2. Physikalische Chemie
Inhaltsverzeichnis
Grundbegriffe der Thermodynamik.................................................................................................................... 5
Systeme.......................................................................................................................................................................... 5
Phasen............................................................................................................................................................................ 5
Zustandsgrößen............................................................................................................................................................ 5
Zustandsfunktionen...................................................................................................................................................... 5
Größenbegriffe............................................................................................................................................................... 6
Zustandsänderungen.................................................................................................................................................... 6
Wärme und Temperatur................................................................................................................................................ 6
Nullter Hauptsatz der Thermodynamik........................................................................................................................ 6
Gase...................................................................................................................................................................... 7
Ideale Gase..................................................................................................................................................................... 7
Reale Gase..................................................................................................................................................................... 9
Hauptsätze der Thermodynamik...................................................................................................................... 11
Innere Energie eines Systems.................................................................................................................................... 11
Der erste Hauptsatz..................................................................................................................................................... 11
Die Wegunabhängigkeit der Reaktionsenthalpie.....................................................................................................12
Entropie und der Zweite Hauptsatz........................................................................................................................... 13
Der dritte Hauptsatz.................................................................................................................................................... 15
Thermodynamische Potentiale und Gleichgewichte......................................................................................17
Freie Enthalpie............................................................................................................................................................. 17
Temperatur- und Druckabhängigkeit der freien Enthalpie......................................................................................18
Phasengleichgewichte im Einkomponentensystem................................................................................................19
Mehrkomponentensysteme.............................................................................................................................. 23
Partielle molare Größen.............................................................................................................................................. 23
Chemisches Potential eines idealen bzw. realen Gases.........................................................................................23
Chemisches Potential einer verdünnten bzw. konzentrierten Lösung..................................................................24
Nernstsches Verteilungsgleichgewicht..................................................................................................................... 24
Löslichkeitsgleichgewicht von Gasen in Flüssigkeiten..........................................................................................24
Kolligative Eigenschaften........................................................................................................................................... 25
Chemisches Gleichgewicht.............................................................................................................................. 29
Massenwirkungsgesetz (MWG).................................................................................................................................. 29
Löslichkeitsprodukt.................................................................................................................................................... 30
Ionenprodukt des Wassers......................................................................................................................................... 30
Pufferlösungen............................................................................................................................................................ 31
Protolytische Gleichgewichte von Aminosäuren.....................................................................................................31
Elektrochemie.................................................................................................................................................... 33
Elektrolyse (von NaCl) und galvanische Zelle (Daniell-Element)............................................................................33
Faradaysches Gesetz der Elektrolyse....................................................................................................................... 33
Die elektromotorische Kraft (EMK)............................................................................................................................ 33
Die Nernstsche Gleichung.......................................................................................................................................... 34
Grenzflächenerscheinungen............................................................................................................................. 35
Oberflächenspannung von Flüssigkeiten................................................................................................................. 35
Benetzende und nichtbenetzende Flüssigkeiten.....................................................................................................36
Transporterscheinungen.................................................................................................................................. 37
Viskosität...................................................................................................................................................................... 37
Diffusion....................................................................................................................................................................... 38
Anhang............................................................................................................................................................... 39
Abbildungsverzeichnis............................................................................................................................................... 39
Formelverzeichnis:...................................................................................................................................................... 40
Tabellenverzeichnis.................................................................................................................................................... 40
Gleichungsverzeichnis............................................................................................................................................... 41
-3-
3. Physikalische Chemie
Grundbegriffe der Thermodynamik
Systeme
Systeme ordnet man in drei Klassen ein:
Art Offenes System Geschlossenes System Abgeschlossenes System
Volumenaustausch mit
Ja Nein Nein
Umgebung
Wärmeaustausch mit
Ja Ja Nein
Umgebung
Beispiel Offener Kochtopf Dampfkochtopf Thermoskanne
Tabelle 1 : Klassifizierung von Systemen
Phasen
Phasen sind Systeme, innerhalb derer keine sprunghafte Änderung einer physikalisch-chemischen Größe auftritt. Man
unterscheidet zwischen
● homogenen Systemen (einphasig) und
● heterogenen Systemen (mehrphasig).
