1. So geben Sie Denkstress
keine Chance und erhöhen
Ihre Präsenz im Alltag
Sie sitzen in einem Meeting, doch Sie können sich nicht recht auf die Worte
fokussieren. Das Telefonat direkt danach mit dem CEO der Tochtergesellschaft
wird sicherlich kein gutes. Gedanken daran haben Sie schon die letzte Nacht
kaum ein Auge zu machen lassen und auch gleich heute Morgen war es sofort
wieder ein Thema in Ihrem Kopf. Im Bad, am Frühstückstisch und auf dem Weg
zur Arbeit haben Sie hin und her überlegt, wie Sie nachher im Gespräch auf
mögliche Einwände reagieren können. Hoffentlich merkt niemand, dass Sie
gerade gar nicht richtig bei der Sache sind.
„Was denken Sie, Herr Billinger?“
Mist, schon passiert ...
Was passiert hier? Statt mit der Aufmerksamkeit im Hier und Jetzt
zu sein, kreisen die Gedanken um ein Thema, welches die ganze
Aufmerksamkeit beansprucht.Möglicherweise kommen vonallen
Seiten noch Informationen und Aufgaben hinzu, denen jedoch
keine richtige Aufmerksamkeit geschenkt werden kann. Mit der
Folge, dass diese Themen nicht vollständig ins Bewusstsein kom-
men, übersehen oder gar vergessen werden.
Denkstress gehört heutzutage einfach dazu – könnte man meinen.
Ich ertappe mich selbst immer wieder dabei, meinen Gedanken
freienLaufzulassen,sodasssiezügellosumherrennenkönnen.Wie
ein wild gewordenes Pferd, das sich aufbäumt und ohne Ziel im
Höchsttempo durch die Steppe galoppiert. Auch meine Klienten
berichten mir regelmäßig von ihrer Problematik, sich nicht mehr
bewusst auf das jetzt Wichtige fokussieren zu können. Zu viele
Gedanken schwirren im Kopf herum. Viele von uns sind perma-
nent ihrem eigenen, automatischen und unkontrollierten Denken
ausgesetzt.DieserDenklärmlässtunsungebremstimStressmodus
laufen. DieFolge: Wirreagieren meistnur noch, statt aktivden Tag
zu gestalten. Das hat nichts mehr mit selbstbestimmtem Handeln
zu tun.
Fokussieren – aber wie?
Im Grunde genommen kennen wir alle die Lösung: Wir müssen
uns fokussieren, im Hier und Jetzt sein. Vom »Tun« ins »Sein«.
Doch genau dieses »Sein« ist besonders in Positionen mit Füh-
rungsverantwortung extrem schwierig. Meist erlebe ich Manager,
die es wie getrieben nach Feierabend ins Fitnessstudio zieht, um
sich auszupowern und auf diese Weise den Stress des Tages abzu-
bauen.Diesesistgutundrichtig,wennesdemKörperguttut.Doch
gibteszweiArtenvonErholung:eineaktiveundeinepassive.Beide
sind wichtig und keine der beiden sollte vernachlässigt werden.
Den Körper auspowern hat also genauso seine Wichtigkeit, wie
den Geist erholen. Beides muss in Balance sein.
In unserer heutigen Zeit wird es immer wichtiger, für Ausgleich zu
sorgen, um in Zeiten hoher Konzentration sowie in Momenten,
in denen wichtige Entscheidungen getroffen werden müssen,
hellwach und fokussiert zu sein. Wenn unser Gehirn – wie der
ritualisierte Gang ins Fitnessstudio – regelmässig die Gelegenheit
bekommt, ins ruhige Sein zu kommen, wird es auch die Leis-
tung bringen können, die wir von ihm erwarten, wenn’s drauf
ankommt.
Selbstkompetenz steigern
Achtsamkeit – auch Mindfulness genannt – hält immer mehr Ein-
zug in die Führungsetagen von Unternehmen. Längst ist bekannt,
dassAchtsamkeitsübungenoder Meditation dieFähigkeitfördern,
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2. im Hier und Jetzt präsenter und fokussierter zu sein. Als Folge
reduziert sich der permanente Denklärm und erhöht sich die per-
sönlicheLeistungsfähigkeit.BeidesAspekteeinergutentwickelten
Selbstkompetenz.
