1. 62. Europäischer Wettbewerb 2015
Europa hilft – hilft Europa?
Thema 4.1 - Festung Europa
Janina Baur
Gymnasium Münsingen
2. 62. Europäischer Wettbewerb – 4.1 Festung Europa | Janina Baur
Gliederung
1. Einleitung
2. Flucht und Fluchtursachen
3. Aktuelle Situation in den Unterkünften
4. Problematik der Debatte
5. Der Versuch einer Lösung
6. Fazit
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3. 62. Europäischer Wettbewerb – 4.1 Festung Europa | Janina Baur
1. Einleitung
In der heutigen Zeit wird man immer wieder mit Fragen bezüglich den Werten einer
Gesellschaft konfrontiert. Einer Gesellschaft, in der verschiedene Menschen,
unterschiedlicher Herkunft und Lebensverhältnisse gemeinsam zusammen leben. Dazu gehört
auch die Frage wie es möglich ist, anderen Menschen zu helfen, die ein großes Risiko auf sich
nehmen, um ein sicheres Leben in einem anderen Land aufzubauen.
Die aktuelle Lage der Flüchtlinge in Europa entwickelt sich zu einer Herausforderung, sogar
einem gewissen Zwiespalt, da Europa einerseits viel Hilfsbereitschaft und Initiative zeigt,
gleichzeitig hört man aber auch immer wieder in den Nachrichten, wie die Unterkünfte knapp
werden und einige Länder nicht in der Lage sind in der aktuellen Situation mehr Flüchtlinge
aufzunehmen, weshalb Europa oft kritisch als „Festung“ bezeichnet wird, in der angeblich
versucht wird, so wenig wie möglich Menschen weiterhin aufzunehmen.
Dennoch beantragen immer mehr Menschen Asyl in Deutschland und anderen europäischen
Ländern. Diese zwei gegensätzlichen Positionen verstricken sich zu einem
gesellschaftspolitischen Dilemma.
Hauptsächlich möchte ich auf die Hintergründe dieses Problems genauer eingehen, aber auch
die Ursachen, die so viele Menschen dazu bewegen aus ihrem Land zu fliehen und mögliche
Verbesserungsansätze darzulegen sowie diese aus politischer, aber auch moralischer Sicht zu
betrachten.
Des Weiteren möchte ich mit dieser Arbeit darauf aufmerksam machen, dass unsere
Gesellschaft die Augen nicht vor den Problemen schließen sollte, da jeder mit der
Flüchtlingsthematik konfrontiert wird und helfen kann, was eine moralische und humanitäre
Aufgabe darstellt, die den Rahmen für ein ausgeglichenes, gemeinsames Miteinander bildet.
2. Flucht und Fluchtursachen
Um sich mit der Problematik der Aufnahme von Flüchtlingen in Europa befassen zu können,
ist es wichtig zunächst die Beweggründe dieser Menschen zu kennen und vor allem zu
verstehen. Dabei muss zunächst zwischen Flüchtlingen und Asylbewerbern unterschieden
werden, da im Alltag häufig der Begriff „Flüchtling“ als allgemeiner Ausdruck für alle
fremdstämmigen Menschen angewendet wird.
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Im Vergleich zu staatlich anerkannten Flüchtlingen sind Asylbewerber noch nicht in einem
anderen Land aufgenommen und als Flüchtlinge anerkannt, sie befinden sich noch im Asyl-
bzw. Aufnahmeverfahren. Dabei befinden sich die Asylbewerber in einem Prozess, während
sie in einer Ersthilfeeinrichtung mit einer vorübergehenden Aufenthaltsgenehmigung leben,
bis in einer Anhörung individuell entschieden wird, ob ein Asylbewerber offiziell als
Flüchtling aufgenommen und anerkannt wird.
Laut der UNO-Flüchtlingshilfe¹ befinden sich derzeit 51,2 Millionen Menschen auf der
Flucht, worunter nach obiger Definition 16,7 Millionen Menschen tatsächlich als Flüchtlinge
eingeordnet werden.
