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W
enn Menschen erkranken, richtet
sich meist das ganze Augenmerk
auf die Heilung. Doch Krankhei-
ten schaffen auch Konflikte: in der Familie
etwa, im Freundeskreis oder im beruflichen
Umfeld. Diesen wenig beachteten Auseinan-
dersetzungen widmet sich seit einiger Zeit der
Allgemeinmediziner und Mediator Heinz Pi-
lartz. Ein Gespräch über die Hilflosigkeit von
Patienten, konstruktive Lösungsansätze und
dieFragenachdenKosten.
Herr Dr. Pilartz: Sie haben 2016 die „Initi-
ative Mediation und Gesundheit“ gegrün-
det.WaswarderAuslöserdafür?
GesundheitisteinesehrpersönlicheAngelegen-
heit. Gesundheit und ihre Einschränkung sind
aberauchThemen,dienichtnur denEinzelnen
betreffen.Fürdie„persönliche“Seitegibtesein
großesAngebotanUnterstützungundHilfe: die
Medizin, den gesamten pflegerischen Bereich.
Wenn es aber um die Folgen von Gesundheits-
einschränkungen für die Familie oder das (be-
rufliche) Umfeld im weiteren Sinne geht, ist es
schwierig,unparteiischeUnterstützungzufin-
den.AlsArztundMediatorsindmirvieleKon-
flikteindiesemZusammenhangbegegnet.Wir
wollenindiesemFelddenZugangzuMediation,
seiesimKonfliktoderpräventiv,alseigenstän-
digesAngebotetablieren.
IneinemBuchvon2011schreibteinKollege
von Ihnen, das Gesundheitswesen sei „re-
sistent gegen konstruktive Konfliktlösun-
gen“.Wasistdamitgemeint?
EsgibtvieleKlagenrundumdasGesundheits-
system:zuteuer,zuwenigZeit,Patientenfühlen
sichnichteinbezogen,sondernhilflosausgelie-
fert,esgibteineUnzufriedenheitmitderKom-
munikation oder der Aufklärung. In der Kom-
plexität der Problemlagen gibt es keine einfa-
chenLösungen.DieunterschiedlichenAkteure
im Gesundheitsbereich sehen die Probleme,
jeder für sich alleine kann aber nicht abhelfen.
KonstruktiveLösungenwerdenerstdannmög-
lich, wenn alle unterschiedlichen Interessen
und Einflussgrößen beachtet werden. Daher
brauchtesRäumederBegegnungunddesAus-
tausches zwischen den Professionen, um Ver-
änderungen anzustoßen. Diskussionen dürfen
aber die Interessen der Patienten nicht unbe-
achtetlassen.DieseProzessebrauchenZeit.Vor
allem weil es auch um unterschiedliche Werte
undÜberzeugungengeht:Lebensqualität,Ethik
oderWirtschaftlichkeit...
Um welche Konflikte geht es bei Ihrer Ar-
beit?KönnenSieeinigeBeispielenennen?
DieAuswirkungenvonGesundheitseinschrän-
kungen sind in jedem Lebensbereich, in dem
Menschen miteinander interagieren, relevant.
Wovorher„alles“funktionierte,ist„jetzt“nichts
mehrklar.DieGeschwistersuchennachEinver-
nehmlichkeit im Zusammenhang mit der pfle-
gebedürftigen Mutter. Das Paar gerät in eine
Krise, weil die Vorstellungen des Erkrankten
und des „betreuenden“ Partners auseinander
klaffen. Autonomie, Selbstverantwortung und
Fürsorge geraten leicht in Dysbalance. Am Ar-
beitsplatzführtdieEinschränkungoderErkran-
kungdesEinendazu,dassAnderemehrleisten
müssen. Unterschiedliche Auffassungen zum
KrankheitsverständnisundzurArbeitshaltung
führenzuKonfliktenzwischenKollegen.Teams
geraten durcheinander, weil Krankheit nicht
einvernehmlichintegriertwird.