In Abhängigkeit der Anzahl der Komponenten und Phasen lassen sich Beispiele für Systeme finden:
Komponenten Phasen Systemart Beispiel
1 1 homogen Reines Wasser
≥ 2 1 homogen Luft, Salzwasser
1 2 heterogen Eis / Wasser
≥ 2 2 heterogen Mineralwasser (CO2, H2O,...)
Emulsionen, Dispersionen,
≥ 2 2 mikroheterogen
Suspensionen
Tabelle 2 : Beispiele für Systeme und Abhängigkeiten
Zustandsgrößen
Zustandsgrößen beschreiben den Zustand eines Systems. Sie können dabei konstant gehalten werden oder aber
variabel sein. Beispiele für Zustandsgrößen sind: ρ (Druck), T (Temperatur), V (Volumen), η (Molzahl), etc.
_
Zustandsfunktionen
Zustandsfunktionen sind Funktionen, die durch Zustandsgrößen beschrieben werden. So hängt etwa das Volumen
eines idealen Gases von der Temperatur, dem Druck und der Stoffzahl ab. Man schreibt dann
V = V (T,ρ,η)
Gleichung 1 : Zustandsfunktion für ideale Gase
Wenn η konstant bleibt, kann man folglich auch V=V(T,ρ) schreiben.
Nachdem die meisten in der physikalischen Chemie verwendeten Zustandsfunktionen im mathematischen Sinne
Funktionen mehrerer Variablen sind, kann man sie gemäß den üblichen Regeln ableiten. Für Gl. 1 erhält man
δV δV
dV = dT +
δρ dρ
δT ρ,η T,η
Gleichung 2 : Ableitung der Zustandsfunktion für ideale Gase
Ebenso kann man die Funktion hintereinander partiell nach ihren einzelnen Zustandsgrößen ableiten. In welcher
Reihenfolge man ableitet, ist egal, besagt der Satz von Hess:
δ 2V δ 2V
=
δTδρ δρδT
Gleichung 3 : Satz von Hess
-5-
4. Physikalische Chemie
Größenbegriffe
Extensive Größen sind Größen, die mengenabhängig sind, zum Beispiel V (Volumen), M (Molmasse), etc. Man notiert
sie in aller Regel mit Großbuchstaben – eine Ausnahme bildet m (Masse).
Intensive Größen sind Größen, die mengenunabhängig sind, zum Beispiel ρ (Dichte), T (Temperatur), etc.
Molare Größen sind Größen, die auf ein Mol bezogen werden. Erhält man beispielsweise aus einem Experiment, in
dem 2 Mol eines Stoffes umgesetzt wurden, 1000 kJ, so bezieht man die entstehende Energie auf die Stoffmenge:
1.000kJ kJ
E molar = = 500
2mol mol
Zustandsänderungen
Zustandsänderungen können unterschieden werden in
1.reversible Zustandsänderungen, das heißt, sie sind umkehrbar und in der Nähe des Gleichgewichts sowie
2.irreversible Zustandsänderungen, das heißt, sie sind nicht umkehrbar; dazu gehören alle in der Natur ablaufenden
Prozesse.
Wärme und Temperatur
starke Temperaturerhöhung geringe Temperaturerhöhung in einer keine Temperaturänderung in
in einem Wasserbad Badewanne einem Eis-/Wasser-Gemisch
Abbildung 1 : Wärme und Temperatur
Das Ausmaß einer Temperaturveränderung ist von der Art und der Größe des Systems abhängig. Eine Wärmezufuhr
bewirkt ohne Phasenübergang eine Temperaturerhöhung, bei einem Phasenübergang hingegen keine Temperaturerhöhung.
Nullter Hauptsatz der Thermodynamik
Der Temperaturbegriff wird aus der Erfahrung her formuliert: Wärme fließt freiwillig nur zu einem Gegenstand
niedrigerer Temperatur. Befinden sich zwei Systeme im thermischen Gleichgewicht mit einem dritten System, sind sie
auch untereinander im thermischen Gleichgewicht und haben die gleiche Temperatur.
-6-
5. Physikalische Chemie
Gase
Ideale Gase
Ideale Gase sind Gase, deren Moleküle ein geringes Eigenvolumen haben und kaum attraktive oder repulsive
Wechselwirkungen eingehen. Der Begriff des idealen Gases in der Physikalischen Chemie geht von einer Idealisierung aus,
das heißt, das beschriebene Gas hat kein Moleküleigenvolumen und die Moleküle treten untereinander nicht in
Wechselwirkung.
