Aktuelle Trends bei Compliance und im Wirtschaftsstrafrecht
1. Vortrag zum Compliance-Forum in
Berlin
am 16. Mai 2013
Aktuelle Trends bei Compliance und
im Wirtschaftsstrafrecht
Prof. Dr. Christian Schröder
Martin-Luther-Universität Halle-
Wittenberg
Forschungsstelle
Kapitalmarktstrafrecht
E-Mail: Christian.Schroeder@jura.uni-halle.de
2. I. Zum neuen Straftatbestand des § 54a KWG-E
II. Praxishinweis zur Marktmanipulation und
zum Verfall = OLG Stuttgart, NJW 2011, 3667
3. § 283 StGB
(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe
wird bestraft, wer bei Überschuldung oder bei drohender
oder eingetretener Zahlungsunfähigkeit
1. Bestandteile seines Vermögens, die im Falle der Eröffnung
des Insolvenzverfahrens zur Insolvenzmasse gehören, beiseite
schafft oder verheimlicht oder in einer den Anforderungen
einer ordnungsgemäßen Wirtschaft widersprechenden Weise
zerstört, beschädigt oder unbrauchbar macht,
4. 2. in einer den Anforderungen einer ordnungsgemäßen
Wirtschaft widersprechenden Weise Verlust- oder
Spekulationsgeschäfte oder Differenzgeschäfte mit Waren oder
Wertpapieren eingeht oder durch
unwirtschaftliche Ausgaben, Spiel oder Wette übermäßige
Beträge verbraucht oder schuldig wird,
(...)
(6) Die Tat ist nur dann strafbar, wenn der Täter seine Zahlungen
eingestellt hat oder über sein Vermögen das Insolvenzverfahren
eröffnet oder der Eröffnungsantrag mangels Masse abgewiesen
worden ist.
5. § 54a KWG-E
(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft,
wer entgegen § 25c Absatz 4a oder § 25c Absatz 4b Satz 2 nicht dafür Sorge
trägt, dass ein Institut oder eine dort genannte Gruppe über eine dort
genannte Strategie, einen dort genannten Prozess, ein dort genanntes
Verfahren, eine dort genannte Funktion oder ein dort genanntes Konzept
verfügt, und hierdurch eine Bestandsgefährdung des Instituts des
übergeordneten Unternehmens oder eines gruppenangehörigen Instituts
herbeiführt.
6. (2) Wer in den Fällen des Absatzes 1 die Gefahr fahrlässig herbeiführt,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe
bestraft.
(3) Die Tat ist nur strafbar, wenn die Bundesanstalt dem Täter durch
Anordnung nach § 25c Absatz 4c die Beseitigung des Verstoßes gegen
§ 25 Absatz 4a oder § 25 Absatz 4b Satz 2 aufgegeben hat, der Täter
dieser vollziehbaren Anordnung zuwiderhandelt und hierdurch die
Bestandsgefährdung herbeigeführt hat.
7. § 25a KWG-E
(…)
(4c) Wenn die Bundesanstalt zu dem Ergebnis kommt, dass das
Institut oder die Gruppe nicht über die Strategien, Prozesse,
Verfahren, Funktionen und Konzepte nach Absatz 4a und 4b verfügt,
kann sie, unabhängig von anderen Maßnahmen nach diesem Gesetz,
anordnen, dass geeignete Maßnahmen ergriffen werden, um die
festgestellten Mängel innerhalb einer angemessenen Frist zu
beseitigen.“
8. OLG Stuttgart, NJW 2011, 3667
N ist als Bankkaufmann bei der Landesbank X. mit
Tätigkeitsschwerpunkt Wertpapierhandel beschäftigt. Er verfügt dort
über ein Depot mit Wertpapieren im Gesamtwert von etwa 275 000
Euro. Außerdem besitzt er die Verfügungsberechtigung über das
ebenfalls bei der X.-Bank unterhaltene Wertpapierdepot seines
Lebenspartners, des
Dr. S.
