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                Arbeitsrecht

                Aktuelle und wissenswerte Informationen aus dem Bereich "Arbeitsrecht" stellen unsere Partner,
                MAYR Kanzlei für Arbeitsrecht zur Verfügung.


                "Whistleblower" bekommt Recht

                Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte gibt Berliner Altenpflegerin Recht, die ihren Arbeitgeber Vivantes wegen
                Missständen in einem Pflegeheim angezeigt hatte. Der Whistleblower ist in den letzten Jahren zu einem arbeitsrechtlichen
                Begriff geworden, der insbesondere kündigungsrechtlich relevant ist. Ein Whistleblower ist ein Arbeitnehmer, der
                Missstände wie illegales Handeln (z. B. Korruption, Steuerhinterziehung) oder allgemeine Gefahren, von denen er an
                seinem Arbeitsplatz erfährt, an die Öffentlichkeit bringt. Verschiedene Skandale wie z.B. um Gammelfleisch, die
                fehlerhaften Statistiken der Bundesagentur für Arbeit oder Korruptionsvorfälle in der deutschen Industrie wären ohne
                Whistleblower nicht an die Öffentlichkeit gelangt. Die jeweils handelnden Personen haben noch mehr gemeinsam: sie
                haben ihren Arbeitsplatz verloren.

                Natürlich steht Whistleblowing im Spannungsfeld zwischen Loyalität zum Arbeitgeber und Öffentlichem Interesse an der
                Aufklärung von Missständen. Im Gegensatz zu den USA oder Großbritannien genießen Whistleblower jedoch in
                Deutschland weder gesetzlichen Schutz noch moralische Unterstützung. Während in den USA schon 2002 drei
                Whistleblower vom Time Magazine zur Person of the Year gekürt wurden, steht in Deutschland meist die
                Loyalitätsverletzung im Blickpunkt bzw. der Arbeitnehmer wird als Denunziant gesehen. Nach bisheriger Rechtsprechung
                war die Rechtslage unklar und verlagerte die Risiken weitgehend auf den Arbeitnehmer.




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Dienstag, 25. Oktober 2011
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                Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat durch seine Entscheidung vom 21.7.2011 die Rechte von
                Whistleblowern wesentlich gestärkt und die Bundesrepublik Deutschland wegen der Verletzung der Meinungsfreiheit zu
                Schadensersatz verurteilt.

                Hintergrund war der Fall der Berliner Altenpflegerin Brigitte H., die bei Vivantes beschäftigt war. 2004 wies sie ihren
                Arbeitgeber auf Missstände in dem Pflegeheim hin, in dem sie beschäftigt war. Als sich die Situation nicht besserte wand
                sich ihr Anwalt in ihrem Namen erneut an das Management. Obwohl zwischenzeitlich auch der medizinische Dienst der
                Krankenkassen die Mängel anprangerte, passierte nichts. Im Dezember 2004 zeigte Frau H. ihren Arbeitgeber wegen
                besonders schweren Betruges an. Daraufhin wurde sie 2005 fristlos entlassen. Die Staatsanwaltschaft stellte die
                Ermittlungen gegen Vivantes ein. Die Kündigungschutzklagen vor dem LAG Berlin Brandenburg und dem BAG hatten
                keinen Erfolg. Eine Verfassungsbeschwerde wurde nicht zugelassen. Die Kündigung sei wegen Verletzung der Loyalitäts-
                und Fürsorgepflicht dem Arbeitgeber gegenüber wirksam. Allerdings wand sich Frau H. zuletzt an den Europäische
                Gerichtshof für Menschenrechte. Dieser entschied am vergangenen Donnerstag und verurteilte die Bundesrepublik
                Deutschland wegen Verletzung der Meinungsfreiheit und verurteilte sie zu einer Entschädigungszahlung von 10.000 Euro