Im folgenden werden die Zustandsänderungen betrachtet, die an einem idealen Gas auftreten können.
Isotherme Zustandsänderung
Bei einer isothermen Zustandsänderung ändern sich Druck und Volumen bei konstant bleibender Temperatur
1
umgekehrt proportional zueinander ρ ∝ . Sie gehorchen dem Boyle-Mariott-Gesetz:
T
( ρ ∗V ) T,η = const
Gleichung 4 : Boyle-Mariott-Gesetz
Abbildung 2 : Isotherme Zustandsänderung
Isobare Zustandsänderung
Bei einer isobaren Zustandsänderung ändern sich Volumen und Temperatur bei konstantem Druck proportional
zueinander (T ∝V ) . Im unteren Bereich ist die Funktion nicht wirklich definiert (eingekreister Bereich), da das Gas dort
schon in die flüssige Phase übergegangen ist.
Bei isobaren Zustandsänderungen gilt mit dem Volumen V0 bei T = 273,15 K und dem thermischen
1
Ausdehnungkoëffiziënten α = das Gay-Lussac-Gesetz:
273,15K
V = V0 ∗ α ∗ T
Gleichung 5 : Gay-Lussac-Gesetz
Abbildung 3 : Isobare Zustandsänderung
Betrachtet man eine Änderung von einem Zustand 1 zu einem Zustand 2 hin, ergibt sich aus dem Gay-Lussac-Gesetz
die Schlussfolgerung
V1 V2
=
T1 T2
Gleichung 6 : Schlussfolgerung aus dem Gay-Lussac-Gesetz
-7-
6. Physikalische Chemie
Isochore Zustandsänderung
Bei einer isochoren Zustandsänderung ändern sich Druck und Temperatur bei konstant bleibendem Volumen ρ ∝T .
Wieder gilt: Im unteren Bereich ist bei tiefen Temperaturen eine Verflüssigung zu erwarten (eingekreister Bereich).
1
Für Isochoren gilt mit dem Druck p0 bei T = 273,15 K und dem thermischen Spannungskoëffiziënten β =
273, K
15
das Amontons-Gesetz:
ρ = ρ0 ∗ β ∗T
Gleichung 7 : Amontons-Gesetz
Abbildung 4 : Isochore Zustandsänderung
Betrachtet man eine Änderung von einem Zustand 1 zu einem Zustand 2 hin, ergibt sich aus dem Amontons-Gesetz die
Schlussfolgerung
ρ1 ρ2
=
T1 T2
Gleichung 8 : Schlussfolgerung aus dem Amontons-Gesetz
Adiabatische Zustandsänderung
Das Poisson-Gesetz beschreibt das Verhalten eines Gases entlang eines Adiabaten:
ρ ∗V K = const.
Gleichung 9 : Poisson-Gesetz
Abbildung 5 : Adiabatische Zustandsänderung 1
Dabei ist K≈1,66 der Adiabatenexponent. Betrachtet man eine Änderung vom Zustand 1 zu einem Zustand 2 entlang
des Adiabaten, ergibt sich aus dem Poisson-Gesetz.
ρ1 ∗V1Κ = ρ2 ∗V2Κ
Gleichung 10 : Schlussfolgerung aus dem Poisson-Gesetz
Abbildung 6 : Adiabatische Zustandsänderung 2
-8-
7. Physikalische Chemie
Zustandsgleichung eines idealen Gases
Ein ideales Gas kann durch die Zustandsgleichung eines idealen Gases beschrieben werden:
ρ ∗V = n ∗ R ∗T
Gleichung 11 : Zustandsgleichung idealer Gase 1
Die Größe R ist die allgemeine Gaskonstante. Sie leitet sich aus dem Produkt der Bolzmann-Konstante kB1 und der
Avogadro-Konstanten NA her:
J −2 bar ∗ l
R = k B ∗ Ν A = 8,3145 = 8,3142 ∗10 mol ∗ K
mol ∗ K
Gleichung 12 : Allgemeine Gaskonstante
Die Einheitenrechnung für Gl. 12 ergibt sich durch Umformung in SI-Einheiten und zurück:
J Nm
N
∗ m3 N
∗10 3 ∗ dm 3 10 −5 bar ∗103 l 10 −2 bar ∗ l
[ R] = = = m2
= m2
= =
mol ∗ K mol ∗ K mol ∗ K mol ∗ K mol ∗ K mol ∗ K
Gleichung 13 : Einheitenrechnung für die allgemeine Gaskonstante
Gelegentlich findet sich für die Gl. 12 auch die Schreibweise
ρ ∗ν = R ∗T
Gleichung 14 : Zustandsgleichung idealer Gase 2
V
Die Variable ν bezeichnet nichts weiter als das molare Volumen, das heißt ν =
η
.
