse dieser Klasse
„für sich“ formuliert.
In anderen Ländern, wo die „kombinierte und ungleichmäßige Entwicklung“ eine neue Bourgeoisie
gegen ein politisches Regime formierte, das sich z. B. auf eine Grundbesitzerklasse stützte, traf es im
Allgemeinen zu, dass die Klasse ungeachtet der Unterstützung bürgerlicher IdeologInnen für
demokratische Rechte oder sogar Revolution selbst so schwach war, dass sie generell vor einer offenen
Konfrontation mit dem ancien régime zurückschreckte. Mehr noch, in Anbetracht der Perspektive, dass
ihr eigener Besitz durch die Klassenkämpfe der Arbeiterschaft und Bauernarmut in Gefahr geriet, würde
sie sich bei Bedarf auf die Seite selbst des unterdrückerischsten Regimes schlagen.
Doch in China steht die Sache etwas anders. Alle Kapitalisten leiten einigen Nutzen aus der
diktatorischen Macht der Partei ab. Die Partei aber ist in letzter Instanz Agentur einer bürokratischen
Kaste, keine sozial verwurzelte Klasse. Schon nennen sich 20% der Parteimitglieder „Geschäftsleute“. Es
ist kein Geheimnis, dass auf jeder Ebene Parteifunktionäre und -vorstände sicher dafür sorgen, dass ihre
Söhne und Töchter in Führungspositionen der ehemaligen Staats-Unternehmen aufrücken, die nun darum
wetteifern, große Aktiengesellschaften zu werden.
68
Peter Main: Von Mao zum Markt. Wie die chinesische KP den Kapitalismus zurückholte. Revolutionärer Marxismus 39,
August 2008. In http://www.arbeitermacht.de/rm/rm39/maomarkt.htm
31
Wie wir aber gesehen haben, hat das Privatkapital in den letzten Jahren stark zugelegt. Man kann
erwarten, dass es in Gegensatz zur Dauerherrschaft einer Partei gerät, die systematisch Ressourcen für
ihre Kumpane und ausgesuchte Unternehmen abzweigt. Auf ähnliche Weise wird wohl das chinesische
Bürgertum in Hong Kong und auf Taiwan niemals die „Kommunistische Partei“ als die ihrige ansehen.
Die Bourgeoisie auf Taiwan verfügt über eine eigene Partei und Erfahrung in der Ausübung von
Staatsmacht. Schließlich hätten die imperialistischen Mächte jeden Grund, die Zerstörung potenzieller
KonkurrentInnen und das völlige Aufbrechen des chinesischen Marktes als Kreuzzug gegen
KommunistInnen und Diktatur aufzuführen. So können wir davon ausgehen, dass ernsthafte
gesellschaftliche Erschütterungen in China das Überleben der Partei in der gegenwärtigen Form bedrohen
und deshalb eine Grundfrage aufwerfen: Wer soll herrschen?69
Mit der Abkehr von den maoistischen Zielen der kommunistischen Planwirtschaft und der Autarkie,
erhielten die Provinzen Guangdong und Fujian wirtschaftliche Sonderrechte für marktwirtschaftliche
Reformexperimente und die außenwirtschaftliche Integration. Für die Durchführung dieses Experimentes,
„die chinesische Planwirtschaft rationalen Wirtschaftsabläufen anzupassen und den Kriterien
ökonomischer Effizienz zu unterwerfen“70
wurden in den genannten Provinzen Sonderwirtschaftzonen
gegründet, welche ausländisches Kapital in Form von Investitionen, Technologien und Wissen anziehen
sollten. Die Sonderwirtschaftszonen lassen sich so definieren:
das abgegrenzte Gebiet eines Staates, in dem günstigere wirtschaftliche Rahmenbedingungen gelten
als in den übrigen Teilen. Insbesondere werden Steuererleichterungen gewährt; ferner gelten liberalere
Einfuhrverfahren, großzügigere Devisenzuteilung, vereinfachte arbeitsrechtliche Vorschriften usw.
Sonderwirtschaftszonen stellen regelmäßig eine Diskriminierung der übrigen Landesteile dar. Sie
legitimieren sich durch ihre Vorbildfunktion insbesondere in technischer und organisatorischer Hinsicht.71
Die Sonderwirtschaftszonen nahmen und nehmen eine Schlüsselrolle in der Transformation und
Modernisierung des chinesischen Wirtschaftssystems ein und etablierten sich seit der Gründung als
wichtigstes Intermedium zwischen der chinesischen Wirtschaft und den Weltmärkten. Mit dieser neuen
Politik setzte Deng Xiaoping „seine Landsleute in eine Zeitmaschine, die alle Entwicklungen, die wir
oder auch der asiatische Nachbar Japan in 150 Jahren bewältigten, nun in 15 Jahren durchraste“72
. Und
bereits kurz nach der Gründung der Sonderwirtschaftszonen wies die chinesische Volkswirtschaft
69
Peter Main: Von Mao zum Markt. Wie die chinesische KP den Kapitalismus zurückholte. Revolutionärer Marxismus 39,
August 2008. In: http://www.arbeitermacht.de/rm/rm39/maomarkt.htm
70
Vetter, H.F.: Chinas neue Wirklichkeit: Gesellschaft, Politik und Wirtschaft nach Mao, Frankfurt am Main, 1983, S.57
71
http://www.wissen.de/lexikon/sonderwirtschaftszone?keyword=Sonderwirtschaftszone
72
Ederer, G.; Franzen, J. : Der Sieg des himmlischen Kapitalismus, Landsberg/Lech, 1996, S.260
32
wiederholt die weltweit höchsten Wachstumsraten auf. Während die USA, Japan und Europa mit
Marktsättigung und Rezession zu kämpfen haben, gilt China aus Sicht zahlreicher Ökonomen als Motor
der gesamten Weltwirtschaft.
Wirtschaftliche Sonderzonen haben ihren Ursprung im Jahre 1934. Zu diesem Zeitpunkt wurde in
den Vereinigten Staaten von Amerika ein Gesetz erlassen, welches die Umwandlung von 300 Städten in
Freihandelszonen erlaubte, in denen Importgüter von der Besteuerung freigestellt waren. Die Grundidee
von Freihandelszonen besteht darin, Regelungen und Begrenzungen aufzuheben, die Investitionen und
damit verbunden das Wirtschaftswachstum behindern.73
Sonderwirtschaftszonen fördern also den ausländischen Handel, erleichtern die Produktion von
Exportgütern, importieren zeitgleich moderne Technologie samt ausländischem Know-How und tragen zu
einem breiteren Angebot auf dem Binnenmarkt bei. Ausländische Investoren sollen so nach China
gelockt werden. Gleichzeitig wird allerdings auch dafür gesorgt, dass ausländische Firmen keine reinen
Tochterunternehmen in China gründen, sondern so genannte Joint-Ventures mit chinesischen Firmen, um
diese an den Gewinnen und am Know-How partizipieren zu lassen. 74
Das Konzept der Sonderwirtschaftszonen ist aufgegangen, denn die VR China hat seit ihrer
Gründung einen starken Wandel erlebt. Die ehemals kleinen Städte in der Küstenregion sind zu modernen
Millionenstädten geworden und die Wirtschaft ist stetig gewachsen. Auch durch den Erfolg der
Sonderwirtschaftszonen gilt China als eine der wichtigsten und exportstärksten Nationen der Welt, was
ohne finanzielle Investitionen von westlichen Unternehmen in dieser Form nicht möglich gewesen wäre.
Die Sonderwirtschaftszonen Chinas erwirtschafteten 1997 noch 20% des Bruttoinlandsprodukts, eine
Zahl, die momentan, aus Gründen die in nachfolgenden Kapiteln näher beleuchtet werden, eher
rückläufig ist.75
Zu den SWZ gehören z.B. solche Städte wie Shenzhen, Shantou, Zhuhai, Xiamen,
Shanghai und die ganze Insel Hainan.
Die Sonderwirtschaftszonen in China bieten verschiedene Vorteile gegenüber Städten und Regionen,
die diesen Status nicht haben. So dürfen ausländische Unternehmen, die in diese Zonen investieren ihre
erwirtschafteten Profite unbegrenzt in ihr Heimatland zurückführen. Importe können unbegrenzt
durchgeführt werden. Auf die Importe werden entweder sehr geringe oder gar keine Steuern und Zölle
erhoben (variiert zwischen den 5 Sonderwirtschaftszonen). Die unternehmerische Gewinnsteuer in diesen
Zonen wurde auf 15% gesenkt. Desweiteren wurde die Bürokratie abgebaut, der Kündigungsschutz
73
Andreas Tank: Sonderwirtschaftszonen in China, Universität Kassel, Kassel 2002, S.11
74
http://www.munich-business-school.de/intercultural/index.php/China_-_Sonderwirtschaftszonen
75
Ebd.
33
erheblich gelockert, sowie hervorragende infrastrukturelle Voraussetzungen geschaffen. Vom
Mutterkonzern eingesetzte Arbeiter sind weiterhin von der chinesischen Einkommensteuer befreit.
Außerdem können Produktionsmaterialien unbegrenzt genutzt werden (was in einer Planwirtschaft nicht
selbstverständlich ist) und sehr hohe Abschreibungen vorgenommen werden, was den zu versteuernden
Gewinn erheblich schmälert. Die Küstennähe war ebenfalls ein Anreiz für internationale Unternehmen,
da diese optimal für den Export ist. Ein weiterer wichtiger Aspekt sind die günstigen Arbeitskräfte in
China. Chinesische Arbeiter stehen in großer Zahl zur Verfügung womit gewährleistet wird, dass man
genug produzieren kann und keine Engpässe entstehen. Unternehmen können daher auf
Marktschwankungen flexibler reagieren. Internationale Unternehmen sehen außerdem die Chance sich
durch ein Joint Venture mit einem chinesischen Partner den chinesischen Markt einfacher erschließen zu
können. Eine Ansiedlung in einer der Sonderwirtschaftszonen ist der ideale Ausgangspunkt dazu. In
China sind Beziehungen enorm wichtig für den wirtschaftlichen Erfolg. Durch die Partnerschaft mit
einem chinesischen Partner kann man auch dessen Guanxi nutzen. Die Sonderwirtschaftszonen sind stark
exportorientiert. Aus den Küstengebieten Chinas werden Produkte in die ganze Welt verschifft. Der
Kontakt zu ausländischen Handels- und Geschäftspartnern ist sehr eng. Allerdings ist es für ausländische
Unternehmen seit einigen Jahren nicht mehr erforderlich in die Sonderwirtschaftszonen zu investieren,
um den chinesischen Markt zu erschließen. Ein Grund hierfür ist, dass die chinesische Regierung in den
letzten Jahren auch in anderen Regionen starke Investitionsreize geschaffen hat. Für viele Unternehmen
sind die Ballungsräume von Peking und Shanghai viel interessanter, da sie einen deutlich größeren
Absatzmarkt bieten. Sehnert stellt hierzu fest: „Die Finanzkraft transnationaler Unternehmen unserer Zeit
macht … einen Standort innerhalb einer chinesischen Sonderwirtschaftszone unnötig, da sie auf die
finanziellen Vorteile keine Rücksicht nehmen müssen.“ In der Realität zeigt sich heute, dass
Unternehmen aus den international bedeutendsten Exportnationen, wie bspw. die Bundesrepublik
Deutschland, fast nicht mehr in die Sonderwirtschaftszonen investieren.76
Die Sonderwirtschaftszonen
spielten bei der rasanten Entwicklung Chinas eine wichtige Rolle als Katalysator des Wachstums. Ohne
die Einrichtung solcher Zonen hätte die schrittweise Öffnung in Richtung kapitalistischer Märkte nicht in
einem so knappen Zeitraum bewerkstelligt werden können. Die Sonderwirtschaftszonen waren der Kern
der Wachstumspolpolitik und verhalfen der Küstenregion, vor allem in den 80er Jahren, zu einem starken
Wachstum.77
76
http://www.munich-business-school.de/intercultural/index.php/China_-_Sonderwirtschaftszonen
77
Ebd.
34
3.2.Natürliche Voraussetzungen für wirtschaftlichen Erfolg
Als Grundlage für die Entwicklung des Drachen-Staates sind die natürlichen Bedingungen und
geographische Lage. In erster Linie soll man sagen, dass VR China nach Russland, Kanada und USA das
viertgrößte Land der Welt ist. Die Fläche beträgt 9 572 900 km². 78
Diese riesigen Territorien werden auf
sieben Großlandschaften (von den höchsten Gebirgssystemen der Welt zu den Tiefebenen) geteilt und
liegen in zahlreichen Klimazonen (von heißer tropischer im Süden bis zur mäßigen im Nord-Westen mit
extrem kalten Wintern.79
China ist das Seeland, es hat Zugang zum Gelben und Ostchinesischen Meer,
und im Südosten zum Südchinesischen Meer. Landesgrenzen hat China mit Russland und der Mongolei
im Norden, im Osten mit der Volksrepublik Korea, im Süden mit Vietnam, Laos, Myanmar (früher
Birma), Bhutan, Nepal und Indien und im Westen mit Pakistan, Afghanistan, Tadschikistan, Kirgisistan
und Kasachstan.
Eine Vielzahl von Flüssen durchzieht China, der längste ist der Yangtsekiang mit einer Länge von
etwa 6 300 km, der zweitlängste der Huang He (Gelber Fluss) mit 5 464 km. Diese Flüsse entlang
bildeten sich die frühen uralten Zivilisationen auf dem Territorium von der heutigen VR China. Die
fruchtbaren Küstenebenen und die Flusstäler geben sicher die besten Voraussetzungen zum günstigen
Ackerbau. China hat zur Zeit etwa 130 Mio. ha Ackerland, das sich hauptsächlich in der nordost- und der
nordchinesischen Ebene, am Mittel- und Unterlauf des Jangtse, im Perlfluss-Delta und im Sichuan-
Becken verteilt. Der größte Teil der nordostchinesischen Ebene ist fruchtbarer schwarzer Boden, auf dem
Weizen, Mais, Sorghum, Sojabohnen, Flachs und Zuckerrüben angebaut werden. Der Hauptteil der
nordchinesischen Ebene ist brauner Boden, der für den Anbau von Weizen, Mais, Hirse, Sorghum,
Baumwolle und Erdnüssen geeignet ist. Am Mittel- und Unterlauf des Jangtse werden Wasserreis,
Orangen und Raps angebaut. Im Sichuan-Becken ist meistens rotbrauner Boden vertreten, dessen
Anbaukultur von Wasserreis, Raps, Zuckerrohr, Tee und Orangen geprägt ist.80
China ist reich an Bodenschätzen. Bis heute sind mehr als 160 Arten von Bodenschätzen im Land
gefunden worden. Mit seinen Gesamtvorräten steht China an der dritten Stelle in der Welt.81
Darunter
betragen die ermittelten Kohlenvorräte, die sich hauptsächlich in Nord- und Nordwestchina, insbesondere
in Shanxi, Shaanxi und dem Autonomen Gebiet der Inneren Mongolei verteilen, 1006,3 Mrd. t. Die
78
http://www.laender-lexikon.de/China_(Geografie)
79
http://www.laender-lexikon.de/China_(Klima)
80
http://german.china.org.cn/german/shuzi-ger/gq/htm/zrzy11.htm
81
http://german.china.org.cn/german/shuzi-ger/gq/htm/zrzy3.htm
35
Erdölressourcen lagern vorwiegend in Nordwestchina, aber auch in Nordostchina, Nordchina und im
küstennahen Festlandsockel in Südostchina. Zu den ermittelten Vorkommen an Energieressourcen
gehören u. a. Erdgas, Ölschiefer, Uran und Thorium, zu den Schwarzmetallen Eisen, Mangan, Vanadin
und Titan. Die identifizierten Reserven an Eisenerz, die hauptsächlich in den Provinzen Liaoning, Hebei,
Shanxi und Sichuan lagern, betragen nahezu 50 Mrd. t.82
Alle bisher auf der Welt entdeckten
Bodenschätze sind in China zu finden. Mit seinen Vorräten an Buntmetallen wie Wolfram, Zinn,
Antimon, Zink, Molybdän, Blei und Quecksilber steht China weltweit an vorderster Stelle. Die Reserven
an Seltenerdmetallen machen beispielsweise etwa 80% der gesamten der Welt aus, die Reserven an
Antimon 40% der gesamten der Welt; die Reserven an Titan entsprechen den gesamten aller anderen
Länder in der Welt und die an Wolfram dem Vierfachen der gesamten aller anderen Länder.
Aus der oben genannten lässt sich schlussfolgern, dass die geographische Lage als Basis für
wirtschaftliche Erfolge sein kann. Die für die Europäer unglaublichen Weiten lagern alle für den
Fortschritt nützlichen Bodenschätze. Aus der chinesischen Bezeichnung Chung-kuo (Reich der Mitte)
entwickelte sich der im Westen seit dem späten Mittelalter gebräuchliche Namen China.83
Kein Wunder,
dass noch die Chinesen der frühen Dynastien ihr Land für die Mitte der Welt hielten. Diese Position auf
der Weltkarte vermittelt die Kontakte zu allen Ländern anzuknüpfen und als Schlüsselhandelspartner auf
der Weltwirtschaftsbühne aufzutreten.