                Diese Entscheidung ist richtungweisend und gibt sogenannten Whistleblowern stärkere Rechte. Unmittelbare Folgen hat
                das Urteil zunächst für Vivantes, das die Vergütung für die vergangenen 7 Jahre nachzahlen und Frau H.
                weiterbeschäftigen muss. Zudem sind die deutschen Arbeitsgerichte gehalten, sich in ihrer Rechtsprechung
                europarechtskonform zu verhalten. Nach Auffassung des EGMR kann eine Kündigung nicht ausgesprochen werden, wenn
                der Arbeitnehmer die Missstände zunächst bei seinem Arbeitgeber anzeigt. Zudem muss ihre Veröffentlichung im
                öffentlichen Interesse liegen und der Arbeitnehmer muss in gutem Glauben handeln. Dann kann der Arbeitnehmer sich
                ungestraft an die zuständige Behörde wenden. Irrelevant ist, ob die Strafanzeige tatsächlich berechtigt war. Denn von
                einer Person, die Strafanzeige erstattet, kann nicht verlangt werden, vorauszusehen, ob die Ermittlungen zu einer
                Anklage führen oder eingestellt werden.




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Dienstag, 25. Oktober 2011
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                Nachdem bereits Die Grünen und die SPD an Gesetzesentwürfen arbeiten, wird nach dem Urteil des EGMR wohl auch die
                Regierung tätig werden müssen. Eine erste Stellungnahme der Bundesjustizministerin zeigt, dass zumindest eine lebhafte
                Diskussion, wie man mit Whistleblowing umgeht, erwartet wird. Denn auch wenn sich der Arbeitgeber auf die Loyalität
                seiner Mitarbeiter verlassen muss, gibt es auf der anderen Seite ein öffentliches Interesse an Information über
                Missstände. Für die Arbeitnehmerseite bedeutet dies mehr Rechtssicherheit im Arbeitsleben. Arbeitgebern ist zu
                empfehlen, auf innerbetriebliche Anzeigen sensibel zu reagieren, um einer Anzeige und auch einer ggf. unwirksamen
                Kündigung vorzubeugen.

                © 2011 Lorenz Mayr - Rechtsanwalt - Fachanwalt für Arbeitsrecht
                MAYR Kanzlei für Arbeitsrecht www.mayr-arbeitsrecht.de.




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Dienstag, 25. Oktober 2011

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DESIGNERDOCK Rechttipp: ''Whistleblower'' bekommt Recht

