In der August Ausgabe 2010 widmet sich das Personalmagazin dem demografischen Wandel und der daraus resultierenden Nachwuchslücke. Wie Ausbildungsbetriebe damit umgehen sollen, um im War for Talents zu bestehen und was sie in Zukunft erwartet komprimiert in sehr guten Beiträgen und Interviews. Mit freundlicher Genehmigung des Personalmagazins.
2. Bei Fragen wenden Sie sich bitte an daniela.furkel@personalmagazin.de
14 AUSBILDUNG
Die Nachwuchslücke
TREND. Die Situation auf dem Ausbildungsmarkt hat sich gedreht, Azubis
werden knapp. Höchste Zeit, das eigene Ausbildungsmarketing zu überdenken.
Von Daniela Furkel (Red.) den aktuellen Vorzeichen zufolge weiter „um sich die besten Azubis und damit
abnehmen, sodass manche Stellen sogar die Fachkräfte von morgen zu sichern.“
T
rotz Krisenjahr 2009 entwickelt von einer Nachwuchslücke sprechen. So ist es nicht verwunderlich, dass die
sich der Ausbildungsmarkt Zum Beispiel sagte Martin Wansleben, Bundesagentur für Arbeit bereits im Mai
2010 erfreulich positiv: Ende Hauptgeschäftsführer des Deutschen von 381.600 gemeldeten Ausbildungs-
Mai registrierten die Industrie- Industrie- und Handelskammertags stellen berichtete – 9.900 mehr als im
und Handelskammern 131.531 neu ge- (DIHK): „Nicht Lehrstellen, sondern Be- Vorjahreszeitraum. Die Ausbildungs-
schlossene Ausbildungsverträge und werber sind knapp.“ verträge werden also in der Tat immer
die Handwerkskammern zählten 36.757 Etwas anders sieht die Situation aus früher unter Dach und Fach gebracht.
neue Ausbildungsverträge. Zwar gehen Sicht der Gewerkschaften aus: Der DGB Das zeigte sich auch auf den zweiten A-
Prognosen des Bundesinstituts für Be- sieht auch für 2010 keine Entwarnung Recruiter-Tagen, die im Mai in Solingen
rufsbildung (BIBB) für 2010 von einem bei der Ausbildungsplatzsituation und stattfanden und sich gezielt an Ausbil-
weiteren Rückgang des Ausbildungs- spricht aktuell von rund 80.000 feh- dungs- und Recruitingverantwortliche
platzangebots um rund 20.000 Plätze
aus. Allerdings wird aufgrund sinkender
Schulabgängerzahlen auch das Nachfra- Schon jetzt reagieren Unternehmen auf die sich
gepotenzial um 69.000 zurückgehen.
Der aktuelle Berufsbildungsbericht fol-
verändernde Situation: Sie schließen die Verträge
gert: „Bei einer wirtschaftlichen Erho- früher ab, um sich die besten Azubis zu sichern.
lung wird für die kommenden Jahre ein
Anstieg des Angebotspotenzials der Be-
triebe erwartet, der auf einen Rückgang lenden Ausbildungsplätzen. Diese richteten: Wie frisch der Wind auf dem
des Nachfolgepotenzials treffen wird. unterschiedliche Wahrnehmung des Aus- Azubi-Markt bereits weht, wusste unter
Probleme von Betrieben bei der Beset- bildungsmarkts ist auf unterschiedliche anderem Richarda Sartory, Referentin
zung von Ausbildungsplätzen dürften Betrachtungsweisen – wann gilt ein Ju- Personalentwicklung der Repower AG,
dementsprechend zunehmen.“ gendlicher als Ausbildungsplatzsuchen- Hamburg, zu berichten.