Ebenfalls zu erwähnen ist, dass 86 Prozent der Flüchtlinge Zuflucht in einem benachbarten
Land suchen und somit häufig weiterhin in Entwicklungsländern leben, was wiederum
bedeutet, dass der größte Teil der Menschen nicht bis in weit entfernte Länder, wie die EU-
Staaten fliehen, sondern lediglich in angrenzenden Ländern versuchen, sich ein besseres
Leben zu schaffen.
Die Hauptursachen, die Menschen zur Flucht treiben, sind die oft menschenunwürdigen
Bedingungen in einem Land, die von Hunger und Armut, sowie aber auch Krieg oder
Naturkatastrophen geprägt sind.
Des Weiteren wird die Heimat und in vielen Fällen auch die Familie zurückgelassen- nur um
die Chance auf ein sichereres Leben zu ergreifen. Viele Flüchtlinge sind auf der Suche nach
Arbeit, vor allem um Verwandte finanziell zu unterstützen.
Laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge² sind ca. 28,8 Prozent der Asylbewerber 2014
syrische Flüchtlinge, die vor dem schweren Bürgerkrieg und zunehmend auch vor der
Verfolgung der Terrormiliz „islamischer Staat“ fliehen. Außerdem suchen viele Menschen
aus Serbien in Europa Zuflucht. Da Serbien allerdings, wie die meisten Balkanstaaten zum
Beispiel in Deutschland als sicheres Herkunftsland eingestuft wird, werden kaum serbische
Menschen als Flüchtlinge anerkannt und aufgenommen.
Da die Gefahr in diesen Staaten als verhältnismäßig gering eingestuft wird, haben Menschen
aus diesen Herkunftsländern geringe Chancen auf ein Bleiberecht in Europa.
Im Vergleich dazu werden die Zustände in Eritrea als gravierend bezeichnet, da dort sowohl
Hunger, politische Verfolgung und Folter unter einer Militärdiktatur herrschen. Weitere
Länder mit den meisten Zufluchtsuchenden Menschen sind Afghanistan, wo trotz offiziellem
Kriegsende noch Verfolgung und Bombenanschläge durch die Taliban verübt werden,
Albanien, Somalia, Bosnien-Herzegowina und Mazedonien.
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Menschen, die auf der Flucht sind, erhoffen sich allgemein ein sicheres und besseres Leben
aufbauen zu können. Dafür gehen sie aber meist auch ein großes Risiko ein, indem sie eine
gefährliche Reise nach Europa auf sich nehmen, für die sie meist Kredite ihrer Familien
investieren und alles hinter sich lassen, wobei viele Menschen leider auch immer wieder ihr
Leben verlieren.
3. Aktuelle Situation in den Unterkünften
Kommen neue Asylsuchende in einem europäischen Staat an, so prüft der jeweilige Staat
deren Anträge gemäß den Vorschriften der Dublin-II-Verordnung die in der EU, der Schweiz,
Liechtenstein, Norwegen und Island gilt. Während diesem Verfahren leben die Asylbewerber
vorübergehend in einer Erstaufnahmeeinrichtung. In diesen leben aber oftmals weitaus mehr
Menschen, als ursprünglich geplant, wodurch in vielen Städten Europas Chaos herrscht. Aber
nicht nur ein enormes Platzproblem ist daher eine Folge, sondern es besteht auch ein Mangel
an Helfern, die nicht in der Lage sind, die Situation ausreichend koordinieren zu können.