3.3.Personalpolitik
Die mannigfaltige und kontroverse Natur hat gewissermaßen auch dem entsprechenden Charakter des
Staates und überhaupt der Lebensordnung der Chinesen zugeschrieben. Weiterhin muss man hinzufügen,
dass VR China der bevölkerungsreichste Staat ist. Mit dem Stand 2011 zählt man die Bevölkerung der
Volksrepublik mit 1.344.130.000 Menschen.84
Die Möglichkeiten der Ausnutzung des größten
Menschenpotenzials lassen sich nicht nur durch die Ankurbelung des Binnenmarktes äußern85
, und nicht
nur durch einfache Schwarzarbeiterarmeen, sondern durch die Auswahl der klügsten und der begabtesten
Manager und Technologen. Um den letzten Faktor der erfolgreichen Entwicklung zu realisieren, braucht
man effizientes Bildungssystem.
82
http://german.china.org.cn/german/shuzi-ger/gq/htm/zrzy3.htm
83
http://www.laender-lexikon.de/China_(Geografie)
84
http://www.worldbank.org/en/country/china
85
http://www.handelsblatt.com/meinung/kolumnen/kurz-und-schmerzhaft/zschaber-zuendelt-china-anleger-jammern-auf-
hohem-niveau/7106620.html
36
Wichtigste Aufgabe der chinesischen Bildungspolitik bleibt der Ausbau des Schul- und
Hochschulwesens mit dem Ziel der nachhaltigen Verbesserung der Bildung in Breite und Spitze. Ein
Problem ist das Bildungsgefälle zwischen Stadt und Land sowie zwischen einkommensstarken und -
schwachen Familien. Minderheiten, wie Tibeter und Uiguren, haben schlechtere Bildungschancen.86
Der Ende Juli 2010 verabschiedete „Nationale Bildungsplan 2010-20“ bildet die Grundlage für die
gegenwärtigen Reformbestrebungen in den Bereichen der Mittelschul-, Berufsschul- und
Hochschulausbildung verbunden mit dem Ziel, eine „lernende Gesellschaft“ aufzubauen, d.h. Bildung für
alle anzubieten. 87
Die Bildung ist für die Chinese zur sicheren Gewährleistung des sozialen Aufstiegs geworden. 88
Die Forschung und Entwicklung auf Weltniveau sollen Chinas Modernisierung voran bringen. Seit es
1986 erstmals aufgelegt wurde, wird das staatliche "863" oder "Fackel"-Programm immer weiter
ausgebaut und ergänzt. Es fördert besonders die Grundlagenforschung zu Schlüsseltechnologien, die zur
Verbesserung der Lebensqualität oder zur Innovation beitragen sollen. An diesem Programm haben bis
2001 mehr als 3000 Institute mit 20 000 Forschern teilgenommen.89
Die Kommunistische Partei muntert
auf, die Probleme der Gesellschaft wie Bevölkerungskontrolle, Ernährung, Gesundheit und Umweltschutz
"wissenschaftlich" zu lösen. Dafür stellte sie 1995 die Weichen für eine Strukturreform von Wissenschaft
und Technik nach Maßgabe der "sozialistischen Marktwirtschaft".
China wirbt mit besonderen Standortfaktoren um internationale Zusammenarbeit. Es bietet
großzügige Rahmenbedingungen auch für international umstrittene Forschung, etwa in den
Lebenswissenschaften, Humangenetik und Stammzellforschung. So ist die verbrauchende Erforschung
menschlicher Embryonen bis zum 14. Lebenstag erlaubt.90
Niedrige Personalkosten für gut qualifizierte,
hoch motivierte Arbeitskräfte bilden zusammen mit einigen Forschungsinstituten von Weltrang ein
starkes Potenzial für die künftige Entwicklung. Weltberühmt ist beispielsweise das Huada-
Genomforschungs-Zentrum in Beijing, dem die Entschlüsselung des Reisgenoms gelang.
86
http://www.auswaertiges-
amt.de/sid_01AC3614A6FEB4547A7E31EDBB7B2CA8/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/China/Kultur-
UndBildungspolitik_node.html
87
Ebd.
88
http://www.bpb.de/izpb/8886/bildung-und-forschung?p=0
89
Ebd.
90
Ebd.
37
Die chinesische Regierung ermutigt private Kapitalgeber zur Forschungsfinanzierung und fördert
unternehmerische Strukturen von Forschungsinstituten.91
Die Volksrepublik China den Anteil der
Ausgaben für Forschung und Entwicklung von 0,90 Prozent (2000) auf 1,54 Prozent (2008) und zuletzt
rund 1,75 Prozent (2010) des Bruttoinlandsprodukts erhöht. Davon sind etwa ein Drittel öffentliche FuE-
Ausgaben, zwei Drittel stammen aus der Wirtschaft.92
Als Schwächen des chinesischen Forschungssystems gelten unterentwickelte Kontroll- und
Überwachungsmechanismen bei der Umsetzung von Gesetzen und Richtlinien und eine bislang
unzureichende Verankerung in der Gesellschaft. Den wissenschaftlichen Eliten wird in China große
gesellschaftliche Verantwortung zugewiesen. Wichtige flankierende bildungspolitische Maßnahmen
bleiben jedoch aus. Besonders fehlt es an einer Förderung potenziell kritischer Bildungsformen. Die
Sozial- und Geisteswissenschaften werden von der Modernisierung der Natur- und
Ingenieurswissenschaften abgekoppelt. In der einseitigen Ausrichtung auf Technologie und Eliten, ohne
entsprechende intellektuelle Wurzeln und Vermittlungsmechanismen in der Gesellschaft, liegen
mittelfristige Konfliktpotenziale. Aber zur Zeit wirkt die große Zahl der Ingenieure auf die immer
steigende Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt aus, also es werden die besten ausgewählt. Das hat auch die
Arbeitslosigkeit der Akademiker zur Folge, sowie auch die Tatsache, dass viele im Ausland studierenden
Chinesen nicht zurückkehren. Doch die riesige Zahl der Studenten bzw. Menschenressourcen (nur 2011
gab es 6 Mio. Absolventen)93
nivellieren diese Verluste. Darüber hinaus, beherrschen die Studenten im
Ausland die fremden Technologien und bringen die wertvolle Erfahrung und Information zugunsten der
Heimat. Hier muss man unbedingt erwähnen, dass alle Chinesen in der Welt als angeborene
Industrieschnüffler gelten. Die Gestalt eines auf einer Serviette eine Zeichnung einer Maschine geheim
schreibenden chinesischen Geschäftspartners ist typisch geworden. China genießt den Ruf als
Abkupferer.94
Man lernt kopieren und dann daheim billig produzieren. Trotzdem könnte ein China-
Anhänger so diesen Sachverhalt rechtfertigen: die Chinesen sind eine sehr listige Nation, und bevor die
Welt zu erobern, möchten sie diese Welt aus dem Inneren erforschen und dann die eigene einzigartige
Konzepte in die Praxis umsetzen.
91
http://www.bpb.de/izpb/8886/bildung-und-forschung?p=1
92
http://www.bmbf.de/de/818.php
93
http://www.auswaertiges-
amt.de/sid_01AC3614A6FEB4547A7E31EDBB7B2CA8/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/China/Kultur-
UndBildungspolitik_node.html
94
http://www.wiwo.de/unternehmen/industrie/industriespionage-know-how-klau-china-legt-den-schalter-
um/7051400.html
38
Die zunehmende Integration Chinas in die internationale Gemeinschaft spiegelt sich auch in der
internationalen Kooperation und Einbindung chinesischer Wissenschaftler, der zunehmenden
Durchsetzung westlicher Qualitätskonzepte in Forschung und Lehre und der zunehmenden
Sensibilisierung auf chinesischer Seite für die Bedeutung des Schutzes von geistigem Eigentum wider.
Die Autonomie der chinesischen Akteure hat sich stark erweitert. Vor allem Hochschulen und
Forschungsinstitute sowie Wirtschaftsunternehmen haben im Laufe der letzten Jahre erhebliche
Freiheiten, verbunden mit Eigenverantwortung, hinsichtlich des Managements, der Verwaltung und der
Projektdurchführung erhalten. Chinesische Forscher sind aufgefordert, sich um die Umsetzung und
praktische Anwendung ihrer Ergebnisse zu bemühen, um einen Beitrag zur Lösung ökonomischer,
sozialer und ökologischer Probleme zu leisten. Diverse, vor allem ökonomische Leistungsanreize für
Institute und Wissenschaftler unterstützen diese Politik.95
Es lohnt sich unbedingt erwähnen, dass unter solchen Umständen der Wert jedes einzelnen
Spezialisten in China sinkt. Aber die Tendenzen ändern sich. So die meisten der Unternehmen beklagen
sich die stark gestiegenen Lohnkosten. Besonders in den Küstenstädten des Ostens wird es immer
schwieriger, qualifiziertes Personal zu finden. Und wenn das einmal geglückt ist, verlassen viele der
Mitarbeiter das Unternehmen schon wieder nach kurzer Zeit. Die Fluktuation in manchen Branchen liegt
bei 20 Prozent. Manche Unternehmen berichten von Mitarbeitern, die nach einem Jahr im Betrieb eine
Gehaltserhöhung von 50 Prozent fordern.96
Und was die nichtqualifizierten Arbeitskräfte angeht, muss man hinzufügen, dass sie bereit sind für
ein paar Groschen zu arbeiten. Es betrifft besonders die armen Chinesen, die aus den Zentralgebieten
nach Osten ziehen. Diese Politik der billigen Arbeitskräfte nennt man eine der wichtigsten Ursachen des
raschen Wirtschaftsbooms in China.
3.4. Export- und Währungspolitik
Im Dezember 2001 ist China das Mitglied der WTO geworden.97
Die Bedeutung von Chinas Beitritt
zur WTO und sein Zeitpunkt sind kaum zu überschätzen. Bis dahin hatte Peking die kontrollierte
Restauration des Kapitalismus hinter den schützenden Schranken von Einfuhrregelungen,
eingeschränkten Handelsrechten und Zöllen vollzogen. Hier nutzte die Führung die Verfügung über das
Staatseigentum an Industrie und Banken, um ihren politischen Prioritäten nachzugehen. Das Was, Wo
95
http://www.bmbf.de/de/818.php
96
http://www.wiwo.de/politik/ausland/benachteiligungen-china-lockt-und-schockt-zugleich-seite-all/6685710-all.html
97
Peter Main: Von Mao zum Markt. Wie die chinesische KP den Kapitalismus zurückholte. Revolutionärer Marxismus 39,
August 2008. In http://www.arbeitermacht.de/rm/rm39/maomarkt.htm
Der wirtschaftliche entwicklungsweg der volksrepublik china seit 1980
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Der wirtschaftliche entwicklungsweg der volksrepublik china seit 1980

  • 1. Deckblatt Diplomarbeit Der wirtschaftliche Entwicklungsweg der Volksrepublik China seit 1980 von
  • 2. 2 Gliederung Einleitung 1. Die Theoretischen Ansätze 6 1.1. Die Entwicklung Chinas aus der Sicht der Modernisierungstheorie 6 1.2. Der Fortschritt des Reiches der Mitte in Anbetracht der Dependenztheorie 10 1.3. Politisches System Chinas 13 2. Post-Mao-Periode 17 2.1. Die Rolle von Mao Zedong in der modernen Geschichte Chinas 17 2.2. Die Reformierung des Systems unter Deng Xiaoping 19 2.3. Jiang Zemin-Ära 21 2.4. Hu Jintao an der Machtspitze 23 2.5. Heutige Situation 25 3. Der wirtschaftliche Werdegang von VR China seit 1980 26 3.1. Sozialismus mit chinesischer Prägung 27 3.2. Natürliche Voraussetzungen für wirtschaftlichen Erfolg 34 3.3. Personalpolitik 35 3.4. Export- und Währungspolitik 38 3.5. Investitionen im Ausland 44 4. Probleme und Herausforderungen auf dem Weg zur Weltherrschaft 45 5. Die Prognosen für die Zukunft 50 Schluß 55 Literatur- und Quellenverzeichnis 63
  • 3. 3 Einleitung Nach der Wende 1989-90 und dem Zerfall der Sowjetischen Union, schien unsere Welt einpolig zu werden. Die Tatsache zeugte davon: nur ein Staat übte wirklich globalen Einfluss auf die vorgehenden Prozesse aus. Die USA haben die führende Position in der globalen Politik/Wirtschaft eingenommen. Sie betrachten alle Regionen der Welt als Sphäre ihrer Interessen und mischen sich in fast alle Konflikte auf dem Planeten ein. Ihre Dominanz im militärischen, wirtschaftlichen Bereich ist nicht zu bestreiten. Außerdem zwingen die Vereinigten Staaten auch ihre Lebensweise den meisten Ländern auf. Also könnte man sagen, dass wir den einzigen Hegemon haben, der die Globalisierung antreibt und alle nationalkulturelle Grenze löscht. Nur mit einem Zweck – die bedingungslose Herrschaft. Doch wenn man näher die Situation analysiert, und die regionalen geopolitischen Aspekte berücksichtigt, wird es klar, dass in Wirklichkeit die Welt multipolar ist. Zu dieser Zeit ist die Gesamtbevölkerung auf dem Planeten über 7 Milliarden gestiegen. Die Ressourcen werden immer knapper. Unter solchen Umständen gewinnen die regionalen Schwergewichtler langsam aber unabwendbar an Bedeutung. Japan bleibt einer der wichtigsten Spieler auf der wirtschaftlichen Bühne. Russland verfügt über den größten Territorium, riesigen Bodenschätzen und den größten Atomwaffenarsenal. Die EU trotz der bestehenden Probleme, vereinigt sich immer enger und wird öfters schon als eine komplexe Struktur – Konföderation betrachtet. Die EU gilt als die Vereinigung der Länder mit den höchsten Lebensstandarden. Das Wort von Frankreich, Großbritannien und Deutschland bleibt immer noch wichtig für die Weltgemeinschaft. Einzeln muss man solche bevölkerungsreiche und wirtschaftlich wichtige Staaten zu nennen wie Brasilien, Indien, Indonesien, Malaysia, Mexiko, Nigeria, Südafrikanische Republik, die ostasiatischen Tigerstaaten (Südkorea, Republik China (Taiwan), Singapur). Die Liste könnte man fortsetzen, da die USA nicht überall ihre totale Überlegenheit einsetzen oder in der Zukunft verlieren können. Wir können sicher über die multipolare Welt sprechen, wenn wir noch einen mächtigen geopolitischen Akteur erwähnen – China oder richtig - Volksrepublik China. Jeder von uns, wenn er über die heutige Situation den Enkeln erzählen würde, würde unbedingt mitteilen, dass China unser Leben Anfang des 21. Jahrhunderts, ohne Übertreibung gesagt, bestimmt hat. „Herr Gott hat diese Welt geschaffen, alles andere wurde in China hergestellt“ sagt man im Volk. Der bevölkerungsreichste, territorial viertgrößte Staat, Exporteur und Hersteller Nr1., der Staat, der die Atomwaffen auf Lager hat, über die größte Armee (2,5 Mio.) verfügt, unabhängig sein Weltraumprogramm erfolgreich entwickelt, und das wichtigste – schon mehr als 30 Jahren bisher noch nicht gesehenes Wirtschaftswachstum zeigt. Diese kurz erwähnten Tatsachen sind schon verblüffend. China ist nicht nur eine der wichtigsten
  • 4. 4 geopolitischen Kräfte der Welt, es ist auch eine der ältesten Nationen der menschlichen Geschichte, die zirka 5000 Jahre zählt. Die Volksrepublik China ist die Weltwirtschaft Nummer 2 nach USA und setzt seinen überraschenden Spurt fort. Die VR China ist das ständige Mitglied im UN-Sicherheitsrat und stellt damit eine wesentliche Opposition den Vereinten Staaten dar. Wir sehen, dass viele wichtige Entscheidungen, die von USA genehmigt werden, auf das Veto von China stoßen. Also die Rolle von China ist auch global und betrifft schon fast jede Region der Welt. Außerdem erwartet man sogar, dass China in der absehbaren Zukunft in 20-30 Jahren die führende Position in allen Bereichen übernimmt, die USA überholt und zum einzigen Herrscher wird. Man sagt voraus, dass der US Dollar durch RMB (Yuan) als Weltwährung ersetzt wird, und immer mehr Eltern denken schon darüber nach, um den Kindern die chinesische Sprache beizubringen. Haben diese Erwartungen den standhaften Boden? Wie realistisch sind die Prognosen der „Experten“ dass wir alle in 50 Jahren in den chinesischen Provinzen leben werden? Sehr aufregende und fast fantastische Frage. Aber unsere Welt ist so dynamisch, dass wir alles erwarten können. In der vorliegenden Diplomarbeit geht es um die Entwicklung von China nach Mao-Zeiten bis heute. Das präzisere Thema berührt die phänomenale Erscheinung – den wirtschaftlichen Sprung dieser Republik nach 1980. Es ist sehr weit und komplex. Die Hauptaufgabe der Arbeit ist die Ursachen, die Hintergründe und Voraussetzungen des solchen enormen und mächtigen Aufschwungs des Drachen- Staates zu erforschen. Der erste Bestandteil der Arbeit ist mehr theoretisch. Man versucht die wichtigsten sozial-politischen und wirtschaftlichen Entwicklungsfaktoren unter dem Gesichtswinkel der antagonistischen Entwicklungstheorien – Modernisierungs- und Dependenztheorien zu betrachten. Im ersten Teil werden die Hitergründe der Forschung gezeigt. Besondere Wichtigkeit widmen wir der Religionsüberzeugungen der Chinesen, ihrer Weltanschauung und Mentalität. Z.B. die Lehre von Konfuzius. Diese Hintergründe bilden die Basis für das in dieser Diplomarbeit betrachteten Phänomen der raschen wirtschaftlichen Entwicklung. Wir versuchen festzustellen, inwiefern China in der Praxis mit diesen theoretischen Grundlagen zusammenpasst. Wir betrachten die Besonderheiten der Modernisierung von China und klären, ob die Richtigkeit der Dependenztheorie auf Chinas Beispiel bestätigt wird. Im demselben Kapitel berichten wir auch über das Gerippe des heutigen Staates von China – das politische System, das die Existenz dieses komplizierten und ungleichartigen Staates ermöglicht. Es wird
  • 5. 5 das interessanten politische Schema dargestellt. Das ist die Basis zum Verständnis der nachfolgenden Schilderungen, Beschreibungen und Analysen. Das politische System zeigt auch die innere Philosophie des Volkes in bestimmter Epoche. Im zweiten Teil ist die Rede von der Rolle von Mao Zedong – dem bekanntesten Führer des chinesischen Volkes aller Zeiten. Zuerst werden die Jahren der kommunistischen Erscheinungen wie Großer Sprung und Kulturrevolution beschrieben, in dem werden auch den praktischen Einsatz der maoistischen Ideen und die Lage der Nation in jener Zeit analysiert. Die Bedeutung von Mao, dem Gründer des modernen vereinigten chinesischen Staates, ist nicht eindeutig, aber schon sehr wichtig für weitere Seiten der Geschichte des größten Volkes der Welt. Dabei werden einige nützliche Gedanken und Meinungen geäußert. Darüber reden wir auch in diesem Teil. Dann schildern wir die Nachfolger von Mao in Form der kurzen Beschreibungen, die diese Zeiten und Jahrzehnten bis heute charakterisieren. Unter Anderem erwähnt man auch die Rolle solcher Staatsmänner wie Deng Xiaopin, Jiang Zemin, Hu Jintao und kommen bis den neugewählten Machthaber. So wird die Geschichte Chinas kurz seit Mao-Zeiten bis heute geschildert. Weiterhin zerlegen wir genauer den Entwicklungsweg von VR China seit 1980. Erstens werden die Änderungen und Neueinführungen von Deng Xiaopin angegeben. Eigentlich er war der Antreiber des rasanten Wachstums Chinas, denn Deng hat die präzedenzlosen Kurs des Staates angesetzt und den Aufbau des Sozialismus mit chinesischer Prägung begonnen. Dann analysieren wir die Voraussetzungen des erfolgreichen wirtschaftlichen Wachstums. Wir schenken besonders die Aufmerksamkeit der Personalpolitik, Investitions-, Export- und Währungspolitik, sowie folgende Aspekte wie geographische Lage, Umweltschutz und Menschenrechte. Danach lohnt es sich über die Probleme zu sprechen, die heute China herausfordern. Die Lösung dieser Probleme spielt die bestimmende Rolle für die Bewahrung der Tempi der wirtschaftlichen Überholjagd und für die geopolitischen Positionen von China in der Zukunft. So kommen wir zu der Endphase unserer Arbeit – die Prognosen für die Zukunft. Dieser Teil ist sehr heikel, aber gleichzeitig unentbehrlich für das vollständige Umschau des Themas. Die höchste Aktualität des Themas ist nicht zu bestreiten. Jeder, der sogar kein Ökonom oder kein Student oder Wissenschaftler ist, wird sich für diesen Wirtschaftsriesen, der unser Leben wesentlich beeinflusst, interessieren. Die Ursache ist einfach: die Rolle Chinas ist so allseitig und massiv, dass es schon jeden betrifft. Die Zusammenarbeit Deutschlands mit China ist strategisch wichtig. Die Folgen des weiteren Wirtschaftswachstums (beides, wird es positiv verlaufen oder versagt) lassen von sich unbedingt weltweit wissen und spüren.