GESUNDHEIT Wo Krankheiten
mehr verursachen als Schmer-
zen, will die Mediation helfen
„Dieser Prozess braucht Zeit“
Mediation im Gesundheitsbereich: Oft lösen Krankheiten im privaten oder beruflichen Umfeld Konflikte aus
Foto:Shutterstock
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Wie kann Mediation hier konkret helfen –
undanwenrichtetsichdieMediation?
Mediation richtet sich an alle, die aus eigener
KraftentsprechendeKonfliktenichtlösenkön-
nen.IstersteinmaleineskalierterZustand ent-
standen,isteinkonstruktiver Austauschkaum
möglich. Vorwürfe, enttäuschte Erwartungen
behindern. Durch Mediation wird die Kon-
fliktlösungohne„Gesichtsverlust“möglich.Der
MediatorstelltklärendeFragen,dieerselbstfür
dasErfassenderProblematikbraucht.AlleAn-
wesenden hören die entsprechenden Stellung-
nahmen. Die Gedanken werden in der Regel
visualisiert und dann gemeinsam reflektiert.
DasVerständnisfürdieSichtweisederanderen
Seite wächst, wenn mehr als Schlagworte aus-
getauschtwerden.DieserProzessbrauchtZeit.
WiegenausiehteinesolcheMediationdann
aus?WaserwartetdieTeilnehmer?
Alle Betroffenen treffen sich gemeinsam. Der
Mediator übernimmt die Gesprächsführung.
ZunächstwerdenVoraussetzungengeklärt:Ver-
traulichkeit, Freiwilligkeit, Ergebnisoffenheit.
Dann wird das Thema für den Austausch for-
muliert. Im Anschluss werden die Bedürfnisse
aller Gesprächsbeteiligten zu diesem Thema
bearbeitet. Die Mediation endet mit einer ein-
vernehmlichenVereinbarung,dievomMediator
dokumentiertwird.
Was für einen Hintergrund haben die Me-
diatoren?
Mediation ist mittlerweile gesetzlich geregelt:
Der zertifizierte Mediator braucht eine festge-
legte Ausbildung,musssichregelmäßigfortbil-
den und Supervision in Anspruch nehmen.
Dabei haben Mediatoren unterschiedliche Ur-
sprungsberufe;esgibtvieleJuristen,Psycholo-
gen, Pädagogen, aber auch ganz andere Profes-
sionen.
WieistdieReaktionvonMedizinernaufIhr
Projekt?
MedizinerhabendieBehandlungvonKrankheit
im Fokus. Damit blicken sie bevorzugt auf den
Betroffenen. Mediatoren bieten ihre Leistung
zum Beispiel für die ganze Familie an. Damit
zielt die Unterstützung in eine ganz andere
Richtung.SokönntendieMedizinereinegroße
Entlastungerfahren.Traditionellfühlensiesich
aberauchfürdieseFragestellungenverantwort-
lich. In ihrer „Fürsorge“ fällt es ihnen schwer,
sichzuentlasten.HiergibtesnochvielAufklä-
rungsbedarf.KonkretaufMediationangespro-
chenistdieRückmeldungpositiv.
BeziehenSieÄrzteindieMediationmitein?
DerMediatorbesprichtmitdenBeteiligten,wer
anderMediationteilnimmtundweralsExperte
im Hintergrund befragt werden kann. Wenn
Medizinerpersönlichteilnehmen,sindsieent-
wederunmittelbarbetroffen(Arzthaftung)oder
es geht am ehesten um ein gestörtes Vertrau-
ensverhältnis von Arzt und Patient und/oder
FamilieundArzt.DieTeilnahmedesMediziner,
wie aller Gesprächsteilnehmer, ist immer frei-
willig.
EineganzkonkreteFrage:Wiesiehtesmit
den Kosten aus? Gibt es eine Erstattung
durchdieKasse?