  • 1. Personalberatung für die Kommunikationsbranche Arbeitsrecht Aktuelle und wissenswerte Informationen aus dem Bereich "Arbeitsrecht" stellen unsere Partner, MAYR Kanzlei für Arbeitsrecht zur Verfügung. "Whistleblower" bekommt Recht Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte gibt Berliner Altenpflegerin Recht, die ihren Arbeitgeber Vivantes wegen Missständen in einem Pflegeheim angezeigt hatte. Der Whistleblower ist in den letzten Jahren zu einem arbeitsrechtlichen Begriff geworden, der insbesondere kündigungsrechtlich relevant ist. Ein Whistleblower ist ein Arbeitnehmer, der Missstände wie illegales Handeln (z. B. Korruption, Steuerhinterziehung) oder allgemeine Gefahren, von denen er an seinem Arbeitsplatz erfährt, an die Öffentlichkeit bringt. Verschiedene Skandale wie z.B. um Gammelfleisch, die fehlerhaften Statistiken der Bundesagentur für Arbeit oder Korruptionsvorfälle in der deutschen Industrie wären ohne Whistleblower nicht an die Öffentlichkeit gelangt. Die jeweils handelnden Personen haben noch mehr gemeinsam: sie haben ihren Arbeitsplatz verloren. Natürlich steht Whistleblowing im Spannungsfeld zwischen Loyalität zum Arbeitgeber und Öffentlichem Interesse an der Aufklärung von Missständen. Im Gegensatz zu den USA oder Großbritannien genießen Whistleblower jedoch in Deutschland weder gesetzlichen Schutz noch moralische Unterstützung. Während in den USA schon 2002 drei Whistleblower vom Time Magazine zur Person of the Year gekürt wurden, steht in Deutschland meist die Loyalitätsverletzung im Blickpunkt bzw. der Arbeitnehmer wird als Denunziant gesehen. Nach bisheriger Rechtsprechung war die Rechtslage unklar und verlagerte die Risiken weitgehend auf den Arbeitnehmer. Tel. 0049. (0)30. 59 69 66 19 e-Mail info@designerdock.de www.designerdock.de Dienstag, 25. Oktober 2011
  • 2. Personalberatung für die Kommunikationsbranche Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat durch seine Entscheidung vom 21.7.2011 die Rechte von Whistleblowern wesentlich gestärkt und die Bundesrepublik Deutschland wegen der Verletzung der Meinungsfreiheit zu Schadensersatz verurteilt. Hintergrund war der Fall der Berliner Altenpflegerin Brigitte H., die bei Vivantes beschäftigt war. 2004 wies sie ihren Arbeitgeber auf Missstände in dem Pflegeheim hin, in dem sie beschäftigt war. Als sich die Situation nicht besserte wand sich ihr Anwalt in ihrem Namen erneut an das Management. Obwohl zwischenzeitlich auch der medizinische Dienst der Krankenkassen die Mängel anprangerte, passierte nichts. Im Dezember 2004 zeigte Frau H. ihren Arbeitgeber wegen besonders schweren Betruges an. Daraufhin wurde sie 2005 fristlos entlassen. Die Staatsanwaltschaft stellte die Ermittlungen gegen Vivantes ein. Die Kündigungschutzklagen vor dem LAG Berlin Brandenburg und dem BAG hatten keinen Erfolg. Eine Verfassungsbeschwerde wurde nicht zugelassen. Die Kündigung sei wegen Verletzung der Loyalitäts- und Fürsorgepflicht dem Arbeitgeber gegenüber wirksam. Allerdings wand sich Frau H. zuletzt an den Europäische Gerichtshof für Menschenrechte. Dieser entschied am vergangenen Donnerstag und verurteilte die Bundesrepublik Deutschland wegen Verletzung der Meinungsfreiheit und verurteilte sie zu einer Entschädigungszahlung von 10.000 Euro Diese Entscheidung ist richtungweisend und gibt sogenannten Whistleblowern stärkere Rechte. Unmittelbare Folgen hat das Urteil zunächst für Vivantes, das die Vergütung für die vergangenen 7 Jahre nachzahlen und Frau H. weiterbeschäftigen muss. Zudem sind die deutschen Arbeitsgerichte gehalten, sich in ihrer Rechtsprechung europarechtskonform zu verhalten. Nach Auffassung des EGMR kann eine Kündigung nicht ausgesprochen werden, wenn der Arbeitnehmer die Missstände zunächst bei seinem Arbeitgeber anzeigt. Zudem muss ihre Veröffentlichung im öffentlichen Interesse liegen und der Arbeitnehmer muss in gutem Glauben handeln. Dann kann der Arbeitnehmer sich ungestraft an die zuständige Behörde wenden. Irrelevant ist, ob die Strafanzeige tatsächlich berechtigt war. Denn von einer Person, die Strafanzeige erstattet, kann nicht verlangt werden, vorauszusehen, ob die Ermittlungen zu einer Anklage führen oder eingestellt werden. Tel. 0049. (0)30. 59 69 66 19 e-Mail info@designerdock.de www.designerdock.de Dienstag, 25. Oktober 2011
  • 3. Personalberatung für die Kommunikationsbranche Nachdem bereits Die Grünen und die SPD an Gesetzesentwürfen arbeiten, wird nach dem Urteil des EGMR wohl auch die Regierung tätig werden müssen. Eine erste Stellungnahme der Bundesjustizministerin zeigt, dass zumindest eine lebhafte Diskussion, wie man mit Whistleblowing umgeht, erwartet wird. Denn auch wenn sich der Arbeitgeber auf die Loyalität seiner Mitarbeiter verlassen muss, gibt es auf der anderen Seite ein öffentliches Interesse an Information über Missstände. Für die Arbeitnehmerseite bedeutet dies mehr Rechtssicherheit im Arbeitsleben. Arbeitgebern ist zu empfehlen, auf innerbetriebliche Anzeigen sensibel zu reagieren, um einer Anzeige und auch einer ggf. unwirksamen Kündigung vorzubeugen. © 2011 Lorenz Mayr - Rechtsanwalt - Fachanwalt für Arbeitsrecht MAYR Kanzlei für Arbeitsrecht www.mayr-arbeitsrecht.de. Tel. 0049. (0)30. 59 69 66 19 e-Mail info@designerdock.de www.designerdock.de Dienstag, 25. Oktober 2011