Mit der digitalen Transformation entstehen auch neue Berufsfelder. Seit einiger Zeit kursiert vor allem die Bezeichnung Chief Digital Officer (CDO). Der CDO soll digitale Strategien entwickeln, die Unternehmensprozesse im Auge behalten und laufend verbessern. In der Praxis ist er allerdings noch nicht so richtig angekommen. Warum das so ist, zeigt dieser Beitrag.
Warum der Chief Digital Officer sich selber abschafft
1. Strategie & Management00
KMU-Magazin Nr. 5, Mai 2017
DieBezeichnungChiefDigitalOfficerkurz
CDOisteinefastneueBerufsbezeichnung.
Seit ein paar Jahren geistert der Begriff
durch die Branchen. Dabei sind CDO für
Strategien und Digitalisierungsprozesse
in den Unternehmen zuständig. Ein CDO
kümmert sich also im Unternehmen um
diese sagenumwobene digitale Transfor-
mation und bemüht sich, dass alle Mitar-
beiter mitziehen. Denn: Digitalisierung
istkeinZauberwort,sondernkannschnell
Realität werden.
Immerhin beschäftigen gemäss PwC in
Europa schon 13 Prozent der Firmen ei-
nen Chief Digital Officer. Und laut jener
UntersuchungderStrategieberatungliegt
Europa damit an der Spitze. Weltweit ha-
ben nur sechs Prozent der Firmen einen
Digitalvorstand,daserstauntumsomehr,
als dass die Beratungsunternehmung
Gartner 2012 einst sagte, dass im Jahr
2015ungefähr25ProzentderUnterneh-
men die Stelle eines Chief Digital Officer
besetzt haben.
Warum niemand den CDO will
Wollen denn die Firmen keine CDO oder
ist das Berufsbild verkehrt? Das Problem
kann wohl bei beiden Bereichen ausge-
macht werden: Erstens, der Chief Digital
Officer ist für die komplette Digitalisie-
rung verantwortlich. Wenn er damit Er-
folg hat, macht er sich selbst überflüssig,
denn die Digitalisierung ist dann in allen
Bereichen fest verankert. Es ist also ein
Job mit Ablaufdatum – und wer will das
schon?EinanderesProblembestehtwohl
darin, dass in bereits teil-digitalisierten
Unternehmen in der Regel nur geringer
Bedarf nach den speziellen Fähigkeiten
einesCDObesteht,sosinddortbereitsdie
wichtigsten Funktionen und Unterneh-
menseinheitenrundumdasThemaDigi-
talisierung platziert und etabliert.
Damit wird die Rolle eines Chief Digital
Officers zu dem eines Change Managers,
ein Manager also, welcher den Wandel
begleitet und Schwachstellen aufdecken
muss. Ein Job, mit dem man sich wohl
nicht beliebt macht, denn man muss die
Punkte verbinden, die Zäune abbauen
und dabei stark auf Vernetzen und Opti-
mieren achten – das kann schon einmal
gegen aufgebaute Positionen gehen.
Ausserdem, wie eingangs erläutert, erar-
beitet ein Chief Digital Officer digitale
Strategien, wobei er oder sie immer alle
Unternehmensprozesse gleichzeitig im
Auge behalten und laufend verbessern
muss. Dies könnte zum Beispiel eine
kurz & bündig
›› Der CDO muss Zukunftsmärkte
identifizieren und hilft Unterneh-
men, auch in kommenden Jahren
wettbewerbsfähig zu bleiben, in-
dem er sich auch wirklich Ge-
danken macht über das digitale
Geschäftsmodell des Unterneh-
mens und dieses laufend anpasst.
›› Der CDO ist Stratege, Umsetzer
und treibt die digitale Transfor-
mation voran. Da alle Unterneh-
mensbereiche von der Digitalisie-
rung betroffen sind, muss er alle
Mitarbeitenden auf seine digita-
le Reise mitnehmen sowie dafür
begeistern können.
›› Wenn der CDO Erfolg hat, macht
er sich selbst überflüssig, denn
die Digitalisierung ist dann in al-
len Bereichen fest verankert. Es
ist also ein Job mit Ablaufdatum.
!
›› Roger Basler
Führungspositionen
Warum sich der Chief Digital
Officer selber abschafft
Mit der digitalen Transformation entstehen auch neue Berufsfelder. Seit einiger Zeit kursiert
vor allem die Bezeichnung Chief Digital Officer (CDO). Der CDO soll digitale Strategien ent-
wickeln, die Unternehmensprozesse im Auge behalten und laufend verbessern. In der Praxis
ist er allerdings noch nicht so richtig angekommen. Warum das so ist, zeigt dieser Beitrag.
2. Strategie & Management 00
KMU-Magazin Nr. 5, Mai 2017
Cloud-Plattform für CRM und Kunden-
services sein, welche direkt mit einem
Messenger-Dienst verbunden ist und im
Hintergrund über Analytics ausgewertet
wird. Wenn Sie jetzt vielleicht denken,
dass der CDO sich nicht gross von einem
CIO eines Unternehmens unterscheidet,
mögen Sie teilweise Recht haben.
DenneinCDOübernimmtAufgaben,wel-
cheCIOnichteinfachmalsonebenbeier-
ledigen können. Ein CIO kommt aus der
IT und besitzt dabei eine hohe Fachaus-
bildung mit Spezialisierung auf zum
Beispiel Netzwerke oder Mobile oder
E-Commerce.
Der CDO muss Zukunftsmärkte identifi-
zieren und hilft Unternehmen, auch in
kommendenJahrenwettbewerbsfähigzu
bleiben, indem er sich Gedanken macht
über das digitale Geschäftsmodell des
Unternehmens und dieses auch laufend
anpasst. Die Arbeitsgebiete eines CDO
umfassen dementsprechend weite Teile
des Unternehmens: die technische Infra-
struktur, die Organisationsführung, die
Unternehmenskulturundnatürlichauch
wie eben erwähnt: das Change-Manage-
ment etablieren und erlebbar machen.