Um den beengten Lebensverhältnissen entgegenzuwirken wird mancherorts zusätzlich auf
Sport- und Festhallen, leerstehende Gebäude und sogar Zelte ausgewichen. Trotzdem wird
von Heimen berichtet, in denen sich vier oder sogar noch mehr Familien einen Raum teilen
müssen, was moralisch gesehen nicht hinnehmbar ist, da alle Asylbewerber neben dem Recht
auf ein Verfahren, auch das Recht auf menschenwürdige Lebensumstände haben. Doch
momentan ist in den meisten Städten kein Ausweg sichtbar und die Suche nach
Übergangsquartieren und Erstaufnahmeeinrichtungen drängt. Währenddessen mangelt es auch
teilweise an Ausstattung für die Flüchtlinge, Kleider beispielsweise sind meistens nur durch
Spenden von Bürgern zu beschaffen. Gleichzeitig machen Arbeitskräfte der Sozialdienste und
ehrenamtlichen Helfer Überstunden. Auch die sanitären Einrichtungen und Hygienezustände
werden in großen Einrichtungen bemängelt und kritisiert, dabei ist die Unterbringung allein
schon ein beachtliches Problem, weshalb in vielen Erstaufnahmeeinrichtungen Menschen auf
Feldbetten untergebracht werden, allerdings oftmals über 200 Leute mehr, als ursprünglich
geplant waren.
Andererseits gibt es aber, hauptsächlich in kleineren Städten und Dörfern, auch positive
Beispiele, da dort eine gut organisierte Lage vorliegt und das Leben in den Unterbringungen
besser koordiniert werden kann. Auch von guter Integration in der Gesellschaft ist zu hören,
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wo vor allem Kinder gut eingegliedert werden oder Asylcafés angeboten werden, in denen
sich Flüchtlinge und Einheimische treffen, ins Gespräch kommen und kennen lernen können.
Trotzdem überwiegt das Durcheinander in den Heimen in großen Städten, in denen tatsächlich
ein Ausnahmezustand erreicht ist, der die „reichen“ europäischen Staaten hilflos wirken lässt
und den Eindruck eines Katastrophengebiets hinterlässt, was die Hilflosigkeit und
Überforderung mit der Zahl an ankommenden Flüchtlingen zeigt.
Dieses Problem mag aber nicht zuletzt vielleicht auch als eine Folge von politischen
Entscheidungen resultieren, bei denen eventuell nicht rechtzeitig die Auswirkungen der Not in
Krisenländern auf Europa berücksichtigt wurden. Dadurch wurden im Vorhinein keine
ausreichenden Maßnahmen und Vorkehrungen eingerichtet, die eine Planung bei der
Unterbringung vermutlich erleichtert hätte.
4. Problematik der Debatte
Die gesamte Flüchtlingsdebatte scheint wie ein endloses Problem für Europa, das einerseits
durch Unklarheiten und Überforderung der Verwaltung Europas entsteht, andererseits aber
auch auf Vorurteilen oder Missverständnissen in der Gesellschaft basiert.
Denn an Nächstenliebe mangelt es nicht. Wo Hilfe gebraucht wird, sind tatkräftige Bürger
bereit Unterstützung zu bieten. Aus gesellschaftlicher Sicht entsteht allerdings die Frage wer
diese Flüchtlinge eigentlich sind. Sind diese tatsächlich auf der Flucht wegen Verfolgung und
Krieg, so sind sich die Europäer einig, dass Hilfe geleistet werden muss. Allerdings herrscht
vielerorts Unsicherheit, inwiefern dies tatsächlich der Fall ist und es kommen Zweifel auf, ob
die Asylsuchenden vielleicht nur aus ihrem Land fliehen um woanders Vorteile zu
erschleichen, obwohl sie eigentlich nicht unter kritischen Umständen leben.
Wenn in den Nachrichten von illegalen Einwanderern berichtet wird, oder von einzelnen
Auseinandersetzungen mit Flüchtlingen, kommt Unruhe bei den Europäern auf und somit
auch diese Zweifel.
Viele Bürger fühlen sich aber auch vor den Kopf gestoßen, wenn von Behörden beschlossen
wird, dass in der Nachbarschaft eine Unterkunft für Flüchtlinge eingerichtet werden soll.