Kassenleistung ist unser Angebot nicht. In Ge-
sprächemitKrankenkassenundPolitiksolleine
solche Beteiligung aber angestoßen wer-
den(auchdeswegendieVereinsgründung).Die
Kosten von Mediation richten sich nach der
benötigten Zeit; zwischen 1 ½ Stunden bis 3
StundenproSitzungsindüblich.DerStunden-
satz ist sehr unterschiedlich, je nachdem was
geregeltwerdensoll.GehtesumArzthaftungs-
fragen,sindi.d.R.auchJuristenmiteinbezogen,
was zu höheren Kosten führt als Regelungen
innerhalbeinerFamilie.DerPreiswirdmitdem
Mediatorvereinbart,ebenso dieAnzahlderSit-
zungen, wobei die Medinaden die Mediation
jederzeitbeendenkönnen.
MitwievielenTerminenmüssenPatienten
rechnen?
Es ist nicht selten, dass nur 1 Termin erforder-
lich ist (Katalysatorenfunktion). Es gibt aber
auchSituationen,indenenimVerlauflängerer
Zeitabschnittimmerwiedereinmalein Treffen
vereinbartwird(dasisteineBesonderheit,wenn
Gesundheit der Grund für die Mediation ist).
Allgemeine Aussagen lassen sich nur schwer
treffen.
Angenommen, ich suche einen passenden
Mediator in meiner Umgebung: An wen
kannichmichwenden?
WirhabenauchdasZiel,Interessiertenbeider
SuchenacheinemgeeignetenMediatorkosten-
lose Unterstützung zu bieten, insofern kann
mansichgerneanunswenden.Eswirdfürgute
Qualitätgesorgtund zeit-undortsnah ein Kon-
takt benannt. Interview:FlorianBlaschke
Informationen und Kontakt
Die „Initiative Mediation und Gesundheit“
wurde 2016 in Alfter bei Bonn gegründet.
Ihr Ziel: Mediation neben Beratung und
Therapie als notwendige Alternative im
Gesundheitsumfeld zu etablieren.
Telefonisch können Sie den Verein unter
02222/64 88 29 erreichen, per Fax oder
E-Mail unter 02222/64 88 31 und unter
info@imug.eu. Im Internet können Sie die
Initiative unter www.imug.eu finden.
Vermittler: Heinz Pilartz will die Mediation als notwendige Alternative im Gesundheitsumfeld etablieren. Den
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  • 1. 12 W enn Menschen erkranken, richtet sich meist das ganze Augenmerk auf die Heilung. Doch Krankhei- ten schaffen auch Konflikte: in der Familie etwa, im Freundeskreis oder im beruflichen Umfeld. Diesen wenig beachteten Auseinan- dersetzungen widmet sich seit einiger Zeit der Allgemeinmediziner und Mediator Heinz Pi- lartz. Ein Gespräch über die Hilflosigkeit von Patienten, konstruktive Lösungsansätze und dieFragenachdenKosten. Herr Dr. Pilartz: Sie haben 2016 die „Initi- ative Mediation und Gesundheit“ gegrün- det.WaswarderAuslöserdafür? GesundheitisteinesehrpersönlicheAngelegen- heit. Gesundheit und ihre Einschränkung sind aberauchThemen,dienichtnur denEinzelnen betreffen.Fürdie„persönliche“Seitegibtesein großesAngebotanUnterstützungundHilfe: die Medizin, den gesamten pflegerischen Bereich. Wenn es aber um die Folgen von Gesundheits- einschränkungen für die Familie oder das (be- rufliche) Umfeld im weiteren Sinne geht, ist es schwierig,unparteiischeUnterstützungzufin- den.AlsArztundMediatorsindmirvieleKon- flikteindiesemZusammenhangbegegnet.Wir wollenindiesemFelddenZugangzuMediation, seiesimKonfliktoderpräventiv,alseigenstän- digesAngebotetablieren. IneinemBuchvon2011schreibteinKollege von Ihnen, das Gesundheitswesen sei „re- sistent gegen konstruktive Konfliktlösun- gen“.Wasistdamitgemeint? EsgibtvieleKlagenrundumdasGesundheits- system:zuteuer,zuwenigZeit,Patientenfühlen