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EINE SONDERVERÖFFENTLICHUNG DER REMS-ZEITUNG
Schwörtage
Eine Tradition wird zu neuem Leben erweckt
Staufersaga
Die legendäre Inszenierung lebt weiter
Stauferfestival
Das Mittelalter unterhaltsam präsentiert
II Nummer 158 · Montag, 11. Juli 2016 Stauferfestival 2016
Beim Sägen ging es hart zur Sache. Jede Mann-
schaft musste drei Stücke produzieren. Einen
der härtesten Jobs hatte Pat Mueller, der die
kompletten Schwörspiele kommentierte und
es dabei zirka zwölf Stunden am Stück in der
Sonne aushalten musste (unten).
Bilderbogenvonden
ersten Schwörspielen
Beim letzten Spiel musste eine Krone vom Horn des Ein-
horns geborgen werden, nachdem zuvor eine Strecke von
15 Metern auf vier Schilden zurückgelegt worden war
(oben). Auf Booten musste der Pool beim „Team-
Work“-Spiel durchquert werden (unten).
Fotos: ml (6), edk (3)
Bei der „Staffel der Ortsteile“ schickte aus-
gerechnet sein Heimatort Weiler Oberbür-
germeister Richard Arnold baden (links).
Beim ersten Spiel hatte die Ortsvorsteher-
Figur aus Bargau in der Auftaktrunde deut-
lich die Nase vorn (unten). Beim Team-
WorkgingenOBArnoldundseinStellvertre-
ter Joachim Bläse gegeneinander auf die
Rolle – der eine in Sportschuhen, der ande-
re barfuß.
Ein tolles Spiel war das „etwas andere Kata-
pult“ (links); hier das Team Lindach mit Ers-
temBürgermeisterJoachimBläsealsFänger
und Ortsvorsteher Klaus-Peter Funk als
Schütze. Nach dem Überraschungsspiel
„Holz sägen“ gab es Diskussionen über un-
terschiedliche Stärke und Trocknungsgrad
des eingesetzten Holzes.
DieSchwörspiele
DieSchwörspiele
– eine Analyse
von Manfred Laduch
Es ist fast genau drei Jahre her, dass die
Rems-Zeitung die Idee in den Raum stellte,
die Gmünder Stadtteile in einer Art „Spiel
ohne Grenzen“ gegeneinander antreten zu
lassen – angeregt vom Beispiel unserer ita-
lienischen Partnerstadt Faenza, wo die
„Rioni“ traditionell jedes Jahr am vierten
Sonntag im Juni gegeneinander antreten.
Nun hat Faenza nur fünf dieser Stadttei-
le und man beschränkt sich auf ein Reiter-
spiel, das in zwei Stunden über die Bühne
ist. In Gmünd waren es am Samstag – mit
kurzen Pausen – am Ende über zwölf Stun-
den. Die Stimmung auf den fast durchgän-
gig voll besetzten Tribünen war trotzdem
hervorragend.
Die Veranstaltung ruft also förmlich
nach einer Wiederholung, wobei man sich
erst noch Gedanken über den Turnus ma-
chen wolle, wie OB Richard Arnold erklär-
te. Ob es beim nächsten Mal wieder der
Marktplatz sein muss, wenn nicht gleich-
zeitig drumherum ein großes Mittelalter-
Spektakel stattfindet, ist ebenfalls eine
Überlegung wert. Man könnte die Ausrich-
tung ja auch an den Sieger vergeben. Tri-
bünen lassen sich auf jedem Sportplatz
aufstellen, auf dem auch noch mehr Platz
wäre, was Umrüstzeiten verkürzen könnte.
Was man auf jeden Fall wieder brauchen
wird, sind Schiedsrichter mit Autorität.
Man darf den Ehrgeiz der Ortsteile nicht
unterschätzen. Immer wieder beklagten
sich Teams über (tatsächliche oder ver-
meintliche?) Benachteiligungen: Durch un-
terschiedlich förderstarke Wasserräder,
durch unterschiedlich bewertete Turmbau-
Taktiken, durch unterschiedlich dicke und
nicht gleich trockene Baumstämme, durch
unterschiedliche Fortbewegungsarten auf
einer Walze u.s.w.
Am Ende siegte zum Glück der olympi-
sche Gedanke, dass Dabeisein alles ist. Und
tatsächlich: Da musste man dabei gewesen
sein. Auch wenn es noch so heiß war und
manche(r) den Spiel-Pool freiwillig auf-
suchte, in den die mutigen Ortsvorsteher
per Thron mit Kipp-Funktion von den geg-
nerischen Mannschaften befördert werden
mussten. Ein gutes Zeichen auch, dass die
beiden punktgleichen Sieger auf ein Ste-
chen verzichteten: Alle haben gewonnen.
OB ging baden
Das Finalspiel
Jede Menge Holz
Ein harter Job
Stauferfestival 2016 Nummer 158 · Montag, 11. Juli 2016 III
SiegfürGroßdeinbach undHerlikofen
Über zwölf Stunden Schwörspiele waren ebenso anstrengend wie schön / Brillantes Feuerwerk zum Abschluss
und erhielten von den quasi den ganzen Tag
über voll besetzten Tribünen den verdienten
Applaus. Für die drei Erstplatzierten gab es
noch Schecks.
� Das Ergebnis: 1. Großdeinbach und
Herlikofen (je 71 Punkte, je 2500 Euro),
3.Rechberg(69,1000Euro),4.Straßdorf(68),
5. Lindach (64), 6. Rehnenhof/Wetzgau (62),
7.Weiler(59),8.Bettringen(57),9.Degenfeld
(54), 10. Bargau (51), 11. Hussenhofen (39),
12. Kernstadt (35).
entscheidenden Punkte für einen Gleich-
stand in der Führung, nach dem sich die
Ortsvorsteher darauf einigten, auf ein Ste-
chen zu verzichten und gemeinsam als Sie-
ger auf dem Podium zu stehen.
Dort lobte OB Richard Arnold (der auch
Spielführer des Kernstadt-Teams war) die
Veranstaltung als vollen Erfolg und würdig-
te den Einsatz von Kommentator Pat Muel-
ler, Spielleiterin Karoline Hirner und der
Schiedsrichter. Alle Teams wurden noch-
mals auf die Rampe vor dem Pool gerufen
nioren aus allen Altersgruppen zu bilden –
und auch alle Spieler einzusetzen. Individu-
elle Leistung war seltener angezeigt: Die
Mannschaft musste es gemeinsam bringen.
Etwa beim lustigsten Wettkampf, dem
„etwas anderen Katapult“ – ebenso wie eini-
ge andere eine schöne Erinnerung an die
Zeiten von „Spiel ohne Grenzen“. Da muss-
ten zunächst von jedem Team selbst mit
Wasser befüllte Ballons über zwei Stationen
bis zu einem Expander-Katapult geworfen
werden. Der Schütze hatte dann eine Zielzo-
ne anzuvisieren, in dem die Bomben mit Ei-
mern aufgefangen werden mussten, um den
verbliebenen Inhalt in eine Messsäule zu
kippen. Aus dem Ergebnis ließ sich ableiten,
dass sich die Stadt bei einem eventuellen
Angriff am besten vom Bargauer Ortsvorste-
her Franz Rieg verteidigen lassen sollte, der
sich als Präzisions-Katapultschütze erwies.
So lagen die Bargauer nach dem zweiten
Spiel deutlich vorn und mancher fühlte sich
an die Wettbewerbe um die „Wildeste Regi-
on im Wilden Süden“ vor 25 Jahren erinnert.
Dann aber kamen die Straßdorfer, gewan-
nen zwar nur ein Spiel (das nicht vorange-
kündigte und damit auch nicht trainierte
Holzsägen), platzierten sich aber immer vor-
ne und führten die Tabelle bis zum vorletz-
ten Spiel an.
Hier jedoch überzeugten die Prinzessin-
nen aus Großdeinbach (Jule Markowetz)
und Herlikofen (Saskia Hirrlinger) beim Er-
obern der Einhorn-Krone. Auch wenn Mira
Merholz (Rehnenhof/Wetzgau) und Paul
Straub (Rechberg) noch schneller waren, si-
cherten sich die beiden Nord-Stadtteile die
Sie kämpften bis zum Umfallen – und
besonders die in den „großkopfeten“
Ortsvorsteher-Figuren versteckten Spieler
hatten viel Gelegenheit zum Umfallen.
Am Ende gewannen gleich zwei Stadtteile
dieerstenGmünderSchwörspiele:Mitje
71 Punkten hatten Großdeinbach und
Herlikofen die Nase vorn.
Von Manfred Laduch
Zu Lande, zu Wasser und (mit Wasser-
bomben) durch die Luft: Für den Wettkampf
der zwölf Ortsteile – einschließlich Kern-
stadt – hatten sich die Macher mit großer
Kreativität neun Spiele ausgedacht. Da
mussten die dicken Ortsvorsteher-Figuren
durch ein enges Tor, über eine Wippe oder
sich bei der „Reise nach Jerusalem“ aus dem
Spiel schubsen.
Neben Schnelligkeit war hauptsächlich
Geschicklichkeit gefragt: Wie transportiert
man Wasser möglichst verlustfrei über Hin-
dernisse, wie kann man einen Turm aus zehn
Turnmatten bauen, die vier Spieler zwi-
schen sich ablassen mussten, ohne nach der
ersten Matte nochmals das Pflaster des
Marktplatzes zu berühren? Kraft und Tech-
nik mussten eingesetzt werden, um Holz zu
sägen oder einen Spieler auf vier Schilden
zu einer in 3,20 Meter Höhe am Horn eines
Einhorn hängenden Krone zu balancieren.
Hier zahlte sich aus, dass alle Teams ver-
pflichtet waren, sich von Kindern bis zu Se-
Wir haben gemeinsam gewonnen, also gibt es auch ein ge-
meinsames Siegerfoto, beschlossen die Teams von Groß-
deinbach und Herlikofen (links). Eine der Aufgaben war das
Bauen eines Turms aus zehn Turnmatten, die gestapelt über
dem Kopf getragen wurden. Nachdem die erste abgelassen
war, durfte das Pflaster nicht mehr berührt werden (oben).
Auf der Westtribüne fieberten die gerade nicht im Spiel befindlichen Teammitglieder mit den Aktiven in
der Arena auf dem oberen Marktplatz mit. Fotos: edk (3), ml (2), gbr (1)
Den Abschluss der Schwörspiele
bildete ein vom Lindenfirst ge-
startetes Feuerwerk (rechts).
Und auch zu dieser Zeit war die
Arena noch voll. „Dich mach ich
nass“,scheintWernerNußbaum
seinem Herlikofer Kollegen Ce-
lestino Piazza zuzurufen, als die-
ser auf dem „Schleuderthron“
Platz genommen hatte (oben).
Die „Reise nach Jerusalem“ ge-
wanndieRechbergerOrtsvorste-
herinnen-Figur,dievomOriginal
Anna Zeller-Klein gelotst wurde
(links).