Teilweise entstehen diese Beschwerden, da die Einwohner vor vollendete Tatsachen gestellt
werden und sich unsicher sind, wie sie sich verhalten sollen, oder aus Aufgebrachtheit, da sie
wenig Mitspracherecht in diesen Angelegenheiten haben, obwohl sie betroffen sind.
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Doch der eigentliche Konflikt der „Festung Europa“ liegt in der Politik Europas. Das
Bootsunglück vor Lampedusa im Oktober 2013, bei dem mehr als 300 Flüchtlinge ihr Leben
verloren haben, war nur ein Ereignis von vielen, das den Druck auf Europa weiter verstärkte.
Der Grundsatz Europas, der auf einem gemeinsamen Leben basiert, indem Schwächere
unterstützt werden sollen, ist hier besonders gefragt und wird daher von Europa erwartet.
Die humanitäre Hilfe, die zu den ethischen Grundsätzen gehört, wird benötigt. Wie aber ist es
Europa möglich diese in einem derart großen Ausmaß zu leisten?
Denn neben diesen gesellschaftlichen Ungewissheiten gibt es auch politische Unklarheiten
und Konflikte, die die Flüchtlingspolitik in Europa erschweren.
Zum einen sind alle Staaten Europas dazu verpflichtet, Verträge zum Schutz der Menschen
einzuhalten, wie etwa die Genfer Flüchtlingskonvention. In diesem Abkommen ist nämlich
unter anderem vereinbart, inwiefern der Unterzeichnerstaat Flüchtlingen soziale Rechte in der
Gesellschaft bieten und zu ihrem Schutz handeln sollen.
Hier werden, wie auch in anderen Verträgen (z.B. der Internationale Pakt zugunsten der
bürgerlichen und politischen oder wirtschaftlichen und sozialen Rechte), die Grundsätze
Europas berücksichtigt.
Zu diesen Prinzipien gehören die Freiheit und Achtung der Menschen. Doch im
Zusammenhang mit der Flüchtlingsfrage wird die Einhaltung dieser Grundsätze oftmals in
Frage gestellt.
Ein Problem bildet sich bereits in der Kommunikation im Bezug auf die europäischen
Richtlinien, denn obwohl eine einheitlich geregelte Politik vorliegt, nach der die
Mitgliedsstaaten handeln sollen und zwischenstaatlich Rücksprache im Hinblick auf die
Flüchtlingsproblematik gehalten wird, gibt es unterschiedliche Handlungsweisen innerhalb
Europas, wie z.B. im Umgang mit Asylbewerbern, deren Unterbringung und Versorgung.
Außerdem beherbergen einige europäische Staaten weitaus mehr Flüchtlinge als andere, was
nicht zuletzt an der Dublin-II-Ordnung liegt, wonach Flüchtlinge ihre Asylanträge im
jeweiligen Ankunftsland stellen müssen, wodurch Außenstaaten Europas, wie z.B.
Griechenland, Malta oder Italien, folglich stärker betroffen sind.
Um dies zu mildern, kontrollieren einige Länder ihre Außengrenzen, oftmals sogar auf
Meeresgebieten, wo teilweise Flüchtlingsboote direkt zurückgetrieben oder abgefangen
werden. Was dabei aber scheinbar nicht beachtet wurde ist, dass diese Zurücktreibung den
Flüchtlingen auch die Chance verweigert, überhaupt erst am Aufnahmeverfahren
teilzunehmen und in Europa Zuflucht zu suchen und somit wieder die Grundsätze der
Menschenrechte verletzen (nach denen jeder Mensch das Recht auf einen Antrag hat).
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Diese vermeintlich „kleinen“ Fehler in der Absprache der Staaten Europas ergeben als
Gesamtes einen wesentlichen Bestandteil des Flüchtlingsproblems und sollten aus dem Weg
geräumt werden.