sichnichteinbezogen,sondernhilflosausgelie- fert,esgibteineUnzufriedenheitmitderKom- munikation oder der Aufklärung. In der Kom- plexität der Problemlagen gibt es keine einfa- chenLösungen.DieunterschiedlichenAkteure im Gesundheitsbereich sehen die Probleme, jeder für sich alleine kann aber nicht abhelfen. KonstruktiveLösungenwerdenerstdannmög- lich, wenn alle unterschiedlichen Interessen und Einflussgrößen beachtet werden. Daher brauchtesRäumederBegegnungunddesAus- tausches zwischen den Professionen, um Ver- änderungen anzustoßen. Diskussionen dürfen aber die Interessen der Patienten nicht unbe- achtetlassen.DieseProzessebrauchenZeit.Vor allem weil es auch um unterschiedliche Werte undÜberzeugungengeht:Lebensqualität,Ethik oderWirtschaftlichkeit... Um welche Konflikte geht es bei Ihrer Ar- beit?KönnenSieeinigeBeispielenennen? DieAuswirkungenvonGesundheitseinschrän- kungen sind in jedem Lebensbereich, in dem Menschen miteinander interagieren, relevant. Wovorher„alles“funktionierte,ist„jetzt“nichts mehrklar.DieGeschwistersuchennachEinver- nehmlichkeit im Zusammenhang mit der pfle- gebedürftigen Mutter. Das Paar gerät in eine Krise, weil die Vorstellungen des Erkrankten und des „betreuenden“ Partners auseinander klaffen. Autonomie, Selbstverantwortung und Fürsorge geraten leicht in Dysbalance. Am Ar- beitsplatzführtdieEinschränkungoderErkran- kungdesEinendazu,dassAnderemehrleisten müssen. Unterschiedliche Auffassungen zum KrankheitsverständnisundzurArbeitshaltung führenzuKonfliktenzwischenKollegen.Teams geraten durcheinander, weil Krankheit nicht einvernehmlichintegriertwird. GESUNDHEIT Wo Krankheiten mehr verursachen als Schmer- zen, will die Mediation helfen „Dieser Prozess braucht Zeit“ Mediation im Gesundheitsbereich: Oft lösen Krankheiten im privaten oder beruflichen Umfeld Konflikte aus Foto:Shutterstock
  • 2. 20 Wie kann Mediation hier konkret helfen – undanwenrichtetsichdieMediation? Mediation richtet sich an alle, die aus eigener KraftentsprechendeKonfliktenichtlösenkön- nen.IstersteinmaleineskalierterZustand ent- standen,isteinkonstruktiver Austauschkaum möglich. Vorwürfe, enttäuschte Erwartungen behindern. Durch Mediation wird die Kon- fliktlösungohne„Gesichtsverlust“möglich.Der MediatorstelltklärendeFragen,dieerselbstfür dasErfassenderProblematikbraucht.AlleAn- wesenden hören die entsprechenden Stellung- nahmen. Die Gedanken werden in der Regel visualisiert und dann gemeinsam reflektiert. DasVerständnisfürdieSichtweisederanderen Seite wächst, wenn mehr als Schlagworte aus- getauschtwerden.DieserProzessbrauchtZeit. WiegenausiehteinesolcheMediationdann aus?WaserwartetdieTeilnehmer? Alle Betroffenen treffen sich gemeinsam. Der Mediator übernimmt die Gesprächsführung. ZunächstwerdenVoraussetzungengeklärt:Ver- traulichkeit, Freiwilligkeit, Ergebnisoffenheit. Dann wird das Thema für den Austausch for- muliert. Im Anschluss werden die Bedürfnisse aller Gesprächsbeteiligten zu diesem Thema bearbeitet. Die Mediation endet mit einer ein- vernehmlichenVereinbarung,dievomMediator dokumentiertwird. Was für einen Hintergrund haben die Me- diatoren? Mediation ist mittlerweile gesetzlich geregelt: Der zertifizierte Mediator braucht