der – zurückzuführen (siehe Interview Noch frischer weht der Wind derzeit
Nachwuchslücke erwartet Seite 17). Aber auffallend ist, dass auch im Handwerk. Denn kaufmännische Be-
Im Vergleich: Im Jahr 2009 wurden auf Gewerkschaftsseite das Wort „Aus- rufe, bei denen man sich nicht die Hände
bundesweit insgesamt 566.004 neu ab- bildungsplatzabgabe“ aus dem Jahr 2006 schmutzig macht, soziale oder medizi-
geschlossene Ausbildungsverträge ge- kaum mehr ausgesprochen wird. Jetzt nische Berufe erscheinen den Jugend-
zählt. Das waren 8,2 Prozent weniger geht es vielmehr um Aspekte wie die lichen attraktiver als eine Ausbildung
als im Vorjahr. Aber demografiebedingt Übernahmequote nach der Ausbildung zum Sanitär-, Heizungs- und Klimatech-
sank die Zahl der ausbildungsinteres- oder um Bildungsthemen allgemein. niker oder der gering bezahlte Friseur-
sierten Jugendlichen auf 575.607 (minus beruf. Der Zentralverband des deutschen
8,8 Prozent). Die Ausbildungsplatzlücke, Wer zuerst kommt … Handwerks startete deshalb zusammen
die im Jahr 2006 von Verbänden und Schon jetzt reagieren Unternehmen laut mit dem DIHK und weiteren Verbänden
Gewerkschaften heiß diskutiert wurde, DIHK-Präsident Hans Heinrich Drift- die Initiative „Aktiv für Ausbildung“,
war also schon 2009 deutlich kleiner mann auf die veränderte Situation, in- mit der gezielt ausländische Jugendliche
geworden. Im laufenden Jahr wird sie dem sie Verträge früher abschließen, angesprochen werden sollen. Im Zuge
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16 AUSBILDUNG
lung zu reagieren, bietet Azubister Un-
Gefragte Berufsfelder ternehmen die Möglichkeit, ein Profil
einzurichten, um Schüler frühzeitig im
kaufmännischer Bereich 53 % Internet auf sich aufmerksam zu ma-
chen. „Viele Ausbildungsbetriebe sitzen
sozialer Bereich 29 % auf einem sehr hohen Ross und sehen
Handwerk 26 % keinen Anlass, ihre Strategie der ver-
gangenen Jahrzehnte zu ändern“, sagt
Medien 23 % Andreas Diehl.
medizinischer Bereich 20 % Noch fataler ist seiner Ansicht nach,
dass die Ausbildungsbetriebe das verän-
Technik und IT 19 % derte Medienverhalten ihrer Zielgruppe
Logistik und Verkehr 16 % bisher komplett verschlafen haben. Eine
gute Chance auf eine komfortable Position
sonstiges 14 % im Kampf um den besten Nachwuchs
Gastgewerbe 11 % hätten allein diejenigen Firmen, die vor
allem in von Jugendlichen genutzten Me-
Landwirtschaft und Gärtnerei 9% dien kommunizierten und die Antwor-
2.507 Befragte, Mehrfachnennungen möglich
ten auf die Fragen lieferten, die einen
Der kaufmännische Bereich ist bei Azubis beliebt. Andere Berufsfelder haben zunehmend Schüler beschäftigen. Und diese seien:
mit einem Nachwuchsmangel zu kämpfen. Quelle: Meinestadt.de, 2010 Welcher Beruf passt zu mir? Was erwar-
tet mich in der Ausbildung? Deshalb rät
er den Unternehmen: „Unterstützen Sie
Schüler frühzeitig bei der Berufswahl,
dieser Initiative fördert das Bundesbil- Möglichkeit, ihre freien Ausbildungs- seien Sie erreichbar und ansprechbar,
dungsministerium Ausbilderseminare stellen im Zuge der Lehrstellenaktion bauen Sie Vertrauen und einen guten
für Fachkräfte und Unternehmer mit „Perspektive Jugend“ im kostenlosen Kontakt auf. Wenn Ihre Stellen vakant
Migrationshintergrund, um den Jugend- Standard-Textlayout auf dem lokalen werden, haben Sie gute Chancen, diesen
lichen qualifizierte Ansprechpartner in Lehrstellenmarkt zu veröffentlichen. Kontakt in einen qualifizierten und moti-
den Firmen zur Seite zu stellen. Und die Seit Herbst 2009 können Firmen zu- vierten Bewerber zu verwandeln. Wer in
Handwerkskammer Cottbus plant, pol- dem sogenannte Premium-Lehrstellen letzter Sekunde teure Anzeigen schalten
nische Jugendliche drei Monate lang in buchen, um sich besser hervorzuheben, muss, hat schon verloren.“
einem Intensivkurs auf eine Ausbildung unter anderem mit Unternehmenslogo
in Deutschland vorzubereiten. oder auch mit einem eingebundenen Vi- Auch Außenseiter können Erfolg haben
deo. „Als ‚Tipp der Woche‘ haben sie au- Übrigens: Was ein gezieltes Ausbil-