DochSelbstkompetenzsteigernhatnichtnurmitbesserwerdenzu
tun.LösenSiesichvondemGedanken,sichverbessernzumüssen.
Besonders in meiner Arbeit mit Führungsverantwortlichen wird
mir immer wieder bewusst, wie tief dieser Wunsch doch verankert
ist – und wie gross die Erleichterung später, wenn die Kenntnis
erlangt ist, dass es für einmal nicht um Leistung geht und dass man
Selbstkompetenz auch anders steigern kann: nämlich mit mehr
Selbstbewusstheit. Und dieseBewusstheit erlangen wir, indem wir
uns mit uns selbst auseinandersetzen.
Selbstbewusstheit
unterstützt Weiterentwicklung
Wer sich mit sich selbst auseinandersetzt, kann schon an persön-
liche Grenzen kommen. Ein guter Coach und Sparringspartner
kenntsichauchmitThemenwieAchtsamkeitausundbegleitetsei-
ne Klienten in deren persönlicher Weiterentwicklung. Grundvor-
aussetzungdafüristnatürlich,dasssichdieserselbstmitMeditation
und Achtsamkeitstraining auseinandersetzt bzw. praktiziert. Ich
gehe beispielsweise regelmäßig in kurze sogenannte Retreats, wo
ich drei Tage in Stille verbringe. Ohne den gewohnten Rede- und
Denklärm entsteht dort ein Raum für eine bessere Wahrnehmung
aller Sinne und mehr Präsenz im Hier und Jetzt.
Doch auch ansonsten praktiziere ich Achtsamkeit. Wenn ich mich
zurMeditationhinsetze,mussnichtspassieren.Ichdarfeinfachnur
sitzen und sein, mit allem, was ist. Und das, was ist, ist gut so. Ich
muss also nicht besser werden, ich muss nichts besser können, es
muss nicht irgendetwas Besonderes passieren oder ein spezieller
Zustand erreicht werden – die Achtsamkeitsübung an sich besteht
darin, einfach nur zu sein.
Häufig sind Führungskräfte und Manager ganz stark im Tun und
haben unglaublich viel Fokus auf Leistungsorientierung, Aktivi-
tät, Handeln, Probleme lösen, Dinge ändern, Einfluss nehmen
– zu Ungunsten des Seins. Wichtig ist aber die Balance. Einmal
nichts tun. Und sich mit dem Gedanken anzufreunden, dass ich
jetzt einfach zehn Minuten sitzen darf, ohne dass irgendetwas
passieren muss. Normalerweise verfolgen wir mit jeder Handlung
einen Zweck, wollen etwas erreichen, mental oder materiell. Im
Nichtstun lassen wir die kleinen und großen Ziele los, weil sie nur
allzu häufig zum Wiederholen von gewohnten Mustern führen,
die uns nicht guttun und nur zu mehr vom gleichen führen. Der
beste Weg, um in der Meditation Ziele zu erreichen, ist, diese
loszulassen.
Anleitung zur Achtsamkeitspraxis
Mit der folgenden, kurzen Anleitung zur Achtsamkeit bringen Sie
mehr Bewusstsein und Präsenz in alles hinein, was Sie tun.
Die Vorbereitung
Suchen Sie sich einen Platz, an dem Sie angenehm und mit mög-
lichst wenig Störungen sitzen können. Verwenden Sie dazu ein
Meditationskissen – wenn Sie mögen – oder einfach einen beque-
men Stuhl oder Sessel. Gestalten Sie den Platz so, dass Sie gerne
dort sitzen.
Beginnen Sie am Anfang damit, fünf Minuten zu sitzen. Später
können Sie das beliebig ausdehnen und auch die Häufigkeit stei-
gern. Die tägliche Achtsamkeitsübung kann und sollte in der Tat
zu einer Routine werden. Die Frage hierfür soll nicht sein: „Bin ich
motiviert, heute zu meditieren – ja oder nein?“, sondern: „Ich tue
es, weil ich es tue. Ich sitze heute, weil ich jeden Tag sitze. Genau
diese Haltung wird Ihnen mehr Klarheit und Ruhe in Ihr gesamtes
Sein bringen. In Ihren Verstand, aber auch in Ihre Emotionen und
Ihr gesamtes Lebensgefühl.