  • 6. 6 Diese Forschung kann auch als eine Zusammenfassung der echten präzedenzlosen Erscheinung in der Geschichte der Menschheit. Bisher noch keine Nation/Staat/Reich/Volk hat so schnell und mächtig sich weltweit durchgesetzt und das System verändert. Es gab die wirtschaftlichen Wunder von Deutschland, Korea, Japan, asiatischer Tigern, einen erfolgreichen und dramatischen Weg haben die USA geschafft, aber in historischer Hinsicht, wenn wir über wirklich globale Rolle sprechen, hat noch kein Staat oder Bund solchen spannenden Boom gezeigt. In unserer Zeit der Globalisierung, wenn alles jeden mittelbar oder unmittelbar betrifft, ist es sogar nützlich die Eckdaten und Haupttendenzen über Chinas Wirtschaftsweg zu erfahren. 1. Die Theoretischen Ansätze 1.1. Die Entwicklung Chinas aus der Sicht der Modernisierungstheorie Die Modernisierungstheorien waren in den 1950er und 1960er Jahren das vorherrschende entwicklungstheoretische Paradigma. Die führenden Vertreter waren u.a. Walt W. Rostow, Samuel P. Huntington und David McCleland. Nachdem diese Theorien in den 1970er Jahren durch die Dependenztheorien vorübergehend in die Defensive gedrängt wurden, befinden sie sich seit den 1980er Jahren – begünstigt durch den Siegeszug neoliberaler Wirtschaftstheorien – wieder im Aufschwung.1 Die klassische Modernisierungstheorie wurde in den 1950er und 1960er Jahren in Abgrenzung zum Sowjet-Marxismus entwickelt.2 Dem sowjet-marxistischen teleologischen Stufenmodell, wonach sich eine Gesellschaft vom Feudalismus über den Kapitalismus zum Sozialismus entwickelte, wurde ein eigenes teleologisches Stufenmodell entgegengestellt, wonach sich Gesellschaften von „traditionellen“ zu „modernen Gesellschaften“ entwickeln. Die Dichotomie zwischen „traditionell“ und „modern“ findet sich in allen Modernisierungstheorien. –„Traditionelle Gesellschaften“ zeichnen sich in den meisten Modernisierungstheorien durch einen geringen Urbanisierungs- und Industrialisierungsgrad, geringe Produktivität, Irrationalität, Analphabetismus, eine starre gesellschaftliche Struktur, geringe Dynamik und soziale Mobilität, sowie einen geringen Individualisierungs-, Domestizierungs- und Differenzierungsgrad aus. –„Moderne Gesellschaften“ zeichnen sich der Theorie zufolge durch einen hohen Urbanisierungs- ,Industrialisierungs-, Individualisierungs- und Differenzierungs-, und Bildungsgrad, hohe Produktivität, Massenkonsum, Rationalität, Demokratie, soziale Mobilität und Unternehmertum aus. Auch die 1 Rüland, Jürgen: Wirtschaftswachstum und Demokratisierung in Asien: Haben die Modernisierungstheorien doch recht? In: Schulz, Manfred (Hrsg.): Entwicklung – Perspektiven der Entwicklungssoziologie, Westdeutscher Verlag, Göttingen 1997. S.83-83 2 Hadi, Resasade: Zur Kritik der Modernisierungstheorien – Ein Versuch zur Beleuchtung eines methodologischen Basissyndroms, Leske Verlag und Budrich, Leverkusen 1984, S.13
  • 7. 7 Domestizierung der Natur ist weit fortgeschritten. Das wirtschaftliche Wachstum und die Entstehung einer breiten Mittelschicht fördern die Demokratisierung der politischen Institutionen.3 Hinzu kommt, dass die Mitglieder sich modernisierender Gesellschaften „in ihren Rollen als Erwerbstätige und Wähler gut ausgebildete, mobile, flexible, leistungsbewusste Persönlichkeiten4 werden müssen. Im großen Ganzen wenn von Modernisierungstheorie gesprochen wird, so ist vorauszuschicken, dass es sich dabei nicht um ein konsistentes, geschlossenes Theoriegebäude, sondern um ein »Agglomerat von ähnlichen Vorannahmen, Methoden und Argumentationslinien«5 handelt. Zur Darstellung des Modernisierungsprozesses wird das Stadienmodell von Rostow verwendet. Es zeigt wie die „klassischen“ Modernisierungstheoretiker gesellschaftliche Entwicklung vorstellen. Das Modell umfasst fünf Stadien:6 –Das erste Stadium ist die traditionelle Agrargesellschaft, in der es zwar „Krisen und Prosperitätsphasen, aber kein Wachstum“ gibt. –Das zweite Stadium ist das Vorbereitungsstadium, in dem sowohl die ökonomischen Ersparnisse als auch die Investitionsquote langsam steigen und „technische Erfindungen und unternehmerische Talente“ sich sammeln. –Das dritte Stadium ist die Durchbruchphase („Take-off“), in der die Investitionsquote und die Wachstumsraten so stark ansteigen wie – bildlich gesprochen – ein Flugzeug kurz nach dem Start. In dieser Phase entstehen „die großen Industrien, die Großstädte [und] die Verkehrssysteme“ –Das vierte Stadium ist das Stadium des Massenkonsums, in dem nach einer langen Zeit der Entbehrungen große Teile der Bevölkerung am gesellschaftlichen Reichtum teilhaben können. Hier wird bereits die Annahme der Modernisierungstheorie deutlich, dass Wirtschaftswachstum und Massenkonsum (= Reduzierung der Armut) nicht gleichzeitig stattfinden können, sondern dass Massenkonsum erst „mit erheblicher Verzögerung [und] nach den Entbehrungen der Gründerzeit“ realisierbar ist. Wirtschaftswachstum ohne Teilhabe der breiten Bevölkerung sei eine notwendige Voraussetzung für späteren Massenkonsum. Diese Annahme hat erhebliche Auswirkungen auf die von der Modernisierungstheorie beeinflusste Entwicklungspolitik („trickledown Effekt“: Erst muss Reichtum geschaffen werden, bevor er breit verteilt werden kann.) 3 Rüland, Jürgen: Wirtschaftswachstum und Demokratisierung in Asien: Haben die Modernisierungstheorien doch recht? In: Schulz, Manfred (Hrsg.): Entwicklung – Perspektiven der Entwicklungssoziologie, Westdeutscher Verlag, Göttingen 1997, S.91 4 Zapf, Wolfgang: Entwicklung als Modernisierung. In: Schulz. Manfred (Hrsg.), 1997: Entwicklung – Perspektiven der Entwicklungssoziologie, Westdeutscher Verlag, Göttingen 1997, S.34 5 Mergel, Thomas: Geht es weiterhin voran? Die Modernisierungstheorie auf dem Weg zu einer Theorie der Moderne. In: Ders./ Welskopp, Thomas(Hg.): Geschichte zwischen Kultur und Gesellschaft. Beiträge zur Theoriedebatte. München: Beck 1997 (Beck’sche Reihe 1211), S. 205. 6 Zapf, Wolfgang: Entwicklung als Modernisierung. In: Schulz. Manfred (Hrsg.), 1997: Entwicklung – Perspektiven der Entwicklungssoziologie, Westdeutscher Verlag, Göttingen 1997, S.33
  • 8. 8 –Im fünften Stadium schwächt sich das Wirtschaftswachstum wieder ab und es kommt zur Suche nach neuen Qualitäten, anderen Zielen und Lebensstilen (z.B. nachhaltiges und ökologisch verträgliches Wachstum anstelle von Wachstum, das als einziges Erfolgskriterium die Steigerung der Produktivität kennt). Rostow datiert den Beginn dieses Stadiums auf die 1970er Jahre.7 Die Modernisierungstheorien stehen unter Kritik. Die Kategorisierung der Welt in „traditionelle“ und „moderne“ Gesellschaften führt zu zahlreichen verfälschenden Verallgemeinerungen. Sehr unterschiedliche Gesellschaften werden in der Kategorie “traditionell” zusammengefasst (so z.B. alle Länder der Peripherie und Semiperipherie). Auch ist die Trennlinie zwischen traditionellen und modernen Gesellschaften in der Empirie deutlich unschärfer, als von den Theorien postuliert wird. Sowohl „moderne“ Gesellschaften beinhalten „traditionelle“ Elemente, als auch umgekehrt. Auch wird eingewandt, dass die Erhaltung von Traditionen bei gleichzeitiger Modernisierung kein Widerspruch darstellen müsse. Die Modernisierungstheorie berücksichtigt nicht, dass die historischen Rahmenbedingungen zu jedem Zeitpunkt verschieden sind und somit auch die Entwicklungsmöglichkeiten einer Gesellschaft unterschiedlich ausfallen. Es ist daher eher unwahrscheinlich, dass unter veränderten Rahmenbedingen die gleiche Entwicklung eintritt. So ist z.B. nicht davon auszugehen, dass sich heute eine Gesellschaft so entwickelt, wie sich die US-amerikanische Gesellschaft im 18. und 19. Jahrhundert entwickelt hat.8 Es wird nicht erkannt, dass sowohl “moderne” als auch “traditionelle” Gesellschaften Teile desselben Welt- Systems sind und ihre Entwicklungen nicht unabhängig voneinander stattfinden. Vielmehr sind die unterschiedlichen Entwicklungen entscheidend von den Abhängigkeitsverhältnissen, die zwischen diesen Gesellschaften bestehen, bestimmt. Die Beschränkung der Perspektive der Modernisierungstheorie auf einzelne Nationalstaaten sowie die Annahme, dass die gesellschaftliche Entwicklung innerhalb eines Nationalstaats hauptsächlich durch endogene Faktoren bestimmt wird, führt dazu, dass nicht erkannt wird, dass sowohl “moderne” als auch vermeintlich “traditionelle” Gesellschaften Teil desselben modernen Systems sind und sich gegenseitig bedingen. Auch hält die These, dass die Mittelschichten die Hauptträger der Demokratisierung seien, einer empirischen Überprüfung nicht stand. Historisch betrachtet, war – zumindest in einigen untersuchten Fällen – eher die organisierte Arbeiterschaft eine treibende Kraft der Demokratisierung.9 7 http://neuesoziologie.files.wordpress.com/2011/01/modernisierungstheorie-und-dependenztheorie.pdf, S.4 8 Ebd., S.4 9 Ebd., S.4
  • 9. 9 Richtig ist, dass eine sehr ungleiche Verteilung des ökonomischen Kapitals und die damit einhergehende Ungleichverteilung von Macht Demokratien gefährdet, und umgekehrt eine relativ egalitäre Einkommensstruktur (was der Entstehung einer breiten Mittelschicht letztendlich sehr nahe kommen kann) die Entstehung von Demokratien fördern und ihr Überleben begünstigen kann.10 Die meisten Modernisierungstheoretiker bewerten „moderne Gesellschaften“ implizit oder explizit als grundsätzlich besser als „traditionelle Gesellschaften“. Die aktuellen globalen Probleme (Klimawandel etc.) werden nicht zurückgeführt auf die Wirtschaft der „modernen Gesellschaften“, (die z.B. den größten CO2-Ausstoß produzieren), sondern umgekehrt werden die „modernen Gesellschaften“ als die einzigen Akteure betrachtet, die in der Lage sind, diese Probleme zu lösen.11 Auch dass die Vorstellung der „modernen Gesellschaft“ weitgehend deckungsgleich ist mit den westlichen Nationen ist kein Zufall. Die Modernisierungstheorie hat – neben ihren unzweifelhaften wissenschaftlichen Stärken – eine ideologische Funktion: Die Legitimierung der Vorherrschaft des Westens.12 Wir untersuchen das Zusammenspiel von China im Rahmen dieser Theorien. Und zwar nach der Betrachtung der theoretischen Ansätze der Modernisierung, kann man verstehen, dass die VR ihren eigenen Modernisierungsweg gebahnt hat. Dies hat sich durch die Kombination der antagonistischen Wirtschaftssysteme in einem Topf ausgedrückt. Überraschende konvergente Gesellschaft mit starken regionalen und sozialen Unterschieden lässt sich nicht einfach auf die etablierten Modernisierungsmodellen auflegen. Ja, die Kommunistische Partei nach Mao hat auf seinen Kurs tatsächlich verzichtet und die Reformen eingeführt. Weiter wird diesen Prozess in unserer Arbeit genauer beschrieben. Die Gründung der Sonderwirtschaftszonen an der Seeküste hat das ausländische Kapital ins Land eingeladen. Rasante Urbanisierung und Industrialisierung wurde als Teil des chinesischen Lebens. Aber nur teilweise, weil der andere westliche Teil von Volksrepublik weiter in Armut und Rückstand lebt. Er hat die Eigenschaften der Entwicklungs- oder Agrargesellschaft. Obwohl das Privateigentum erlaubt wurde, steht alles im Land unter Kontrolle der KP Chinas. Alle Medien und Internet werden zensiert, die Richtlinien der Politik und Wirtschaft werden auf den Tagungen der Kommunistischen Partei bestimmt, die Menschenrechte werden überall verletzt. Also geht es gegenüber China um einen nichtdemokratischen Staat. Die Modernisierung geht also nicht nach europäischem/amerikanischem Schema vor. Außerdem stützt die Bevölkerung Chinas (eine der ältesten Nationen der Welt) auf die fünftausendjährige 10 Rüland, Jürgen: Wirtschaftswachstum und Demokratisierung in Asien: Haben die Modernisierungstheorien doch recht? In: Schulz, Manfred (Hrsg.): Entwicklung – Perspektiven der Entwicklungssoziologie, Westdeutscher Verlag, Göttingen 1997, S.89 11 http://neuesoziologie.files.wordpress.com/2011/01/modernisierungstheorie-und-dependenztheorie.pdf, S.4 12 Ebd, S.4
  • 10. 10 Geschichte und Traditionen! Das Bewusstsein jedes Chinesen basiert sich auf den Postulaten der gesellschaftlichen Ordnung, die noch bei Konfuzius gegründet wurden. „Konfuzius lebte in einer Zeit politischer Umbrüche und Unruhen. Das aus vielen unabhängigen Teilstaaten bestehende China war feudalistisch orientiert und besaß keine offizielle Religion. Den politisch und gesellschaftlich instabilen Verhältnissen stellte Konfuzius eine konservative Staats- und Sittenlehre gegenüber, die ihre Ideale aus den traditionellen Werten der Vergangenheit schöpfte. Übergeordnetes Ziel zur Überwindung der Krise war das Streben nach individueller und kollektiver Harmonie sowie nach moralischer Vervollkommnung jedes Einzelnen. Hierzu stellte die konfuzianische Philosophie Kardinaltugenden auf: Menschlichkeit, Schicklichkeit, Rechtschaffenheit, Weisheit und Treue. Diese Pflichten sollen sich in den fünf grundlegenden zwischenmenschlichen Beziehungen verwirklichen: dem Gehorsam und der Achtung der Kinder gegenüber ihren Eltern, der Untergebenen gegenüber den Herrschern sowie zwischen Geschwistern, Gatten und Freunden. In allen konfuzianisch geprägten Gesellschaften bestimmen diese Tugenden bis in die Gegenwart die traditionell und hierarchisch geprägte Gesellschaftsordnung und kulturelle Mentalität.“13 Die Weltanschauung der Bevölkerung des Reiches der Mitte ist tief in die Verflechtung der uralten Religions- und Sozialordnung eingewurzelt. Zum Wertsystem der „konfuzianischer Ethik“ gehören z.B.: den Glauben an Hierarchien in der Gesellschaft, das Streben die Konflikte im Konsens und nicht durch die Auseinandersetzungen zu lösen, großer Achtung der Familie und dem Alter. Die chinesischen Gemeinden und Gruppen haben tatsächlich den erstaunlichen Zusammenhalt.14 Und dieses Phänomen ist bisher noch nicht von der Modernisierung gelöscht. Daraus resultieren auch die Disziplin und die Opferung des Eigenen zugunsten der Allgemeinen. Große Hartnäckigkeit und Geduld stammen auch davon. Sie sind als Grundlagen zu Errungenschaften in der Bildung, Politik oder in der Wirtschaft. Aber die Zeit zeigt, wie sich die kulturell bzw. national geprägten Eigenschaften in der absehbaren Zukunft ändern/bewahren werden. 1.2. Der Fortschritt des Reiches der Mitte in Anbetracht der Dependenztheorie Die Dependenztheorie entwickelte sich in den 1960er Jahren in Lateinamerika im Umfeld der „Comisiуn Econуmica para America Latina y el Caribe“ (CEPAL) in klarer Abgrenzung und in Frontstellung zur Modernisierungstheorie.15 Die zentrale These der Dependenztheorie ist, dass der unterschiedliche Entwicklungsstand der verschiedenen Regionen der Welt nicht in erster Linie auf endogene Faktoren, z.B. kulturelle Unterschiede, zurückzuführen sei, sondern von internationalen 13 http://www.wissen.de/lexikon/konfuzianismus?chunk=die-konfuzianische-philosophie 14 Hans van Ess: Ist China konfuzianisch? Center for East Asian and Pacific Studies, Trier University, Germany, China Analyses No 23. 2003,S.10 15 http://neuesoziologie.files.wordpress.com/2011/01/modernisierungstheorie-und-dependenztheorie.pdf, S.4