Marketing, Marketing, Marketing ßerdem die Möglichkeit, noch deutlicher dungsmarketing bringen kann, zeigt das
Doch was können die Unternehmen für sich zu werben und sich mit ihrer Beispiel der Bundeswehr – per se nicht
selbst tun, damit sie nicht nächstes Arbeitgebermarke von anderen abzuhe- unbedingt der beliebteste Arbeitgeber
Jahr ganz ohne neue Azubis dastehen? ben“, so Wiersbinski. in Deutschland. Im Frühjahr 2010 stand
Werner Wiersbinski, Bereichsleiter Stel- Auch Andreas Diehl, Gründer und Ge- die Bundeswehr an der Spitze des „Mar-
lenmärkte bei Meinestadt.de, empfiehlt schäftsführer des Ausbildungsportals kenmonitors Ausbildungsbetriebe“ – als
ein gezieltes Ausbildungsmarketing: Azubister, nutzt alle Möglichkeiten, um meistgenannter Betrieb in Blogs, Foren
„Unternehmen müssen auf sich und auf Unternehmen über die Nachwuchslü- und sozialen Netzwerken rund um das
das, was sie zu bieten haben, aufmerk- cke aufzuklären. „Nicht Unternehmen Thema Ausbildung. Noch vor der Deut-
sam machen. Betriebe, die früher noch suchen die Bewerber aus, die guten Be- schen Bank und Siemens. Es zeigt sich:
über Mund-zu-Mund-Empfehlungen ih- werber suchen sich das Unternehmen Durch eine gute Kommunikationsstra-
re Azubis gefunden haben, müssen nun aus. Und diese Entwicklung wird sich in tegie, die auch soziale Medien mit be-
ebenfalls Employer Branding und Marke- den kommenden Jahren noch verschär- rücksichtigt, können auch „untypische“
ting betreiben“, sagt er. Das Städteportal fen“, sagt er. Bis 2020 werde die Zahl oder unbekanntere Ausbildungsbetriebe
hat bereits diese Notwendigkeit erkannt der Schulabgänger um etwa 23 Prozent Aufmerksamkeit bei den Jugendlichen
und bietet Unternehmen nicht nur die zurückgehen. Um auf diese Entwick- erreichen.
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4. TITEL
AUSBILDUNG 17
„Vom Blickwinkel abhängig“
INTERVIEW. Lehrstellenlücke oder Azubimangel? Beides lässt sich durch eine
entsprechende Statistik belegen. BA-Vorstand Raimund Becker erklärt, warum.
personalmagazin: Herr Becker, worauf füh- Bereich. Angaben zur Bilanz können
ren Sie zurück, dass 2009 die Zahl der wir noch nicht machen. Die Situation
neuen Ausbildungsverträge trotz Krise dürfte sich aber weiter entspannen,
nicht deutlich gesunken ist? wenngleich das noch lange nicht bedeu-
Raimund Becker: In den Jahren 2007 und tet, dass jeder Jugendliche in seiner Re-
2008, also in Zeiten guter Wirtschafts- gion in einem zu ihm passenden Beruf
lage, haben viele Unternehmen unan- einen Ausbildungsplatz in Aussicht hat.
genehme Erfahrungen mit dem Thema Wir appellieren daher an Betriebe und
Fachkräftemangel gemacht. Und sie Jugendliche, sich frühzeitig an uns zu
haben noch gut in Erinnerung, was es wenden, sodass wir beide Seiten unter-
bedeutet, verzweifelt qualifiziertes Per- stützen können, zusammenzufinden.
sonal zu suchen, aber vielleicht nicht zu
bekommen. Das hat sich bei vielen ins personalmagazin: Handwerksbetriebe
Gedächtnis eingebrannt. Dazu wissen klagen über einen Mangel an Bewer-
sie um die demografische Entwicklung. bern. Bei anderen Firmen kommen auf
Der Fachkräftebedarf dürfte dadurch Raimund Becker eine Ausbildungsstelle 100 Bewerber.
enorm werden. Deshalb haben viele ist seit 2004 Mitglied des Vorstands der Was unternimmt die BA, um dieses
Betriebe trotz Wirtschaftskrise an ihren Bundesagentur für Arbeit. Der Jurist Ungleichgewicht zu mildern?
Ausbildungsbemühungen festgehalten, startete seine Laufbahn 1988 im Landes- Becker: Die Bundesagentur für Arbeit
um sich ihren eigenen Fachkräftenach- arbeitsamt Rheinland-Pfalz-Saarland. kann Ausbildungsberufe nicht at-
wuchs zu sichern. traktiver machen, das ist Aufgabe der
Betriebe. Wir unterstützen Jugendliche
personalmagazin: Die BA registrierte 2009 bei ihrer Berufswahl. Dabei beraten wir
mehr offene Ausbildungsplätze als Be- daher auch bereit, die Alternative aufzu- nicht nur, sondern informieren auch
werber. Der DGB spricht von 77.000 feh- geben und sofort mit einer Ausbildung über arbeitsmarktliche Perspektiven.
