Prof. Dr. Friedrich Loock: Weder Hexenwerk noch Bedrohung. Was Kultur-Führungskräfte auch in nicht-kaufmännischen Funktionen über betriebliches Rechnungswesen wissen sollten
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Prof. Dr. Friedrich Loock: Weder Hexenwerk noch Bedrohung. Was Kultur-Führungskräfte auch in nicht-kaufmännischen Funktionen über betriebliches Rechnungswesen wissen sollten
1. F 1.3
Weder Hexenwerk noch Bedrohung
Was Kultur-Führungskräfte auch in nicht-kaufmännischen Funktionen
über betriebliches Rechnungswesen wissen sollten
Prof. Dr. Friedrich Loock
Es scheint in der Kulturszene – vor allem der öffentlich getragenen – immer noch „chic“ zu sein,
sich den Anforderungen eines Rechnungswesens pauschal und reflexartig zu widersetzen. Kultur-
verantwortliche kokettieren gern mit einer gewissen Unwilligkeit im Umgang mit Wirtschaftsdaten.
Diese Haltung mag man persönlich pflegen, doch ist sie für Funktionsträger in Kulturbetrieben
weder hilfreich noch klug. Sich den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Betriebsführung zu
widersetzen, fügt dem Betrieb höchstwahrscheinlich schweren Schaden zu. Auch wenn manche
gern das Gegenteil erzwingen wollen: Für Kulturbetriebe gelten keine Sonderregeln (mehr). Es
empfiehlt sich, das Unausweichliche bestmöglich anzuerkennen – und auf diesem Wege zu entde-
cken, dass ein betriebliches Rechnungswesen mehr hilfreiche als schädliche Aspekte aufweist.
Gliederung Seite
1. „Feindbild BWL“? 2
2. Wirtschaftliches Denken und Handeln 5
3. Die Kameralistik 7
4. Die Finanzbuchhaltung 10
4.1 Die „ordnungsgemäße Buchführung“ 11
4.2 Bilanz und GuV 12
5. Das interne Rechnungswesen 14
5.1 Budget 15
5.2 Kostenartenrechnung 16
5.3 Kostenstellenrechnung 17
5.4 Kostenträgerrechnung 18
6. Fazit 19
1
2. F 1.3 Finanzierung und Förderung
Finanzmanagement
1. „Feindbild BWL“?
Betriebswirtschaft: Insbesondere in der Kulturszene wird „betriebliches Rechnungswesen“
Bedrohung für immer wieder mit „Betriebswirtschaftlehre (BWL)“ in einen Topf gewor-
Kreativität? fen und anschließend – häufig unreflektiert – verdammt. Als Begründung
dafür ist dann, durchaus auch auf Vorstands- und Intendantenebene, zu
hören, dass betriebswirtschaftliche Anforderungen die künstlerische
Arbeit und die Kreativität einschränkten oder gar behinderten. Dass
diese Sorge im Grundsatz vollkommen unbegründet ist, wissen dieje-
nigen, die sich mit dem Gegenstand „BWL“ eingehender befasst ha-
ben. Grundsätzlich dokumentieren auch (oder gerade) Fehleinschät-
zungen: Es besteht dringender Klärungs- und Aufklärungsbedarf.
Keineswegs kann ausgeschlossen werden, dass in manchen Kulturein-
richtungen die betriebswirtschaftlichen Anforderungen falsch dosiert
und eingesetzt werden. Dass dies zu Irritationen und zuweilen auch zu
Abwehrhaltungen führt, ist dann durchaus verständlich. Aber hier ist
nicht die „Betriebswirtschaft“ und mit ihr auch nicht das „betriebliche
Rechnungswesen“ verantwortlich für Missverständnisse, sondern es
sind ausschließlich deren Anwender. Wenn Mitarbeiter, die für das
betriebliche Rechnungswesen zuständig und verantwortlich sind, ihre
Anforderungen mit lapidaren Hinweisen, wie z. B. „Das fordert das
Finanzamt so“, durchzusetzen versuchen, dann sind dies tatsächlich
nicht selten nur Schutzbehauptungen. Ohne Frage fordert das Finanz-
amt die Einhaltung von Vorschriften. Aber ob immer all das, was als
dessen Vorgabe geschildert wird, auch tatsächlich dessen Anforderun-
gen entspricht, sollte zumindest hinterfragt werden dürfen.