Manchmal stellt sich aber auch die Frage, ob die Vorschriften in Anbetracht der Flüchtlinge
und Asylsuchenden in der aktuellen Lage überhaupt noch in solchen Formen angebracht sind,
wie z.B. das Arbeitsverbot für Asylbewerber, die sich in der Phase befinden, in der ihre
Anträge überprüft werden. Dadurch kommt der Staat für die jeweiligen Betroffenen auf,
während diese ohne Tätigkeit auf das Ergebnis des Prüfverfahrens warten.
Gerade bei diesem Beispiel macht sich auch wieder der gesellschaftliche Konflikt in mehreren
Aspekten bemerkbar. Zum einen besteht bei den Asylsuchenden der Wille zu arbeiten und
selbst für den Unterhalt aufzukommen oder den Staat zu unterstützen, wobei viele
Asylbewerber sogar Berufsausbildungen oder Erfahrungen mitbringen. Dies würde auch bei
der Aufnahme in die potenziell neue Gemeinde helfen und dann bei Bestätigung des Asyls
eine Einbürgerung erleichtern, nicht zuletzt aber auch den Staaten zugute kommen, da hier
auch von den Flüchtlingen Kräfte und Unterstützung gewonnen werden können.
Zudem wäre die Anerkennung der anderen Bürger vermutlich besser, da Vorurteile aus dem
Weg geräumt wären. An diesem Punkt gelangt man wieder zur anderen Seite der Problematik,
der ethischen und moralischen Auseinandersetzung der europäischen Gemeinschaft mit
ankommenden Flüchtlingen und somit zurück zur gesellschaftlichen Spannung.
In erster Linie ist es die Pflicht jedes einzelnen und jedes Staates Hilfe zu leisten, wo diese
benötigt wird. Doch durch die Grenzen und einzelnen Gesetze ist es nicht möglich, jeden
flüchtenden Menschen aufzunehmen und eben diese Hilfe aufzubringen. Trotzdem sind die
europäischen Staaten, sowie auch jeder andere Staat der Welt auf Grenzen angewiesen, die
zur Kontrolle des Landes dienen. Zwar wird dann hier die moralische Grundeinstellung der
europäischen Haltung eingeschränkt, aber der Eigenschutz steht in diesem Fall an erster
Stelle. Inwiefern diese Meinung hinnehmbar ist, ist Ansichtssache, weshalb die moralische
Meinung gegenüber der Grenzüberwachung und das Maß an Hilfe strittig ist.
Doch worin sich scheinbar ganz Europa einig ist, ist die Tatsache, dass alle Menschen nach
dem Prinzip der Achtung anderer Menschen handeln und ihre Selbstbestimmung als
„vollwertiges Mitglied einer Gemeinschaft“ (S.170: Politische Philosophie heute, Will
Kymlicka, 1996) respektieren sollen. Dieses Prinzip erfolgt zunächst durch einen moralischen
Leitgedanken zugunsten des Rechts und vor allem der Freiheit des Menschen, aber entwickelt
sich auch weiter in eine politische Richtung, in Form des Kommunitarismus. Dabei wird die
Grundhaltung des Freiheitsprinzips zum Vorteil der Gemeinschaft erweitert, in dem die
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Gemeinschaft und deren Wohl an erster Stelle steht, wodurch der Wert nun nicht mehr auf die
individuellen Interessen des Einzelnen gelegt und somit die Hauptintention des Freiheitsrechts
eingeschränkt wird.
Um dies auf das Flüchtlingsproblem zu übertragen, stellt man fest, dass genau diese zwei
Formen der philosophischen Politik ein Dilemma bilden. Einerseits sollen die geltenden
Rechte der Flüchtlinge und allgemein des Individuums in Form des Rechts auf Freiheit
ermöglicht werden, andererseits schreiben aber die einzelnen Staaten kommunitaristisch
gesehen eine Lebensweise zum Wohl der Gemeinschaft vor und stoßen individuelle Wünsche
zurück, um ein geregeltes einheitliches politisches System zu bilden.