lenden Ausbildungsplätzen. Wie kommt zu starten, wenn sich die Möglichkeit Dazu sind wir auch verstärkt präventiv
es zu so unterschiedlichen Zahlen? bietet. In unserer Bilanz finden sich nur tätig. Wir setzen in Vorabgangs-Schul-
Becker: Es kommt auf den Blickwinkel die Jugendlichen wieder, die gar nichts klassen an und helfen beim Übergang
an. Wir unterscheiden zwischen Jugend- gefunden haben. Daher die unterschied- von der Schule in den Beruf. Hier kön-
lichen, die keinen Ausbildungsplatz lichen Betrachtungsweisen. nen sich Betriebe ebenfalls engagieren,
und auch keine Alternative wie eine indem sie Praktikumsplätze bereitstel-
ausbildungsvorbereitende Maßnah- personalmagazin: Mit welchem Verhältnis len und sich dadurch für eine spätere
me oder ein freiwilliges Soziales Jahr von Ausbildungsplätzen zu Bewerbern Ausbildung empfehlen. Wichtig ist,
gefunden haben, und Jugendlichen, die rechnen Sie für 2010/11? entsprechend der sinkenden Schulabgän-
eben solch eine Alternative angetreten Becker: Wir nehmen erfreut wahr, dass gerzahlen umzudenken: Nicht nur der
haben. Trotz Alternative behalten diese die Betriebe ihr Angebot an Ausbil- Einser-Kandidat kann ein guter Azubi
jungen Menschen aber die Suche nach dungsplätzen halten. Gleichzeitig sein, sondern auch ein Jugendlicher mit
einem Ausbildungsplatz im Auge, die geht demografisch bedingt die Zahl schwierigen Voraussetzungen.
spätestens in einem Jahr sowieso wieder der Bewerber zurück, in den östlichen
anstehen würde. Viele von ihnen sind Bundesländern sogar im zweistelligen Das Interview führte Daniela Furkel.
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6. TITEL
AUSBILDUNG 19
so hoch“, sagt Hamers dazu. „Wir stellen zu holen, die bisher wenig gefördert Bisher nehmen die Jugendlichen die
wieder mehr junge Mitarbeiter ein, da wurden. 61 Jugendliche haben das An- Einstiegsqualifikation gut an. Auf die
wir möglichst vielen jungen Menschen gebot angenommen und absolvieren ein anfängliche euphorische Phase trat mit
einen sicheren Arbeitsplatz bieten möch- Jahrespraktikum. Dabei durchlaufen sie dem Arbeitsalltag etwas Ernüchterung
ten und eine sehr hohe Altersstruktur dieselben Stationen in Berufsschule und ein: Alte Verhaltensmuster wie noto-
haben. Damit reagieren wir auch bereits Betriebseinsatz wie die Azubis. Begleitet rische Unpünktlichkeit kamen wieder
auf die demografische Entwicklung.“ werden sie von 60 Ausbildern, die sich an den Tag. Ein Azubi verließ das Unter-
Finanziell ist dieses Projekt von einem alle als Lernprozessbegleiter weiterqua- nehmen daraufhin; andere klärten ihre
Mehraufwand begleitet. „Monetär ist das lifiziert haben. Außerdem unterstützt ein Probleme in persönlichen Gesprächen
aber nur schwer zu bewerten“, erklärt externer Bildungsanbieter die Ausbilder mit ihren Ausbildungsbegleitern. Wer
Hamers. Die Zeit für die Nachhilfe fehlt im sozialpädagogischen Bereich und bei bis zum Ende des Praktikumsjahres alle
für die praktische Ausbildung in den ausbildungsbegleitenden Hilfen. erforderlichen Qualifikationen erreicht,
Meistereien und in der Ausbildungsstät- „Der finanzielle Mehraufwand ist bis- kann direkt ins zweite Ausbildungsjahr
te. Aber das Unternehmen erhält für die her gering, da Integration und Lernpro- starten. „Unser Projekt ist bisher von
Nachhilfe auch Unterstützung von der zessbegleitung von jungen Menschen einem Erfolg gekrönt, den wir so nicht
Arbeitsagentur, die über einen externen schon zuvor Bestandteil der Ausbildung erwartet hätten“, urteilt Fischer. Das
Bildungsträger einen Nachhilfelehrer be- gewesen sind“, erklärt Christian Fischer, Unternehmen könne auf diese Weise
reitstellt. Pressesprecher der Deutschen Telekom. Talente nutzen, die sonst brach liegen
Der Betreuungsaufwand und die Intensi- würden.