DieSchwörspiele
Gemeinsamer Jubel
Feuerwerk
IV Nummer 158 · Montag, 11. Juli 2016 Stauferfestival 2016
Bürgermeister Julius Mihm, OB Arnold und Bür-
germeisterJoachimBläsemitGemeinderatund
Polizeichef Argauer marschierten mit. Aber
auch sonst waren viele bekannte Gesichter zu
sehen. Unser Bild unten zeigt die schöne, un-
glückliche Irene, legendäre „Rose ohne Dor-
nen“ – dargestellt von Ramona Kunz, Vorsitzen-
de des Stadtverbands Musik und Gesang.
Bekannte Gesichter
Eskommtdie Zeit für
den,derfällt,zusteigen
Fast 2000 Mitwirkende gestalteten diesen Zug durch die Innenstadt
Mit ansteckender Fröhlichkeit präsentierten sich gestern
alle Stadtteile – nach Einwohnern gezählt, waren Degen-
feld, Weiler, Rechberg und Bargau am stärksten vertreten.
UnserBilduntenentführtindenOrient;dieKamelewaren
die exotischsten, aber bei weitem nicht alle Tiere im Zug.
Musik, Blumen, Tiere
Ein schwarzes Kreuz auf der Brust bedeutet
Deutschorden, das rote Kreuz steht für die
Johanniter – vor allem die Jungs waren ges-
tern völlig fasziniert von angedeuteten
Zweikämpfen und Gefechten, wussten
überraschend gut Bescheid darüber,
welche Horden da vorbeimarschierten –
unser Bild unten zeigt eine Sarazenen-
schützin.DasGanzeistnichtzuletzthervor-
ragende Gelegenheit, für den Staufersaga-
verein zu werben, für unterschiedlichste
Sportarten und für die gezeigten Tänze.
Faszination
DerStauferzug
DerStauferzug im
Jahredes Herrn2016
Die Geschichte der Staufer im Schnell-
durchgang? Aber nein. Es war eher ein getra-
genes Schreiten, mit dem die Stauferfamilien
an den Gmündern und ihren Gästen vorbeide-
filierten. Und das war erst der Anfang eines
Zuges, der als farbenfrohes Spektakel trotz ei-
niger Pausen einfach nur Spaß machte.
Den Anfang machte die „Trommler und Fan-
farentruppe Altshausen“ hoch zu Ross — an-
gemessene Eskorte für ein Geschlecht, das wie
kein anderes das Rad der Fortuna symbolisiert,
das durch Aufstieg und Niedergang lebte und
litt und für jede Menge legendärer Geschichte
und Geschichten steht. Freunde der Staufer
und natürlich der Staufersaga begrüßten die
einzelnen Gruppen wie gute, alte Bekannte.
Und Dank der vielen Infos wurden auch aus-
wärtige Gäste mitgenommen auf diese Zeitrei-
se. Wer sich keine Karten sichern konnte, ist
jetzt zumindest in groben Zügen informiert.
Friedrich von Büren, das war doch der
„Hochzeiter“, der erste, der erkannte, dass
eine Ehe wie kaum ein Krieg Ländereien, Ver-
mögen oder Beziehungen zum Hochadel einzu-
bringen vermag: Die Staufergenerationen
nach ihm haben einige herausragende Partien
gemacht. Aber es gibt auch die dunklen Seiten,
Szene für Szene Teil des Zuges – zum Teil in die
hellsten, leuchtendsten, kostbarsten Stoffe ge-
hüllt. All die Grausamkeiten, das Unrecht
werden angerissen. Unter anderem kommt es
zum Kreuzzug, und wie vor so langer Zeit mar-
schierten gestern Horden durch die Straßen
der Stadt, die „Tötet die Ungläubigen“ und
„Auf, nach Jerusalem“ grölten.
Aufstieg und Fall einer Familie bis zum Fall-
beil in Neapel. Die Botschaft gestern war aber
eine andere: Von den Staufern ist vieles geblie-
ben. Vieles haben sie vorgedacht, vorwegge-
nommen. Überdauert hat auch der Gedanke:
„Es kommt die Zeit für den, der fällt, zu stei-
gen.“ Und: „Groß Werk braucht Einigkeit.“
Dem Publikum gefielen erwartungsgemäß
vor allem die Gaukler, die Krieger die Tänze-
rinnen, die Verzicht predigenden Mönche oder
auch Walter von der Vogelweide, „Popstar des
Mittelalters“. Die Gmünder Saga gibt der Ge-
schichte Gesichter und Anekdoten; Daniel Set-
haler, Dr. Bodenstein, Thomas Steeb, Frank
Messerschmidt, und Silvia und Winfried Breit-
weg moderierten und erzählten.
Trotz der Hitze gab es außer einigem Kreis-
laufproblemen keine medizinischen Notfälle,
auch sonst blieb offenbar alles ruhig. bt
Stauferfestival 2016 Nummer 158 · Montag, 11. Juli 2016 V
Undeswird marschiert, getanzt,
gekämpft undmusiziert
Der zweite Teil des Zugs verbindet Vergangenheit und Gegenwart
Gut gelaunt bei ziemlicher Hitze – Herlikofer,
Bettringer und Rechberger Beiträge zeugen von
der Mühe, die sich die Gmünder Teilorte ge-
macht haben. Viele beteiligten sich gewandet
und erzählten ihre eigenen Geschichten.
Fotos: edk, hs, bt
Beteiligung
„Jakobus unser Schutzpatron“ erklingt,
dann noch das Symbol der Muschel: Kein
Zweifel möglich, hier marschieren die Bar-
gauer als Pilger (rechts).
Die Pilger kommen
Saladin (oben) wiederholte auf dem Markt-
platz seine flammende Rede. „Verteidigt
Euer Land und Eure Familien, die Kreuzzüg-
ler kommen.“ Die dramatischen Geschich-
ten der Staufer standen erneut im Mittel-
punkt, bis hin zur Hinrichtung des letzten
Hoffnungsträgers: Konradin (Gabriel Ko-
wak)undseineGefährten(SimonIhlenfeldt
und Thomas Sachsenmaier) sind des Todes.
Marktplatz-Drama
DerStauferzug
BargauerMädelspräsentierenihrenOrtmitder-
selben Freude wie die Gruppen aus Hussenho-
fen, Hirschmühle, Zimmern, wie die Lindacher
oder die Herlikofer – die gestern in Teilen zu-
mindest ein bisschen aussahen wie Schlümpfe,
mit denen sie die Herkunft teilen.
Freude am Ort
Dieganze Stadt
stelltsichvor
Die Theaterleute des Parler-Gymnasiums
stellten ihr Barbarossastück vor, der Kinder-
fanfarenzug des 1. MV Stadtkapelle war dabei
und natürlich die Teams der Schwörspiele, die
den Höhepunkt dieses Wochenendes bestritten
hatten. Die Landfrauen kamen als Marketen-
derinnen – hüftschwingend und mit anste-
ckendem Lachen –, und auch die Beiträge der
Stadtteile machten den Stauferzug sehens-
wert. Siegfried und Elli Lüben und ihr Gefolge
etwa, die den Rechberg und Haus derer von
Rechberg hoch zu Ross und standesgemäß mit
Falken in Erinnerung brachten, die Straßdor-
fer, die der Freien Reichsstadt ihren Zehnten
zahlten („guck mal, die haben ein Biberle da-
bei“), die Degenfelder, die eine Bauernhoch-
zeit spielten, oder der Weilermer Ortsvorste-
her, der ein Heubad nahm. Die Herlikofer wa-
ren ebenso präsent wie die Gruppe aus Reh-
nenhof/Wetzgau, die sich derzeit auf ihre eige-
nes großes Jubiläum vorbereitet. Der Dank der
Stadt galt gestern zudem Trommlern, Fahnen-
schwingern und Gewandeten aus Faenza so-
wie der Burg Katzenstein, die als alte Staufer-
burg ebenfalls Gewandete schickte. Sie alle
über zwei Stunden unterwegs. bt
VI Nummer 158 · Montag, 11. Juli 2016 Stauferfestival 2016
Michael Hiemann faszinierte mit Kalligraphie-
Werken. Immer wieder prägten auch Blumen-
kränzedasBildaufdemMittelaltermarktundso
mancher Händler zeigte sich überrascht, wie
gut die Kränze auch hier in Gmünd ankommen.
Fotos: nb
Kreativität
Mittelalterliches
Treibenfasziniert
Breitgefächertes Angebot auf dem Mittelaltermarkt rund ums Münster
Musik und Tanz spielten auch im Mittelalter schon eine
wichtige Rolle und so passten die Auftritte, die am Sams-
tag und Sonntag immer wieder stattfanden, perfekt zum
mittelalterlichen Treiben rund ums Münster. Verschie-
denste Musikgruppen faszinierten mit mittelalterlichen
Klängen.
Mittelalterliche Klänge
Shakti Siedler aus Österreich war mit ihrer
Perlenweberey vor Ort und freute sich über
das lauschige Plätzchen am Münster. Das
Knüpfbrett,soerzähltesie,hatsieselbstge-
baut. Lustig zu ging es bei der Bierrutsche,
zu sehen auf dem rechten Bild. All jene, die
sich auf den Spaß einließen, merkten
schnell:Soeinfachwieesaussieht,istesgar
nicht, den Krug ans Ziel zu befördern.
Kunst und Freude
Auch die Kinder kamen rund ums Münster
voll auf ihre Kosten. So wie die neunjährige
Salome Staudenmaier, die sich von Tatjana
Kotschubey (links) schminken ließ. Gut an
kam auch die historische Schiffschaukel
(oben). Gaukler rundeten das Angebot ab.
Auch an mittelalterlichen Leckereien man-
gelteesnicht.SusanneSieber(unten)kocht
nach alten Rezepten und hat längst ihre
Stammkunden.
Lebensglück
DerStaufermarkt
Handwerkskunst
undZuckergespinn
Viele mittelalterliche Motive ließen sich auch
rund um das Münster, in der Bocksgasse, im
Innenhof der Augustinuskirche und auf dem
Kornhausplatz mit dem „Seelenfänger“ – der
Kamera – festhalten. Zahlreiche Händler aus
ganz Deutschland – über 100 Stände waren es
insgesamt – boten Handwerkskunst und Le-
ckeres für den Gaumen an. Wer sich kulina-
risch voll und ganz auf das Mittelalter einlas-
sen wollte, der konnte bereits in der staufi-
schen Haferbräterei auf dem Kornhausplatz
damit beginnen, wo Susanne Sieber Haferta-
ler, Barbarossatopf und Linseneintopf nach al-
tem Rezept zubereitet hatte und verkaufte.
Eine bedeutende Rolle auf den Märkten von
einst hatte auch das fahrende Handwerk, ver-
treten beim Stauferfestival unter anderem von
Jochen Hochstatter, der auf mittelalterlichen
Märkten als Saladin unterwegs ist und orien-
talische Handwerkskunst verkauft. Und ganz
nebenbei im Tagine Gemüse kocht – mit die
beste Werbung für den traditionellen Lehm-
kochtopf aus Marokko, den es hier ebenfalls zu
kaufen gibt. Viele interessierte Blicke gab es
auch für das, was im Innenhof der Augustinus-
kirche von den Goldschmieden präsentiert
wurde.