Auch wenn viele Asylsuchenden auf Hilfe angewiesen sind und sich ein sicheres Leben in
Europa wünschen, ist es in der aktuellen Lage nur begrenzt möglich, da die Staaten Europas
Verantwortung für ihre Einwohner und Flüchtlinge übernehmen müssen, was aber auch nur
gewährt werden kann, wenn die Gesamtsituation überschaubar ist.
Trotzdem ist es auch verständlich, wie viele Menschen die Risiken der gefährlichen
Überfahrt, oder einer möglichen Abschiebung in Kauf nehmen, da dies der einzige Weg ist,
sich aus einem unsicheren Leben, bestehend aus Verfolgung und Armut zu befreien.
Blickt man allerdings auf die Zustände der Herkunftsländer, so ist in den meisten Ländern
keine Besserung der Konflikte und Lebensverhältnisse in Sicht.
Somit wird sich wahrscheinlich an der Fluchtströmung in den nächsten Monaten und Jahren
nicht viel ändern, da weiterhin Gefahr in den Herkunftsländern droht.
5. Der Versuch einer Lösung
Um das Flüchtlingsproblem in Europa zu lösen bzw. die aktuelle Lage zu ordnen und zu
verbessern, kann man sich diesem Problem von zwei Seiten nähern. Um die allgemeine
„Fluchtwelle“ zu reduzieren, müssen andere Maßnahmen getroffen werden, als um das
aktuelle Flüchtlingsverhältnis in Europa aufzuwerten und die teilweise chaotischen Zustände
zu verbessern. Also kann man hier das allgemeine Problem der Flucht im Zusammenhang mit
den Fluchtursachen und die akute Situation von Flüchtlingen in Europa unterscheiden.
Fest steht aber bei beiden Seiten, dass das Wohl der Schutzsuchenden im Vordergrund steht.
Die Verbesserungen in den Unterkünften stehen vorübergehend an erster Stelle, um ein
menschenwürdiges Leben für Flüchtlinge zu bieten. Gerade um diese stabilen
Lebensverhältnisse zu ermöglichen, kann jeder einzelne mithelfen und dazu beitragen, die
aktuellen Zustände zu verbessern. Zunächst sind zwar größere Quartiere zur Unterbringung
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nötig, um die Überfüllten zu entlasten, vor allem aber sind Hilfsorganisationen auf Geld- und
Sachspenden, sowie ehrenamtliche Helfer angewiesen.
Der Wille dieser engagierten Leute ist hier entscheidend, da die Unterstützung in Form von
Kleiderspenden, Kinderbetreuung oder Sprachkursen für die Einzelperson wenig Aufwand
darstellt, als Gesamtes aber einen großen Schritt zur Besserung der Lage und Integration
darstellt. Im Allgemeinen ausgedrückt; Gerade um eine vorübergehende Lösung zu bewirken,
ist Europa auf seine einzelnen Bürger und deren Unterstützung angewiesen, da hier durch
viele kleine Hilfsmöglichkeiten eine große Last abgenommen wird, was ein guter Anfang ist.