Deutsche Telekom AG: tät der persönlichen Betreuung nehmen
Einstiegsqualifizierung ausweiten aber zu. Dieser Aufwand besteht teilwei- Roman Mayer GmbH:
Seit September 2009 läuft bei der Tele- se darin, Defizite im Sozialverhalten oder Neue Ausbildungsplätze schaffen
kom ein neues Programm zur Einstiegs- Mängel in der Ausbildungsreife, wie zum Etwa 20 Prozent der derzeitigen Fachar-
qualifizierung. Darin werden junge Leute Beispiel eine Rechtschreibschwäche, beiter in der Transport- und Speditions-
mit Hartz-IV-Hintergrund in die Aus- auszugleichen. Auch bei Problemen im branche werden in den nächsten Jahren
bildung des Unternehmens integriert, persönlichen Umfeld hilft ein Coach – in den Ruhestand gehen. Bislang haben
um so im Zuge des demografischen die Unterstützung beschränkt sich nicht die Unternehmen in dieser Branche
Wandels Talente in das Unternehmen auf den Arbeitsalltag. aber die Ausbildung neuer Fachkräfte
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20 AUSBILDUNG
vernachlässigt. „Aufgrund der demogra- noch nicht schließen können. Aber es einen kurzen Zeitraum. Bei Deerberg lei-
fischen Entwicklung fehlen immer mehr lohnt sich, denn die Situation wird lang- ten die Azubis ein ganzes Geschäft mit
Fachkräfte. Dadurch wird die Ausbildung fristig nicht besser werden.“ eigenem Sortiment für sechs bis zwölf
ein noch zentraleres Thema“, erklärt Pe- Trotz des Erfolgs mussten die beiden Monate. Sie haben dafür eine Mitarbei-
ter Müller, Ausbildungsbeauftragter bei Unternehmen das Projekt im Februar terin im Verkauf eingestellt, führen mit
der Roman Mayer GmbH, die Teil der auslaufen lassen. Der bürokratische Auf- ihr Mitarbeitergespräche und Gehalts-
mittelständischen Roman Mayer Logistik wand, um die Fördermittel zu erhalten, verhandlungen. Zudem vergeben sie an
Group ist. war zu hoch. „Wir mussten alle Stunden, die anderen Azubis interne Aufträge.
Das Unternehmen ging deswegen im die wir für das Projekt aufgewandt ha- „Im Moment finanziert sich der Laden
Jahr 2008 einen außergewöhnlichen ben, dokumentieren und Beleghefte so- noch nicht eigenständig“, erklärt Antina
Weg, um in der Öffentlichkeit ein größe- wie Fahrtenbücher führen“, sagt Müller. Wolff, Generalmanager bei der Deerberg
res Bewusstsein für die Ausbildung zum
Kraftfahrer zu schaffen. Im Rahmen des
Förderprogramms „Jobstarter – Für die
„Es fehlen immer mehr Fachkräfte. Dadurch wird
Zukunft ausbilden“ des Bundesministe- die Ausbildung ein noch zentraleres Thema.“
riums für Bildung und Forschung sowie
Peter Müller, Ausbildungsbeauftragter bei der Roman Mayer GmbH
des Europäischen Sozialfonds startete
die Roman Mayer GmbH zusammen mit
der RBA Regionalbus Augsburg GmbH Doch das Unternehmen wirbt weiter Versand GmbH. Doch der Aufwand lohnt
das Projekt „Kraffittis“ (Kraftverkehrfit- um neue Auszubildende – „jetzt eben sich für die Azubis, die so von Anfang
ness in Schwaben). Die Projektleiter aus nur noch in unserem eigenen Interes- an lernen, eigenständig zu arbeiten. Sie
den beiden Unternehmen gingen zusam- se“, erklärt der Ausbildungsbeauftragte. werden gecoacht und können sich bei
men in Betriebe aus der Region Schwa- Er gehe nun verstärkt in die Schulen, Problemen an die Ausbilder wenden.