Die kleineren Besucher verschwendeten ans
mittelalterliche Kochen oder die Handwerks-
kunst noch keinen Gedanken, griffen viel lie-
ber zu magischem Zuckergespinn (Zuckerwat-
te) und drehten eine Runde im Karussell oder
übten sich im Bogenschießen. Auch der Kin-
derbereich im Buhlgäßle kam gut an; jede
Menge Zulauf hatte hier das Goldwaschen.
Und richtig viel zu tun hatte auch Tatjana Kot-
schubey, die aus der Nähe von Nürnberg kam
und nicht viel mehr dabei hatte als allerlei Far-
ben und Pinsel. Damit aber zauberte sie den
Mädchen, die sich hier schminken ließen, wun-
derschöne Kunstwerke auf die Wange.
Mit dem Umsatz zeigten sich nicht alle, aber
doch einige Händler zufrieden. Beispielsweise
Elke und Gordon Becker, die Trinkhörner aus
echtem Rinderhorn anbieten und in den ver-
gangenen zwei Tagen fast 30 davon verkauften.
Für die Gewandeten eine gute Möglichkeit,
immer ein Getränk bei sich zu haben, ohne auf
moderne Flaschen zurückgreifen zu müssen.
Umrahmt wurde das mittelalterliche Treiben
von Musik, Tanz und Gauklern. Dass Wahrsa-
gerin Athena eine gute Zukunft vorhersagte,
rundete das gelungene Wochenende ab. nb
Landkreis Nummer 158 · Montag, 11. Juli 2016 VII
DieLedergasse wurdezurKampf-Arena
Bewaffneter Kampf hoch zu Ross / Erstes Gmünder Turnier im ritterlichen Schwertkampf / Katapult-Schießen und große Schlacht
nen zu sehen. Eingeschworen hatte das Pu-
blikum zuvor das Katapult-Team. Sie jagten
mit ihrer neuen Wurfmaschine sogar bren-
nende Geschosse durch die Luft, und Frank
Stühle zog mit seinen witzigen Kommenta-
ren das Publikum in Bann.
Selbst bei Einbruch der Dunkelheit wurde
im Fackelschein in der Ledergasse noch ge-
kämpft. Es wurde zum Finale nochmal rich-
tig „Gas“, pardon Feuer gegeben.
lich mal den Spieß umzudrehen und die
Streitmacht der Sarazenen zu besiegen.
Ohne differenzierte Choreographie wurden
zur Freude des zahlreichen Publikums die
Schilde zum Schutz vor den Attacken der
Bogenschützen als Wall aufgebaut und an-
schließend im Nahkampf die Klingen ge-
kreuzt. Dabei ging’s zum Teil kräftig zur Sa-
che, und neben Schwertkampf waren auch
Würfe, Duelle mit Dolchen oder Prügelsze-
erstmals veranstalteten Turnier traten
Männlein und Weiblein ohne Geschlechter-
trennung mit der sogenannten „Fechtfeder“
gegeneinander an. Dabei handelt es sich um
ein aus besonders widerstandsfähigem Fe-
derstahl geschmiedete lange Schwert, das
mit beiden Händen geführt wird. Punkte
werden vergeben, wenn die Klinge an einer
Stelle trifft, wo sie in einem echten Kampf
schwere Verletzungen oder gar den Tod her-
beiführen würde.
Damit nichts davon passiert, schützen sich
die Kämpferinnen und Kämpfer beispiels-
weise mit klassischen Kettenhemden und
metall-armierten Lederhandschuhen. Als
Alternative werden aber auch gerne Protek-
toren aus anderen Sportarten, zum Beispiel
Eishockey, Football oder Moto-Cross getra-
gen. Diese „Rüstungen“ sind nämlich um ei-
niges leichter und lassen daher schnellere
Bewegungen zu. Und schnelle Reaktionen
sind in aller Regel entscheidend darüber,
wem die Punktrichter mit ihren Fähnchen
eine Wertung geben. Da die Stiche und Hie-
be sehr dynamisch und demzufolge auch mit
Wucht ausgeführt werden, bleiben bei einem
solchen Ritterkampf kleinere Blessuren
nicht aus. Vor allem die Finger sind sehr ver-
letzungsanfällig. Aber was ein echter Ritter
ist, zieht nach dem Motto „Wo gehobelt
wird, da fallen Späne“ in den Kampf.
Dies machten dann auch die Akteure der
Kreuzzugsschlacht aus der Staufersaga. Sie
trafen sich am Samstagabend zur finalen
Schlacht – und die Kreuzritter waren fest
entschlossen, nach zehn Niederlagen vor der
Johanniskirche nun in der Ledergasse end-
Nach Blut, Schweiß, Leder und Pferden
roch es am Samstag in der Ledergasse,
wo edle Recken sich in der ritterlichen
Kriegskunst maßen, die Katapult-Leute
mit Feuerbällen schossen und sich die
Kreuzritter und Sarazenen ein letztes
erbittertes Gefecht lieferten.
Von Gerold Bauer
Schon am Vormittag hallte Hufgetrappel
durch den westlichen Zugang zur Innen-
stadt. Die Show-Truppe „Armati Equites“
inszenierte bei der Remsgalerie ein tempera-
mentvolles Ritterturnier. Die Pferde
schnaubten vor Tatendrang, bis sie endlich
über die Sandbahn galoppieren durften, um
ihren Reitern zu Ruhm und Ehre zu verhel-
fen. Was leider nicht immer gelang. „Der
edle Herr hat gefehlt! Er war wohl in der
Nacht zu sehr den Mägdelein oder dem Wein
zugetan und ist heute noch ermattet“, spe-
kulierte der Moderator, wenn es einem Rit-
ter zum Beispiel nicht gelang, aus vollem
Galopp mit einem Schwerthieb den symbo-
lischen Gegner zu enthaupten oder mit der
Axt einen Apfel zu spalten. Treffsicherheit,
Körperbeherrschung und nicht zuletzt gut
ausgebildete Pferde sind nötig, um an einem
solchen Turnier nicht kläglich zu versagen.
Dass sich unter so manchem Helm und hin-
ter einem angeklebten Bart in Wahrheit eine
Amazone verbarg, hätte ohne erläuternde
Worte übers Mikrofon keiner gemerkt.
Auch beim von der Ritterschaft zu Gmünd
Während die Urgewalt mächtiger Rittersleut’ im vollen Ga-
lopp aufeinander prallte, erwies sich Katapult-Chef Frank
Stühle wie gewohnt als „Herr der Stimme“. Unermüdlich
peitschteermitseinemKriegsgeschreiPublikumundAkteu-
re gleichermaßen hoch, bis sich die Spannung beim Kom-
mando „und Schuss!“ schlagartig entlud. Fotos: gbr
Wo das Gmünder Katapult-Team mit ihren historischen Wurfmaschinen auftaucht, herrscht immer eine
besondere Stimmung. Das neu gebaute Katapult bezieht seine Energie nicht auf Spannung gebrachten
Seilen, sondern durch das koordinierte schnelle Ziehen vieler kräftiger Männer. Laut Kommentator wur-
den damit unter anderem die Köpfe getöteter Feinde über die Burgmauern geschleudert. Foto: pr
BeimerstenGmünderTurnierim
ritterlichen Schwertkampf wur-
den in der Ledergasse die Klin-
gen gekreuzt. Heimische und
auswärtige Recken agierten im
Staub der Arena. Und so wie
beimFechtenwarauchimRitter-
turnier Treffsicherheit gefragt.
ZumBeispielimUmgangmitder
Lanze, mit der es galt, kleine Rin-
ge oder winzige Holzklötze zu
treffen. Dem Publikum gefiel
beides sehr gut. Fotos: edk
DieRitterspiele
Reitet an – „und Schuss“
Attacke!
VIII Nummer 158 · Montag, 11. Juli 2016 Stauferfestival 2016
Mehr als jene des Jahres 2012 lebte die Staufer-
saga-Inszenierung 2016 vom Wechsel zwischen
den eher statischen Elementen der Tableaux
unddenAuftrittenvonSolisten.AllenvoranPat
Mueller als „Zeitreisender“ (oben). Die orienta-
lischeSchleiertänzerin(unten)faszinierteohne
Worte. Fotos: rw, hs (5)
Starker Auftritt
Das Glück des
Gesamtkunstwerks
Staufersaga 2016: Bis auf die Premiere wurde jedes Mal durchgespielt
Oben: Eine perfekte Szenenfolge erlebten die Zuschauer
der letzten Aufführung der Staufersaga am Freitag an ei-
nem herrlichen Sommerabend. Die Zuschauer hielt es
nicht auf den Sitzen, als alle Akteure und Helfer nach dem
SchlussindieArenazogenunddenApplausentgegennah-
men.DreieinhalbTausendbegeisterteMenschenaufdem
Johannisplatz – einfach überwältigend. Foto: rw
Erhebende Derniere
Das Wetter ist unter freiem Himmel immer
ein Hauptakteur – aber einer, der sich nicht
den Wünschen der Regie fügt. Das erlebte
man bei der Premiere: Ein herannahendes
Unwetterbereiteteihrnachder6.Szeneein
vorzeitiges Ende. Die Zuschauer verließen
rasch die Arena (unten). Die sieben weite-
ren Aufführungen konnten allesamt durch-
gespielt werden. Beeindruckend in ihren
Choreographien: Tanz und Kampf (rechts).
Ende im Regen
Ohne die Helfer im Hintergrund und Unter-
stützer wäre die Staufersaga nicht möglich.
Es sind nicht allein die Akteure auf der Büh-
ne, die sie realisieren. Es sind der Kompo-
nist und die Musikgruppen, Choreogra-
phen, Bühnen- und Kostümbildner, die Ge-
wandmeisterei, die vorzüglich arbeitende
Maske, die Technik. Und auch jene, die
schnell mal aufräumen.
Einsatz
Momentaufnahmen
Von Reinhard Wagenblast
Das Risiko hat man immer bei Aufführungen
unter freiem Himmel, dass das Wetter nicht
mitspielt. Aber wenn Blitz, Donner und Regen
eine Premiere vorzeitig beenden, ist es schon
bitter. So war es bei der Staufersaga 2016. Bit-
ter für die Mitwirkenden, weil sie um den
Schlussapplaus gebracht wurden.
Doch es ging nicht anders, Spielleiter Haps
Spitznagel senkte nach Ende der sechsten Sze-
ne den Daumen: Schluss. Sicherheit ist obers-
tes Gebot. Es hatte schon kurz nach 23 Uhr zu
regnen begonnen. Erst sachte, so dass es man-
cher in der Arena erst am Aufleuchten der fal-
lenden Tropfen in den Scheinwerferkegeln be-
merkte, dann aber stetig. Zuvor schon, in der
Abenddämmerung, hatten sich Wolken drama-
tisch über dem Münster aufgetürmt, die
Schwüle nahm zu, in der Dunkelheit später
setzte Donnergrollen ein und starke Blitze
zuckten. Die Blicke zur Bühne und zum Him-
mel wechselten immer häufiger.