  • 11. 11 Ausbeutungsverhältnissen verursacht wird. Wichtige Vertreter der Dependenztheorie sind u.a. Ral Prebish, Andre Gunder Frank und Henrique Cardoso. Die Abhängigkeit vieler Länder von den wenigen herrschenden Industrieländern drückt sich darin aus, dass die weltweite wirtschaftliche Entwicklung weitgehend durch von den Industrieländern determinierte Faktoren bestimmt wird, u.a. durch deren Importnachfrage/Exportangebot. Durch Investitionsentscheidungen ausländischer Unternehmen, technische Weiterentwicklung und Kreditbewilligung ausländischer Banken. Dies führt nach Ansicht der Vertreter der Dependenztheorie dazu, dass die Entwicklungsländer in den internationalen Handelsbeziehungen überwiegend Nachteile erleiden, die einen Abbau ihres Entwicklungsrückstands verhindern und somit eine Ursache der Unterentwicklung darstellen. A.G. Frank, US-amerikanischer Ökonom und Vertreter der Dependenztheorie, entwickelte seit dem Ende der 60er Jahre eine viel diskutierte Weltwirtschaftskonzeption, deren Mittelpunkt die Analyse ökonomischer Unterentwicklung ist. An erster Stelle steht für ihn historisch und theoretisch die Zirkulationssphäre. Dies zeigt sich seiner Auffassung nach darin, dass die früheren Kolonien Lateinamerikas von Anfang an durch ihre Einbeziehung in den kapitalistischen Weltmarkt geprägt waren und deshalb dort kapitalistische Produktionsverhältnisse vorherrschen. Dies hat zur Konsequenz, dass sich seit der Kolonialzeit weder die Klasseneinteilung noch die der ökonomischen Struktur innewohnenden Widersprüche wesentlich verändert haben. Deshalb stand für ihn hier eine sozialistische Revolution unmittelbar auf der Tagesordnung.16 Die zentralen Kategorien der Dependenztheorie sind „Zentrum“ bzw. Zentralstaaten, „Semiperipherie“ und „Peripherie“.17 Die Grundannahme ist, dass es durch internationale Ausbeutungsverhältnisse, durch die langfristige Verschlechterung der Terms of Trade und den daraus hervorgehenden ungleichen Tausch zu einem kontinuierlichen Transfer von Mehrwert aus der Peripherie und Semiperipherie in die Zentralstaaten kommt. Die ungleiche Entwicklung der verschiedenen Staaten und Regionen der Welt ist demnach in erster Linie auf internationale Ausbeutungsverhältnisse, also exogene Faktoren zurückzuführen, anstatt auf kulturelle, gesellschaftsimmanente, endogene Faktoren, wie von der Modernisierungstheorie postuliert wird. Während die lateinamerikanische Staaten wirklich von dem Eintritt in die globale Wirtschaft gelitten haben, nimmt China seit der Öffnung zur Welt ab 1978 in diesem interessante Position ein. Im 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts war China wirklich von den kapitalistischen Kolonialmächten abhängig. In zweiter Hälfte des 20. Jh. gab es schon ganz andere Situation auf der Weltkarte. Der kalte Krieg herrschte 16 http://www.wirtschaftslexikon24.net/d/dependenztheorie/dependenztheorie.htm 17 http://neuesoziologie.files.wordpress.com/2011/01/modernisierungstheorie-und-dependenztheorie.pdf, S.4
  • 12. 12 und China unter Mao hat sich für die Welt geschlossen. Die Folgen des Maoismus werden wir noch in der Arbeit beschreiben. Nach Maos Tod war China ein schwach entwickeltes Agrarland. Man könnte damals erwarten, dass das bevölkerungsreichte Volk wieder in Abhängigkeit von den mächtigen Staaten gerät. Und dann könnte man sicher die Dependenztheorie gegenüber China anwenden. Doch alles hat sich anders herausgestellt. China ist auf den Reformweg getreten und seine eigene national geprägte Politik zu führen begann. Man kann diese Politik als wirtschaftliche Offensive an allen Fronten nennen. Durch die Gründung der Sonderwirtschaftszonen ist es den Chinesen gelungen, die ausländischen Investitionen zur Entwicklung der Volkswirtschaft hinzuziehen. China ist dank der Verbindung der Plan- und Marktwirtschaft und dem Einsatz allerseitigen Ressourcen und anderen zahlreichen Voraussetzungen und Ursachen, die wir später betrachten, exportorientiert geworden ist und im 21. Jahrhundert begonnen hat, sogar der Welt seine eigene Bedingungen aufzuzwingen. China ist nach seinem BIP pro Kopf die Wirtschaft Nr.2 nach den USA geworden.18 Der Dependenztheorie zuwider hat der Beitritt in die globale Wirtschaft China nicht nur keine Abhängigkeit gebracht, sondern den schnellen Aufstieg dem Reich der Mitte gewährleistet. Das hat auch den WTO-Beitritt 2001 bewiesen. Die chinesischen Studenten schöpfen die Kenntnisse an den besten Universitäten der Welt. Sie sind sehr wichtiges Gehirnpotential für weiteren Aufschwung der Heimat. Die chinesischen Geschäftsleute bereisen die Welt. Sie sind schon angesehene Männer und nicht die Vertreter eines Entwicklungslandes. Es ist schon schwierig, ein Land irgendwo zu finden, wo China keinen Einfluß auf einheimischen Handel und lokale Wirtschaft nicht hätte. Renminbi ist schon sogar an US Dollar nicht gebunden. Von welcher Dependenz/Abhängigkeit kann man reden? Die Volksrepublik China hat sich sicher von dieser Theorie abgegrenzt und scheint heute sogar die ganze Welt von sich abhängig zu werden! China führt weiter seine folgerichtige Politik Richtung Wachstum und Bereicherung. Es ist schon zur Großmacht geworden. Ein 1,3-Milliarden Volk, die Nation (oder Bund mehreren Nationen) mit der uralten Geschichte und sehr tief ins Gedächtnis jedes Bürgers eingeprägten Traditionen, den Menschen, die gnadenlosen Mao-Zeiten überlebt haben, sind sie nicht zum Angriff gegen die Welt bereit? Die Erfahrung und Praxis von VR China könnte die Anti-Dependenztheorie präsentieren. Aber alles kann sich jederzeit ändern, da die Weltökonomie sehr feinfühlig ist, und in letzten Jahrzehnten zahlreichen Krisen unterworfen wurde. Die heutige Position von China lässt sich alle wundern und überrascht mit dem langen Wachstumsprozess. Es entsteht die Frage, bis wann dieser Zuwachs dauern wird und wann endlich die nachhaltige Entwicklung Chinas beginnt? Oder ob sie irgendwann beginnt? Wird China zur Großmacht Nr.1 und seine Hegemonie bestärkt oder verursacht die globale verheerende Krise? 18 http://www.auswaertiges-amt.de/cae/servlet/contentblob/570866/publicationFile/166989/Wirtschaftsdatenblatt_pdf.pdf
  • 13. 13 Die lateinamerikanischen und afrikanischen Länder, die oft als die Opfer hinsichtlich der Dependenztheorie sind, kann man nicht im Vergleich mit China stellen. Andere Bedingungen, andere Ressourcen, andere Systeme, andere Mentalitäten und andere Maßstäbe. 1.3. Politisches System Chinas Das politische System der VR China hat in Europa ein zwiespältiges Image. Die Kritiker sehen in China eine Diktatur mit "eiserner Faust", die im Innern alle Ansätze zu politischer Erneuerung unterdrückt und nach außen rücksichtslos nationale Interessen durchsetzen will. China-freundliche Politiker und Geschäftsleute hingegen verweisen auf die außerordentliche wirtschaftliche Dynamik des Landes und vertrauen auf die Wirkung der Marktwirtschaft, die auch China den Weg zu einer politischen Neuordnung und zu verlässlicher internationaler Kooperation weisen werde. 19 Die chinesische Regierung selbst lehnt die "westliche Demokratie" als für China untaugliches Ordnungsmodell ab. Die Kommunistische Partei Chinas (KPCh) hält an ihrem Machtmonopol fest, lässt keine unabhängigen politischen Kontrollinstanzen zu und unterdrückt organisierte oppositionelle Aktivitäten. Daraus lässt sich schlussfolgern, dass die VR China ein autoritäres Regierungssystem ist. Seit den 1990er Jahren beeinflussen die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Veränderungen auch die wesentlichen politischen Wandel. Die gegenwärtige politische Ordnung hat sich weit vom Totalitarismus der Mao-Ära, in dem die Kommunistische Partei total in das wirtschaftliche, gesellschaftliche und persönliche Leben einmischte. Politische Entscheidungen kommen heute auf andere Weise zustande und werden auch mit anderen Mitteln durchgesetzt als am Ausgangspunkt der Wirtschaftsreformen. 20 Der Staatsaufbau der VR China ist de System der ehemaligen Sowjetunion ähnlich. Die politische Führungsrolle der Kommunistischen Partei, umfassende Durchgriffsbefugnisse der Zentralregierung gegenüber regionalen Führungen, die Gewaltenkonzentration - also die ausdrückliche Ablehnung einer politischen Machtbegrenzung durch Gewaltenteilung zwischen Exekutive, Legislative und Judikative - und der Vorrang der kollektiven Interessen vor den individuellen Rechten bis heute wesentliche Prinzipien der Verfassungsordnung der VR China auszeichnen. Bislang sind vier Verfassungen (1954, 1975, 1978, 1982) verabschiedet worden, in denen die wechselnden politischen Ziele der KPCh zum Ausdruck kommen. Während insbesondere die Verfassungen von 1975 und 1978 die Bedeutung des Klassenkampfes hervorhoben, spiegelt die derzeit gültige Verfassung von 1982 (in Einzelelementen geändert in den Jahren 1988, 1993, 1999 und 2004) die 19 http://www.bpb.de/izpb/8861/charakteristika-des-politischen-systems 20 Ebd.
  • 14. 14 Bemühungen um eine "sozialistische Modernisierung" des Wirtschaftssystems und um eine Stabilisierung der staatlichen Institutionen wider. 21 Unten werden die wichtigsten Verfassungsbestimmungen für Chinas politisches System angeführt.22 Die Hauptprinzipien der chinesischen Politik: • Die Kommunistische Partei Chinas ist die einzige Regierungspartei Chinas • Die demokratische Diktatur des Volkes „Die Volksrepublik China ist ein sozialistischer Staat unter der demokratischen Diktatur des Volkes, der von der Arbeiterklasse geführt wird und auf dem Bündnis der Arbeiter und Bauern beruht. Die demokratische Diktatur des Volkes bedeutet ihrem Wesen nach die Diktatur des Proletariats. Die Arbeiterklasse ist die führende Klasse des Staates, die Bauernschaft ist ihre Verbündete.“ • Das sozialistische System Das von der Arbeiterklasse geführte und auf dem Bündnis der Arbeiter und Bauern beruhende sozialistische System ist das grundlegende System der Volksrepublik China. Jede Organisation und jede Einzelperson, die das sozialistische System sabotiert, ist ein Feind des Staates und Volkes. • Alle Macht gehört dem Volk Die Organe, durch die das Volk die Staatsmacht ausübt, sind der nationale Volkskongreß und die lokalen Volkskongresse auf den verschiedenen Ebenen. Das Volk verwaltet die Staatsangelegenheiten, die wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Angelegenheiten durch verschiedene Kanäle und in verschiedenen Formen. Die Einheitsfront steht unter der Führung der Kommunistischen Partei Chinas. An ihr haben die verschiedenen demokratischen Parteien und Massenorganisationen, alle sozialistischen Werktätigen sowie alle Patrioten, die den Sozialismus unterstützen, und alle Patrioten, die für die Wiedervereinigung des Vaterlandes eintreten, teil. Die Politische Konsultativkonferenz des Chinesischen Volkes ist eine Organisation der Einheitsfront mit umfassendem repräsentativem Charakter. • Die grundlegende Aufgabe und das Ziel des Staates Auf dem Weg des Aufbaus des Sozialismus chinesischer Prägung werden alle Kräfte auf die sozialistische Modernisierung konzentriert. Unter der Führung der Kommunistischen Partei Chinas und 21 http://www.bpb.de/izpb/8861/charakteristika-des-politischen-systems 22 http://german.china.org.cn/de-zhengzhi/1.htm
  • 15. 15 angeleitet durch den Marxismus-Leninismus, die Mao-Zedong-Ideen und die Deng-Xiaoping-Theorie werden die Volksmassen aller Nationalitäten an der demokratischen Diktatur des Volkes, dem sozialistischen Weg und der Reform und Öffnung festhalten, ununterbrochen die sozialistischen Institutionen vervollkommnen, die sozialistische Marktwirtschaft entwickeln, die sozialistische Demokratie ausbauen, die sozialistische Rechtsordnung perfektionieren und im Vertrauen auf die eigene Kraft hart arbeiten, um die Industrie, Landwirtschaft, Landesverteidigung und Wissenschaft und Technik Schritt für Schritt zu modernisieren und China zu einem starken sozialistischen Staat mit hochentwickelter Demokratie und Zivilisation aufzubauen. • Der demokratische Zentralismus Das organisatorische Prinzip der Staatsorgane ist der demokratische Zentralismus. Die Volkskongresse aller Ebenen werden durch Wahlen gebildet. Die Volkskongresse aller Ebenen entscheiden über die wichtigsten Angelegenheiten im politischen Leben des Staates, rufen alle Organe der Staatsverwaltung, alle Staatsorgane der Rechtsprechung und alle Organe der Staatsanwaltschaft ins Leben.23 Tabellarisch kann man das politische System Chinas so darstellen:24 23 http://german.china.org.cn/de-zhengzhi/1.htm 24 http://www.bpb.de/izpb/8861/charakteristika-des-politischen-systems
  • 16. 16 Die führende Rolle Kommunistischen Partei ist das entscheidende Hindernis für eine Erneuerung der staatlichen Institutionen. "Oberstes Organ der Staatsmacht" und Gesetzgebungsorgan ist laut Verfassung der Nationale Volkskongress (NVK), der unter anderem zuständig ist für Verfassungsänderungen (mit Zwei-Drittel-Mehrheit), Ausarbeitung und Änderung von grundlegenden Gesetzen, Wahl/Abberufung der wichtigsten Mitglieder der Staatsorgane, sowie Prüfung und Bestätigung des Staatshaushaltes. Die rund 3000 Abgeordneten des NVK werden alle fünf Jahre von den Volkskongressen auf Provinzebene bestimmt. Es findet also keine Volkswahl zum NVK statt. Mehr als zwei Drittel der NVK-Abgeordneten gehören der Kommunistischen Partei an. Der NVK tritt nur einmal im Jahr zu einer ein- bis zweiwöchigen Plenartagung zusammen. Den Charakter eines "Ersatzparlaments" besitzt deshalb der Ständige Ausschuss des NVK, alle ein bis zwei Monate zu mehrtägigen Sitzungen zusammentritt und die Mehrzahl der Gesetze verabschiedet sowie internationale Abkommen ratifiziert. 25 Als Staatsoberhaupt der VR China gilt der Staatspräsident, dem überwiegend formalrepräsentative Funktionen zukommen. Er setzt mit seiner Unterschrift Gesetze in Kraft, ernennt und entlässt führende Mitglieder von Staatsorganen nach Entscheidung des NVK und empfängt internationale Staatsgäste. Da der Generalsekretär der KPCh - "Nummer 1" in der Parteihierarchie und damit der mächtigste chinesische Politiker - seit 1993 zugleich auch das Amt des Staatspräsidenten bekleidet, hat dieses Amt ein größeres Gewicht erlangt. Der Staatsrat, die chinesische Zentralregierung, wird in der Verfassung als "Exekutivorgan" des NVK und als "oberstes Organ der Staatsverwaltung" definiert. Dem Staatsrat gehören der Ministerpräsident, dessen Stellvertreter sowie die Staatsratskommissare und Minister an. Der Ministerpräsident verfügt als Leiter des Staatsrates über eine sehr große Machtfülle. Als "Kabinett" im engeren Sinne dient die Ständige Konferenz des Staatsrates, die nur die höchstrangigen Regierungsmitglieder umfasst. Die Kandidaten für alle Führungspositionen in der Regierung werden von Gremien der KPCh ausgewählt und benannt; der NVK muss der Ernennung der wichtigsten Amtsträger zustimmen. 26 Lokale Volkskongresse und Volksregierungen aller Ebenen sind die örtlichen Organe der Staatsmacht. Sie haben auf der jeweiligen Verwaltungsebene Kompetenzen, die im Wesentlichen mit denen des NVK auf nationaler Ebene korrespondieren. Nur die Delegierten der Volkskongresse auf Kreis- und Gemeindeebene werden direkt gewählt. Die lokalen Volksregierungen aller Ebenen "sind den 25 http://www.bpb.de/izpb/8861/charakteristika-des-politischen-systems 26 Ebd.