ben, die bisher noch keine Lehrstellen um die potenziellen Azubis direkt über Darüber hinaus hat Deerberg für dieses
für Kraftfahrer angeboten hatten. Dort den Ausbildungsweg und den Beruf als Projekt in die Ausbildungsverordnung
warben sie für neue Ausbildungsplätze. Kraftfahrer zu informieren. eingegriffen und eine Sondergenehmi-
„Wegen der demografischen Situation gung von der Industrie- und Handelskam-
müssen wir gemeinsam – auch in den Deerberg Versand GmbH: mer (IHK) erhalten. Die Auszubildenden
konkurrierenden Unternehmen – dafür Mehr Eigenverantwortung bieten müssen kein Berichtsheft führen, wie es
sorgen, dass mehr Schulabgänger eine Das Versandunternehmen Deerberg mit sonst Vorschrift ist. Stattdessen schrei-
Ausbildung in unserer Branche aufneh- Sitz in Hanstedt in der Lüneburger Heide ben sie ein „Ausbildungstagebuch“: Da-
men“, erklärt Müller, warum er sich für wirbt um Azubis mit dem Angebot, dass rin tragen sie ein, welche Tätigkeiten sie
das unternehmensübergreifende Projekt sie viel Eigenverantwortung in der täg- insbesondere in Zusammenarbeit mit
engagiert. „Wir waren das erste Unter- lichen Arbeit bekommen. Mit insgesamt anderen Abteilungen in dieser Zeit neu
nehmen aus der freien Wirtschaft, das elf Auszubildenden in fünf verschiedenen erlernt und umgesetzt haben. Sie be-
sich an diesen Förderprogrammen betei- Berufen liegt die Ausbildungsquote un- schreiben, was genau sie dabei gemacht
ligt hat.“ Bisher waren daran ausschließ- ter den Festangestellten bei 40 Prozent. haben, beispielsweise wie sie Azubis
lich Bildungsträger beteiligt. Für die Bürokaufleute und Kaufleute im anderer Abteilungen für einen internen
Im persönlichen Gespräch versuchten Einzelhandel hat das Unternehmen ein Auftrag gebrieft haben, und erläutern,
sie die Firmen davon zu überzeugen, Geschäft, das „Lindgrenhus“, gegründet, wo genau sich ihre Arbeit überschneidet.
weitere Lehrstellen zu schaffen. Das häu- das drei Azubis in einem eigens gebauten Auf diese Weise erstellen sie ein Nach-
figste Gegenargument: Die hohen Kos- Gebäude leiten. Dafür hat Deerberg mit schlagewerk, das sie nutzen können, um
ten. Eine Ausbildungsstelle kostet bis zu Wohnaccessoires ein Teilsortiment neu sich auf ihre IHK-Prüfung vorzubereiten.
80.000 Euro pro Azubi. Außerdem man- aufgenommen, das ausschließlich über Zusätzlich füllen sie einmal im Monat ei-
gelt es vielen Unternehmen an Personal den Laden und das zugehörige Internet- nen klassischen Monatsbericht aus, wie
und Zeit für die Ausbildung. Trotzdem Portal vertrieben wird. er für die Ausbildungsnachweise üblich
konnte „Kraffittis“ innerhalb von zwei Die Idee, eine Filiale von Azubis leiten ist. „Selbst für die Azubis, die außerhalb
Jahren 45 Stellen in Schwaben akquirie- zu lassen, ist nicht neu. Viele Einzel- des Gebiets der für uns zuständigen IHK
ren. „Damit haben wir unser Ziel sogar händler bieten ihren Azubis diese ei- ihre Ausbildung absolvieren, haben wir
übertroffen“, so Peter Müller. „Die Lehr- genverantwortliche Aufgabe als Teil der die Ausnahmegenehmigung erhalten“,
stellenlücke werden wir dadurch zwar Ausbildung an – dann aber meist nur für erklärt Antina Wolff.
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8. TITEL
AUSBILDUNG 21
Was Azubis wollen Info-Quellen
STUDIE. Worauf Schüler bei der Wahl eines Aus- Internet 84 %
bildungsbetriebs Wert legen und wie sie sich Freunde und Familie 72 %
informieren, das war das Thema einer Diplomarbeit. BIZ 62 %
Lehrer und Schule 56 %
Ausbildungsmessen 54 %
Zeitung / Zeitschriften 46 %
Von Daniela Furkel (Red.) der Einflussfaktoren für die Arbeitge-
Schüler binden ihr soziales Umfeld stark
berwahl. Studienautorin Nadja Kölbl rät
W
in die Informationssuche rund um das
ie können Unternehmen daher den Arbeitgebern, insbesondere
Thema „Ausbildung“ ein.
potenzielle Azubis auf sich Aspekte wie eine sichere Übernahme,
Quelle: Nadja Kölbl, 2009
aufmerksam machen? Die zum Beispiel Übernahmezahlen der
Antwort: Indem sie zu- vergangenen Jahre, aber auch Aussagen
nächst in Erfahrung bringen, welche An- der Mitarbeiter über das Arbeitsklima
forderungen junge Menschen an einen im Unternehmen und Berichte über Dies beschränke sich nicht nur auf
Arbeitgeber stellen und welche Wege sie Programme zur Weiterentwicklung und gezielte Informationen über die angebo-
nutzen, um sich über einen Arbeitgeber die Aufstiegsmöglichkeiten nach Ausbil- tenen Ausbildungen, die Bewerbungs-
zu informieren. Und genau diese Frage- dungsabschluss gezielt an die Schüler fristen und -abläufe auf der Webseite des
stellungen standen im Fokus der Diplom- zu kommunizieren. „Wichtig ist, dass Unternehmens, so die Studienautorin.