„Ich wollte die sechste Szene noch abschlie-
ßen“, sagt Regisseurin Kathrin Bechstein. Die
sechste Szene, das ist der Trauerzug vom Ho-
henstaufen zum Kloster Lorch für die Kaiser-
tochter Irene Maria von Byzanz. „Da steckte
schon Symbolik drin.“
Es war zwei Tage vor der Premiere noch
ziemlich schwierig auf dem Johannisplatz, re-
kapituliert die Regisseurin. Erst in der Gene-
ralprobe konnte die Applausordnung geprobt
worden. Zugänge fehlten, die Technik hatte
ihre Tücken, die Box in der Mauer funktionier-
te nicht. „Zum Glück hatten wir die Sporthalle
im Schwerzer als Probenort“, sagt Kathrin
Bechstein. „Dadurch waren die Darsteller gut
vorbereitet, das hat alles kompensiert.“
Höchstes Lob zollt sie den Mitwirkenden: „Wir
hatten ein vorzügliches Miteinander. Das
macht den Erfolg aus: das gegenseitige Ver-
ständnis und das strukturierte Vorgehen. Wenn
das Ensemble sich gut vorbereitet, dann
strahlt das auch auf das Publikum aus.“ Kön-
nen gibt Selbstvertrauen. Die „richtige“ Pre-
miere kam am Samstag in der zweiten Auffüh-
rung zustande, nachdem am Nachmittag noch
eine Gewitterfront durchgezogen war – es
konnte durchgespielt werden, der Beifall war
riesig, „wir waren glücklich.“ Alle übrigen
Aufführungen fanden wie geplant statt, kleine
Verbesserungen und Änderungen flossen in sie
ein. Derlei gehört zum konstanten Aufwand,
von dem das Publikum direkt nichts erfährt,
wohl aber in der Qualität des Spiels spürt.
Einfach überwältigend die Derniere am
Freitagabend: Noch einmal legten die Akteure
alle Lust und Leidenschaft ins Spiel, das Pu-
blikum war mit Herz und allen Sinnen dabei.
Ein gigantisches Bild am Schluss um Mitter-
nacht: 2300 Zuschauer applaudierten im Ste-
hen den 1250 Mitwirkenden, die sich alle in der
Arena versammelt hatten. Niemand kann sich
der Faszination eines solchen Moments entzie-
hen, er trägt alles und alle.
Ihre Ausstrahlung und Wirkung verdankt
die Staufersaga der Gemeinschaftsleistung
von Darstellern und Musikgruppen, der Arbeit
von Choreographie, Bühnenbild, Gewand-
meisterei, Maske, Requisite, Bühnen- und
Lichttechnik – man kann es nicht genug beto-
nen. Dass die Staufersaga im besten Sinne ein
Spektakel ist, das macht ihren Reiz aus. Und
sichert ihren Fortbestand.
Stauferfestival 2016 Nummer 158 · Montag, 11. Juli 2016 IX
AmJosefsbachentlangdie
Zelteaufgeschlagen
Spazierweg durch eine längst vergangene Zeit / Viele Menschen leben in ihrer Freizeit das Mittelalter
Auch ein historischer Kämpfer muss einmal
durchatmen können. Das Ritterlager bot einen
willkommenen Rückzugsort. Oben links der
Gmünder Schwertkampftrainer Sergej Ermolaev
und auf dem Bild oben drei Mitglieder der Ritter-
schaft aus der Staufersaga. Fotos: gbr
Durchatmen
Als wär sie dafür aufgestellt worden: Die
SkulpturausMetallamJosefsbachdienteei-
nem Ritter kurzerhand als Kleiderständer.
Künstler Gerd Martin Wahl wird ihm diese
Zweckentfremdung sicher nachsehen.
Doppelfunktion
HandarbeitenwurdenalsweiblicheTugend
von den Mägdelein fleißig geübt, während
Marianna Jahn eine kräftige Suppe im Kes-
sel zubereitete. Das Leben im Ritterlager
muss nicht unbedingt voller Entbehrungen
und unbequem sein, wie der Blick in ein
mobiles mittelalterliches „Schlafzimmer“
zeigt.DiesenLuxushattefreilichnichtjedes
der Zelte am Josefsbach zu bieten.
Alltagsleben
DasStauferlager
Nicht jeder Rittersmann musste sich schwer ge-
rüstet durch das Lager schleppen. Mancher
gönnte sich den Luxus, hoch zu Ross am Josefs-
bach entlangzutraben. Die Pferde zeigten auch
hier eine „Eselsgeduld“ und ließen sich von
Umweltgeräuschen nicht aus der Ruhe bringen.
Hufgetrappel
AmWochenendeleben
wievorfast1000Jahren
An fünf Tagen in der Woche sitzen sie pflicht-
bewusst im Büro, stehen korrekt gekleidet am
Bankschalter oder bedienen zuverlässig in der
Fabrik eine computergesteuerte Maschine.
Doch wenn das Wochenende kommt, wird quasi
die Zeitmaschine eingeschaltet und gelebt wie
vor fast 1000 Jahren! Immer öfter finden an ver-
schiedenen Orten sogenannte Ritterlager statt –
zum Beispiel am Rande der Schwörtage am Jo-
sefsbach.
Das Dach über dem Kopf besteht dann aus
Leinen (das straff gespannt sogar wasserabwei-
send ist) – und das müde Haupt wird des näch-
tens auf ein Lager aus Schaffellen gebetet. Im-
mer mehr Menschen lieben diesen Ausstieg auf
Zeit aus der modernen Gesellschaft. Statt sich
aus Termindruck schnell ein Fertiggericht im
Mikrowellenofen warm zu machen, nimmt man
sich gerne die Zeit, um darauf zu warten, bis das
Wasser im Kessel über dem offenen Feuer heiß
und das Suppenfleisch gar ist.
Um so etwas zu erleben, muss man allerdings
nicht gleich komplett in die Mittelalter-Szene
eintauchen und Mitglied einer Ritterzunft wer-
den. Zum Beispiel im Stauferlager in Schwä-
bisch Gmünd durften Besucher der Schwörtage
gerne den Freizeitrittern aus nah und fern über
die Schulter schauen oder sich mit ihnen zu-
sammen fotografieren lassen. Auch Fragen zum
Leben im Mittelalter oder zu den damals übli-
chen Gebrauchsgegenständen wurden dem in-
teressierten Publikum gerne und vor allem
kompetent beantwortet. gbr
X Nummer 158 · Montag, 11. Juli 2016 Stauferfestival 2016
HeißeSchwörtage undeine
zauberhafte Schwörnacht
Hitze drückt die Besucherzahlen unter die gesteckte Erwartungen
Flaschen Mineralwasser wurden ihnen
mit auf den Marsch durch die glühend
heiße Innenstadt gegeben. Dort standen
leider mehr Absperrgitter wie Zuschauer.
Schade. In der Stauferarena gähnende
Leere, weil sie in der prallen Sonne einem
Grill glich. Die Stauferstadt war zwei
Tage ein ganz heißes Pflaster mit einer
zauberhaften Nacht. hs
Dicht besetzte Bänke bei Fackelschein
auch auf dem Staufermarkt am Münster.
Das Ritterturnier in der Ledergasse ge-
hörte gleichfalls zu den 1a-Anziehungs-
punkten. Andere Schwörtag-Schauplätze
lagen zu sehr an der Peripherie, blieben
von den Besuchern ziemlich unentdeckt.
(Sonnen-)Hut ab schließlich gestern vor
allen Akteuren beim Stauferzug: 5000
Schattenplätze und kühle Getränke. Das
waren die gefragtesten Dinge am viel
zu heißen Schwörtagwochenende zum
großen Finale des fast dreiwöchigen
Stauferfestivals.
Manmuss es nehmen wie es ist: Das Da-
moklesschwert von Unwetterprognosen
der letzten Wochen wäre auch nichts ge-
wesen für dieses Wochenende voller Spaß
und Pracht. Nun lachte also endlich mal
wieder die Sonne. Leider viel zu viel.
An beiden Tagen teilten sich – laut ei-
nem ersten Überblick von Rathaus-Pres-
sesprecher Markus Herrmann – die rund
40 000 Besucher vor allem die schattigen
Plätze in der Stauferstadt. Die Gastrono-
men freuten sich über den großen Durst,
den die Akteure und Besucher mit in die
Stadt brachten. Durchweg unglückliche
Kommentare waren von Einzelhändlern
zu hören, die sich am Samstag im
„Schwörtag-Gebiet“ vom Kundenstrom
wie abgeschnürt fühlten.
Dem Herz und der Seele Gmünds hat
das Spektakel jedoch richtig gutgetan.
Aufgrund der Hitze entfaltete sich der
Zauber des Festivals vor allem in den
Abend- und Nachtstunden. Weit mehr als
2500 Zuschauer waren beispielsweise bei
der phänomenalen Feuer- und Akrobatik-
show in der Stauferarena versammelt.
Totale Faszination und Begeisterung bei der Feuer- und Akrobatikshow der „Flugträumer“ in der
Schwörnacht vor über 2500 Menschen in der Stauferarena. Foto: hs.