Betriebswirtschaftlichen Diese, nicht selten durchaus berechtigten, Rückfragen bleiben aber
Zusammenhänge vielfach aus, da insbesondere bei künstlerischen Mitarbeitern eine
kennen enorme Unsicherheit im Umgang mit dem betrieblichen Rechnungs-
wesen – und in der Wahrnehmung vieler: mit der Betriebswirtschaft
allgemein – besteht. Dabei handelt es sich hierbei keineswegs um ein
Ungetüm, dessen Wesen und Wirken für „Nicht-BWLer“ kaum er-
fassbar ist. Wer in einem Kulturbetrieb eine verantwortliche Funktion
innehat – und das beginnt bereits auf der unteren Management-Ebene
–, die/der sollte unbedingt das Wichtigste über betriebswirtschaftliche
Zusammenhänge kennen, um angemessen entscheiden zu können.
Mit eben diesen betrieblichen Zusammenhängen befasst sich die „Lehre
des betrieblichen Wirtschaftens“. Auch wenn es manche Wissenschaftler
anderer Disziplinen nicht wahrhaben wollen, so ist doch auch die „Be-
triebswirtschaftslehre“ im Grundsatz eine wissenschaftliche Disziplin.
Die zahlreichen wissenschaftlichen Disziplinen, wie wir sie heute prakti-
zieren, waren keineswegs seit jeher getrennt. Die Repräsentanten der
antiken Philosophie waren Universalgelehrte. Sie trafen grundlegende
Aussagen zu Natur und Kultur. Insbesondere die Kultur, also das Zu-
sammenleben in Gesellschaften und die Prinzipien eines richtigen und
2
3. Finanzierung und Förderung F 1.3
Finanzmanagement
gerechten Lebens, beschäftigte sie. Die damaligen Philosophen waren
Natur-, Sozial-, Geisteswissenschaftler und Ethiker in einer Person. Erst
sehr viel später spalteten sich daraus die Einzeldisziplinen ab. Auch ist
der heutige Stand der wissenschaftlichen Disziplinen nur ein Zwischen-
stadium der akademischen Fortentwicklung. In wenigen Jahren wird die
Wissenschaftslandschaft sicherlich anders aussehen als heute. Neue wis-
senschaftliche Disziplinen werden entstehen, andere ggf. verschwinden.
Wo lässt sich nun die Betriebswirtschaftslehre einordnen? Die nach- Die BWL im Konzert
folgende Abbildung stellt eine Einteilung von Wissenschaften dar und des Wissenschaften
konzentriert sich dabei auf den Weg von den Wissenschaften im All-
gemeinen hin zur Betriebswirtschaftslehre.
Abb. F 1.3-1 Einordnung der Betriebswirtschaftslehre (Quelle: Bode 2007, S. 27)
Entsprechend der Abbildung kann man Be-
triebswirtschaftslehre folgendermaßen defi-
nieren:
Als „Nachbarschafts-Disziplinen“ der Be-
triebswirtschaftslehre fungieren aber keines- „Betriebswirtschaftslehre ist eine Sozialwissen-
wegs ausschließlich nur die Volkswirtschafts- schaft, denn sie beschäftigt sich mit einem
lehre und die Finanzwissenschaft. Da die Be- gesellschaftlichen Untersuchungsgegenstand.
triebswirtschaftslehre eine Sozialwissenschaft Sie zählt zu den Wirtschaftswissenschaften, die
ist, muss sie sich auch soziale sowie physi- den Umgang mit knappen Gütern untersuchen.