Reale Gase
Bei realen Gasen werden intermolekulare Anziehungskräfte und das Volumen der Teilchen berücksichtigt.
Abbildung 7 : Zustandsdiagramm realer Gase
Ideales Gas: (p*V)=const., d.h. parallel zur ρ-Achse
Reales Gas: (p*V)≠const.
Korrekturen der idealen Gasgleichung führen zu der Van der Waalschen-Gleichung:
a
ρ + 2 ∗ ( ν − b) = R ∗ T
ν
Gleichung 15 : Van der Waals-Gleichung
mit a und b als Van der Waals-Konstanten und ν als molarem Volumen.
Die Isothermen des CO2 bei verschiedenen Temperaturen zeigen sich somit unstetig:
Abbildung 8 : Isotherme des CO2
1 −23 −1
k = 1,38 ∗10 J ∗K
Β
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8. Physikalische Chemie
Verflüssigung von Gasen
An der obigen Isotherme sieht man, dass bei der Kompression des Gases ρ steigt, bis der Punkt A ereicht ist; dann
beginnt die Verflüssigung; am Punkt B ist das gesamte Gas verflüssigt; bei weiterer Kompression steiler ρ-Anstieg. Im
Zweiphasengebiet folgt die Isotherme nicht der S-förmigen Van der Waals-Kurve.
An der kritischen Isotherme bei TΚ = 304 K berührt diese das Zweiphasengebiet im kritischen Punkt Κ: oberhalb dieser
Temperatur ist eine Verflüssigung eines Gases nicht mehr möglich. Die folgende Tabelle zeigt einige kritische Punkte für
verschiedene Gase:
Gas TK(K) ρK(bar) ΥK(cm3*mol-1)
He 5,195 2,275 57,8
H2 32,94 12,838 65,0
Cl2 416,9 79,91 123,7
NH3 405,3 111,30 72,5
CO 132,9 34,935 92,1
Tabelle 3 : Kritische Punkte für verschiedene Gase
Im Zweiphasengebiet versagt die Van der Waals-Gleichung.
Die Kenntnisse der kritischen Punkte ermöglichen die Ermittlung der Van der Waals-Konstanten a und b2.
a = 3 ∗ ρ K ∗v K
2
1
b = νK
3
Gleichung 16 : Ableitung der Van der Waals-Konstanten
Mängel der Van der Waals-Gleichung (im Zweiphasengebiet) führen zu einer Reihe weiterer empirischer
Zustandsgleichungen, v.a. zur Virialgleichung
ρ ∗ ν = R ∗T + B ∗ ρ + C ∗ ρ 2 + D ∗ ρ 3 + ...
Gleichung 17 : Virialgleichung
mit B, C, D als zweiter, dritter, vierter, usw. Virialkoëffiziënt. Bei Abbruch nach dem zweiten Glied ergibt sich im
Vergleich mit der Van der Waals-Gleichung
a
B =b −
R ∗T
Gleichung 18 : Virialgleichung (Abbruch nach dem 2. Glied)
2
Der kritische Punkt K ist ein Wendepunkt, d.h. die erste und zweite Ableitung ist Null!
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9. Physikalische Chemie
Hauptsätze der Thermodynamik
Innere Energie eines Systems
Unter der inneren Energie U eines Systems versteht man darin in Form von Translationen, Teilchenschwingungen und
Rotationen vorkommende Energie. U ist eine Zustandsgröße. Sie ändert sich proportional zur Temperatur:
δU = const ∗ δT
Gleichung 19 : Innere Energie eines Systems
Aus Gl. 19 folgt für ein ideales Gas
U 2 − U 1 = const ∗ ( T2 − T1 )
Gleichung 20 : Änderung der inneren Energie für ideale Gase
Für den Fall einer isothermen Zustandsänderung bleibt die innere Energie folglich gleich.