„Tanzgruppe Fairies – Hexen im Mittelalter“: Auch sie zogen die Bli-
cke der Schwörtag-Besucher auf sich. Foto: edk
Wichtige Ausrüstung auf den Tribünen war die Sonnenbrille. Akteure wie
Zuschauer trotzten der Sonne, die heftig über Gmünd lachte. Foto: hs
Auch sie gehörten zu den Stars der Schwörtage: „Pepiloue und seine 50 Gänse“, hier beim Gänsemarsch durch die Ledergasse vor der
Kulisse des Forums Gold und Silber. Foto: gbr
DasStauferfestival-MagazinderRems-ZeitungfandnichtnurvielAnklangalsLesestoff,
sondern war beim Stauferzug sogar ein willkommener Schattenspender. Foto: hs
Gaukler, Akrobaten, Feuerschlucker: Die Besucher der Schwörtage
bekamen an vielen Schauplätzen Heißes geboten. Foto: edk
Zwischen den spannenden Runden der Schwörspiele konnten
Teams und Fans bei solchen Anblicken durchatmen. Foto: edk
Auch der berühmteste Vertreter der Stauferdynastie, Kaiser Barba-
rossa, sagt: „Auf Wiedersehen bis zum nächsten Mal!“ Foto: hs
Geradezu heldenhafter Tausendsassa
Schauspieler und Autor Pat Mueller wirkte beim Stauferfestival als wohltuender roter Faden
der Schwörtage verständlich zu machen,
wirkte er erneut wie ein wohltuender ro-
ter Faden im großen gesellschaftlichen
und spielerischen Sitten- und Historien-
gemälde. Geradezu heldenhaft dann der
fast zwölfstündige Auftritt des Tausend-
sassas bei der Moderation und Siegereh-
rung der Schwörspiele. Immer passende
und respektvolle Kommentare. Viel Wit-
ziges, nichts Peinliches. Mal beruhigend,
mal aufmuntern. Kein Leerlauf, vielmehr
Nettes und Interessantes zu Gmünd zu al-
len Teams. Chapeau! hs
Was für ein begnadeter Künstler und
Moderator, was für eine Kondition! Be-
reits bei Staufersaga und Stadtjubiläum
2012 spielte Pat Mueller als „Barde“ eine
wichtige, erklärende Rolle, um die Zu-
schauer durch das bisweilen nicht einfach
zu verstehende Wirrwarr der Staufer-
Epoche zu geleiten. Der Schauspieler und
Autor lief nun beim Gmünder Stauferfes-
tival 2016 vollends zur Hochform auf. Mit
seiner Rolle als „Zeitreisender“ oder mit
seiner Inszenierung am Samstagmorgen
auf dem Marktplatz, um dort die Historie

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Schwörtage 2016

  • 1. EINE SONDERVERÖFFENTLICHUNG DER REMS-ZEITUNG Schwörtage Eine Tradition wird zu neuem Leben erweckt Staufersaga Die legendäre Inszenierung lebt weiter Stauferfestival Das Mittelalter unterhaltsam präsentiert
  • 2. II Nummer 158 · Montag, 11. Juli 2016 Stauferfestival 2016 Beim Sägen ging es hart zur Sache. Jede Mann- schaft musste drei Stücke produzieren. Einen der härtesten Jobs hatte Pat Mueller, der die kompletten Schwörspiele kommentierte und es dabei zirka zwölf Stunden am Stück in der Sonne aushalten musste (unten). Bilderbogenvonden ersten Schwörspielen Beim letzten Spiel musste eine Krone vom Horn des Ein- horns geborgen werden, nachdem zuvor eine Strecke von 15 Metern auf vier Schilden zurückgelegt worden war (oben). Auf Booten musste der Pool beim „Team- Work“-Spiel durchquert werden (unten). Fotos: ml (6), edk (3) Bei der „Staffel der Ortsteile“ schickte aus- gerechnet sein Heimatort Weiler Oberbür- germeister Richard Arnold baden (links). Beim ersten Spiel hatte die Ortsvorsteher- Figur aus Bargau in der Auftaktrunde deut- lich die Nase vorn (unten). Beim Team- WorkgingenOBArnoldundseinStellvertre- ter Joachim Bläse gegeneinander auf die Rolle – der eine in Sportschuhen, der ande- re barfuß. Ein tolles Spiel war das „etwas andere Kata- pult“ (links); hier das Team Lindach mit Ers- temBürgermeisterJoachimBläsealsFänger und Ortsvorsteher Klaus-Peter Funk als Schütze. Nach dem Überraschungsspiel „Holz sägen“ gab es Diskussionen über un- terschiedliche Stärke und Trocknungsgrad des eingesetzten Holzes. DieSchwörspiele DieSchwörspiele – eine Analyse von Manfred Laduch Es ist fast genau drei Jahre her, dass die Rems-Zeitung die Idee in den Raum stellte, die Gmünder Stadtteile in einer Art „Spiel ohne Grenzen“ gegeneinander antreten zu lassen – angeregt vom Beispiel unserer ita- lienischen Partnerstadt Faenza, wo die „Rioni“ traditionell jedes Jahr am vierten Sonntag im Juni gegeneinander antreten. Nun hat Faenza nur fünf dieser Stadttei- le und man beschränkt sich auf ein Reiter- spiel, das in zwei Stunden über die Bühne ist. In Gmünd waren es am Samstag – mit kurzen Pausen – am Ende über zwölf Stun- den. Die Stimmung auf den fast durchgän- gig voll besetzten Tribünen war trotzdem hervorragend. Die Veranstaltung ruft also förmlich nach einer Wiederholung, wobei man sich erst noch Gedanken über den Turnus ma- chen wolle, wie OB Richard Arnold erklär- te. Ob es beim nächsten Mal wieder der Marktplatz sein muss, wenn nicht gleich- zeitig drumherum ein großes Mittelalter- Spektakel stattfindet, ist ebenfalls eine Überlegung wert. Man könnte die Ausrich- tung ja auch an den Sieger vergeben. Tri- bünen lassen sich auf jedem Sportplatz aufstellen, auf dem auch noch mehr Platz wäre, was Umrüstzeiten verkürzen könnte. Was man auf jeden Fall wieder brauchen wird, sind Schiedsrichter mit Autorität. Man darf den Ehrgeiz der Ortsteile nicht unterschätzen. Immer wieder beklagten sich Teams über (tatsächliche oder ver- meintliche?) Benachteiligungen: Durch un- terschiedlich förderstarke Wasserräder, durch unterschiedlich bewertete Turmbau- Taktiken, durch unterschiedlich dicke und nicht gleich trockene Baumstämme, durch unterschiedliche Fortbewegungsarten auf einer Walze u.s.w. Am Ende siegte zum Glück der olympi- sche Gedanke, dass Dabeisein alles ist. Und tatsächlich: Da musste man dabei gewesen sein. Auch wenn es noch so heiß war und manche(r) den Spiel-Pool freiwillig auf- suchte, in den die mutigen Ortsvorsteher per Thron mit Kipp-Funktion von den geg- nerischen Mannschaften befördert werden mussten. Ein gutes Zeichen auch, dass die beiden punktgleichen Sieger auf ein Ste- chen verzichteten: Alle haben gewonnen. OB ging baden Das Finalspiel Jede Menge Holz Ein harter Job
  • 3. Stauferfestival 2016 Nummer 158 · Montag, 11. Juli 2016 III SiegfürGroßdeinbach undHerlikofen Über zwölf Stunden Schwörspiele waren ebenso anstrengend wie schön / Brillantes Feuerwerk zum Abschluss und erhielten von den quasi den ganzen Tag über voll besetzten Tribünen den verdienten Applaus. Für die drei Erstplatzierten gab es noch Schecks. � Das Ergebnis: 1. Großdeinbach und Herlikofen (je 71 Punkte, je 2500 Euro), 3.Rechberg(69,1000Euro),4.Straßdorf(68), 5. Lindach (64), 6. Rehnenhof/Wetzgau (62), 7.Weiler(59),8.Bettringen(57),9.Degenfeld (54), 10. Bargau (51), 11. Hussenhofen (39), 12. Kernstadt (35). entscheidenden Punkte für einen Gleich- stand in der Führung, nach dem sich die Ortsvorsteher darauf einigten, auf ein Ste- chen zu verzichten und gemeinsam als Sie- ger auf dem Podium zu stehen. Dort lobte OB Richard Arnold (der auch Spielführer des Kernstadt-Teams war) die Veranstaltung als vollen Erfolg und würdig- te den Einsatz von Kommentator Pat Muel- ler, Spielleiterin Karoline Hirner und der Schiedsrichter. Alle Teams wurden noch- mals auf die Rampe vor dem Pool gerufen nioren aus allen Altersgruppen zu bilden – und auch alle Spieler einzusetzen. Individu- elle Leistung war seltener angezeigt: Die Mannschaft musste es gemeinsam bringen. Etwa beim lustigsten Wettkampf, dem „etwas anderen Katapult“ – ebenso wie eini- ge andere eine schöne Erinnerung an die Zeiten von „Spiel ohne Grenzen“. Da muss- ten zunächst von jedem Team selbst mit Wasser befüllte Ballons über zwei Stationen bis zu einem Expander-Katapult geworfen werden. Der Schütze hatte dann eine Zielzo- ne anzuvisieren, in dem die Bomben mit Ei- mern aufgefangen werden mussten, um den verbliebenen Inhalt in eine Messsäule zu kippen. Aus dem Ergebnis ließ sich ableiten, dass sich die Stadt bei einem eventuellen Angriff am besten vom Bargauer Ortsvorste- her Franz Rieg verteidigen lassen sollte, der sich als Präzisions-Katapultschütze erwies. So lagen die Bargauer nach dem zweiten Spiel deutlich vorn und mancher fühlte sich an die Wettbewerbe um die „Wildeste Regi- on im Wilden Süden“ vor 25 Jahren erinnert. Dann aber kamen die Straßdorfer, gewan- nen zwar nur ein Spiel (das nicht vorange- kündigte und damit auch nicht trainierte Holzsägen), platzierten sich aber immer vor- ne und führten die Tabelle bis zum vorletz- ten Spiel an. Hier jedoch überzeugten die Prinzessin- nen aus Großdeinbach (Jule Markowetz) und Herlikofen (Saskia Hirrlinger) beim Er- obern der Einhorn-Krone. Auch wenn Mira Merholz (Rehnenhof/Wetzgau) und Paul Straub (Rechberg) noch schneller waren, si- cherten sich die beiden Nord-Stadtteile die Sie kämpften bis zum Umfallen – und besonders die in den „großkopfeten“ Ortsvorsteher-Figuren versteckten Spieler hatten viel Gelegenheit zum Umfallen. Am Ende gewannen gleich zwei Stadtteile dieerstenGmünderSchwörspiele:Mitje 71 Punkten hatten Großdeinbach und Herlikofen die Nase vorn. Von Manfred Laduch Zu Lande, zu Wasser und (mit Wasser- bomben) durch die Luft: Für den Wettkampf der zwölf Ortsteile – einschließlich Kern- stadt – hatten sich die Macher mit großer Kreativität neun Spiele ausgedacht. Da mussten die dicken Ortsvorsteher-Figuren durch ein enges Tor, über eine Wippe oder sich bei der „Reise nach Jerusalem“ aus dem Spiel schubsen. Neben Schnelligkeit war hauptsächlich Geschicklichkeit gefragt: Wie transportiert man Wasser möglichst verlustfrei über Hin- dernisse, wie kann man einen Turm aus zehn Turnmatten bauen, die vier Spieler zwi- schen sich ablassen mussten, ohne nach der ersten Matte nochmals das Pflaster des Marktplatzes zu berühren? Kraft und Tech- nik mussten eingesetzt werden, um Holz zu sägen oder einen Spieler auf vier Schilden zu einer in 3,20 Meter Höhe am Horn eines Einhorn hängenden Krone zu balancieren. Hier zahlte sich aus, dass alle Teams ver- pflichtet waren, sich von Kindern bis zu Se- Wir haben gemeinsam gewonnen, also gibt es auch ein ge- meinsames Siegerfoto, beschlossen die Teams von Groß- deinbach und Herlikofen (links). Eine der Aufgaben war das Bauen eines Turms aus zehn Turnmatten, die gestapelt über dem Kopf getragen wurden. Nachdem die erste abgelassen war, durfte das Pflaster nicht mehr berührt werden (oben). Auf der Westtribüne fieberten die gerade nicht im Spiel befindlichen Teammitglieder mit den Aktiven in der Arena auf dem oberen Marktplatz mit. Fotos: edk (3), ml (2), gbr (1) Den Abschluss der Schwörspiele bildete ein vom Lindenfirst ge- startetes Feuerwerk (rechts). Und auch zu dieser Zeit war die Arena noch voll. „Dich mach ich nass“,scheintWernerNußbaum seinem Herlikofer Kollegen Ce- lestino Piazza zuzurufen, als die- ser auf dem „Schleuderthron“ Platz genommen hatte (oben). Die „Reise nach Jerusalem“ ge- wanndieRechbergerOrtsvorste- herinnen-Figur,dievomOriginal Anna Zeller-Klein gelotst wurde (links). DieSchwörspiele Gemeinsamer Jubel Feuerwerk