  • 17. 17 Organen der Staatsverwaltung der nächsthöheren Ebenen verantwortlich und rechenschaftspflichtig".27 Gemäß Verfassung kann die Zentralregierung die Annullierung "unangemessener Entscheidungen" lokaler Organe der Staatsverwaltung anordnen. Hierin kommt der zentralistische Staatsaufbau zum Ausdruck, der in der Verfassung festgelegt ist, in der Verwaltungspraxis jedoch durch vielfältige dezentrale Entscheidungs- und Gestaltungsspielräume aufgelockert ist. China hat sich seit Ende der 70er Jahre und förmlich mit seinem Ende 1990 beschlossenen Zehnjahresprogramm langfristig zur Politik der wirtschaftlichen Reform und Öffnung bekannt. Das Konzept der "sozialistischen Marktwirtschaft" wurde zunächst in die Parteistatuten, im März 1993 erstmals auch in die Verfassung aufgenommen und durch ergänzende Verfassungsänderungen vom März 1999 weiter präzisiert. Das rasante Wirtschaftswachstum infolge der Reform- und Öffnungspolitik hat den Lebensstandard der meisten Chinesen erhöht, allerdings zu großen Ungleichgewichten bei der Einkommensverteilung zwischen Stadt und Land sowie Küsten- und Binnenprovinzen und zunehmender Arbeitslosigkeit geführt. Das durchschnittliche Pro-Kopf-Jahreseinkommen (2011) der Landbevölkerung beträgt 6977 RMB(ca. 775 Euro); die in den Städten lebenden Chinesen haben ein durchschnittliches Pro-Kopf- Jahreseinkommen von 21810 RMB (ca. 2.423 Euro).28 Die Zahl der in den Städten registrierten Arbeitslosen wurde 2011 mit 4,1 Prozent angegeben. Die Asiatische Entwicklungsbank geht von bis zu dreißig Prozent „überschüssigen Arbeitskräften“ auf dem Land aus. 2. Post-Mao-Periode 2.1. Die Rolle von Mao Zedong in der modernen Geschichte Chinas Mao Zedong gehört zu den bekanntesten Staatsführern des 20. Jahrhunderts. Man nannte ihn „großer Vorsitzende“, „großer Steuermann“. Die Tatsache, dass er im Oktober 1949 die Volksrepublik China verkündet hatte, machte ihn zum Vater der Nation. Die weitere Politik war sehr grausam und traurig. „Der Große Sprung nach vorn“ oder „die Kulturrevolution“ waren verheerend für das Land und warfen es um viele Jahre zurück. Historiker schätzen heute, dass der Große Sprung nach vorn (1959-61) bis zu 30 Millionen Menschen das Leben gekostet hat: die meisten verhungerten, weil Maos Politik zu 27 http://www.bpb.de/izpb/8861/charakteristika-des-politischen-systems 28 http://www.auswaertiges- amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/China/Innenpolitik_node.html#doc334570bodyText6
  • 18. 18 gewaltigen Missernten führte.29 Während der Kulturrevolution (1966-1976) wurden in China viele Schulen und Universitäten geschlossen, das wichtigste war nicht gebildet sondern "rot" (politisch korrekt) zu sein. Trotzdem hat Mao nicht eindeutigen Eindruck über seine wirtschaftliche Tätigkeit gelassen: einerseits wuchs das Bruttoinlandsprodukt zwischen 1952 und 1975 um jährlich durchschnittlich 6,7 %, die Möglichkeiten für Bildung, medizinische Versorgung und soziale Sicherheit erreichten das höchste Niveau in der Geschichte Chinas, und der Anteil der Industrie an der Wirtschaftskraft wurde von etwa 20 % 1952 auf 45 % 1975 gesteigert.30 Diese Resultate wurden dank dem Einsatz zusätzlicher Ressourcen erreicht, die Investitionen wurden zunehmend ineffizienter, und das relativ hohe Wirtschaftswachstum konnte nur zu einem sehr geringen Anteil in höheren Konsum der Bevölkerung umgesetzt werden. Mao hat selbst anerkannt, dass sich seine Wirtschaftspolitik von utopischen Ideen geleitete wurde. Am Anfang der 1970er Jahren ließ er die wirtschaftlich pragmatischen Politiker Deng Xiaoping und Zhou Enlai an die Macht zurückzukehren. Es gab und es gibt keine Entmaoisierung in China, wie es in den anderen posttotalitören Länders wie z.B. in der Sowjetunion war. Das Kult der Person ist nicht mehr da, aber bis heute hängt auf dem Tienanmen-Platz in China Maos Porträt, und dem "Platz des Himmlischen Friedens" steht das ihm zu Ehren errichtete Mausoleum. Die Kommunistische Partei lässt China auf Mao nicht verzichten. In den offiziellen Aussagen der Parteiführer wurde die Kulturrevolution als "gravierender Fehler" des "großen Mao Zedong" bezeichnet. Deng Xiaoping, Maos Nachfolger, begann damit Maos Ideen zu relativieren, ohne den Mythos des "Großen Vorsitzenden" zu vernichten. Plötzlich hieß es aus der Parteizentrale, Mao habe viele gute und wahre und einige falsche Ideen propagiert. 70 Prozent der Mao-Ideen seien gut, 30 Prozent schlecht gewesen, so die Politrhetorik aus den Reihen der chinesischen Nomenklatur.31 Der „Ruhm“ und Größe von Mao scheint einfach als Form als der Schleier zu sein, hinter dem das wahre pragmatische Gesicht versteckt wird. Als Zusammenfassung kann man auch hinzufügen, dass unter Mao China die möglichen „kommunistischen“ Mittel zur Entwicklung in der Praxis erfahren hat. Die Folgen und Ergebnisse dieser Experimente sind schrecklich. Aber unserer Meinung nach, hat die maoistische Periode sehr wesentlichen Einfluß auf die künftigen Prozesse im Land ausgeübt. 29 http://www.china-zeichen.de/html/info_uber_china.html 30 Ebd. 31 http://www.planet-wissen.de/laender_leute/china/mao_zedong/china_mao_erinnerung.jsp
  • 19. 19 Erstens, die Chinesen hatten Angst vor gnadenlosen Aktionen der Mao-Anhänger und diese unbarmherzigen Terrors haben dem Volk die zusätzliche Gehorsamkeit beigebracht. Also die Chinesen waren schon gelernt die riesigen Taten im Namen der Idee zu vollbringen, ohne die Richtigkeit dieser Prozesse zu bezweifeln. Mao Zedong hat die historisch riesige Einsatzbereitschaft des chinesischen Volkes durch totalitaristische Mittel verstärkt. Heute vollbringen sie auch noch unvergleichbar größere Taten, aber schon nicht im Namen der Idee, sondern im Namen der nationalen wirtschaftlichen Entwicklung. Darum spricht man heutzutage über die Trendwende zum Nationalismus. Zweitens, haben solche furchtbare Zeiten unter Kommunismus bei den chinesischen Bürgern die gebändigte Energie zur Privattätigkeit, Privatgeschäft aufgeweckt. Diese gewaltige Energie wird heute in die rasche Wirtschaftsentwicklung umgesetzt. Drittens, die ideologische Vergangenheit war im großen Ganzen die negative Erfahrung für die Chinesen. Jetzt werden sie schon keine solchen Experimente durchführen, sondern sich auf realistischen Plänen und Projekten konzentrieren. Mao wollte wahrscheinlich bei dem Chinesischen Volk die riesige Energie erwecken und ganz neue Generation großzuziehen. Die Folgen dieser Versuche sind in umgekehrte Richtung gezielt und zwar – China wird mehr und mehr kapitalistisch bzw. liberal und progressiv. Was ist nach dem großen Mao geblieben? Parteiausschuß? Zensur? Mausoleum? Die KP hat schon die Kontrolle über das Wichtigste verloren – über das geistige Leben des Volkes. 2.2. Die Reformierung des Systems unter Deng Xiaoping Nach dem Tod von Mao Zedong 1976 versuchte die so genannte "Viererbande" um Maos Ehefrau, die politische Macht an sich zu reißen.32 Bis 1980 Hua Gofeng stand an der Parteispitze. Deng Xiaoping, einer der fünf stellvertretenden Parteivorsitzenden, wurde in China zur treibenden Kraft der chinesischen Wirtschafts- und Außenpolitik. Im Rahmen einer sozialistischen Marktwirtschaft plädierte er für die Liberalisierung und Öffnung der chinesischen Wirtschaft. Parallel zur wirtschaftlichen Öffnung vollzog sich eine Verbesserung der politischen Beziehungen zu den Industrieländern. Z.B. wurden 1978 mit den Vereinigten Staaten die diplomatische Beziehungen angeknüpft und ein Handelsabkommen unterzeichnet. Es wurde auch die Normalisierung in den Beziehungen mit Japan und der Sowjetunion - die strategischen Nachbarn bemerkt. Anfang der 80er Jahre erreichte die Bevölkerung Chinas eine Milliarde Menschen und der Zuwachs ging weiter. Seit 1980 hat die chinesische Regierung die Gesetzte angenommen, die die Ein-Kind-Familie 32 http://www.laender-lexikon.de/China_%28Geschichte%29
  • 20. 20 verlangten. Damals waren Zhao Ziyang als neuer Ministerpräsidenten, Hu Yaobang als Parteivorsitzenden und Deng Xiaoping als starker Mann im Hintergrund an der Machtspitze. Die Nichteinhaltung dieser Gesetze drohten den Eltern Geldstrafen bzw. massive Benachteiligungen bei der Wohnraumvergabe. In der vierten Verfassung von 1982 wurde der Reformkurs von Deng Xiaoping offiziell als politische Leitlinie festgeschrieben. 33 Xiaoping war als Chefarchitekt der chinesischen Reformpolitik bekannt geworden. Der Modernisierer Deng hat Ende der 70er Jahre die Reform- und Öffnungspolitik durchgesetzt, die ein Wirtschaftswachstum mit durchschnittlich über 9 Prozent Wachstum in den vergangenen mehr als 30 Jahren zur Folge hat. Das wirtschaftliche Gesamtpotenzial Chinas hat sich damit mehr als vervierfacht.34 Die dritte Plenartagung des 11. Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Chinas (Dezember 1978) ging in die Geschichte des Volkes als offizieller Start für die Reformierung und Modernisierung Chinas. Der neue Kurs und das neue Programm wurden von Deng Xiaoping festgelegt. Deng Xiaoping sah zuerst die Landwirtschaft als Ziel der Reformen ein. Ende der 70er Jahre noch 80 Prozent der gesamten chinesischen Bevölkerung lebte und arbeitete auf dem Land. Der Wohlstand der der Bauern sehr wichtig für die Garantie der Stabilität in der chinesischen Gesellschaft. Im Rahmen seiner Agrarreform schuff Deng zunächst ein sogenanntes vertragsgebundenes Verantwortungssystem für die Bauern, bei dem diese einen Teil des erwirtschafteten und überschüssigen Ertrages auf speziellen Landwirtschaftsmärkten verkaufen und als eigenen Gewinn verbuchen konnten. Die Bauern hatten Eigentumsrechte an ihren Produkten, Landbesitz war jedoch weiterhin nicht möglich.35 Diese Reformmaßnahme hat entscheidend die Arbeitsproduktivität von mehreren hundert Millionen chinesischen Bauern beeinflusst und eine historische Steigerung der Getreideproduktion ausgelöst. Ab Mitte der 1980er Jahre wurden auch nicht-staatliche Unternehmen in der Industrie zugelassen und die Staatsunternehmen mussten auf den sich entwickelnden Märkten mit Privatunternehmen konkurrieren.36 Als nächster Schritt wurden die Reformmaßnahmen in den Städten getroffen. Dort wurde die wirtschaftliche Struktur allmählich komplett reformiert. Damit hat Deng die Meinung widerlegt, dass es einen unüberbrückbaren Widerspruch zwischen der Plan- und der Warenwirtschaft gebe, und hat seine 33 http://german.china.org.cn/archive2006/txt/2004-08/12/content_2126626.htm 34 Ebd. 35 http://www.china-zeichen.de/html/info_uber_china.html 36 Ebd.