Los geht’s
Finden Sie dann auf diesem Sitzplatz eine Position, in der Sie
leicht aufrecht sitzen können, ohne dass sich das angespannt
oder starr anfühlt. Fühlen Sie das Gewicht Ihres Körpers, wie
er auf der Unterlage aufliegt. Lassen Sie Ihre Hände entspannt
dort liegen, wo es für Sie am bequemsten ist. Schließen Sie, wenn
Sie mögen, Ihre Augen oder halten Sie sie nur leicht offen und
werden Sie weich. Werden Sie weich in Ihrer ganzen Grund-
haltung.
RichtenSiedannIhreAufmerksamkeitaufIhrenKörperundlassen
Sie bewusst Spannungen los, die Sie in Ihrem Körper erkennen.
Lassen Sie sie einfach gehen. Lassen Sie auch Ihre gewohnheits-
mäßigen Gedanken und Pläne los – lassen Sie sie einfach ziehen.
LassenSieGedanken,diekommen,einfachwiedergehen.Nehmen
Sie sie wahr, aber greifen Sie sie nicht mehr auf.
Führen Sie Ihre Aufmerksamkeit zum Atem: Nehmen Sie ein paar
tiefe Atemzüge und achten Sie darauf, wo Sie Ihren Atem und das
Gefühl des Atems am besten fühlen können. Lassen Sie den Atem
natürlich fließen. Es geht nicht darum, ihn zu kontrollieren, son-
dern nur darum, ihn wahrzunehmen und mit der Aufmerksamkeit
mitzugehen. Mit jedem Atemzug.
MöglicherweisewerdenSiemerken,dassSiegedanklichabschwei-
fen. Egal, wie lange oder wie kurz Sie in Gedanken weg waren,
kommen Sie einfach ganz entspannt zurück zu Ihrem Atem. Bevor
Siedie Aufmerksamkeit wieder aufIhren Atemlenken, könnenSie
achtsamanerkennen,woSiegeradewaren,indemSiesichvielleicht
mit einem Wort bewusstmachen, was gerade die Ablenkung war.
Geben Sie der Ablenkung einen Namen und lenken Sie Ihre Auf-
merksamkeit achtsam, sanft und direkt zurück zu Ihrem nächsten
Atemzug.
Jederzeit praktizierbar
Mit einer stärker ausgeprägten Praxis der Meditation, mit mehr
Routine und Erfahrung, werden Sie in der Lage sein, achtsam
mit all den Ablenkungen und all den Orten zu arbeiten, zu denen
Ihr Verstand hingeht. Für eine anfängliche Übungspraxis genügt
es jedoch, wenn Sie einfach nur mit einem Wort kurz anerken-
nen, wohin Sie gerade abgelenkt wurden und dann ganz einfach
wieder zu Ihrem Atem zurückkommen. Über die nächsten Tage,
Wochen und Monate der regelmäßigen Praxis werden Sie immer
mehr lernen, sich über Ihren Atem selbst zu beruhigen und zu
zentrieren.
Es wird sehr viele unterschiedliche Erfahrungen geben, während
Sie Achtsamkeit praktizieren: Es wird stürmischere Gedankentage
geben und es wird klarere Tage geben. Gehen Sie einfach damit
um, ohne es zu bewerten, ohne es zu beurteilen und vor allem
ohne es ändern zu wollen. Der Kern der Achtsamkeit ist: das, was
ist, nicht ändern zu wollen. Verabschieden Sie sich also von dem
Gedanken, etwas müsse anders sein, als es gerade ist. Und das gilt
für das Außen genauso wie für das Innen.
Diese atembasierte Achtsamkeitsübung wird Ihnen helfen, mit
sich selbst in Kontakt zu sein. Ruhig im Geist, entspannt im Kör-
per. Sie trainieren die Fähigkeit, achtsam und bewusst zu sein, im
Moment präsent, und nehmen besser wahr, was im Innen und im
Außen ist, statt permanent auf Autopilot und reaktiv unterwegs
zu sein.
So können Sie über den ganzen Tag verteilt immer wieder kleine
Mini-Meditationen erleben. Machen Sie beispielsweise einfach
eine Sitzung, ein Gespräch mit dem Kunden oder ein Führungs-
gespräch mit dem Mitarbeiter zur Achtsamkeitsübung, indem Sie
immer einen Teil Ihrer Aufmerksamkeit beim eigenen Atem oder
im eigenen Körper belassen, um ganz im Hier und Jetzt verankert
zu sein. Hören Sie tief, echt und offen zu.
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