  • 4. IV Nummer 158 · Montag, 11. Juli 2016 Stauferfestival 2016 Bürgermeister Julius Mihm, OB Arnold und Bür- germeisterJoachimBläsemitGemeinderatund Polizeichef Argauer marschierten mit. Aber auch sonst waren viele bekannte Gesichter zu sehen. Unser Bild unten zeigt die schöne, un- glückliche Irene, legendäre „Rose ohne Dor- nen“ – dargestellt von Ramona Kunz, Vorsitzen- de des Stadtverbands Musik und Gesang. Bekannte Gesichter Eskommtdie Zeit für den,derfällt,zusteigen Fast 2000 Mitwirkende gestalteten diesen Zug durch die Innenstadt Mit ansteckender Fröhlichkeit präsentierten sich gestern alle Stadtteile – nach Einwohnern gezählt, waren Degen- feld, Weiler, Rechberg und Bargau am stärksten vertreten. UnserBilduntenentführtindenOrient;dieKamelewaren die exotischsten, aber bei weitem nicht alle Tiere im Zug. Musik, Blumen, Tiere Ein schwarzes Kreuz auf der Brust bedeutet Deutschorden, das rote Kreuz steht für die Johanniter – vor allem die Jungs waren ges- tern völlig fasziniert von angedeuteten Zweikämpfen und Gefechten, wussten überraschend gut Bescheid darüber, welche Horden da vorbeimarschierten – unser Bild unten zeigt eine Sarazenen- schützin.DasGanzeistnichtzuletzthervor- ragende Gelegenheit, für den Staufersaga- verein zu werben, für unterschiedlichste Sportarten und für die gezeigten Tänze. Faszination DerStauferzug DerStauferzug im Jahredes Herrn2016 Die Geschichte der Staufer im Schnell- durchgang? Aber nein. Es war eher ein getra- genes Schreiten, mit dem die Stauferfamilien an den Gmündern und ihren Gästen vorbeide- filierten. Und das war erst der Anfang eines Zuges, der als farbenfrohes Spektakel trotz ei- niger Pausen einfach nur Spaß machte. Den Anfang machte die „Trommler und Fan- farentruppe Altshausen“ hoch zu Ross — an- gemessene Eskorte für ein Geschlecht, das wie kein anderes das Rad der Fortuna symbolisiert, das durch Aufstieg und Niedergang lebte und litt und für jede Menge legendärer Geschichte und Geschichten steht. Freunde der Staufer und natürlich der Staufersaga begrüßten die einzelnen Gruppen wie gute, alte Bekannte. Und Dank der vielen Infos wurden auch aus- wärtige Gäste mitgenommen auf diese Zeitrei- se. Wer sich keine Karten sichern konnte, ist jetzt zumindest in groben Zügen informiert. Friedrich von Büren, das war doch der „Hochzeiter“, der erste, der erkannte, dass eine Ehe wie kaum ein Krieg Ländereien, Ver- mögen oder Beziehungen zum Hochadel einzu- bringen vermag: Die Staufergenerationen nach ihm haben einige herausragende Partien gemacht. Aber es gibt auch die dunklen Seiten, Szene für Szene Teil des Zuges – zum Teil in die hellsten, leuchtendsten, kostbarsten Stoffe ge- hüllt. All die Grausamkeiten, das Unrecht werden angerissen. Unter anderem kommt es zum Kreuzzug, und wie vor so langer Zeit mar- schierten gestern Horden durch die Straßen der Stadt, die „Tötet die Ungläubigen“ und „Auf, nach Jerusalem“ grölten. Aufstieg und Fall einer Familie bis zum Fall- beil in Neapel. Die Botschaft gestern war aber eine andere: Von den Staufern ist vieles geblie- ben. Vieles haben sie vorgedacht, vorwegge- nommen. Überdauert hat auch der Gedanke: „Es kommt die Zeit für den, der fällt, zu stei- gen.“ Und: „Groß Werk braucht Einigkeit.“ Dem Publikum gefielen erwartungsgemäß vor allem die Gaukler, die Krieger die Tänze- rinnen, die Verzicht predigenden Mönche oder auch Walter von der Vogelweide, „Popstar des Mittelalters“. Die Gmünder Saga gibt der Ge- schichte Gesichter und Anekdoten; Daniel Set- haler, Dr. Bodenstein, Thomas Steeb, Frank Messerschmidt, und Silvia und Winfried Breit- weg moderierten und erzählten. Trotz der Hitze gab es außer einigem Kreis- laufproblemen keine medizinischen Notfälle, auch sonst blieb offenbar alles ruhig. bt
  • 5. Stauferfestival 2016 Nummer 158 · Montag, 11. Juli 2016 V Undeswird marschiert, getanzt, gekämpft undmusiziert Der zweite Teil des Zugs verbindet Vergangenheit und Gegenwart Gut gelaunt bei ziemlicher Hitze – Herlikofer, Bettringer und Rechberger Beiträge zeugen von der Mühe, die sich die Gmünder Teilorte ge- macht haben. Viele beteiligten sich gewandet und erzählten ihre eigenen Geschichten. Fotos: edk, hs, bt Beteiligung „Jakobus unser Schutzpatron“ erklingt, dann noch das Symbol der Muschel: Kein Zweifel möglich, hier marschieren die Bar- gauer als Pilger (rechts). Die Pilger kommen Saladin (oben) wiederholte auf dem Markt- platz seine flammende Rede. „Verteidigt Euer Land und Eure Familien, die Kreuzzüg- ler kommen.“ Die dramatischen Geschich- ten der Staufer standen erneut im Mittel- punkt, bis hin zur Hinrichtung des letzten Hoffnungsträgers: Konradin (Gabriel Ko- wak)undseineGefährten(SimonIhlenfeldt und Thomas Sachsenmaier) sind des Todes. Marktplatz-Drama DerStauferzug BargauerMädelspräsentierenihrenOrtmitder- selben Freude wie die Gruppen aus Hussenho- fen, Hirschmühle, Zimmern, wie die Lindacher oder die Herlikofer – die gestern in Teilen zu- mindest ein bisschen aussahen wie Schlümpfe, mit denen sie die Herkunft teilen. Freude am Ort Dieganze Stadt stelltsichvor Die Theaterleute des Parler-Gymnasiums stellten ihr Barbarossastück vor, der Kinder- fanfarenzug des 1. MV Stadtkapelle war dabei und natürlich die Teams der Schwörspiele, die den Höhepunkt dieses Wochenendes bestritten hatten. Die Landfrauen kamen als Marketen- derinnen – hüftschwingend und mit anste- ckendem Lachen –, und auch die Beiträge der Stadtteile machten den Stauferzug sehens- wert. Siegfried und Elli Lüben und ihr Gefolge etwa, die den Rechberg und Haus derer von Rechberg hoch zu Ross und standesgemäß mit Falken in Erinnerung brachten, die Straßdor- fer, die der Freien Reichsstadt ihren Zehnten zahlten („guck mal, die haben ein Biberle da- bei“), die Degenfelder, die eine Bauernhoch- zeit spielten, oder der Weilermer Ortsvorste- her, der ein Heubad nahm. Die Herlikofer wa- ren ebenso präsent wie die Gruppe aus Reh- nenhof/Wetzgau, die sich derzeit auf ihre eige- nes großes Jubiläum vorbereitet. Der Dank der Stadt galt gestern zudem Trommlern, Fahnen- schwingern und Gewandeten aus Faenza so- wie der Burg Katzenstein, die als alte Staufer- burg ebenfalls Gewandete schickte. Sie alle über zwei Stunden unterwegs. bt
  • 6. VI Nummer 158 · Montag, 11. Juli 2016 Stauferfestival 2016 Michael Hiemann faszinierte mit Kalligraphie- Werken. Immer wieder prägten auch Blumen- kränzedasBildaufdemMittelaltermarktundso mancher Händler zeigte sich überrascht, wie gut die Kränze auch hier in Gmünd ankommen. Fotos: nb Kreativität Mittelalterliches Treibenfasziniert Breitgefächertes Angebot auf dem Mittelaltermarkt rund ums Münster Musik und Tanz spielten auch im Mittelalter schon eine wichtige Rolle und so passten die Auftritte, die am Sams- tag und Sonntag immer wieder stattfanden, perfekt zum mittelalterlichen Treiben rund ums Münster. Verschie- denste Musikgruppen faszinierten mit mittelalterlichen Klängen. Mittelalterliche Klänge Shakti Siedler aus Österreich war mit ihrer Perlenweberey vor Ort und freute sich über das lauschige Plätzchen am Münster. Das Knüpfbrett,soerzähltesie,hatsieselbstge- baut. Lustig zu ging es bei der Bierrutsche, zu sehen auf dem rechten Bild. All jene, die sich auf den Spaß einließen, merkten schnell:Soeinfachwieesaussieht,istesgar nicht, den Krug ans Ziel zu befördern. Kunst und Freude Auch die Kinder kamen rund ums Münster voll auf ihre Kosten. So wie die neunjährige Salome Staudenmaier, die sich von Tatjana Kotschubey (links) schminken ließ. Gut an kam auch die historische Schiffschaukel (oben). Gaukler rundeten das Angebot ab. Auch an mittelalterlichen Leckereien man- gelteesnicht.SusanneSieber(unten)kocht nach alten Rezepten und hat längst ihre Stammkunden. Lebensglück DerStaufermarkt Handwerkskunst undZuckergespinn Viele mittelalterliche Motive ließen sich auch rund um das Münster, in der Bocksgasse, im Innenhof der Augustinuskirche und auf dem Kornhausplatz mit dem „Seelenfänger“ – der Kamera – festhalten. Zahlreiche Händler aus ganz Deutschland – über 100 Stände waren es insgesamt – boten Handwerkskunst und Le- ckeres für den Gaumen an. Wer sich kulina- risch voll und ganz auf das Mittelalter einlas- sen wollte, der konnte bereits in der staufi- schen Haferbräterei auf dem Kornhausplatz damit beginnen, wo Susanne Sieber Haferta- ler, Barbarossatopf und Linseneintopf nach al- tem Rezept zubereitet hatte und verkaufte. Eine bedeutende Rolle auf den Märkten von einst hatte auch das fahrende Handwerk, ver- treten beim Stauferfestival unter anderem von Jochen Hochstatter, der auf mittelalterlichen Märkten als Saladin unterwegs ist und orien- talische Handwerkskunst verkauft. Und ganz nebenbei im Tagine Gemüse kocht – mit die beste Werbung für den traditionellen Lehm- kochtopf aus Marokko, den es hier ebenfalls zu kaufen gibt. Viele interessierte Blicke gab es auch für das, was im Innenhof der Augustinus- kirche von den Goldschmieden präsentiert wurde. Die kleineren Besucher verschwendeten ans mittelalterliche Kochen oder die Handwerks- kunst noch keinen Gedanken, griffen viel lie- ber zu magischem Zuckergespinn (Zuckerwat- te) und drehten eine Runde im Karussell oder übten sich im Bogenschießen. Auch der Kin- derbereich im Buhlgäßle kam gut an; jede Menge Zulauf hatte hier das Goldwaschen. Und richtig viel zu tun hatte auch Tatjana Kot- schubey, die aus der Nähe von Nürnberg kam und nicht viel mehr dabei hatte als allerlei Far- ben und Pinsel. Damit aber zauberte sie den Mädchen, die sich hier schminken ließen, wun- derschöne Kunstwerke auf die Wange. Mit dem Umsatz zeigten sich nicht alle, aber doch einige Händler zufrieden. Beispielsweise Elke und Gordon Becker, die Trinkhörner aus echtem Rinderhorn anbieten und in den ver- gangenen zwei Tagen fast 30 davon verkauften. Für die Gewandeten eine gute Möglichkeit, immer ein Getränk bei sich zu haben, ohne auf moderne Flaschen zurückgreifen zu müssen. Umrahmt wurde das mittelalterliche Treiben von Musik, Tanz und Gauklern. Dass Wahrsa- gerin Athena eine gute Zukunft vorhersagte, rundete das gelungene Wochenende ab. nb