  • 21. 21 Reform theoretisch und definitiv begründet. Aufgrund dieser Theorien wurde nun auch in den chinesischen Staatsbetrieben das System des vertragsgebundenen Verantwortungssystems eingeführt. Es wurde auch als Versuch eine Verwandlung der Eigentumsform einiger Staatsbetriebe in Aktiengesellschaften durchgeführt. Das Gemeineigentum ist allmählich nur eine der Eigentumsformen geworden. Dabei wurde das Gemeineigentum als Hauptstütze unter den anderen proklamiert. In Shenzhen und Shanghai wurden zwei Wertpapierbörsen gegründet. Im Zusammenhang mit der eingeleiteten Preisreform wurden Verhältnis und Ausmaß des Einflusses von Marktfaktoren auf die Preisfindung erweitert. Die Ansichten und Entscheidungen von Deng Xiaoping haben direkt dazu beigetragen, dass die KP Chinas immer deutlicher die Etablierung einer sozialistischen Marktwirtschaft chinesischer Prägung als Basis der Reformen auf ihre Fahnen schrieb, was fortan den ungebrochenen Fortschritt ermöglichte. Heutzutage gehen immer mehr Chinesen ins Ausland, während immer mehr Ausländer nach China kommen. China ist inzwischen auch der Welthandelsorganisation WTO 2001 beigetreten.37 Auf der außenpolitischen Bühne spielt China als ständiges Mitglied des UN-Sicherheitsrates in internationalen Angelegenheiten eine immer größere Rolle. All diese Errungenschaften und Erfolge sind in erster Linie der Einführung der Öffnungspolitik zu verdanken. Also diese von Deng Xiaoping eingeführte Politik ermöglichte, dass China sich nach mehr als 500 jähriger Abschottung wieder zur Welt öffnet. Der VR China ist es gelungen, sich von der Praxis der Übernahme von Theorien und Praktiken der anderen Länder zu befreien und einen neuen eigenen Weg zu einer Modernisierung chinesischer Prägung zu bahnen. 2.3. Jiang Zemin-Ära Im Januar 1987 wurde Zhao Ziyang zum Generalsekretär der kommunistischen Partei ernannt, Hu Yaobang wurde zum Rücktritt gezwungen. Die Änderungen in der Führungsspitze begannen nach einer Demonstrationswelle der Studenten, die mehr Demokratie und Selbstbestimmungsrechte forderten. Hus Tod im April 1989 zog eine neue Welle prodemokratischer Demonstrationen nach sich. Diese erreichten im Mai ihren Höhepunkt, als der sowjetische Staatspräsident Michail Gorbatschow Peking besuchte, um die 30 Jahre andauernden Unstimmigkeiten zwischen der UdSSR und China zu beenden. Die Demonstranten besetzten den Tian-an-men-Platz in Peking, bis am Morgen des 4. Juni bewaffnete Militäreinheiten die Innenstadt stürmten und mindestens 400 Zivilisten töteten.38 In der darauf folgenden Phase harten politischen Durchgreifens wurde Zhao Ziyang seiner Parteiämter enthoben. Neuer 37 http://www.china-park.de/geschichte/zeittafel.html 38 http://chroniken-asien.de/ch_china04.htm
  • 22. 22 Generalsekretär wurde Jiang Zemin, der Ministerpräsident wurde Li Peng. Der achte Nationale Volkskongress wählte Jiang im März 1993 zum neuen Staatsoberhaupt Chinas. Im Oktober desselben Jahres wurden erstmals in beschränktem Umfang Handelsbeziehungen zu Taiwan erlaubt. Der Grenzverlauf zu Russland wurde im September 1994 vertraglich bestätigt.39 Im Jahre 1995 wies die Wirtschaft ein stabiles hohes Wachstum auf, das vorher isolierte Land war der siebentgrößte Teilnehmer im internationalen Handel und der Lebensstandard wuchs schnell, wobei die Konsumausgaben der Haushalte zu konstanten Preissteigerungen um jährlich mehr als 7 % führten.40 Im Rückblick erscheint Jiang Zemin als unspektakulärer, aber wirkungsvoller Reformer und Mann des politischen Ausgleichs. Ihm gelang es, eine Periode sehr tief greifenden wirtschaftlichen sozialen Wandels erfolgreich zu managen, indem er trotz einschneidender Reformschritte (u.a. Restrukturierung des Staatssektors, WTO-Beitritt) wenig politische Angriffsfläche bot. Die politische Führung unter Jiang Zemin war zweifellos die stabilste in der Geschichte der VRCh.41 Jiang hat sehr aufmerksame Taktik ausgewählt. Er minimierte politische Konflikte und vermied offene politische Konfrontationen: stetige Respektbezeugungen gegenüber Parteiveteranen, Rückgriff auf unkontroverse politische Formeln (typisch etwa Formel der „Dreifachen Repräsentation“), Geduld in der Herbeiführung parteiinterner Konsensfindung, vorbereitete Entfernung innerparteilicher Kritiker aus den Führungsgremien (etwa Chen Xitong, Qiao Shi), Überantwortung kontroverser wirtschaftspolitischer Maßnahmen und politischer Risiken (etwa Inflationsbekämpfung, Finanzsystemreformen, WTO-Beitritt) an den Ministerpräsidenten Zhu Rongji und andere Wirtschaftspolitiker. Unter Jiang vollzog sich der Wandel des Entscheidungssystems weg von der charismatischen Autorität eines Parteichefs hin zu einem System der kollegialen Führung mit stärker formalisierten Verfahrensregeln. Die Vermeidung politischer Grundsatz- und Großkonflikte trotz massiver sozialer Verwerfungen und wirtschaftlicher Neuerungen ist als Jiang Zemins politische Leistung anzuerkennen. Allerdings blieben viele grundlegende Probleme in der Ära Jiang Zemin ungelöst oder verschärften sich sogar (Korruption, soziales Gefälle, politische Repression im Falle der Falungong-Bewegung).42 39 http://chroniken-asien.de/ch_china04.htm 40 http://www.china-zeichen.de/html/info_uber_china.html 41 http://www.chinapolitik.de/resources/no_20.pdf 42 Ebd.
  • 23. 23 Im Juni 1997 übergab Großbritannien seine ehemalige Kronkolonie Hongkong an China zurück.43 Hongkong wurde zur Sonderverwaltungszone, die chinesische Führung hat das bestehende wirtschaftliche System da bewahrt. Nur das Parlament in Hongkong wurde aber durch ein Peking-freundliches ersetzt. Im März 1998 wurde der Wirtschaftsreformer Zhu Rongji neuer Ministerpräsident Chinas, Jiang Zemin wurde für eine weitere Amtszeit von fünf Jahren als Staatspräsident bestätigt, Li Peng blieb wichtigster zweiter Mann im Staat, jetzt als Parlamentspräsident.44 Die chinesische Regierung wollte ein WTO-Mitglied werden. Und erst nach der Senkung der Einfuhrzölle und weiterer Öffnung des chinesischen Marktes wurde VR China in die WTO (World Trade Organisation, Welthandelsorganisation) 2001 aufgenommen. Damals stand China unter der Kritik internationaler Menschenrechtsorganisationen, die der chinesischen Staatsführung die wiederholte Verletzung der Menschenrechte an Tausenden von Chinesen vorwarfen. 1999 gab Portugal die Kolonie Macao an China zurück. Wie auch in Hongkong wurde der ehemaligen Kolonie die Aufrechterhaltung der Wirtschaftsform für zunächst 50 Jahre zugesichert (nach dem Prinzip "Ein Land - zwei Systeme"). 45 Der chinesische Volkskongress verabschiedete im Januar 2002 ein Gesetz zur Bevölkerungsplanung, das die Regierung zur Änderung der seit 1970 verfolgten Ein-Kind-Politik auffordert. In der Zukunft soll der Staat nur noch im Bereich der Schwangerschaftsverhütung eingreifen; Zwangssterilisationen und erzwungene Abtreibungen wurden verboten. Das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei stimmte im Oktober 2003 einer Änderung der Staatsverfassung zu. In ihr sind jetzt die Grundrechte auf Streik und Freizügigkeit sowie ein Recht auf Privatsphäre vorgesehen. 2.4. Hu Jintao an der Machtspitze 2003 wurde der neue Generalsekretär der KP, Hu Jintao, zum Staatspräsidenten gewählt. So ist der macht sowie der Generationswechsel Seit 2004 ist Hu zusätzlich Vorsitzender der Zentralen Militärkommission der Volksbefreiungsarmee. Hu Jintao setzt die Reformpolitik unter Beibehaltung des von der KP geprägten politischen Systems fort. Er wird hierbei seit 2003 von Ministerpräsident Wen Jiabao unterstützt. Themen sind verstärkt die Verringerung des sozialen Gefälles zwischen Stadt und 43 http://www.laender-lexikon.de/China_%28Geschichte%29 44 Ebd. 45 http://www.laender-lexikon.de/China_%28Geschichte%29
  • 24. 24 Land, aber auch der Schutz von Umwelt und Ressourcen. 2008 wurden fünf neue "Superministerien" geschaffen, die sich künftig der innenpolitischen Prioritäten annehmen. Auf die sich häufenden Meldungen von menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen Im Oktober 2003 ist China der dritte Staat geworden (nach UdSSR/Russland und den USA), der allein den bemannten Weltraumflug schaffte. Der Ständige Ausschuss des NVK (Nationaler Volkskongress) verabschiedete 2006 ein Gesetz, nach dem künftig alle Todesurteile der Bestätigung durch das Oberste Gericht bedürfen. Aufgrund mehrerer spektakulärer Fehlurteile war es zu einer öffentlichen Debatte über die Verhängung der Todesstrafe gekommen, die vor allem Provinzgerichte oftmals exzessiv betreiben. Schätzungsweise werden im Jahr 8 000 Todesurteile ausgesprochen. 46 Im Frühjahr 2008 gab es erneut eine schwere Krise zwischen Tibet und China: Nach dem Freiheitskampf tibetischer Demonstranten kam es zu blutigen Unruhen. China gelang es, Tibet nahezu völlig abzuschotten, es entsandte tausende Soldaten und lehnte jegliche ausländische Berichterstattung ab. - Mit Taiwan wurden dagegen im Juni 2008 nach zehn Jahren erstmals wieder direkte politische Gespräche geführt. 47 Ein schweres Erdbeben erschütterte den Südwesten Chinas im Mai 2008. Die Naturkatastrophe kostete nach Schätzungen 50 000 Menschen das Leben. Viele Bauwerke, darunter Staudämme, wurden beschädigt. Schätzungsweise fünf Millionen Menschen verloren ihre Behausung. Es war das schwerste Beben seit 32 Jahren, das China erlebte. Die chinesische Regierung schickte 130 000 Soldaten und Angehörige paramilitärischer Einheiten in die betroffenen Regionen, die noch Tage später von Nachbeben heimgesucht wurden. Vor den Olympischen Spielen, die in Peking vom 8. bis 24. August 2008 stattfanden, gab es kritische Stimmen aus aller Welt. Im Mittelpunkt der Diskussion standen die Menschenrechtsverletzungen, in denen auch die Menschenrechtsorganisation Amnesty International eine Diskrepanz zwischen den Idealen der Olympischen Bewegung und der politischen Realität Chinas erkannte und zur Sprache brachte. Im Zuge der Tibetkrise im Frühjahr hatten mehrere Länder einen Boykott der Spiele erwogen. Die Bilanz von IOC-Präsident Jacques Rogge zu den Spielen in Peking fiel überwiegend positiv aus.48 Zugleich räumte Rogge die Machtlosigkeit des IOC im Umgang mit den Gastgebern ein. Insbesondere zur 46 http://www.laender-lexikon.de/China_%28Geschichte%29 47 Ebd. 48 Ebd.
  • 25. 25 Pressezensur und Unterdrückung von Protesten sagte er, die Situation sei "nicht perfekt" gewesen. 2010 ist China Japan aus der zweiten Platz abgelöst und die zweite Wirtschaft der Welt geworden.49 Das war schneller passiert, als die Experten erwartet hatten. Aber der erfolgreiche Werdegang Chinas setzt sich weiter fort. 2.5. Heutige Situation 2012 hat sich chinesisches Wachstum etwas verlangsamt. Und zwar in diesem Jahr hat sich das Wirtschaftswachstum von durchschnittlich rund zehn Prozent in den vergangenen zwei Jahrzehnten auf 7,4 Prozent im dritten Quartal verlangsamt. Das offizielle Ziel der Regierung für das Gesamtjahr 2012 liegt bei 7,5 Prozent.50 Das Land hat längst eine Schlüsselrolle im Welthandel eingenommen. Laut Internationalem Währungsfonds ist China mittlerweile für 78 Staaten der wichtigste oder zweitwichtigste Handelspartner. Auch viele deutsche Firmen sind von der Konjunktur des Landes abhängig. 2011 betrug das BIP-Wachstum 9,2 % und 2012 schon 7,8 %.51 Während der über 30 Jahren der erfolgreichen Entwicklung, sind 500 Millionen Menschen aus der Armut geholt.52 Heute hat man hat begonnen über den Untergang Chinas zu reden. Aber diese Enttäuschungsstimmung widerlegt das IWF mit seiner Prognose für das Jahr 2013 mit 8,2. Diese kleine Rezession scheint auf dem großen Bild des 30-jährigen Wachstums nur eine Ausnahme oder besser gesagt – kleine Pause zu sein. Eine Pause vor einem neuen dauernden Aufschwung. Am 18. Parteikongress hat der chinesische Staats- und Parteichef Hu Jintao seinem Volk eine Verdoppelung des Einkommens bis 2020 versprochen.53 Und das ist trotz der langsameren Wirtschaftsentwicklung. Zur Eröffnung des der chinesischen Kommunisten in Peking sagte der scheidende Parteichef, dass sich auch die gesamte Wirtschaftsleistung der Volksrepublik bis dahin verdoppeln solle. Es sei das erste Mal, dass die Partei konkrete Ziele für Wachstum und Einkommen genannt habe.54 In seiner letzten Rede zum Volk rief Hu Jintao die Wirtschaftsentwicklung 49 China 2030. Building a Modern, Harmonious, and Creative High-Income Society. The World Bank Development Research Center of the State Council, the People’s Republic of China. International Bank for Reconstruction and Development / International Development Association or The World Bank. 2012, S.3 50 http://www.spiegel.de/politik/ausland/chinas-parteichef-hu-verspricht-dem-volk-reichtum-a-865997.html 51 http://www.imf.org/external/pubs/ft/weo/2012/02/pdf/text.pdf 52 China 2030. Building a Modern, Harmonious, and Creative High-Income Society. The World Bank Development Research Center of the State Council, the People’s Republic of China. International Bank for Reconstruction and Development / International Development Association or The World Bank. 2012, S.XV 53 http://www.spiegel.de/politik/ausland/chinas-parteichef-hu-verspricht-dem-volk-reichtum-a-865997.html 54 Ebd.
  • 26. 26 "ausgeglichener, koordinierter und nachhaltiger" zu gestalten. Als Konsequenz müsse China die Wende zu einem neuen - weniger auf Export und Investitionen gestützten - Wachstumsmodell beschleunigen. Dafür sollte die heimische Nachfrage angekurbelt werden.55 Am 15.11.2012 wurde Xi Jinping zum Generalsekretär der Kommunistischen Partei Chinas gewählt.56 Mit ihm soll das neue Team der sieben Mitglieder des Ständigen Ausschusses des Politbüros das Land unter Kontrolle halten. Xi Jinping gilt als ein vorsichtiger Reformer zu sein 57 und versprach eine Fortsetzung der Reform- und Öffnungspolitik. Das alte Team hat reiches Erbe für die Nachfolger hinterlassen. Also sie werden aus sehr guten Positionen starten und verfügen über die grundsätzlichen Voraussetzungen für den neuen Boom. Solche schnelle Entwicklung wurde von zahlreichen Errungenschaften begleitet. Das sind einige von ihnen: 2 der 10 Top-Banken sind schon chinesisch; 61 chinesische Unternehmen gehören zur Global Fortune 500-Liste; China besitzt das zweitgrößte Autobahnnetz, die 3 längste Seebrücken, und 6 der 10 größten Containerhäfen der Welt Der Staat hat große Erfolge in Medizin, Bildung, Wissenschaft, Technologien gemacht. Und der Rückstand zu den hochentwickelten Ländern wird schnell aufgeholt.58 Weiter schauen wir um, wie diesen historischen Weg gebahnt wurde. 3. Der wirtschaftliche Werdegang von VR China seit 1980 In den 80er Jahren hat das wirtschaftliche Wachstum Chinas begonnen. Angefangen aus den Reformen von Deng Xiaoping, ausgeglichene Politik von Jiang Zemin und über den Aufschwung bei Hu Jintao bis heutige Zeit blieb die Erscheinung des chinesischen Wunders für alle Menschen der Welt von besonderem Interesse. Schon drei Generationen der Bürger beobachteten diesen atemberaubenden Weg des Milliarden-Volkes. Welche Faktoren hatten darauf Einfluß und welche Mittel und Mühe haben die Chinesen dafür eingesetzt? Was liegt diesem Sprung zugrunde? Darum geht es weiter. 55 http://www.spiegel.de/politik/ausland/chinas-parteichef-hu-verspricht-dem-volk-reichtum-a-865997.html 56 http://www.weltalmanach.de/staaten/details/china_volksrepublik/ 57 http://www.spiegel.de/politik/ausland/chinas-parteichef-hu-verspricht-dem-volk-reichtum-a-865997.html 58 China 2030. Building a Modern, Harmonious, and Creative High-Income Society. The World Bank Development Research Center of the State Council, the People’s Republic of China. International Bank for Reconstruction and Development / International Development Association or The World Bank. 2012, S.4
  • 27. 27 3.1. Sozialismus mit chinesischer Prägung Seit 1978 hat die chinesische Wirtschaft eine auch international anerkannte enorme Entwicklung genommen. 59 „Ein Land – zwei Systeme“ – mit dieser Parole läutete der stellvertretende chinesische Ministerpräsident Deng Xiaoping im Jahre 1979 eine neue Phase der chinesischen Politik ein.60 Damals spielte der Plan bei der Verteilung der Ressourcen in der Gesellschaft eine wesentliche Rolle. Es gab überhaupt keine Privatunternehmen in VR. Es gab nur staatliche und kollektive Betriebe. Materialzulieferung, Produktion, Auslieferung und Vertrieb wurden von der Regierung kontrolliert.61 Ebenso war bereits vorher festgelegt worden, was und wieviel für wen produziert wird, und auch, was das jeweilige Produkt kosten würde. So gesehen war der Staat eine einzige riesige Fabrik, andererseits war jede kleine Werkstatt eine staatliche Produktionseinheit. Dazu gehöre auch, dass Beruf und Arbeitsstelle der Menschen als Subjekt der Produktion planmäßig zugeteilt wurden und demzufolge unveränderlich waren. Eine Zentrale Staatliche Planungskommission plante und regulierte alle Wirtschaftsaktivitäten. Eine staatliche Entwicklungs- und Planungskommission gibt es in China auch heute noch, allerdings hat die wenig mit ihrer Vorgängerbehörde gemein. Das System der Planwirtschaft war im Jahr 1949 unter den damals bestimmenden historischen Umständen mit einer unterentwickelten Wirtschaftsbasis und –Struktur, verschärft durch die Wirtschaftsblockade westlicher Länder, etabliert worden. Das System hat viel zur Zentralisation der Arbeitskräfte, der Finanzen und der materiellen Ressourcen, zum Bau von industriellen Schwerpunktprojekten, zur Entwicklung der Wirtschaft, zur Stabilisierung des Marktes und zur Verbesserung des Lebens der Menschen beigetragen. Im Zuge der Entwicklung der Wirtschaft in China konnte das System der Planwirtschaft aber nicht mehr an neue Entwicklungstendenzen angepasst werden – das System wurde zum Hindernis für die weitere Entwicklung. Seit der Reform des Wirtschaftssystems gibt es in China zusammen mit den staatlichen und kollektiven Betrieben, auch die Privatunternehmen, Jointventures, kooperative Unternehmen und rein 59 http://german.china.org.cn/archive2006/txt/2002-11/06/content_2048349.htm 60 Andreas Tank: Sonderwirtschaftszonen in China, Universität Kassel, Kassel, 2002, S.5 61 http://german.china.org.cn/archive2006/txt/2002-11/06/content_2048349.htm
  • 28. 28 auswärtige Unternehmen. Materialversorgung, Produktion, Zirkulation, Vermarktung und Konsum werden für die meisten Betriebe in China nicht mehr vom Staat organisiert, sondern von den Betrieben selbst auf dem Markt. Die Betriebe sind für Gewinne und Verluste selbst verantwortlich. Die Preise der meisten Waren und Dienstleistungen werden von den Betrieben nach Marktbedingungen festgesetzt. Die Wirtschaftsreform hat somit die Entscheidungsbefugnisse und die Lebenskraft der Betriebe gestärkt.62 Noch wichtiger ist, dass die Subjekte der Produktion, die Menschen also, mittlerweile Beruf und Arbeitsstelle frei wählen können. Dies hat übrigens ein beträchtliches Potential schöpferischer Aktivitäten der Menschen freigesetzt. Diese Veränderungen sind nicht sofort gekommen. Die erste Phase von 1978 bis 1983 kann als Etappe des Beginns begrenzter und versuchsweiser Wirtschaftsreformen bezeichnet werden.63 Der Schwerpunkt dieser Reformen lag auf dem Lande. Dort wurde nach entsprechenden Tests ein System der vertragsgebundenen Verantwortlichkeit in Verbindung mit dem Produktionsertrag auf der Basis der Haushalte eingeführt, eine Art Pachtsystem also, bei dem die Überschüsse den Pächtern zugutekamen. Mit den dadurch freigesetzten Aktivitäten der Bauern entwickelte sich die Landwirtschaft sehr schnell.“ Die zweite Phase der Wirtschaftsreformen in China dauerte dann von 1984 bis 1991.64 In dieser Phase konzentrierten sich die Reformen vor allem auf die Städte. Schwerpunkt der Reform waren die staatlichen Betriebe, es ging um die Trennung von Regierung und Betrieben. Der Staat blieb weiterhin Eigentümer der Betriebe, wobei die wirtschaftslenkenden Funktionen der Regierung deutlich auf allgemeine Führungsaufgaben beschränkt wurden. Die Produktion, die Wirtschaftsführung, die Verteilung und der Absatz waren fortan Sache der Betriebe selbst und von diesen zu organisieren und zu verantworten. Die dritte und bis heute andauernde Phase der Wirtschaftsreform in China begann dann 1992. Diese Etappe wird als Phase der Vertiefung der Reform des Wirtschaftssystems bezeichnet. Im Frühling 1992 hatte Deng Xiaoping, der als Chefarchitekt der Reform und Öffnung Chinas gilt, in Reden in Shenzhen und in Shanghai erklärt, wenn die Reformen der Befreiung und Entwicklung der Produktivkräfte, der 62 http://german.china.org.cn/archive2006/txt/2002-11/06/content_2048349.htm 63 Ebd. 64 Ebd.