arbeit von Nadja Kölbl an der Universität die Aussagen authentisch sind und das Gerade wer jetzt Web-2.0-Instrumente
Hohenheim, unterstützt durch das Aus- Beschriebene im Unternehmen auch ge- einsetze, beispielsweise Azubi-Foren,
bildungsportal azubister.net. Sie hatte lebt wird“, ergänzt sie. Chats mit Unternehmensvertretern oder
525 Schüler zu ihren Anforderungen an Podcasts, könne sich als Arbeitgeber
einen Arbeitgeber befragt. 95 Prozent gehen ins Netz von anderen Unternehmen gut abheben.
Bleibt die Frage, auf welchem Weg diese Zudem könnten sich Unternehmen in
Schüler wollen akzeptiert werden Informationen am besten kommuniziert sozialen Netzwerken darstellen und den
Vor allem die Faktoren „Akzeptanz und werden. Wo informieren sich die Schüler direkten Kontakt zu potenziellen Azubis
Wertschätzung“, „Sicherheit“ und das in erster Linie über einen Arbeitgeber? herstellen. Nadja Kölbl: „Das Austau-
„Arbeitsklima eines Unternehmens“ sind Hierfür liefert die Studie eine eindeutige schen von Meinungen und Informatio-
den Schülern bei der Wahl eines Ausbil- Antwort: Das Internet steht an erster nen im Netz bietet somit neue Chancen
dungsbetriebs besonders wichtig, ergab Stelle, gefolgt von den Freunden und für Unternehmen, mit den Jugendlichen
die Befragung. Auch weitere Aspekte wie der Familie. Weiterhin holen die Schü- in Kontakt zu treten.“
ein „geregeltes Arbeitsleben“ sowie der ler Informationen zur Berufswahl beim
„Berufseinstieg und Entwicklungschan- Berufsinformationszentrum (BIZ) der Die Familie mit einbeziehen
cen“ und die „Identifikation mit dem Arbeitsagenturen, bei Lehrern, bei Aus- Ein weiteres Fazit der Studie: Da Schüler
Unternehmen“ haben für die befragten bildungsmessen und in der Presse ein ihr soziales Umfeld, das heißt Familie
Schüler eine hohe Bedeutung. Auffällig (siehe Grafik). „Insgesamt nutzen über und Freunde, stark in die Informations-
hierbei ist, dass dies sowohl für Haupt- 95 Prozent der befragten Schüler das suche einbeziehen, müssen auch diese
und Realschüler als auch für Gymnasi- Internet zur Information über einen Ar- im Azubi-Marketing und der Kommuni-
asten gilt. In deren Aussagen finden sich beitgeber und nur knapp fünf Prozent kation berücksichtigt werden. Für diese
nur marginale Unterschiede. nicht“, berichtet Nadja Kölbl. „Der Kom- Zielgruppe sind vor allem Botschaften
Weniger wichtig für die künftigen munikationsweg über das Internet ist al- wie die Ausbildungsqualität und -si-
Azubis sind dagegen die Reputation und so besonders geeignet, um eine Vielzahl cherheit in einem Unternehmen ent-
der Standort eines Unternehmens, des- von Schülern über ein Unternehmen und scheidend. Zudem bietet es sich an, die
sen Kreativität und Modernität. Auch die seine Ausbildungsmöglichkeiten zu in- Familien zu speziellen Veranstaltungen
Entlohnung steht nur an siebter Stelle formieren“, folgert sie. wie Azubi-Tagen mit einzuladen.
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9. Bei Fragen wenden Sie sich bitte an daniela.furkel@personalmagazin.de
22 AUSBILDUNG
Wichtige Botschaft an die Eltern
PRAXIS. Wenn sie Azubis suchen, vergessen Firmen oft die Sekundärzielgruppe
der Eltern und Lehrer. Doch diese entscheidet meist über die Berufswahl.