Der erste Hauptsatz
Für abgeschlossene Systeme gilt der Energieerhaltungssatz, das heißt
U = const
Gleichung 21 : Energieerhaltungssatz
An einem geschlossenen System kann die Wärmearbeit δQ sowie die mechanische Volumenarbeit δW verrichtet
werden. Mit den Änderungen dieser Größen ändert sich auch die innere Energie 3:
δU = δQ + δW
Gleichung 22 : Änderung der inneren Energie
Für die beiden Größen führt man folgende Vorzeichenkonvention ein: Zugeführte Energie wird mit einem positiven
Vorzeichen verbucht, abgegebene Energie mit einem negativen Vorzeichen.
Volumenarbeit
Wird bei einem thermodynamischen Vorgang das Volumen V1 auf das größere Volumen V2 erhöht, findet eine
Expansion statt: V2-V1>0. Wird das Volumen hingegen kleiner V2-V1<=0 findet eine Kompression statt. Die Änderung der
F
Arbeit geht einher mit der Änderung des Weges, wir schreiben δW = -Fds. Mit der Definition des Drucks, ρ = und
A
der Änderung des Volumens, δV = δAds, erhalten wir durch Umformen die Volumenarbeit δW
δW = −ρ ∗δV
Gleichung 23 : Volumenarbeit
Formulierung des ersten Hauptsatzes
Aus den Gleichungen 22 und 23 leiten wir den Ersten Hauptsatz der Thermodynamik her:
δU = δQ + δW = δQ − ρdV
Gleichung 24 : 1. Hauptsatz der Thermodynamik
Schlussfolgerungen für Zustandsänderungen
Prozess Energiebilanz
adiabatisch (δQ=0) ΔU = -ρdV
isochor (δV=0) ΔU = δQ
isobar (δρ=0) ΔU = δQ - ρdV
isotherm (δT=0) ΔU = 0, δQ = ρdV
Tabelle 4 : Schlussfolgerunge für Zustandsänderungen
3
Die Notation mit δ bedeutet, dass kein funktioneller Zusammenhang zwischen δQ und δW besteht
-11-
10. Physikalische Chemie
Überführung eines idealen Gases von T1 → T2
Abbildung 9 : Überführung eines idealen Gases von T1 / T2
Chemische Reaktionen
Am Beispiel der einfachen Reaktion von Zink mit Chlorwasserstoff in einem geschlossenen System sei hergeleitet, ob
eine Reaktion unter Energieaufnahme oder Energieabgabe reagiert.
Zn ( s ) + 2HCl ( l ) → ZnCl 2 + H 2 ( g )
Formel 1 : Umsetzung von Zink mit Salzsäure
Stellen wir die Gleichung für die Reaktionsenergie auf, die ja aus der Differenz zwischen der inneren Energie am
Anfang und am Ende ist und greifen dabei direkt auf die Definition der inneren Energie durch den ersten Hauptsatz (siehe
Gl. 24) zurück, ergibt sich
ΔU R = U E − U A = ΔQ R − ρ ∗ ( VE − VA )
Gleichung 25 : Gleichung für die Reaktionsenergie
Wie oben angegeben ist die Reaktion isochor/isotherm: ((δV = 0) -ρ*(VE - VA) =0). Die Reaktionsenergie entspricht
damit der Reaktionswärme ΔQR = δQ2 - δQ1.
Führen wir die gleiche Reaktion unter isobar/isothermen Bedingungen durch, ergibt sich als Reaktionswärme aus der
Gl. 25 eine Größe, die wir als Reaktionsenthalpie ΔHR bezeichnen:
ΔH R = ΔU R + ρVR
Wir bezeichnen eine Reaktion als
● exotherm, wenn ΔHR<0 und als
● endotherm, wenn ΔHR>0.
Anschaulich gesprochen: Eine exotherme Reaktion gibt Wärme an die Umgebung ab, eine endotherme Reaktion
benötigt Wärme aus der Umgebung, das heißt, kühlt die Umgebung ab.