  • 7. Landkreis Nummer 158 · Montag, 11. Juli 2016 VII DieLedergasse wurdezurKampf-Arena Bewaffneter Kampf hoch zu Ross / Erstes Gmünder Turnier im ritterlichen Schwertkampf / Katapult-Schießen und große Schlacht nen zu sehen. Eingeschworen hatte das Pu- blikum zuvor das Katapult-Team. Sie jagten mit ihrer neuen Wurfmaschine sogar bren- nende Geschosse durch die Luft, und Frank Stühle zog mit seinen witzigen Kommenta- ren das Publikum in Bann. Selbst bei Einbruch der Dunkelheit wurde im Fackelschein in der Ledergasse noch ge- kämpft. Es wurde zum Finale nochmal rich- tig „Gas“, pardon Feuer gegeben. lich mal den Spieß umzudrehen und die Streitmacht der Sarazenen zu besiegen. Ohne differenzierte Choreographie wurden zur Freude des zahlreichen Publikums die Schilde zum Schutz vor den Attacken der Bogenschützen als Wall aufgebaut und an- schließend im Nahkampf die Klingen ge- kreuzt. Dabei ging’s zum Teil kräftig zur Sa- che, und neben Schwertkampf waren auch Würfe, Duelle mit Dolchen oder Prügelsze- erstmals veranstalteten Turnier traten Männlein und Weiblein ohne Geschlechter- trennung mit der sogenannten „Fechtfeder“ gegeneinander an. Dabei handelt es sich um ein aus besonders widerstandsfähigem Fe- derstahl geschmiedete lange Schwert, das mit beiden Händen geführt wird. Punkte werden vergeben, wenn die Klinge an einer Stelle trifft, wo sie in einem echten Kampf schwere Verletzungen oder gar den Tod her- beiführen würde. Damit nichts davon passiert, schützen sich die Kämpferinnen und Kämpfer beispiels- weise mit klassischen Kettenhemden und metall-armierten Lederhandschuhen. Als Alternative werden aber auch gerne Protek- toren aus anderen Sportarten, zum Beispiel Eishockey, Football oder Moto-Cross getra- gen. Diese „Rüstungen“ sind nämlich um ei- niges leichter und lassen daher schnellere Bewegungen zu. Und schnelle Reaktionen sind in aller Regel entscheidend darüber, wem die Punktrichter mit ihren Fähnchen eine Wertung geben. Da die Stiche und Hie- be sehr dynamisch und demzufolge auch mit Wucht ausgeführt werden, bleiben bei einem solchen Ritterkampf kleinere Blessuren nicht aus. Vor allem die Finger sind sehr ver- letzungsanfällig. Aber was ein echter Ritter ist, zieht nach dem Motto „Wo gehobelt wird, da fallen Späne“ in den Kampf. Dies machten dann auch die Akteure der Kreuzzugsschlacht aus der Staufersaga. Sie trafen sich am Samstagabend zur finalen Schlacht – und die Kreuzritter waren fest entschlossen, nach zehn Niederlagen vor der Johanniskirche nun in der Ledergasse end- Nach Blut, Schweiß, Leder und Pferden roch es am Samstag in der Ledergasse, wo edle Recken sich in der ritterlichen Kriegskunst maßen, die Katapult-Leute mit Feuerbällen schossen und sich die Kreuzritter und Sarazenen ein letztes erbittertes Gefecht lieferten. Von Gerold Bauer Schon am Vormittag hallte Hufgetrappel durch den westlichen Zugang zur Innen- stadt. Die Show-Truppe „Armati Equites“ inszenierte bei der Remsgalerie ein tempera- mentvolles Ritterturnier. Die Pferde schnaubten vor Tatendrang, bis sie endlich über die Sandbahn galoppieren durften, um ihren Reitern zu Ruhm und Ehre zu verhel- fen. Was leider nicht immer gelang. „Der edle Herr hat gefehlt! Er war wohl in der Nacht zu sehr den Mägdelein oder dem Wein zugetan und ist heute noch ermattet“, spe- kulierte der Moderator, wenn es einem Rit- ter zum Beispiel nicht gelang, aus vollem Galopp mit einem Schwerthieb den symbo- lischen Gegner zu enthaupten oder mit der Axt einen Apfel zu spalten. Treffsicherheit, Körperbeherrschung und nicht zuletzt gut ausgebildete Pferde sind nötig, um an einem solchen Turnier nicht kläglich zu versagen. Dass sich unter so manchem Helm und hin- ter einem angeklebten Bart in Wahrheit eine Amazone verbarg, hätte ohne erläuternde Worte übers Mikrofon keiner gemerkt. Auch beim von der Ritterschaft zu Gmünd Während die Urgewalt mächtiger Rittersleut’ im vollen Ga- lopp aufeinander prallte, erwies sich Katapult-Chef Frank Stühle wie gewohnt als „Herr der Stimme“. Unermüdlich peitschteermitseinemKriegsgeschreiPublikumundAkteu- re gleichermaßen hoch, bis sich die Spannung beim Kom- mando „und Schuss!“ schlagartig entlud. Fotos: gbr Wo das Gmünder Katapult-Team mit ihren historischen Wurfmaschinen auftaucht, herrscht immer eine besondere Stimmung. Das neu gebaute Katapult bezieht seine Energie nicht auf Spannung gebrachten Seilen, sondern durch das koordinierte schnelle Ziehen vieler kräftiger Männer. Laut Kommentator wur- den damit unter anderem die Köpfe getöteter Feinde über die Burgmauern geschleudert. Foto: pr BeimerstenGmünderTurnierim ritterlichen Schwertkampf wur- den in der Ledergasse die Klin- gen gekreuzt. Heimische und auswärtige Recken agierten im Staub der Arena. Und so wie beimFechtenwarauchimRitter- turnier Treffsicherheit gefragt. ZumBeispielimUmgangmitder Lanze, mit der es galt, kleine Rin- ge oder winzige Holzklötze zu treffen. Dem Publikum gefiel beides sehr gut. Fotos: edk DieRitterspiele Reitet an – „und Schuss“ Attacke!
  • 8. VIII Nummer 158 · Montag, 11. Juli 2016 Stauferfestival 2016 Mehr als jene des Jahres 2012 lebte die Staufer- saga-Inszenierung 2016 vom Wechsel zwischen den eher statischen Elementen der Tableaux unddenAuftrittenvonSolisten.AllenvoranPat Mueller als „Zeitreisender“ (oben). Die orienta- lischeSchleiertänzerin(unten)faszinierteohne Worte. Fotos: rw, hs (5) Starker Auftritt Das Glück des Gesamtkunstwerks Staufersaga 2016: Bis auf die Premiere wurde jedes Mal durchgespielt Oben: Eine perfekte Szenenfolge erlebten die Zuschauer der letzten Aufführung der Staufersaga am Freitag an ei- nem herrlichen Sommerabend. Die Zuschauer hielt es nicht auf den Sitzen, als alle Akteure und Helfer nach dem SchlussindieArenazogenunddenApplausentgegennah- men.DreieinhalbTausendbegeisterteMenschenaufdem Johannisplatz – einfach überwältigend. Foto: rw Erhebende Derniere Das Wetter ist unter freiem Himmel immer ein Hauptakteur – aber einer, der sich nicht den Wünschen der Regie fügt. Das erlebte man bei der Premiere: Ein herannahendes Unwetterbereiteteihrnachder6.Szeneein vorzeitiges Ende. Die Zuschauer verließen rasch die Arena (unten). Die sieben weite- ren Aufführungen konnten allesamt durch- gespielt werden. Beeindruckend in ihren Choreographien: Tanz und Kampf (rechts). Ende im Regen Ohne die Helfer im Hintergrund und Unter- stützer wäre die Staufersaga nicht möglich. Es sind nicht allein die Akteure auf der Büh- ne, die sie realisieren. Es sind der Kompo- nist und die Musikgruppen, Choreogra- phen, Bühnen- und Kostümbildner, die Ge- wandmeisterei, die vorzüglich arbeitende Maske, die Technik. Und auch jene, die schnell mal aufräumen. Einsatz Momentaufnahmen Von Reinhard Wagenblast Das Risiko hat man immer bei Aufführungen unter freiem Himmel, dass das Wetter nicht mitspielt. Aber wenn Blitz, Donner und Regen eine Premiere vorzeitig beenden, ist es schon bitter. So war es bei der Staufersaga 2016. Bit- ter für die Mitwirkenden, weil sie um den Schlussapplaus gebracht wurden. Doch es ging nicht anders, Spielleiter Haps Spitznagel senkte nach Ende der sechsten Sze- ne den Daumen: Schluss. Sicherheit ist obers- tes Gebot. Es hatte schon kurz nach 23 Uhr zu regnen begonnen. Erst sachte, so dass es man- cher in der Arena erst am Aufleuchten der fal- lenden Tropfen in den Scheinwerferkegeln be- merkte, dann aber stetig. Zuvor schon, in der Abenddämmerung, hatten sich Wolken drama- tisch über dem Münster aufgetürmt, die Schwüle nahm zu, in der Dunkelheit später setzte Donnergrollen ein und starke Blitze zuckten. Die Blicke zur Bühne und zum Him- mel wechselten immer häufiger. „Ich wollte die sechste Szene noch abschlie- ßen“, sagt Regisseurin Kathrin Bechstein. Die sechste Szene, das ist der Trauerzug vom Ho- henstaufen zum Kloster Lorch für die Kaiser- tochter Irene Maria von Byzanz. „Da steckte schon Symbolik drin.“ Es war zwei Tage vor der Premiere noch ziemlich schwierig auf dem Johannisplatz, re- kapituliert die Regisseurin. Erst in der Gene- ralprobe konnte die Applausordnung geprobt worden. Zugänge fehlten, die Technik hatte ihre Tücken, die Box in der Mauer funktionier- te nicht. „Zum Glück hatten wir die Sporthalle im Schwerzer als Probenort“, sagt Kathrin Bechstein. „Dadurch waren die Darsteller gut vorbereitet, das hat alles kompensiert.“ Höchstes Lob zollt sie den Mitwirkenden: „Wir hatten ein vorzügliches Miteinander. Das macht den Erfolg aus: das gegenseitige Ver- ständnis und das strukturierte Vorgehen. Wenn das Ensemble sich gut vorbereitet, dann strahlt das auch auf das Publikum aus.“ Kön- nen gibt Selbstvertrauen. Die „richtige“ Pre- miere kam am Samstag in der zweiten Auffüh- rung zustande, nachdem am Nachmittag noch eine Gewitterfront durchgezogen war – es konnte durchgespielt werden, der Beifall war riesig, „wir waren glücklich.“ Alle übrigen Aufführungen fanden wie geplant statt, kleine Verbesserungen und Änderungen flossen in sie ein. Derlei gehört zum konstanten Aufwand, von dem das Publikum direkt nichts erfährt, wohl aber in der Qualität des Spiels spürt. Einfach überwältigend die Derniere am Freitagabend: Noch einmal legten die Akteure alle Lust und Leidenschaft ins Spiel, das Pu- blikum war mit Herz und allen Sinnen dabei. Ein gigantisches Bild am Schluss um Mitter- nacht: 2300 Zuschauer applaudierten im Ste- hen den 1250 Mitwirkenden, die sich alle in der Arena versammelt hatten. Niemand kann sich der Faszination eines solchen Moments entzie- hen, er trägt alles und alle. Ihre Ausstrahlung und Wirkung verdankt die Staufersaga der Gemeinschaftsleistung von Darstellern und Musikgruppen, der Arbeit von Choreographie, Bühnenbild, Gewand- meisterei, Maske, Requisite, Bühnen- und Lichttechnik – man kann es nicht genug beto- nen. Dass die Staufersaga im besten Sinne ein Spektakel ist, das macht ihren Reiz aus. Und sichert ihren Fortbestand.