Von Daniela Furkel (Red.) Das ist auch die Erkenntnis von An- zu vergeben und die Arbeit einzuteilen,
dreas Thierig, der unterstützt vom baye- sondern lehre die Männer die Sehnsucht
D
er Rat und die Meinung von rischen Kultusministerium Konzepte für nach dem weiten endlosen Meer.“
Freunden und Familie sind für ein besseres Ausbildungsmarketing er-
Jugendliche das wichtigste Ent- arbeitet, unter anderem das „BauCamp“ Vertrauen als Arbeitgeber gewinnen
scheidungskriterium bei der für den Bayerischen Bauindustriever- Weitere Fehler in klassischen Azubi-
Wahl einer Ausbildung. Das zeigt eine band. „Der grundlegende Fehler der Marketingkampagnen sind, dass diese
Repräsentativumfrage der Bertelsmann- meisten Maßnahmen ist, dass gegenüber keine Verbindung zu den lokalen Ausbil-
Stiftung, die zwar aus dem Jahr 2005 ist, einem sehr langfristigen, einem extrem dungsbetrieben knüpfen. Zum Beispiel,
aber deren Aussagekraft auch aktuell trägen und mit einem extrem guten Lang- wenn ein Verband an der Schule nur über
nicht anzuzweifeln ist: Die Berufswahl zeitgedächtnis ausgestattetem Markt den Beruf informiert, aber keine Prakti-
ist laut der Studie einer der wenigen Be- kurzfristig, schnell und unzuverlässig ka oder Schnuppertage beim Bäcker oder
reiche, in dem Jugendliche ihre Eltern gehandelt wird. Der Ausbildungsmarkt Metallunternehmen vor Ort anbietet. Und
noch um Rat fragen und in dem sie ihnen funktioniert allerhöchstens regional, letztlich führen laut Thierig auch Aus-
noch Kompetenz einräumen. normalerweise aber lokal“, so Thierig. bildungsplatzbörsen im Internet nicht
Informationsquellen, die keinen so na- dazu, dass sich mehr Schüler für einen
hen persönlichen und keinen so individu- Die Fehler beim Azubi-Marketing bestimmten Beruf interessieren. Sein Fa-
ellen Kontakt ermöglichen, sind weniger Typische Mängel sind seiner Erfahrung zit: „Vor allem für die Ausbildungsberufe,
beeinflussend. So sind Berater der Agen- nach zu kurzfristige Maßnahmen und die außerhalb der Wahrnehmung durch
Jugendliche und Multiplikatoren stehen,
sind solche Stellenmärkte wirkungslos.
Die Berufswahl ist einer der wenigen Bereiche, in Außerdem vermeiden Multiplikatoren
meist die Arbeit mit Ausbildungsplatz-
dem Jugendliche ihre Eltern noch um Rat fragen börsen, weil diese zu zahlhreich, zu unü-
und in dem sie ihnen noch Kompetenz einräumen. bersichtlich und zu unverbindlich sind.“
Mit dem Begriff „Multiplikatoren“
meint er die Zielgruppe der Eltern, Leh-
tur für Arbeit (39 Prozent) und Mitarbei- eine reine Informationsschlacht mit aus- rer und sonstigen Personen, die beim
ter von Unternehmen, die in die Schule ufernden Worten oder viel gedrucktem Übergang von Schule zu Beruf helfen.
kommen (31 Prozent) deutlich weniger Papier. Selbst Videos bringen selten die Nach seiner Erfahrung sind es vor allem
wichtig. Freunde (27 Prozent) und Lehrer erhoffte Aufmerksamkeit. „Berufsinfor- diese Personen, deren Vertrauen es zu
(29 Prozent) fallen ins hintere Feld, wobei mationen, egal in welcher Form, sind für gewinnen gilt. „Ist ein Unternehmen in
die Meinungen der Lehrer als erwachsene die Zielgruppe meist langweilig. Zu viele den Augen der Erwachsenen glaubwür-
Ratgeber noch wichtiger genommen wer- fachliche Details, wo es eigentlich darum dig und verlässlich, dann empfehlen
den als die der Freunde. So gut wie keinen ginge, Faszination oder Begeisterung zu sie dieses Unternehmen an die Jugend-
Einfluss weist die Studie Werbespots und wecken“, erklärt er und zitiert ein Bonmot lichen“, so Thierig. Deshalb rät er zu Un-
Werbeplakaten zu: „Sie machen vielleicht von Antoine de Saint-Exupéry: „Wenn Du ternehmensevents, mit denen sowohl die
aufmerksam, aber als wichtige Einfluss- ein Schiff bauen willst, so trommle nicht Begeisterung der Jugendlichen (im Sinne
größe auf die eigene Berufsentscheidung Männer zusammen, um Holz zu beschaf- von Saint-Exupéry) als auch das Informa-
werden sie nicht gesehen.“ fen, Werkzeuge vorzubereiten, Aufgaben tionsbedürfnis der Erwachsenen geweckt
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