  • 29. 29 Stärkung des umfassenden Potentials Chinas und einem höheren Lebensstandard der Bevölkerung dienten, dann müsse man alle nur denkbaren Maßnahmen wagemutig ausprobieren. Von diesen Reden gingen starke Impulse für die Reform des Wirtschaftssystems aus.65 Auf dem 14. Parteitag der KP Chinas legte Generalsekretär Jiang Zemin in seinem Bericht eindeutig dar, dass in China ein System der sozialistischen Marktwirtschaft aufgebaut werden müsse. Damit traten Wirtschaft und Gesellschaft in China in eine neue Entwicklungsphase ein. Das umfassende Potential Chinas verstärkt sich immer weiter, und ebenso stetig erhöht sich das Lebensniveau der Bevölkerung. Inzwischen ist in China der grundsätzliche Rahmen einer sozialistischen Marktwirtschaft fest etabliert. Mit einem Blick zurück auf den Prozess der Reform des Wirtschaftssystems in den letzten über 20 Jahren sagte der Experte des Büros des Staatsrates für Reform des Wirtschaftssystems, Hu Deqiao:„Die Reform des Wirtschaftssystems förderte die Reform auf dem Lande. Die Chinesen konnten ausreichend mit Kleidung und Nahrung versorgt werden. Warenproduktion und Zirkulation, Marktwirtschaft und Wettbewerbsmechanismen haben die Wirtschaft in Stadt und Land angekurbelt. Die Regulierung und Vervollkommnung der Eigentumsstruktur in der Wirtschaft sowie die Entwicklung der Betriebe und die Reform der Betriebsführung wurden gefördert.66 Bei der Reform der Regierungsorgane wurden die Funktionen der Regierung in großen Maßen verändert. Gleichzeitig wurde die Wirtschaft Chinas im Zuge der Reform und Öffnung enger mit der internationalen Wirtschaft verbunden.“ Also heute zeigt China ein einzigartiges Beispiel für kombinierte und ungleichzeitige Entwicklung, einzigartig in Zusammensetzung und Ausmaß. Die anfänglichen Reformen gestatteten die Herausbildung von Kapital innerhalb der VR China, aber die strikte Regulierung durch die Partei stellte sicher, dass die im Inneren entstehende Kapitalistenklasse gegängelt und überwacht wurde. 67 Gleichzeitig lieferte die Etablierung der Küstenenklaven ein Reservoir billiger Arbeitskräfte zwecks Ausbeutung durch die chinesische Exilbourgeoisie. Obwohl das diese sicher bereichert hat, blieb sie doch im Exil gespalten und war abhängig von Peking und der Kommunistischen Partei für die Garantie der Bedingungen, unter denen sie aufblühen konnte. 65 http://german.china.org.cn/archive2006/txt/2002-11/06/content_2048349.htm 66 Ebd. 67 Peter Main: Von Mao zum Markt. Wie die chinesische KP den Kapitalismus zurückholte. Revolutionärer Marxismus 39, August 2008. In http://www.arbeitermacht.de/rm/rm39/maomarkt.htm
  • 30. 30 Die streng kontrollierte Restauration des Kapitalismus unterhöhlte die Planwirtschaft, erlaubte jedoch nicht nur viele Aspekte staatlicher Wirtschaftsüberwachung, sondern auch der vom degenerierten Arbeiterstaat ererbten politischen Struktur beizubehalten, v.a. die Partei und den Sicherheitsapparat. Alle chinesischen Konzerne, die „nationale Spitzenreiter“ werden sollen wie Sinopec, Huawei, Lenovo, Baoshan Stahl, Schanghai Auto und Nanking Auto verdanken ihre Größe und Kapitalquelle ihren Wurzeln im Staatssektor und haben alle sehr enge Beziehungen zu Staat und Partei aufrechterhalten. Nur Haier, das Haushaltsverbrauchsgüter herstellt, scheint als unabhängige Gesellschaft von seinen Ursprüngen aus einer bankrotten Fabrik des kleinen und mittleren Stadt-Land-Sektors her aufgebaut worden zu sein.68 Wegen der andauernden Parteidiktatur ist es besonders aus der Ferne unmöglich, das Ausmaß zu kennen, in dem die verschiedenen Bestandteile einer neuen chinesischen Kapitalistenklasse, die zweifellos „an sich“ existiert, zu einer Klasse zusammengeballt sind, die sich ihrer Interessen bewusst und fähig ist, diese in einem politischen Programm zu formulieren, dass die Bedürfnisse dieser Klasse „für sich“ formuliert. In anderen Ländern, wo die „kombinierte und ungleichmäßige Entwicklung“ eine neue Bourgeoisie gegen ein politisches Regime formierte, das sich z. B. auf eine Grundbesitzerklasse stützte, traf es im Allgemeinen zu, dass die Klasse ungeachtet der Unterstützung bürgerlicher IdeologInnen für demokratische Rechte oder sogar Revolution selbst so schwach war, dass sie generell vor einer offenen Konfrontation mit dem ancien régime zurückschreckte. Mehr noch, in Anbetracht der Perspektive, dass ihr eigener Besitz durch die Klassenkämpfe der Arbeiterschaft und Bauernarmut in Gefahr geriet, würde sie sich bei Bedarf auf die Seite selbst des unterdrückerischsten Regimes schlagen. Doch in China steht die Sache etwas anders. Alle Kapitalisten leiten einigen Nutzen aus der diktatorischen Macht der Partei ab. Die Partei aber ist in letzter Instanz Agentur einer bürokratischen Kaste, keine sozial verwurzelte Klasse. Schon nennen sich 20% der Parteimitglieder „Geschäftsleute“. Es ist kein Geheimnis, dass auf jeder Ebene Parteifunktionäre und -vorstände sicher dafür sorgen, dass ihre Söhne und Töchter in Führungspositionen der ehemaligen Staats-Unternehmen aufrücken, die nun darum wetteifern, große Aktiengesellschaften zu werden. 68 Peter Main: Von Mao zum Markt. Wie die chinesische KP den Kapitalismus zurückholte. Revolutionärer Marxismus 39, August 2008. In http://www.arbeitermacht.de/rm/rm39/maomarkt.htm
  • 31. 31 Wie wir aber gesehen haben, hat das Privatkapital in den letzten Jahren stark zugelegt. Man kann erwarten, dass es in Gegensatz zur Dauerherrschaft einer Partei gerät, die systematisch Ressourcen für ihre Kumpane und ausgesuchte Unternehmen abzweigt. Auf ähnliche Weise wird wohl das chinesische Bürgertum in Hong Kong und auf Taiwan niemals die „Kommunistische Partei“ als die ihrige ansehen. Die Bourgeoisie auf Taiwan verfügt über eine eigene Partei und Erfahrung in der Ausübung von Staatsmacht. Schließlich hätten die imperialistischen Mächte jeden Grund, die Zerstörung potenzieller KonkurrentInnen und das völlige Aufbrechen des chinesischen Marktes als Kreuzzug gegen KommunistInnen und Diktatur aufzuführen. So können wir davon ausgehen, dass ernsthafte gesellschaftliche Erschütterungen in China das Überleben der Partei in der gegenwärtigen Form bedrohen und deshalb eine Grundfrage aufwerfen: Wer soll herrschen?69 Mit der Abkehr von den maoistischen Zielen der kommunistischen Planwirtschaft und der Autarkie, erhielten die Provinzen Guangdong und Fujian wirtschaftliche Sonderrechte für marktwirtschaftliche Reformexperimente und die außenwirtschaftliche Integration. Für die Durchführung dieses Experimentes, „die chinesische Planwirtschaft rationalen Wirtschaftsabläufen anzupassen und den Kriterien ökonomischer Effizienz zu unterwerfen“70 wurden in den genannten Provinzen Sonderwirtschaftzonen gegründet, welche ausländisches Kapital in Form von Investitionen, Technologien und Wissen anziehen sollten. Die Sonderwirtschaftszonen lassen sich so definieren: das abgegrenzte Gebiet eines Staates, in dem günstigere wirtschaftliche Rahmenbedingungen gelten als in den übrigen Teilen. Insbesondere werden Steuererleichterungen gewährt; ferner gelten liberalere Einfuhrverfahren, großzügigere Devisenzuteilung, vereinfachte arbeitsrechtliche Vorschriften usw. Sonderwirtschaftszonen stellen regelmäßig eine Diskriminierung der übrigen Landesteile dar. Sie legitimieren sich durch ihre Vorbildfunktion insbesondere in technischer und organisatorischer Hinsicht.71 Die Sonderwirtschaftszonen nahmen und nehmen eine Schlüsselrolle in der Transformation und Modernisierung des chinesischen Wirtschaftssystems ein und etablierten sich seit der Gründung als wichtigstes Intermedium zwischen der chinesischen Wirtschaft und den Weltmärkten. Mit dieser neuen Politik setzte Deng Xiaoping „seine Landsleute in eine Zeitmaschine, die alle Entwicklungen, die wir oder auch der asiatische Nachbar Japan in 150 Jahren bewältigten, nun in 15 Jahren durchraste“72 . Und bereits kurz nach der Gründung der Sonderwirtschaftszonen wies die chinesische Volkswirtschaft 69 Peter Main: Von Mao zum Markt. Wie die chinesische KP den Kapitalismus zurückholte. Revolutionärer Marxismus 39, August 2008. In: http://www.arbeitermacht.de/rm/rm39/maomarkt.htm 70 Vetter, H.F.: Chinas neue Wirklichkeit: Gesellschaft, Politik und Wirtschaft nach Mao, Frankfurt am Main, 1983, S.57 71 http://www.wissen.de/lexikon/sonderwirtschaftszone?keyword=Sonderwirtschaftszone 72 Ederer, G.; Franzen, J. : Der Sieg des himmlischen Kapitalismus, Landsberg/Lech, 1996, S.260
  • 32. 32 wiederholt die weltweit höchsten Wachstumsraten auf. Während die USA, Japan und Europa mit Marktsättigung und Rezession zu kämpfen haben, gilt China aus Sicht zahlreicher Ökonomen als Motor der gesamten Weltwirtschaft. Wirtschaftliche Sonderzonen haben ihren Ursprung im Jahre 1934. Zu diesem Zeitpunkt wurde in den Vereinigten Staaten von Amerika ein Gesetz erlassen, welches die Umwandlung von 300 Städten in Freihandelszonen erlaubte, in denen Importgüter von der Besteuerung freigestellt waren. Die Grundidee von Freihandelszonen besteht darin, Regelungen und Begrenzungen aufzuheben, die Investitionen und damit verbunden das Wirtschaftswachstum behindern.73 Sonderwirtschaftszonen fördern also den ausländischen Handel, erleichtern die Produktion von Exportgütern, importieren zeitgleich moderne Technologie samt ausländischem Know-How und tragen zu einem breiteren Angebot auf dem Binnenmarkt bei. Ausländische Investoren sollen so nach China gelockt werden. Gleichzeitig wird allerdings auch dafür gesorgt, dass ausländische Firmen keine reinen Tochterunternehmen in China gründen, sondern so genannte Joint-Ventures mit chinesischen Firmen, um diese an den Gewinnen und am Know-How partizipieren zu lassen. 74 Das Konzept der Sonderwirtschaftszonen ist aufgegangen, denn die VR China hat seit ihrer Gründung einen starken Wandel erlebt. Die ehemals kleinen Städte in der Küstenregion sind zu modernen Millionenstädten geworden und die Wirtschaft ist stetig gewachsen. Auch durch den Erfolg der Sonderwirtschaftszonen gilt China als eine der wichtigsten und exportstärksten Nationen der Welt, was ohne finanzielle Investitionen von westlichen Unternehmen in dieser Form nicht möglich gewesen wäre. Die Sonderwirtschaftszonen Chinas erwirtschafteten 1997 noch 20% des Bruttoinlandsprodukts, eine Zahl, die momentan, aus Gründen die in nachfolgenden Kapiteln näher beleuchtet werden, eher rückläufig ist.75 Zu den SWZ gehören z.B. solche Städte wie Shenzhen, Shantou, Zhuhai, Xiamen, Shanghai und die ganze Insel Hainan. Die Sonderwirtschaftszonen in China bieten verschiedene Vorteile gegenüber Städten und Regionen, die diesen Status nicht haben. So dürfen ausländische Unternehmen, die in diese Zonen investieren ihre erwirtschafteten Profite unbegrenzt in ihr Heimatland zurückführen. Importe können unbegrenzt durchgeführt werden. Auf die Importe werden entweder sehr geringe oder gar keine Steuern und Zölle erhoben (variiert zwischen den 5 Sonderwirtschaftszonen). Die unternehmerische Gewinnsteuer in diesen Zonen wurde auf 15% gesenkt. Desweiteren wurde die Bürokratie abgebaut, der Kündigungsschutz 73 Andreas Tank: Sonderwirtschaftszonen in China, Universität Kassel, Kassel 2002, S.11 74 http://www.munich-business-school.de/intercultural/index.php/China_-_Sonderwirtschaftszonen 75 Ebd.