sche und psychische Fragen stellen. Folglich In diesem Zusammenhang konzentriert sie sich
gilt es, auch Impulse aus anderen Disziplinen darauf, betriebliches Handeln zu untersuchen
und den Bestand an Wissen zu diesem Unter-
aufzunehmen, so z. B.
suchungsgegenstand zu erhöhen.“ (Bode 2007,
S. 26)
– aus der Medizin, da Menschen im Betrieb
körperliche Leistungen erbringen;
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4. F 1.3 Finanzierung und Förderung
Finanzmanagement
– aus der Psychologie, da Mitarbeiter von (intrinsischen und extrinsi-
schen) Motivationen geleitet werden, woran sich insbesondere
Führungskräfte orientieren sollten;
– aus der Soziologie, da es sich bei einem Betrieb um ein soziales
Gebilde mit Organisations-Strukturen und mit Organisations-
Prozessen handelt, die auch für betriebswirtschaftliche Zusammen-
hänge von Bedeutung sind.
BWL braucht Ethik und Beim Umgang mit Menschen gibt es immer auch Diskussionen um
Philosophie gerechtes und verantwortliches Verhalten. In einem betrieblichen Kon-
text stellt sich daher berechtigterweise unter anderem die Frage, ob man
dem Gewinnstreben (in einem kommerziell ausgerichteten Betrieb)
bzw. der Nutzenstiftung (in einem gemeinnützig ausgerichteten Betrieb)
alles unterordnen darf oder ob die Rechte der Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter den betrieblichen Interessen vorzuziehen sind. Darf der
Erhalt eines Betriebes zu Lasten kommender Generationen erzielt wer-
den, indem man die Schuldenlast erhöht, um das betriebliche Gesche-
hen zu subventionieren? Diese und weitere Fragen stehen in ethischen
Zusammenhängen und erfordern auch von einer Betriebswirtschafts-
lehre die Auseinandersetzung mit philosophischen Erörterungen.
BWL: Keine eigenen Betriebswirtschaftslehre umfasst folglich ein breites Spektrum. Das ist
Erkenntnisse? ihre Chance und zugleich ihr Risiko – denn sie „mischt“ sich in zahl-
reiche andere Disziplinen ein bzw. nutzt deren Erkenntnisse, ohne
vermeintlich etwas Eigenes zur akademischen Entwicklung beizutra-
gen. Das aber trifft nicht zu. Denn die Zusammenführung all jener
Impulse formt durchaus eine neue, eigenständige wissenschaftliche
Disziplin:
– Funktionenlehre: Die BWL beschreibt im ersten Schritt Ergebnisse
und Erkenntnisse, die für alle Betriebe gleichermaßen gelten; daher
„Lehre des betrieblichen Wirtschaftens“.
– Institutionenlehre: Die BWL geht im zweiten Schritt auf das Den-
ken und Handeln in unterschiedlich geprägten Betrieben ein; dar-
unter auch „Kulturbetriebe“.
– Methodenlehre: Die BWL ist bestrebt, die theoretischen Erkennt-
nisse in praktisches Handeln zu überführen. Dazu entwickelt sie
Methoden, die im betrieblichen Alltag angewendet werden können.
Rechnungswesen ist nur Erkennbar wird an dieser kurzen disziplinären Einordnung, dass ein
ein Teil von BWL betriebliches Rechnungswesen keineswegs gleichbedeutend ist mit
Betriebswirtschaftslehre. Vielmehr ist es nur ein Teilgebiet dieser.
Jedoch: Das betriebliche Rechnungswesen ist innerhalb der BWL von
durchaus übergeordneter Relevanz, weshalb es sich auch für besagte
„Nicht-BWLer“ empfiehlt, sich mit den Grundanforderungen eines
betrieblichen Rechnungswesens zu befassen.
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