Um eine dauerhafte Lösung zu finden, ist die Problematik sehr komplex, um einfach eine
Anleitung zu entwickeln, nach der vorgegangen werden muss. Dabei sollte auch erwähnt
werden, dass die meisten Flüchtlinge in ihr Heimatland zurückkehren wollen, sobald sich die
dortige Gefahrenlage verbessert hat. Da dies aber in den meisten Ländern voraussichtlich in
den nächsten Jahren noch nicht möglich ist, gibt es die Optionen, dass die Flüchtlinge eben in
ihrer aktuellen Aufnahmegemeinde integriert werden, oder sich in Form eines Resettlement-
Programms in einem Drittstaat ein neues Leben aufbauen. Außerdem gab es in der
Vergangenheit auch schon den Vorschlag, dass Staaten, die mehr als eine Mindestzahl an
Flüchtlingen aufnehmen, Geld bekommen und somit auch Staaten Flüchtlinge von anderen
europäischen Ländern gegen Geld aufnehmen könnten. Auch wenn dies zunächst ein
aufschlussreiches Prinzip ist, stellt sich die Frage ob dieser „Handel“ moralisch vertretbar ist,
da dann ein gewisser Handel mit Menschen betrieben werden würde, was gegen die
Akzeptanz in der Gesellschaft spricht und wieder gegen die Menschenwürde verstoßen
würde. Außerdem hat der jeweilige Staat auch eine Verantwortung gegenüber seinen Bürgern
und somit auch den Flüchtlingen, die durch diese Abgabe an ein anderes Land zumindest
moralisch gesehen nicht einfach abgetreten und weitergereicht werden sollte.
Eine mögliche Maßnahme wäre eine gleichmäßig verteilte, relative Quote an Flüchtlingen in
Europa, sodass ein Gleichgewicht zwischen den EU-Ländern vorliegt, was eine
übersichtlichere Struktur fördern würde.
Prinzipiell sollte der Fokus, trotz Erachtens der Lebensumstände der Schutzsuchenden, auf
eine überschaubarere Lage gelenkt werden, was eine bessere Koordination in den Ländern
und Absprachemöglichkeiten ermöglicht. Die Abschaffung von Grenzen der „Festung
Europa“, an denen viele Menschen bereits ihr Leben verloren haben, macht jedoch wenig
Sinn, da somit die Situation in den europäischen Staaten eher gefährdet werden würde und die
ohnehin teilweise überforderten Länder dem Druck eventuell nicht Stand halten könnten, da
der Überblick und die Kontrolle über das Land verloren ginge. Grenzen sind wichtig, um
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einen Staat überhaupt erst zu dem zu machen, was er ist und den jeweiligen
gesellschaftspolitischen, aber auch wirtschaftlichen Zustand zu halten oder zu korrigieren.
Wenn sich auf hoher See eine Tragödie wie vor Lampedusa abspielt, so sollte hier nicht an
den Grenzen gezweifelt, sondern die Hilfeleistung und humanitäre Einsatzbereitschaft
verbessert werden.
Um die risikoreichen Überfahrten und somit auch deren Gefahren einzudämmen, sollte gegen
Schlepper, die Menschen für viel Geld mit Schiffen über das Meer schmuggeln, vorgegangen
werden und Aufschluss über deren Intrigen gegenüber Flüchtlingen gegeben werden.
Doch im Endeffekt sind dies nur alles Maßnahmen, um die gesamte Problematik zu
entschärfen, denn eine langfristige Lösung zur Problematik „Festung Europa“ ist nur möglich,
wenn die Fluchtursachen beseitigt, oder zumindest vermindert werden.
6. Fazit
Durch die vielseitigen Fluchtursachen wird Europa mit einem starken Flüchtlingszustrom
konfrontiert. Betrachtet man sich nun die entscheidenden Faktoren für den Vergleich Europas
mit einer Festung, die eine sinkende Bereitschaft europäischer Staaten bei der Aufnahme von
fliehenden Menschen zeigt, so stellt man fest, dass der Hauptaspekt für dieses Problem die
unzureichend ausgebaute Politik Europas ist, die teilweise Lücken in der Verfassung aufweist,
oder in der durch ungenügende oder fehlerhafte zwischenstaatliche Kommunikation in der
Vergangenheit bereits zu wenig Absprache gehalten wurde, wobei die Größe des
europäischen Gebietes zudem die Umsetzung eines einheitlich geregelten Flüchtlingssystems
erschwert.
Dennoch finde ich das Engagement der europäischen Staaten und Bürger lobenswert, da in
den Gastländern viel getan wird, um Menschen in Not zu helfen, weshalb die Bezeichnung
„Festung Europa“ meiner Meinung nach in diesem Zusammenhang nicht angemessen ist.