Um mit Reaktionsenthalpien besser rechnen zu können, normiert man sie wie folgt:
● Die molare Standardreaktionsenthalpie ΔH0m,R ist die Reaktionsenthalpie bei Standardbedingungen
(ρ = 1013 hPa, T = 298 K), bezogen auf 1 Mol Umsatz.
● Die molare Standardbildungsenthalpie ΔH0m,B ist der auf 1 Mol und Standardbedingungen bezogene
Wärmeaustausch bei der Bildung eines Stoffes aus seinen Elementen. Elemente selbst haben ΔH0m,B = 0 kJ*mol-
1
.
Die Wegunabhängigkeit der Reaktionsenthalpie
Der Satz von Hess besagt: Die Reaktionsenthalpie eines chemischen Gesamtvorgangs wird durch den Anfangs- und
den Endzustand eindeutig bestimmt. Das Ergebnis der Enthalpiebilanz ist unabhängig vom Weg und von der Anzahl der
Zwischenstufen, auf denen beziehungsweise über die der Endzustand erreicht wurde.
Wie geht man nun zur Bestimmung der Reaktionsenthalpie vor?
1.Man stellt die Reaktionsgleichung so auf, dass die interessierende Komponente den stöchiometrischen Faktor 1 erhält.
2.Man bildet die Summen der mit den Stöchiometriefaktoren multiplizierten molaren Bildungsenthalpie aller Produkte
und zieht die entsprechende Summe für die Edukte ab.
Beispiel: Ethin verbrennt gemäß der Formel
5
C 2H2 [ g] + O 2 [ g ] → 2CO 2 [ g ] + H2 O [ l]
2
Formel 2 : Verbrennung von Ethin
-12-
11. Physikalische Chemie
Die molare Standardreaktionsenthalpie beträgt also
m, m, ( )m,
5
m, (m, ) (
ΔH o R = 2 ∗ ΔH o B CO 2 ( g ) + ΔH o B ( H 2 O ( l ) ) − ∗ ΔH o B O 2 ( g ) + ΔH o B C 2 H 2 ( g )
)
2
Gleichung 26 : Molare Standardreaktionsenthalpie
Setzt man die Tabellenwerte für die molaren Standardbildungsenthalpien der Produkte und Edukte ein, erhält man
kJ kJ 5 kJ kJ
ΔH o R = 2 ∗ − 393
m, + 1∗ − 286 − ∗ 0 + 1 ∗ 266,8 = −1338,8
mol mol 2 mol mol
Gleichung 27 : Molare Standardbildungsenthalpie für die Verbrennung von Ethin
Experimentell schwer bestimmbare Reaktionsenthalpien
Die Reaktionsenthalpie für die Verbrennung von Kohlenstoff C mit Sauerstoff O zu CO2 ist experimentell ermittelbar.
Aber die Reaktionsenthalpie für die Bildung von Kohlenmonoxid CO, welches als Zwischenstufe auftritt, ist experimentell
nicht messbar, da dieses sofort mit Sauerstoff weiterreagiert.
kJ
C + O 2 → CO 2 ΔH m,R = −394
o
mol
1 kJ
C + O 2 → CO ΔH m,R = ?
o
2 mol
1 kJ
CO + O 2 → CO 2 ΔH m,R = −283
o
2 mol
Tabelle 5 : Teilreaktionen der Oxidation von Kohlenstoff
Somit ergibt sich nach dem Satz von Hess:
kJ
ΔH o R ( C → CO ) = ΔH o R ( C → CO 2 ) − ΔH o R ( CO → CO 2 ) = 111
m, m, m,
mol
Gleichung 28 : Molare Standardbildungsenthalpie für die Verbrennung von CO
Entropie und der Zweite Hauptsatz
An dieser Stelle ist nun die Frage der Energie durch den Ersten Hauptsatz geklärt. Nun stellt sich die Frage der
Richtung.
Bei zwei Körpern mit unterschiedlicher Temperatur (T1>T2), die miteinander in Kontakt stehen, kühlt sich der Körper
mit der Temperatur T1 ab, wohingegen sich der andere Körper erwärmt.