  • 33. 33 erheblich gelockert, sowie hervorragende infrastrukturelle Voraussetzungen geschaffen. Vom Mutterkonzern eingesetzte Arbeiter sind weiterhin von der chinesischen Einkommensteuer befreit. Außerdem können Produktionsmaterialien unbegrenzt genutzt werden (was in einer Planwirtschaft nicht selbstverständlich ist) und sehr hohe Abschreibungen vorgenommen werden, was den zu versteuernden Gewinn erheblich schmälert. Die Küstennähe war ebenfalls ein Anreiz für internationale Unternehmen, da diese optimal für den Export ist. Ein weiterer wichtiger Aspekt sind die günstigen Arbeitskräfte in China. Chinesische Arbeiter stehen in großer Zahl zur Verfügung womit gewährleistet wird, dass man genug produzieren kann und keine Engpässe entstehen. Unternehmen können daher auf Marktschwankungen flexibler reagieren. Internationale Unternehmen sehen außerdem die Chance sich durch ein Joint Venture mit einem chinesischen Partner den chinesischen Markt einfacher erschließen zu können. Eine Ansiedlung in einer der Sonderwirtschaftszonen ist der ideale Ausgangspunkt dazu. In China sind Beziehungen enorm wichtig für den wirtschaftlichen Erfolg. Durch die Partnerschaft mit einem chinesischen Partner kann man auch dessen Guanxi nutzen. Die Sonderwirtschaftszonen sind stark exportorientiert. Aus den Küstengebieten Chinas werden Produkte in die ganze Welt verschifft. Der Kontakt zu ausländischen Handels- und Geschäftspartnern ist sehr eng. Allerdings ist es für ausländische Unternehmen seit einigen Jahren nicht mehr erforderlich in die Sonderwirtschaftszonen zu investieren, um den chinesischen Markt zu erschließen. Ein Grund hierfür ist, dass die chinesische Regierung in den letzten Jahren auch in anderen Regionen starke Investitionsreize geschaffen hat. Für viele Unternehmen sind die Ballungsräume von Peking und Shanghai viel interessanter, da sie einen deutlich größeren Absatzmarkt bieten. Sehnert stellt hierzu fest: „Die Finanzkraft transnationaler Unternehmen unserer Zeit macht … einen Standort innerhalb einer chinesischen Sonderwirtschaftszone unnötig, da sie auf die finanziellen Vorteile keine Rücksicht nehmen müssen.“ In der Realität zeigt sich heute, dass Unternehmen aus den international bedeutendsten Exportnationen, wie bspw. die Bundesrepublik Deutschland, fast nicht mehr in die Sonderwirtschaftszonen investieren.76 Die Sonderwirtschaftszonen spielten bei der rasanten Entwicklung Chinas eine wichtige Rolle als Katalysator des Wachstums. Ohne die Einrichtung solcher Zonen hätte die schrittweise Öffnung in Richtung kapitalistischer Märkte nicht in einem so knappen Zeitraum bewerkstelligt werden können. Die Sonderwirtschaftszonen waren der Kern der Wachstumspolpolitik und verhalfen der Küstenregion, vor allem in den 80er Jahren, zu einem starken Wachstum.77 76 http://www.munich-business-school.de/intercultural/index.php/China_-_Sonderwirtschaftszonen 77 Ebd.
  • 34. 34 3.2.Natürliche Voraussetzungen für wirtschaftlichen Erfolg Als Grundlage für die Entwicklung des Drachen-Staates sind die natürlichen Bedingungen und geographische Lage. In erster Linie soll man sagen, dass VR China nach Russland, Kanada und USA das viertgrößte Land der Welt ist. Die Fläche beträgt 9 572 900 km². 78 Diese riesigen Territorien werden auf sieben Großlandschaften (von den höchsten Gebirgssystemen der Welt zu den Tiefebenen) geteilt und liegen in zahlreichen Klimazonen (von heißer tropischer im Süden bis zur mäßigen im Nord-Westen mit extrem kalten Wintern.79 China ist das Seeland, es hat Zugang zum Gelben und Ostchinesischen Meer, und im Südosten zum Südchinesischen Meer. Landesgrenzen hat China mit Russland und der Mongolei im Norden, im Osten mit der Volksrepublik Korea, im Süden mit Vietnam, Laos, Myanmar (früher Birma), Bhutan, Nepal und Indien und im Westen mit Pakistan, Afghanistan, Tadschikistan, Kirgisistan und Kasachstan. Eine Vielzahl von Flüssen durchzieht China, der längste ist der Yangtsekiang mit einer Länge von etwa 6 300 km, der zweitlängste der Huang He (Gelber Fluss) mit 5 464 km. Diese Flüsse entlang bildeten sich die frühen uralten Zivilisationen auf dem Territorium von der heutigen VR China. Die fruchtbaren Küstenebenen und die Flusstäler geben sicher die besten Voraussetzungen zum günstigen Ackerbau. China hat zur Zeit etwa 130 Mio. ha Ackerland, das sich hauptsächlich in der nordost- und der nordchinesischen Ebene, am Mittel- und Unterlauf des Jangtse, im Perlfluss-Delta und im Sichuan- Becken verteilt. Der größte Teil der nordostchinesischen Ebene ist fruchtbarer schwarzer Boden, auf dem Weizen, Mais, Sorghum, Sojabohnen, Flachs und Zuckerrüben angebaut werden. Der Hauptteil der nordchinesischen Ebene ist brauner Boden, der für den Anbau von Weizen, Mais, Hirse, Sorghum, Baumwolle und Erdnüssen geeignet ist. Am Mittel- und Unterlauf des Jangtse werden Wasserreis, Orangen und Raps angebaut. Im Sichuan-Becken ist meistens rotbrauner Boden vertreten, dessen Anbaukultur von Wasserreis, Raps, Zuckerrohr, Tee und Orangen geprägt ist.80 China ist reich an Bodenschätzen. Bis heute sind mehr als 160 Arten von Bodenschätzen im Land gefunden worden. Mit seinen Gesamtvorräten steht China an der dritten Stelle in der Welt.81 Darunter betragen die ermittelten Kohlenvorräte, die sich hauptsächlich in Nord- und Nordwestchina, insbesondere in Shanxi, Shaanxi und dem Autonomen Gebiet der Inneren Mongolei verteilen, 1006,3 Mrd. t. Die 78 http://www.laender-lexikon.de/China_(Geografie) 79 http://www.laender-lexikon.de/China_(Klima) 80 http://german.china.org.cn/german/shuzi-ger/gq/htm/zrzy11.htm 81 http://german.china.org.cn/german/shuzi-ger/gq/htm/zrzy3.htm
  • 35. 35 Erdölressourcen lagern vorwiegend in Nordwestchina, aber auch in Nordostchina, Nordchina und im küstennahen Festlandsockel in Südostchina. Zu den ermittelten Vorkommen an Energieressourcen gehören u. a. Erdgas, Ölschiefer, Uran und Thorium, zu den Schwarzmetallen Eisen, Mangan, Vanadin und Titan. Die identifizierten Reserven an Eisenerz, die hauptsächlich in den Provinzen Liaoning, Hebei, Shanxi und Sichuan lagern, betragen nahezu 50 Mrd. t.82 Alle bisher auf der Welt entdeckten Bodenschätze sind in China zu finden. Mit seinen Vorräten an Buntmetallen wie Wolfram, Zinn, Antimon, Zink, Molybdän, Blei und Quecksilber steht China weltweit an vorderster Stelle. Die Reserven an Seltenerdmetallen machen beispielsweise etwa 80% der gesamten der Welt aus, die Reserven an Antimon 40% der gesamten der Welt; die Reserven an Titan entsprechen den gesamten aller anderen Länder in der Welt und die an Wolfram dem Vierfachen der gesamten aller anderen Länder. Aus der oben genannten lässt sich schlussfolgern, dass die geographische Lage als Basis für wirtschaftliche Erfolge sein kann. Die für die Europäer unglaublichen Weiten lagern alle für den Fortschritt nützlichen Bodenschätze. Aus der chinesischen Bezeichnung Chung-kuo (Reich der Mitte) entwickelte sich der im Westen seit dem späten Mittelalter gebräuchliche Namen China.83 Kein Wunder, dass noch die Chinesen der frühen Dynastien ihr Land für die Mitte der Welt hielten. Diese Position auf der Weltkarte vermittelt die Kontakte zu allen Ländern anzuknüpfen und als Schlüsselhandelspartner auf der Weltwirtschaftsbühne aufzutreten. 3.3.Personalpolitik Die mannigfaltige und kontroverse Natur hat gewissermaßen auch dem entsprechenden Charakter des Staates und überhaupt der Lebensordnung der Chinesen zugeschrieben. Weiterhin muss man hinzufügen, dass VR China der bevölkerungsreichste Staat ist. Mit dem Stand 2011 zählt man die Bevölkerung der Volksrepublik mit 1.344.130.000 Menschen.84 Die Möglichkeiten der Ausnutzung des größten Menschenpotenzials lassen sich nicht nur durch die Ankurbelung des Binnenmarktes äußern85 , und nicht nur durch einfache Schwarzarbeiterarmeen, sondern durch die Auswahl der klügsten und der begabtesten Manager und Technologen. Um den letzten Faktor der erfolgreichen Entwicklung zu realisieren, braucht man effizientes Bildungssystem. 82 http://german.china.org.cn/german/shuzi-ger/gq/htm/zrzy3.htm 83 http://www.laender-lexikon.de/China_(Geografie) 84 http://www.worldbank.org/en/country/china 85 http://www.handelsblatt.com/meinung/kolumnen/kurz-und-schmerzhaft/zschaber-zuendelt-china-anleger-jammern-auf- hohem-niveau/7106620.html
  • 36. 36 Wichtigste Aufgabe der chinesischen Bildungspolitik bleibt der Ausbau des Schul- und Hochschulwesens mit dem Ziel der nachhaltigen Verbesserung der Bildung in Breite und Spitze. Ein Problem ist das Bildungsgefälle zwischen Stadt und Land sowie zwischen einkommensstarken und - schwachen Familien. Minderheiten, wie Tibeter und Uiguren, haben schlechtere Bildungschancen.86 Der Ende Juli 2010 verabschiedete „Nationale Bildungsplan 2010-20“ bildet die Grundlage für die gegenwärtigen Reformbestrebungen in den Bereichen der Mittelschul-, Berufsschul- und Hochschulausbildung verbunden mit dem Ziel, eine „lernende Gesellschaft“ aufzubauen, d.h. Bildung für alle anzubieten. 87 Die Bildung ist für die Chinese zur sicheren Gewährleistung des sozialen Aufstiegs geworden. 88 Die Forschung und Entwicklung auf Weltniveau sollen Chinas Modernisierung voran bringen. Seit es 1986 erstmals aufgelegt wurde, wird das staatliche "863" oder "Fackel"-Programm immer weiter ausgebaut und ergänzt. Es fördert besonders die Grundlagenforschung zu Schlüsseltechnologien, die zur Verbesserung der Lebensqualität oder zur Innovation beitragen sollen. An diesem Programm haben bis 2001 mehr als 3000 Institute mit 20 000 Forschern teilgenommen.89 Die Kommunistische Partei muntert auf, die Probleme der Gesellschaft wie Bevölkerungskontrolle, Ernährung, Gesundheit und Umweltschutz "wissenschaftlich" zu lösen. Dafür stellte sie 1995 die Weichen für eine Strukturreform von Wissenschaft und Technik nach Maßgabe der "sozialistischen Marktwirtschaft". China wirbt mit besonderen Standortfaktoren um internationale Zusammenarbeit. Es bietet großzügige Rahmenbedingungen auch für international umstrittene Forschung, etwa in den Lebenswissenschaften, Humangenetik und Stammzellforschung. So ist die verbrauchende Erforschung menschlicher Embryonen bis zum 14. Lebenstag erlaubt.90 Niedrige Personalkosten für gut qualifizierte, hoch motivierte Arbeitskräfte bilden zusammen mit einigen Forschungsinstituten von Weltrang ein starkes Potenzial für die künftige Entwicklung. Weltberühmt ist beispielsweise das Huada- Genomforschungs-Zentrum in Beijing, dem die Entschlüsselung des Reisgenoms gelang. 86 http://www.auswaertiges- amt.de/sid_01AC3614A6FEB4547A7E31EDBB7B2CA8/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/China/Kultur- UndBildungspolitik_node.html 87 Ebd. 88 http://www.bpb.de/izpb/8886/bildung-und-forschung?p=0 89 Ebd. 90 Ebd.
  • 37. 37 Die chinesische Regierung ermutigt private Kapitalgeber zur Forschungsfinanzierung und fördert unternehmerische Strukturen von Forschungsinstituten.91 Die Volksrepublik China den Anteil der Ausgaben für Forschung und Entwicklung von 0,90 Prozent (2000) auf 1,54 Prozent (2008) und zuletzt rund 1,75 Prozent (2010) des Bruttoinlandsprodukts erhöht. Davon sind etwa ein Drittel öffentliche FuE- Ausgaben, zwei Drittel stammen aus der Wirtschaft.92 Als Schwächen des chinesischen Forschungssystems gelten unterentwickelte Kontroll- und Überwachungsmechanismen bei der Umsetzung von Gesetzen und Richtlinien und eine bislang unzureichende Verankerung in der Gesellschaft. Den wissenschaftlichen Eliten wird in China große gesellschaftliche Verantwortung zugewiesen. Wichtige flankierende bildungspolitische Maßnahmen bleiben jedoch aus. Besonders fehlt es an einer Förderung potenziell kritischer Bildungsformen. Die Sozial- und Geisteswissenschaften werden von der Modernisierung der Natur- und Ingenieurswissenschaften abgekoppelt. In der einseitigen Ausrichtung auf Technologie und Eliten, ohne entsprechende intellektuelle Wurzeln und Vermittlungsmechanismen in der Gesellschaft, liegen mittelfristige Konfliktpotenziale. Aber zur Zeit wirkt die große Zahl der Ingenieure auf die immer steigende Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt aus, also es werden die besten ausgewählt. Das hat auch die Arbeitslosigkeit der Akademiker zur Folge, sowie auch die Tatsache, dass viele im Ausland studierenden Chinesen nicht zurückkehren. Doch die riesige Zahl der Studenten bzw. Menschenressourcen (nur 2011 gab es 6 Mio. Absolventen)93 nivellieren diese Verluste. Darüber hinaus, beherrschen die Studenten im Ausland die fremden Technologien und bringen die wertvolle Erfahrung und Information zugunsten der Heimat. Hier muss man unbedingt erwähnen, dass alle Chinesen in der Welt als angeborene Industrieschnüffler gelten. Die Gestalt eines auf einer Serviette eine Zeichnung einer Maschine geheim schreibenden chinesischen Geschäftspartners ist typisch geworden. China genießt den Ruf als Abkupferer.94 Man lernt kopieren und dann daheim billig produzieren. Trotzdem könnte ein China- Anhänger so diesen Sachverhalt rechtfertigen: die Chinesen sind eine sehr listige Nation, und bevor die Welt zu erobern, möchten sie diese Welt aus dem Inneren erforschen und dann die eigene einzigartige Konzepte in die Praxis umsetzen. 91 http://www.bpb.de/izpb/8886/bildung-und-forschung?p=1 92 http://www.bmbf.de/de/818.php 93 http://www.auswaertiges- amt.de/sid_01AC3614A6FEB4547A7E31EDBB7B2CA8/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/China/Kultur- UndBildungspolitik_node.html 94 http://www.wiwo.de/unternehmen/industrie/industriespionage-know-how-klau-china-legt-den-schalter- um/7051400.html
  • 38. 38 Die zunehmende Integration Chinas in die internationale Gemeinschaft spiegelt sich auch in der internationalen Kooperation und Einbindung chinesischer Wissenschaftler, der zunehmenden Durchsetzung westlicher Qualitätskonzepte in Forschung und Lehre und der zunehmenden Sensibilisierung auf chinesischer Seite für die Bedeutung des Schutzes von geistigem Eigentum wider. Die Autonomie der chinesischen Akteure hat sich stark erweitert. Vor allem Hochschulen und Forschungsinstitute sowie Wirtschaftsunternehmen haben im Laufe der letzten Jahre erhebliche Freiheiten, verbunden mit Eigenverantwortung, hinsichtlich des Managements, der Verwaltung und der Projektdurchführung erhalten. Chinesische Forscher sind aufgefordert, sich um die Umsetzung und praktische Anwendung ihrer Ergebnisse zu bemühen, um einen Beitrag zur Lösung ökonomischer, sozialer und ökologischer Probleme zu leisten. Diverse, vor allem ökonomische Leistungsanreize für Institute und Wissenschaftler unterstützen diese Politik.95 Es lohnt sich unbedingt erwähnen, dass unter solchen Umständen der Wert jedes einzelnen Spezialisten in China sinkt. Aber die Tendenzen ändern sich. So die meisten der Unternehmen beklagen sich die stark gestiegenen Lohnkosten. Besonders in den Küstenstädten des Ostens wird es immer schwieriger, qualifiziertes Personal zu finden. Und wenn das einmal geglückt ist, verlassen viele der Mitarbeiter das Unternehmen schon wieder nach kurzer Zeit. Die Fluktuation in manchen Branchen liegt bei 20 Prozent. Manche Unternehmen berichten von Mitarbeitern, die nach einem Jahr im Betrieb eine Gehaltserhöhung von 50 Prozent fordern.96 Und was die nichtqualifizierten Arbeitskräfte angeht, muss man hinzufügen, dass sie bereit sind für ein paar Groschen zu arbeiten. Es betrifft besonders die armen Chinesen, die aus den Zentralgebieten nach Osten ziehen. Diese Politik der billigen Arbeitskräfte nennt man eine der wichtigsten Ursachen des raschen Wirtschaftsbooms in China. 3.4. Export- und Währungspolitik Im Dezember 2001 ist China das Mitglied der WTO geworden.97 Die Bedeutung von Chinas Beitritt zur WTO und sein Zeitpunkt sind kaum zu überschätzen. Bis dahin hatte Peking die kontrollierte Restauration des Kapitalismus hinter den schützenden Schranken von Einfuhrregelungen, eingeschränkten Handelsrechten und Zöllen vollzogen. Hier nutzte die Führung die Verfügung über das Staatseigentum an Industrie und Banken, um ihren politischen Prioritäten nachzugehen. Das Was, Wo 95 http://www.bmbf.de/de/818.php 96 http://www.wiwo.de/politik/ausland/benachteiligungen-china-lockt-und-schockt-zugleich-seite-all/6685710-all.html 97 Peter Main: Von Mao zum Markt. Wie die chinesische KP den Kapitalismus zurückholte. Revolutionärer Marxismus 39, August 2008. In http://www.arbeitermacht.de/rm/rm39/maomarkt.htm