eine festge- legte Ausbildung,musssichregelmäßigfortbil- den und Supervision in Anspruch nehmen. Dabei haben Mediatoren unterschiedliche Ur- sprungsberufe;esgibtvieleJuristen,Psycholo- gen, Pädagogen, aber auch ganz andere Profes- sionen. WieistdieReaktionvonMedizinernaufIhr Projekt? MedizinerhabendieBehandlungvonKrankheit im Fokus. Damit blicken sie bevorzugt auf den Betroffenen. Mediatoren bieten ihre Leistung zum Beispiel für die ganze Familie an. Damit zielt die Unterstützung in eine ganz andere Richtung.SokönntendieMedizinereinegroße Entlastungerfahren.Traditionellfühlensiesich aberauchfürdieseFragestellungenverantwort- lich. In ihrer „Fürsorge“ fällt es ihnen schwer, sichzuentlasten.HiergibtesnochvielAufklä- rungsbedarf.KonkretaufMediationangespro- chenistdieRückmeldungpositiv. BeziehenSieÄrzteindieMediationmitein? DerMediatorbesprichtmitdenBeteiligten,wer anderMediationteilnimmtundweralsExperte im Hintergrund befragt werden kann. Wenn Medizinerpersönlichteilnehmen,sindsieent- wederunmittelbarbetroffen(Arzthaftung)oder es geht am ehesten um ein gestörtes Vertrau- ensverhältnis von Arzt und Patient und/oder FamilieundArzt.DieTeilnahmedesMediziner, wie aller Gesprächsteilnehmer, ist immer frei- willig. EineganzkonkreteFrage:Wiesiehtesmit den Kosten aus? Gibt es eine Erstattung durchdieKasse? Kassenleistung ist unser Angebot nicht. In Ge- sprächemitKrankenkassenundPolitiksolleine solche Beteiligung aber angestoßen wer- den(auchdeswegendieVereinsgründung).Die Kosten von Mediation richten sich nach der benötigten Zeit; zwischen 1 ½ Stunden bis 3 StundenproSitzungsindüblich.DerStunden- satz ist sehr unterschiedlich, je nachdem was geregeltwerdensoll.GehtesumArzthaftungs- fragen,sindi.d.R.auchJuristenmiteinbezogen, was zu höheren Kosten führt als Regelungen innerhalbeinerFamilie.DerPreiswirdmitdem Mediatorvereinbart,ebenso dieAnzahlderSit- zungen, wobei die Medinaden die Mediation jederzeitbeendenkönnen. MitwievielenTerminenmüssenPatienten rechnen? Es ist nicht selten, dass nur 1 Termin erforder- lich ist (Katalysatorenfunktion). Es gibt aber auchSituationen,indenenimVerlauflängerer Zeitabschnittimmerwiedereinmalein Treffen vereinbartwird(dasisteineBesonderheit,wenn Gesundheit der Grund für die Mediation ist). Allgemeine Aussagen lassen sich nur schwer treffen. Angenommen, ich suche einen passenden Mediator in meiner Umgebung: An wen kannichmichwenden? WirhabenauchdasZiel,Interessiertenbeider SuchenacheinemgeeignetenMediatorkosten- lose Unterstützung zu bieten, insofern kann mansichgerneanunswenden.Eswirdfürgute Qualitätgesorgtund zeit-undortsnah ein Kon- takt benannt. Interview:FlorianBlaschke Informationen und Kontakt Die „Initiative Mediation und Gesundheit“ wurde 2016 in Alfter bei Bonn gegründet. Ihr Ziel: Mediation neben Beratung und Therapie als notwendige Alternative im Gesundheitsumfeld zu etablieren. Telefonisch können Sie den Verein unter 02222/64 88 29 erreichen, per Fax oder E-Mail unter 02222/64 88 31 und unter info@imug.eu. Im Internet können Sie die Initiative unter www.imug.eu finden. Vermittler: Heinz Pilartz will die Mediation als notwendige Alternative im Gesundheitsumfeld etablieren. Den Arztbesuch ersetzt sie dabei nicht, sondern ergänzt Fotos:privat,Shutterstock