Angewandte Philosophie an der Universität Duisburg-Essen.
Hänze Effektivität Kooperatives Lernen
1. U N I KASSEL
V E R S I T Ä T
Effektivität kooperativen
Lernens: Wer lernt wieviel
– und was?
Prof. Dr. Martin Hänze
Pädagogische Psychologie
Universität Kassel
2. U N I KASSEL
V E R S I T Ä T
Gliederung
1.
• Was heißt Effektivität und wie überprüft man sie?
2.
• Was wird gelernt?
3.
• Wer lernt und warum?
4.
• Identifikation von Risikogruppen
5.
• Pädagogische Konsequenzen
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3. U N I KASSEL
V E R S I T Ä T
Was heißt Effektivität und wie
überprüft man sie?
Output-Orientierung in Bezug auf kognitive und affektive, fachliche und
überfachliche Lernziele
Effektivität zeigt sich im Vergleich
aber womit? Das „Äpfel und Birnen“-Problem
Sinnvoll ist der Vergleich von Versuchsbedingungen, die sich in wenigen und klar
definierbaren Aspekten voneinander unterscheiden
Kontroverse Befunde: das „Hü-Hott“-Problem
Meta-Analysen: inhaltlich ähnliche Einzelstudien werden zusammengefasst und
hinsichtlich relevanter Unterschiede kategorisiert
Problem: Welche Studien finden Eingang?
Gute theoretische Ansätze sind wichtig, um nicht dem empiristischen
Zusammentragen von Einzelbefunden zu verfallen
Generelles Problem: Komplexität der Lehr-Lernvorgänge im Unterricht
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4. U N I KASSEL
V E R S I T Ä T
Helmke: Angebots-Nutzungsmodell
des Unterrichts
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5. U N I KASSEL
V E R S I T Ä T
Effektivität des kooperativen Lernens
im Hinblick auf fachliches Lernen
Metaanalyse über 70 Studien (Lou et al., 1996)
Gruppenunterricht wirksamer als Klassenunterricht
Insbesondere in großen Klassen
Insbesondere in Mathematik und Naturwissenschaften (also den
„Jungen“-Fächern)
Metaanalyse über 90 Studien (Rohrbeck et al., 2003)
„moderate Überlegenheit“ peer-unterstützter Lernformen ggb.
nicht-kooperativen Lernformen
förderlich: hohes Maß an Autonomie für die Schüler
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6. U N I KASSEL
V E R S I T Ä T
Effektivität im Hinblick auf
überfachliche und affektive Lernziele
Metaanalyse von 36 Studien aus dem
Grundschulbereich (Ginsburg-Block et al.
2006):
Kleine bis mäßige Effekte auf Sozialverhalten,
Selbstkonzept und allgemeines Lernverhalten
Förderlich: hohes Maß an
Eigenverantwortlichkeit für den Lernprozess
Förderlich: Strukturvorgaben
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7. U N I KASSEL
V E R S I T Ä T
Rahmenmodell zur Erforschung
kooperativen Lernens
Fachbezogene Fachbezogener Lernerfolg
Voraussetzungen
•Vorwissen •Wissensreproduktion
•Interesse •Wissensreorganisation
Überzeugung,
•Selbstkonzept dass •Interesse
die Lerngruppe ihre •Selbstkonzept
Ziele erfolgreich Kooperatives und
erreichen kann Individuelles Lernen
Überfachliche Überfachlicher Lernerfolg
Voraussetzungen
•Soziale Kompetenzen •Soziale Kompetenzen
•Gruppenwirksamkeits- •Gruppenwirksamkeits-
erwartung erwartung
•Einstellungen und •Einstellungen und
Überzeugungen Überzeugungen
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8. U N I KASSEL
V E R S I T Ä T
Wer lernt? Wer lernt nicht?
Mangelnde soziale Kompetenzen ein
Risikofaktor für den Lernerfolg?
Mangelndes Vorwissen und Interesse ein
Risikofaktor für kooperatives Lernen?
(Schereneffekt?)
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9. U N I KASSEL
Was sind soziale
V E R S I T Ä T
Kompetenzen?
Durchsetzung
persönlicher Anpassung an
Ziele Anforderungen
aus der Umwelt
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10. U N I KASSEL
V E R S I T Ä T
Facetten sozialer Kompetenz
(Kanning, 2003)
Perzeptiv-kognitiver Motivational-emotionaler
Behavioraler Bereich
Bereich Bereich
• Selbstaufmerksamkeit • Emotionale Stabilität • Extraversion
• Personenwahrnehmung • Prosozialität • Durchsetzungsfähigkeit
• Perspektivübernahme • Wertepluralismus • Handlungsflexibilität
• Kontrollüberzeugung • Kommunikation
• Entscheidungsfreudigkeit • Konfliktverhalten
• Wissen • Selbststeuerung
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11. U N I KASSEL
V E R S I T Ä T
Soziale Kompetenzen und
fachlicher Lernerfolg
Nur wenig empirische Ergebnisse zum
Zusammenhang soziale Kompetenzen
und Lernerfolg
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12. U N I KASSEL
V E R S I T Ä T
Welche sozialen Kompetenzen fordern
innovative kooperative Lernformen?