Das CDO-Kandidatenprofil
EsgibtwohlkeinetypischenChiefDigital
Officers. Denn der Berufsstand ist lear-
ning by doing. Er oder sie muss viel Ver-
schiedenesmitbringenundsoeinigestun
können. Er kommt zum Beispiel aus der
Betriebs-oderVolkswirtschaft,demMar-
ketingoderausderIT-Branche.Vorallem
Praxiserfahrungen machen eine gute Fi-
gur. Einen einheitlichen Karriereweg
können die amtierenden CDO gemäss ei-
ner Umfrage der Financial Times nicht
vorweisen: 34 Prozent kommen laut Stu-
die aus dem Marketing, 17 Prozent aus
demVertrieb,14ProzentausderTechno-
logieentwicklungund13Prozentausder
Beratung.
Was sicher ist: Ein CDO hat zahlreiche,
belastbare und langjährige Erfahrungen
in der digitalen Welt gesammelt. Viele
vonihnenhabenzudemauchschonselbst
digitaleProdukteentwickelt.Ausserdem
brauchtesFührungsqualitätenundÜber-
zeugungskraft sowie eine gewisse Agili-
tät. Ein flexibler Allrounder mit Erfah-
rung in E-Commerce und mobilen Um-
feldern,welcherzusätzlichIT-Kenntnisse
besitzt, hat gute Karrierechancen.
Natürlich gehört zu einem guten CDO
auchderständigeÜberblicküberaktuelle
digitale Trends. Somit arbeitet ein CDO
vor allem eng mit der Unternehmungs-
führung zusammen, aber auch mit der
Abteilungsleitung hat er viel Kontakt.
Kundenkontakt hat ein CDO hingegen
fast gar nicht, und das macht die Arbeit
eines CDO dann eher zu einem Einzel-
kämpfer-Job.
In einer Untersuchung der Unterneh-
mensberatungAccenturehabenüber100
Unternehmen bestätigt, dass die Digita-
lisierungdisruptive,alsoeinschneidende
Auswirkungen auf ihre Branche haben
wird.Allerdingsverfügtenknapp40Pro-
zent der Unternehmen über eine über-
greifende digitale Strategie und meist
konzentrierensiesichaufProjekte,diein-
terne Abläufe in der Verwaltung oder im
Kundenservice verbessern und Kosten
senken sollen.
Weniger als 15 Prozent gaben an, dass
dabei die Umsetzung neuer digitaler Ge-
schäftsmodelle im Vordergrund steht.
Auch im Umgang mit Kundendaten sind
die Unternehmen noch zurückhaltend.
Denn nur 9 Prozent analysieren das
Nutzungsverhalten ihrer Dienste in gros-
sem Umfang, der Rest nur teilweise oder
gar nicht.
Konsequenzen für Unternehmen
UmdigitaleTransformationdurchführen
zu können, braucht es Kompetenz und
Handlungsspielraum. Jedes Unterneh-
men, welches sich Wachstum durch digi-
taleGeschäfteerhofft,solltesichüberdie
Einstellung eines CDO Gedanken ma-
Inserat
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3. Strategie & Management00
KMU-Magazin Nr. 5, Mai 2017
chen. Denn neben dem operativen Ge-
schäft schafft es kaum ein Manager, sich
diesen Herausforderungen zusätzlich zu
stellen. Ein Chief Digital Officer hilft da-
rum auch, die fehlende digitale Kompe-
tenz der Führungskräfte auszugleichen,
und sitzt auch in der Geschäftsleitung
oder im Stab, um die Vorschläge gut um-
setzen zu können und handlungsfähig
zu bleiben. Denn oft werden bestehende
Strategien überdacht und neue auspro-
biert, wofür sich der CDO zum Teil über-
zeugend einsetzen muss.
DerCDOistStratege,Umsetzerundtreibt
diedigitaleTransformationvoran.Daalle
Unternehmensbereiche von der Digitali-
sierung betroffen sind, muss er alle Mit-
arbeitenden auf seine digitale Reise mit-
nehmen und dafür begeistern können,
auch wenn das anfangs sicherlich nicht
einfach und auch nicht transparent sein
kann – denn keiner weiss, wo die genaue
Reise hingeht.
Zwar hat der CDO quantitative Argu-
menteaufseinerSeite,dennermussstets
durch Datenanalyse in Echtzeit seine
Ideen und Visionen stärken und unter-
mauern, aber andererseits spielen doch
viele emotionale Widerstände innerhalb
der bestehenden Strukturen eine Rolle,
welche sich oftmals schwer weg disku-
tieren lassen.
Was sicher ist: Grundsätzlich muss sich
jedes Unternehmen mit der Digitalisie-
rung beschäftigen. Durch neue Produkte
und Services können dabei Einnahme-
quellen für das Unternehmen gesteigert
werden. Ein Chief Digital Officer muss
alsodasbestehendeGeschäftsmodellum
einedigitaleKomponenteerweiternoder
idealerweise sogar neu ausrichten, dann
lohnt sich auch deren Engagement – fi-
nanziell und langfristig. «
Porträt
Roger Basler
Unternehmer und Referent
Roger Basler, Betriebsökonom FH, ist «digitaler Unter-
nehmer» und unterrichtet digitale Geschäftsmodelle un-
ter anderem bei der Social-Media-Academy Somexcloud.
Kontakt
basler@unternehmens-architekt.ch
www.unternehmens-architekt.ch
www.somexcloud.com