  • 9. Stauferfestival 2016 Nummer 158 · Montag, 11. Juli 2016 IX AmJosefsbachentlangdie Zelteaufgeschlagen Spazierweg durch eine längst vergangene Zeit / Viele Menschen leben in ihrer Freizeit das Mittelalter Auch ein historischer Kämpfer muss einmal durchatmen können. Das Ritterlager bot einen willkommenen Rückzugsort. Oben links der Gmünder Schwertkampftrainer Sergej Ermolaev und auf dem Bild oben drei Mitglieder der Ritter- schaft aus der Staufersaga. Fotos: gbr Durchatmen Als wär sie dafür aufgestellt worden: Die SkulpturausMetallamJosefsbachdienteei- nem Ritter kurzerhand als Kleiderständer. Künstler Gerd Martin Wahl wird ihm diese Zweckentfremdung sicher nachsehen. Doppelfunktion HandarbeitenwurdenalsweiblicheTugend von den Mägdelein fleißig geübt, während Marianna Jahn eine kräftige Suppe im Kes- sel zubereitete. Das Leben im Ritterlager muss nicht unbedingt voller Entbehrungen und unbequem sein, wie der Blick in ein mobiles mittelalterliches „Schlafzimmer“ zeigt.DiesenLuxushattefreilichnichtjedes der Zelte am Josefsbach zu bieten. Alltagsleben DasStauferlager Nicht jeder Rittersmann musste sich schwer ge- rüstet durch das Lager schleppen. Mancher gönnte sich den Luxus, hoch zu Ross am Josefs- bach entlangzutraben. Die Pferde zeigten auch hier eine „Eselsgeduld“ und ließen sich von Umweltgeräuschen nicht aus der Ruhe bringen. Hufgetrappel AmWochenendeleben wievorfast1000Jahren An fünf Tagen in der Woche sitzen sie pflicht- bewusst im Büro, stehen korrekt gekleidet am Bankschalter oder bedienen zuverlässig in der Fabrik eine computergesteuerte Maschine. Doch wenn das Wochenende kommt, wird quasi die Zeitmaschine eingeschaltet und gelebt wie vor fast 1000 Jahren! Immer öfter finden an ver- schiedenen Orten sogenannte Ritterlager statt – zum Beispiel am Rande der Schwörtage am Jo- sefsbach. Das Dach über dem Kopf besteht dann aus Leinen (das straff gespannt sogar wasserabwei- send ist) – und das müde Haupt wird des näch- tens auf ein Lager aus Schaffellen gebetet. Im- mer mehr Menschen lieben diesen Ausstieg auf Zeit aus der modernen Gesellschaft. Statt sich aus Termindruck schnell ein Fertiggericht im Mikrowellenofen warm zu machen, nimmt man sich gerne die Zeit, um darauf zu warten, bis das Wasser im Kessel über dem offenen Feuer heiß und das Suppenfleisch gar ist. Um so etwas zu erleben, muss man allerdings nicht gleich komplett in die Mittelalter-Szene eintauchen und Mitglied einer Ritterzunft wer- den. Zum Beispiel im Stauferlager in Schwä- bisch Gmünd durften Besucher der Schwörtage gerne den Freizeitrittern aus nah und fern über die Schulter schauen oder sich mit ihnen zu- sammen fotografieren lassen. Auch Fragen zum Leben im Mittelalter oder zu den damals übli- chen Gebrauchsgegenständen wurden dem in- teressierten Publikum gerne und vor allem kompetent beantwortet. gbr
  • 10. X Nummer 158 · Montag, 11. Juli 2016 Stauferfestival 2016 HeißeSchwörtage undeine zauberhafte Schwörnacht Hitze drückt die Besucherzahlen unter die gesteckte Erwartungen Flaschen Mineralwasser wurden ihnen mit auf den Marsch durch die glühend heiße Innenstadt gegeben. Dort standen leider mehr Absperrgitter wie Zuschauer. Schade. In der Stauferarena gähnende Leere, weil sie in der prallen Sonne einem Grill glich. Die Stauferstadt war zwei Tage ein ganz heißes Pflaster mit einer zauberhaften Nacht. hs Dicht besetzte Bänke bei Fackelschein auch auf dem Staufermarkt am Münster. Das Ritterturnier in der Ledergasse ge- hörte gleichfalls zu den 1a-Anziehungs- punkten. Andere Schwörtag-Schauplätze lagen zu sehr an der Peripherie, blieben von den Besuchern ziemlich unentdeckt. (Sonnen-)Hut ab schließlich gestern vor allen Akteuren beim Stauferzug: 5000 Schattenplätze und kühle Getränke. Das waren die gefragtesten Dinge am viel zu heißen Schwörtagwochenende zum großen Finale des fast dreiwöchigen Stauferfestivals. Manmuss es nehmen wie es ist: Das Da- moklesschwert von Unwetterprognosen der letzten Wochen wäre auch nichts ge- wesen für dieses Wochenende voller Spaß und Pracht. Nun lachte also endlich mal wieder die Sonne. Leider viel zu viel. An beiden Tagen teilten sich – laut ei- nem ersten Überblick von Rathaus-Pres- sesprecher Markus Herrmann – die rund 40 000 Besucher vor allem die schattigen Plätze in der Stauferstadt. Die Gastrono- men freuten sich über den großen Durst, den die Akteure und Besucher mit in die Stadt brachten. Durchweg unglückliche Kommentare waren von Einzelhändlern zu hören, die sich am Samstag im „Schwörtag-Gebiet“ vom Kundenstrom wie abgeschnürt fühlten. Dem Herz und der Seele Gmünds hat das Spektakel jedoch richtig gutgetan. Aufgrund der Hitze entfaltete sich der Zauber des Festivals vor allem in den Abend- und Nachtstunden. Weit mehr als 2500 Zuschauer waren beispielsweise bei der phänomenalen Feuer- und Akrobatik- show in der Stauferarena versammelt. Totale Faszination und Begeisterung bei der Feuer- und Akrobatikshow der „Flugträumer“ in der Schwörnacht vor über 2500 Menschen in der Stauferarena. Foto: hs. „Tanzgruppe Fairies – Hexen im Mittelalter“: Auch sie zogen die Bli- cke der Schwörtag-Besucher auf sich. Foto: edk Wichtige Ausrüstung auf den Tribünen war die Sonnenbrille. Akteure wie Zuschauer trotzten der Sonne, die heftig über Gmünd lachte. Foto: hs Auch sie gehörten zu den Stars der Schwörtage: „Pepiloue und seine 50 Gänse“, hier beim Gänsemarsch durch die Ledergasse vor der Kulisse des Forums Gold und Silber. Foto: gbr DasStauferfestival-MagazinderRems-ZeitungfandnichtnurvielAnklangalsLesestoff, sondern war beim Stauferzug sogar ein willkommener Schattenspender. Foto: hs Gaukler, Akrobaten, Feuerschlucker: Die Besucher der Schwörtage bekamen an vielen Schauplätzen Heißes geboten. Foto: edk Zwischen den spannenden Runden der Schwörspiele konnten Teams und Fans bei solchen Anblicken durchatmen. Foto: edk Auch der berühmteste Vertreter der Stauferdynastie, Kaiser Barba- rossa, sagt: „Auf Wiedersehen bis zum nächsten Mal!“ Foto: hs Geradezu heldenhafter Tausendsassa Schauspieler und Autor Pat Mueller wirkte beim Stauferfestival als wohltuender roter Faden der Schwörtage verständlich zu machen, wirkte er erneut wie ein wohltuender ro- ter Faden im großen gesellschaftlichen und spielerischen Sitten- und Historien- gemälde. Geradezu heldenhaft dann der fast zwölfstündige Auftritt des Tausend- sassas bei der Moderation und Siegereh- rung der Schwörspiele. Immer passende und respektvolle Kommentare. Viel Wit- ziges, nichts Peinliches. Mal beruhigend, mal aufmuntern. Kein Leerlauf, vielmehr Nettes und Interessantes zu Gmünd zu al- len Teams. Chapeau! hs Was für ein begnadeter Künstler und Moderator, was für eine Kondition! Be- reits bei Staufersaga und Stadtjubiläum 2012 spielte Pat Mueller als „Barde“ eine wichtige, erklärende Rolle, um die Zu- schauer durch das bisweilen nicht einfach zu verstehende Wirrwarr der Staufer- Epoche zu geleiten. Der Schauspieler und Autor lief nun beim Gmünder Stauferfes- tival 2016 vollends zur Hochform auf. Mit seiner Rolle als „Zeitreisender“ oder mit seiner Inszenierung am Samstagmorgen auf dem Marktplatz, um dort die Historie