Studie in einem Hochschulseminar mit hohem
kooperativen Anteilen (Gruppenpuzzle)
Teilnehmer ca. 70 Studentinnen und Studenten
Ziel: Vorhersage der Lernleistung
aus sozialen Kompetenzen (erhoben per
Verhaltensbeobachtung und Fragebogen)
unter Kontrollen von Vorwissen und verbaler
Intelligenz
Jurkowski & Hänze, (in Druck):
Psychologie in Erziehung und Unterricht
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13. U N I KASSEL
V E R S I T Ä T
Kooperationsfähig-
keit (Verhaltens-
beobachtung)
Aufgreifen und
Unterstützen
fremder Beiträge
Einbeziehen
anderer Teilnehmer
Anstreben einer
gemeinsamen
Lösung
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14. U N I KASSEL
V E R S I T Ä T
Folgende Soziale Kompetenzen beeinflussen den
Lernerfolg in praktisch bedeutsamer
Größenordnung:
Kooperationsfähigkeit
• Verhaltensbeobachtung
Skala Durchsetzung persönlicher Rechte
• Beispiel: „Die Bitte einer Freundin abgeschlagen
können“
Skala Soziabilität
• Beispiel: „Ich gehe mit anderen rücksichtsvoll um“
Jurkowski & Hänze, (in Druck):
Hänze: Effektivität Kooperativen Lernens: Wer lernt wieviel – und was? Vortrag am 26. März 2010 | Münster Psychologie in Erziehung und Unterricht 14
Folie
15. U N I KASSEL
V E R S I T Ä T
Transaktives
Interaktionsverhalten
fragen
• Fragen mit dem Ziel, von anderen Gruppenmitgliedern
aufgabenbezogene Informationen zu erhalten
widersprechen
• Den Beitrag des Lernpartners kritisieren
integrieren
• Den Wortbeitrag des Lernpartners aufnehmen und weiter
entwickeln
Lit: Weinberger & Fischer (2006) in
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16. U N I KASSEL
V E R S I T Ä T
Transaktive
Interaktion
Kooperations-
Lernerfolg
fähigkeit
Jurkowski & Hänze (2010)
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17. U N I KASSEL
V E R S I T Ä T
Positiver Kreislauf
verbessern
das steigern den
Interaktions- Lernerfolg
verhalten
erhöhen die
Gute soziale Gruppen-
Kompetenzen wirksamkeits-
erwartung
verbessern
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18. U N I KASSEL
V E R S I T Ä T
Negativer Kreislauf
ungünstiges
schlechter
Interaktions-
Lernerfolg
verhalten
niedrige
geringe
Gruppen-
soziale
wirksamkeits-
Kompetenzen
erwartung
behindern
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19. U N I KASSEL
V E R S I T Ä T
Mangelndes Vorwissen und Interesse ein Risikofaktor für
kooperatives Lernen?
FRAGE 2
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20. U N I KASSEL
V E R S I T Ä T
Experimentelle Studien zum
Gruppenpuzzle im Physikunterricht
DFG-Projekt in Zusammenarbeit mit Prof.
Roland Berger, Physikdidaktik, Uni Osnabrück
Mittlerweile 7 Studien mit unterschiedlicher
Zielsetzung
Stichprobe: 12. Klasse Physik Grund- und
Leistungskurse
Je Studie jeweils zwischen 140 und 300 Schülerinnen
und Schüler
Hänze & Berger (2007)
publiziert in „Learning and Instruction“
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21. U N I KASSEL
Leistung V E R S I T Ä T
100,0
Mittelwert +- 1 SD
80,0
60,0
40,0 Unterrichtsform
20,0 kooperativ
0,0 frontal
N= 24 32 29 21
niedrig hoch
Vorwissen
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22. U N I KASSEL
V E R S I T Ä T
Rolle des fachbezogenen
Selbstkonzeptes?
Definition Selbstkonzept: Gedächtnisstruktur, die alle
selbstbezogenen Informationen einer Person enthält,
persönliche Vorlieben, Einstellungen, Überzeugungen
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23. U N I KASSEL
Kompetenzerleben V E R S I T Ä T
5,5
Mittelwert +- 1 SD
5,0
4,5
4,0
3,5 Unterrichtsform
3,0
kooperativ
2,5
2,0 frontal
N= 26 20 30 28
negativ positiv
Selbstkonzept
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24. U N I KASSEL
V E R S I T Ä T
Zwischenfazit
Kooperative Lernformen scheinen also
besser als frontale Unterrichtsformen
geeignet, insbesondere fach-fernen,
desinteressierten Schülern und
Schülerinnen Lernerfolge zu vermitteln
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25. U N I KASSEL
V E R S I T Ä T
Fachliches Lernerfolg + Gruppenwirksam-
Soziale Kompetenz
Selbstkonzept Kompetenzerleben keitserwartung
hoch hoch + +
niedrig hoch + +/-
hoch niedrig + +
niedrig niedrig - --
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26. U N I KASSEL
V E R S I T Ä T
Fazit
Eine sozial kompetente Gruppe von Schülerinnen und Schülern
macht mit dem kooperativen Lernen positive Erfahrungen, lernt
fachlich viel und baut eine positive Gruppenwirksamkeitserwartung
auf.