9. N gab am 22. 5. 2008, am 9. 12. 2008 sowie am 10. 12. 2008
aufeinander abgestimmte, nahezu zeitgleich erteilte Kauf- und
Verkaufsaufträge für in diesen beiden Wertpapierdepots gehaltene
Aktien der Ma-Kliniken-AG, der DB Re-Es-AG sowie der We-AG an
der Baden-Württembergischen Wertpapierbörse in Stuttgart, an der
Frankfurter Wertpapierbörse und im elektronischen Handelssystem
der Deutschen Börse-AG, Xetra, ab, die jeweils mit den vom N
angegeben Limitpreisen zur Ausführung kamen. Die
Kursfeststellungen kamen durchgehend allein auf Grund der
Ausführung der spiegelbildlich deckungsgleichen Aufträge des
Angekl. N, der wechselnd für das eine Depot als Käufer und das
andere als Verkäufer der Aktien agierte, entsprechend seinen
Limitangaben zu Stande.
10. Ohne die Aufträge des N wäre es nicht zu den Kursfestsetzungen
gekommen und der jeweilige vorherige Kurs der Aktie hätte
fortgegolten. Zwischen dem Verkauf der Aktien und dem Rückkauf
lagen jeweils lediglich wenige Minuten; die Kursfeststellung erfolgte
in allen Fällen entweder zeitgleich mit der Abgabe der Angebote oder
maximal zwei Minuten danach. Die an den fraglichen Tagen durch
den Angekl. N vorgenommenen Geschäfte hatten einen großen
Anteil am Gesamttagesumsatz der jeweiligen Aktie. Durch die
bewusste Abgabe der abgestimmten Verkaufs- und Kaufaufträge
nahm der Angekl. billigend in Kauf, dass bei dritten
Handelsteilnehmern der unrichtige Eindruck entstehen konnte, dass
für diese Aktien ein liquider Markt mit voneinander unabhängigen
Angeboten und Nachfragen bestehe, sowie dass die ausgeführten
Geschäfte auf Grund ihres Volumens geeignet waren, den jeweiligen
Kurspreis zu beeinflussen.
11. Dem Angekl. kam es darauf an, dass es zur jeweiligen Kursfestsetzung
kommt, weil er hierdurch Verluste zur steuerlichen Geltendmachung
realisieren wollte.
Aus den Gründen:
(...)
5. Die Revision der StA ist auch insoweit begründet, als sie sich
dagegen wendet, dass gegen beide Angeklagte kein Verfall von
Wertersatz angeordnet wurde. Die Feststellungen tragen die
Annahme nicht, die Angeklagten aus der Tatbegehung nichts erlangt.
Bei der Anordnung des Verfalls von Wertersatz ist bei Vorliegen der
sonstigen Voraussetzungen der §§ 73, 73 a StGB vom gesetzlich
normierten Bruttoprinzip auszugehen (vgl. Fischer, StGB, 58. Aufl.
[2011], § 73 Rdnrn. 3, 4 m. w. Nachw.). Der Umfang des Erlangten ist
zwingend nach Maßgabe dieses Prinzips zu bemessen.
12. Hiernach sind Vermögenswerte, die der Täter oder Teilnehmer
unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestands in irgendeiner
Phase des Tatablaufs unmittelbar erlangt hat, in ihrer Gesamtheit
abzuschöpfen, ohne dass Gegenleistungen oder sonstige
Aufwendungen in Abzug gebracht werden. Das gilt auch für den
Drittbegünstigten i. S. von § 73 III StGB, zumal dann, wenn er
Nutznießer der Tat ist (vgl. nur BGHSt 52, 227 = NStZ 2009, 275
Rdnr. 101m. w. Nachw.).
13. Müsste der von der Verfallsanordnung Betroffene lediglich die
Abschöpfung des Nettogewinns fürchten, so würde sich die
Tatbegehung für ihn als weitgehend risikolos erweisen. Den
Drittbegünstigten soll das Bruttoprinzip veranlassen, zur
Verhinderung solcher Taten wirksame Kontrollmechanismen zu
errichten oder aufrechtzuerhalten (BGHSt 52, 227 = NStZ 2009, 275
Rdnr. 101). Hieraus folgt, dass es nicht – wie der Angekl. N annimmt
– darauf ankommt, ob die jeweiligen Vermögensverhältnisse vor
und nach den Wertpapiergeschäften gleich sind, sondern darauf,
was die Angekl. bei den jeweiligen Geschäften an Aktienwerten
oder Verkaufserlösen erlangt haben. Gegebenenfalls ist über § 73c
StGB eine Berücksichtigung von Härten möglich.