In einem abgeschlossenen System gilt:
− dQ1 + dQ 2 = 0 → dQ1 = dQ 2 = 0
Gleichung 29 : Entropie eines abgeschlossenen Systems
Nach Claudius schreibt man für die reduzierte Wärme:
dQ1 dQ 2 dQ dQ
− + =− + >0
T1 T2 T1 T2
dQ
≡ dS
T
Gleichung 30 : Reduzierte Wärme nach Claudius
In einem abgeschlossenen System verlaufen alle Vorgänge so, dass die Entropie S des Systems entweder anwächst
(irreversibler Prozess) oder konstant bleibt (reversibler Prozess): dS≥0.
Die statistische Interpretation der Entropie nach Bolzmann besagt: S = kB * lnΩ, mit kB als Bolzmann-Konstante und
Ω als Anzahl der Anordnungsmöglichkeiten.
Entropie ist ein Maß für Ordnung (Unordnung) in einem System. Für alle Naturvorgänge wird eine größtmögliche
Unordnung angestrebt.
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12. Physikalische Chemie
Die Entropie von HCl als Funktion der Temperatur verläuft stufenweise:
Abbildung 10 : Entropie von HCl als Funktion der Temperatur
Warum gefriert eine Substanz, wenn diese Zustandsänderung mit einer Entropieabnahme verbunden ist?
Zustandsänderungen verlaufen nicht unabhängig von ihrer Umgebung:
dS Ges = dSSys + dS Umg
Gleichung 31 : Abhängigkeitender Zustandsänderung
Beim Gefrieren wird Schmelzenthalpie freigesetzt und von der Umgebung aufgenommen. Diese Energie vermehrt die
Entropie der Umgebung. Wenn die Entropiezunahme in der Umgebung größer ist als die Entropieabnahme der gefrierenden
Flüssigkeit, erfolgt das Gefrieren freiwillig.
Beispiel: Für Wasser ↔ Eis bei 101,3 kPa gelten:
dSSys[J*K-1*mol- dSUmg[J*K-1*mol- dSGes[J*K-1*mol-
T[°C] 1 1 1
] ] ]
+1 -22,13 +22,05 -0,08
0 -21,99 +21,99 0
-1 -21,85 +21,93 +0,08
Tabelle 6 : Entropieänderung des Systems Wasser ↔ Eis
Bei chemischen Reaktionen berechnet man die molare Standardreaktionsentropie ΔS0m,R aus tabellierten molaren
Standardentropien der Produkte und Edukte (Analogie zum Satz von Hess):
2H 2 ( g ) + O 2 ( g ) → 2H 2 O( g )
0 0
[
ΔS m,R = 2 ∗ S m ( H 2 O,g ) − 2 ∗ S m ( H 2 ,g ) + 1 ∗ S m ( O2 ,g )
0 0
]
J J
ΔS m,R = [ ( 2 ∗ +189 ) − ( 2 ∗ +131) + (1 ∗ +205) ]
0
= −89 K ∗ mol
K ∗ mol
Gleichung 32 : Berechnung der molaren Standardreaktionsentropie für die Bildung von Wasser aus den Elementen
Stehen negative ΔS0m,R in Widerspruch zum Zweiten Hauptsatz?
Auch hierbei muss die Umgebung mit einbezogen werden, bei obiger Reaktion beträgt die molare
Standardreaktionsenthalpie
kJ
ΔH 0 R = 2 ∗ ΔH 0 B ( H 2 O, g ) = −484
m, m,
mol
Gleichung 33 : Molare Standardenthalpie der Bildung von Wasser aus den Elementen
Sie entspricht der auf die Umgebung übertragenen Wärme dQ=-ΔH0m,R und führt zu einer Entropieänderung in der
Umgebung:
dQ 484kJ kJ
dSUmg = = = 1624
T 297 K ∗ mol mol
Gleichung 34 : Entropieänderung der Umgebung bei der Bildung von Wasser aus den Elementen
Die Entropieänderung des gesamten abgeschlossenen Systems ist in Übereinstimmung mit dem Zweiten Hauptsatz
größer Null:
J
dSGes = dSSys + dS Umg = [ − 89 + 1.624] >0
K * mol
Gleichung 35 : Entropieänderung des gesamten abgeschlossenen Systems
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13. Physikalische Chemie
Der dritte Hauptsatz
Nernst (1905): Am absoluten Nullpunkt der Temperatur hat die Entropie eines idealen Kristalls den Wert 0:
Si(T=0)=0 mit i: rein, kristallin, fehlerfrei!