Weniger sozial kompetente Schüler können dieses Defizit bei guten
fachlichen Voraussetzungen kompensieren.
Eine Risikogruppe sozial wenig kompetenter Schüler kann beim
kooperativen Lernen insbesondere in interessefernen Fächern
keine positiven Lernerfahrungen machen. Es kann sich weder
emotionaler Bezug zum Inhalt noch ein Gefühl der
Gruppenwirksamkeit aufbauen
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27. U N I KASSEL
V E R S I T Ä T
Pädagogische Konsequenzen
Kooperatives Lernen statt Gruppenlernen?
Einüben und Trainieren sozialer
Kompetenzen?
Kooperationsskripte zur Verbesserung der
Transaktivität?
Homogene statt heterogener
Gruppenzusammensetzung?
…
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28. U N I KASSEL
V E R S I T Ä T
Kooperationsskript zur Verbesserung
des transaktiven Wissensaustauschs
Individuell
• Beitrag des eigenen Themas für die Problemlösung überlegen und notieren
Kooperativ
• Gegenseitige Vorstellung der Beiträge
Individuell
• In welchem Zusammenhang steht der eigene Beitrag mit dem der anderen? Welche
Gemeinsamkeiten gibt es?
• Welche Unterschiede gibt es?
• Wo gibt es Berührungspunkte?
Kooperativ
• Gegenseitige Vorstellung der Ideen
• Gemeinsame Diskussion der Problemstellung
• Zusammenfassung der Diskussion in 2-3 Sätzen
Jurkowski & Hänze (2010)
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29. U N I KASSEL
V E R S I T Ä T
Differentieller Effekt des
Kooperationsskriptes
3,50
Lernleistung
3,00
2,50
2,00
1,50
1,00
höhere soziale
Kompetenz
0,50 geringere soziale
Kompetenz
0,00
ohne Kooperationsskript mit Kooperationsskript
Jurkowski & Hänze (2010)
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30. U N I KASSEL
V E R S I T Ä T
Pädagogische Konsequenzen
Kooperatives Lernen statt Gruppenlernen?
Einüben und Trainieren sozialer
Kompetenzen?
Kooperationsskripte zur Verbesserung der
Transaktivität?
Homogene statt heterogener
Gruppenzusammensetzung?
…
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31. U N I KASSEL
V E R S I T Ä T
… aber das wäre
ein weiterer Vortrag
Vielen Dank für Ihre
Aufmerksamkeit!
haenze@uni-kassel.de
32. U N I KASSEL
V E R S I T Ä T
Literatur
Hänze, M. (2008). Was bringen kooperative Lernformen? Ergebnisse aus der empirischen Lehr-Lern-Forschung.
Friedrich Jahresheft, 26, 24-25.
Hänze, M. & Berger, R. (2007). Cooperative learning, motivational effects and student characteristics: An
experimental study comparing cooperative learning and direct instruction in 12th grade physics classes. Learning
and Instruction, 17, 29-41.
Ginsburg-Block et al. (2006). A meta- analytic review of social, self-concept, and behavioral outcomes of peer-
assisted learning. Journal of Educational Psychology, 98, 732-749.
Jurkowski, S. & Hänze, M. (2008). Lernziel: Miteinander klarkommen. Kooperativer Gruppenunterricht fördert und
fordert soziale Kompetenzen. Friedrich Jahresheft, 26, 21-23.
Jurkowski, S. & Hänze, M. (2010). Soziale Kompetenzen, transaktives Interaktionsverhalten und Lernerfolg –
experimenteller Vergleich zweier unterschiedlich gestalteter Gruppenunterrichtsbedingungen und Evaluation eines
transaktivitätsbezogenen Kooperationsskriptes. Manuskript zur Veröffentlichung eingereicht.
Jurkowski, S. & Hänze, M. (in Druck). Soziale Kompetenzen und kooperative Gruppenarbeit. Eine korrelative
Untersuchung des Zusammenhangs sozialer Kompetenzen mit dem Wissenserwerb in einem Hochschulseminar.
Psychologie in Erziehung und Unterricht.
Kanning, U.P. (2003). Diagnostik sozialer Kompetenzen. Göttingen: Hogrefe.
Lou, Y. et al. (1996). Within-class grouping: A meta-analysis. Review of Educational Research, 66, 423-458.
Rohrbeck et al. (2003). Peer-assisted learning interventions with elementary school students: a meta-analytic
review. Journal of Educational Psychology, 95, 240-257.
Weinberger, A. & Fischer, F. (2006). A framework to analyze argumentative knowledge construction in computer-
supported collaborative learning. Computer & Education, 46, 71-95.
Hänze: Effektivität Kooperativen Lernens: Wer lernt wieviel – und was? Vortrag am 26. März 2010 | Münster Folie 32