Wenn aber die Flüchtlingswelle eingedämmt werden soll, so ist die einzige Möglichkeit die
Zustände in den Herkunftsländern zu verbessern und die Fluchtursachen zu beseitigen, denn
nur so lassen sich eine Fluchtwelle und deren Konsequenzen dauerhaft bewältigen.
Die einzige Unterstützung, die Europa hier bieten kann, ist Hilfe in den Krisengebieten zu
leisten.
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7. Quellen
Will Kymlicka: Politische Philosophie heute, eine Einführung (S.170, 1996)
Martin Anetzberger: Diese Menschen fliehen nach Deutschland (17. Oktober 2014), in
http://www.sueddeutsche.de/politik/auf-asylsuche-diese-menschen-fliehen-nach-deutschland-
1.2176397
Diakonie, Anieke Becker (Interview mit Flüchtlingsexperte Sebastian Ludwig, 13.10.2014):
Nachgefragt: Flüchtlingsunterkünfte – „Unterbringung in Wohnungen wird kaum in Betracht
gezogen“, in
http://www.diakonie.de/nachgefragt-fluechtlingsunterkuenfte--unterbringung-in-wohnungen-
15710.html
Berenice Böhlo: Lampedusa liegt in Italien (2014), in
http://www.rav.de/publikationen/infobriefe/infobrief-109-2014/lampedusa-liegt-in-italien/?
PHPSESSID=1b4e09a2df070ef6f6def049b967aac9
Süddeutsche.de: Routen der Hoffnung, Wege der Verzweifelten (13. Dezember 2014), in
http://www.sueddeutsche.de/politik/europaeische-fluechtlingspolitik-routen-der-hoffnung-
wege-der-verzweifelten-1.2259006
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http://www.bamf.de/DE/Migration/AsylFluechtlinge/Asylverfahren/asylverfahren-node.html
Max Neufeind; Philip Faigle: Warum brauchen wir Grenzen Mr. Sandel? (24. Oktober 2013),
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Bundeszentrale für politische Bildung: Die Prinzipien der EU (24.09.2009), in
http://www.bpb.de/internationales/europa/europaeische-union/42935/grafik-prinzipien-der-eu
UNHCR- The UN Refugee Agency: Genfer Flüchtlingskonvention (ohne Jahr), in
http://www.unhcr.de/mandat/genfer-fluechtlingskonvention.html
¹ UNO Flüchtlingshilfe: Zahlen und Fakten (Jahresauswertung 2013), in
http://www.uno-fluechtlingshilfe.de/fluechtlinge/zahlen-fakten.html
² Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Die zehn Zugangsstärksten Herkunftsländer
(Dezember 2014), in
http://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Downloads/Infothek/Statistik/statistik-anlage-
teil-4-aktuelle-zahlen-zu-asyl.pdf?__blob=publicationFile
Matthias Kernstock: AZUBI-Wohnheim wird für Flüchtlinge geräumt (11. März 2015), in
https://mopo24.de/nachrichten/wohnheim-wird-fuer-fluechtlinge-geraeumt-5298
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13. 62. Europäischer Wettbewerb – 4.1 Festung Europa | Janina Baur
Bergische Landeszeitung: Wohnheim in Lindlar (15. Mai 2015), in
http://www.rundschau-online.de/wipperfuerth-und-lindlar/wohnheim-in-lindlar-fluechtlinge-
schlachten-ziege,19081524,30692336.html
Parallaxe: Hume und die Sympathie (15. Januar 2008), in
https://parallaxe.wordpress.com/2008/01/15/hume-und-die-sympathie/
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http://www.lastexitflucht.org/againstallodds/factualweb/de/3.4/articles/3_4_1_Rueckkehr.htm
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http://www.migazin.de/2014/10/16/mehr-ethik-mit-fluechtlingen-und-fuer-fluechtlinge/
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