Das Nernstsche Wärmetheorem besagt: limT→0ΔSm,R=0.
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14. Physikalische Chemie
Thermodynamische Potentiale und Gleichgewichte
Freie Enthalpie
Aus der Entropie wissen wir, in welche Richtung eine chemische Reaktion ablaufen wird. Die Entropieänderung der
Umgebung hängt von der Änderung der Wärme ab:
dQ
dSUmg =
T
Gleichung 36 : Entropie der Umgebung in Abhängigkeit der Wärme
Nehmen wir für die Reaktionswärme die Reaktionsenthalpie und betrachten nichtinfinitesimale Änderungen, ergibt sich
für die Entropie
− ΔH R
ΔSUmg =
T
Gleichung 37 : Entropie der Umgebung in Abhängigkeit der Reaktionsenthalpie
Die Änderung der Gesamtentropie entspricht der Änderung der Entropie des Systems plus der Änderung der Entropie
der Umgebung:
dS Ges = dS Sys + dSUmg
ΔS Ges = ΔS Sys + ΔSUmg
Gleichung 38 : Änderung der Gesamtentropie
Setzen wir in die Gleichung die Entropieänderung der Umgebung aus Gl. 37 ein und multiplizieren dies mit –1*T,
erhalten wir
− T ∗ ΔS Ges = ΔH R + ( − T*Δ* Sys )
− T ∗ ΔS Ges = ΔH R + ( − T*Δ* R )
Gleichung 39 . Gleichung 37 mit -1*T multipliziert
Auf der rechten Seite stehen nun ausschließlich Systemgrößen. Für diese führen wir nun die Größe der
Freien Reaktionsenthalpie ΔGR (manchmal auch Gibbs-Energie genannt)ein, ihre Formulierung heißt Gibbs-Helmholtz-
Gleichung:
ΔGR = ΔH R − T ∗ ΔS R
Gleichung 40 : Gibbs-Helmholtz-Gleichung
oder auch ohne Differenzenschreibweise
G = H −T ∗ S
Gleichung 41 : Gibbs-Helmholtz-Gleichung (ohne Differenzen)
Der Zweite Hauptsatz besagt, dass die Gesamtentropie des Universums ständig zunimmt. Eine Entropieänderung kann
im Gesamtsystem also immer nur positiv sein:
ΔS Ges > 0
Gleichung 42 : Zunahme der Gesamtentropie
Bei keiner Veränderung der Reaktionsenthalpie ΔHR können wir aus der Gibbs-Helmholtz-Gleichung schließen, dass
ΔG R = −T ∗ ΔS Ges
Gleichung 43 : Gibbs-Helmholtz-Gleichung mit unveränderter Reaktionsenthalpie
Man unterscheidet damit drei Fälle:
1.ΔGR<0 heißt, dass die Reaktion freiwillig abläuft; man sagt sie sei exergonisch.
2.ΔGR=0 heißt, dass das System sich im Gleichgewicht beendet.
3.ΔGR>0 heißt, dass die Reaktion nicht freiwillig abläuft; man sagt, sie sei endergonisch.
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15. Physikalische Chemie
Die freie Reaktionsenthalpie als Funktion von Reaktionsenthalpie, Reaktionsentropie
und Temperatur
Fall 1: ΔHR<0, ΔSR>0 Fall 2: ΔHR<0, ΔSR<0
Bei allen T exergonisch T2>T1: bei T1 exergonisch, bei T2 endergonisch
Fall 3: ΔHR>0, ΔSR>0 Fall 4: ΔHR>0, ΔSR<0
T2>T1: bei T1 endergonisch, bei T2 exergonisch Bei allen T endergonisch
Tabelle 7 : Die freie Reaktionsenthalpie als Funktion von Reaktionsenthalpie, Reaktionsentropie und Temperatur
Berechnung molarer freier Standardreaktionsenthalpien
Die Berechnung molarer freier Standardreaktionsenthalpien verläuft unter Anwendung der Gibbs-Helmholtz-Gleichung
40 aus molaren Standardreaktionsenthalpien ΔH0m,R und molaren Standardreaktionsentropien ΔS0m,R. Nach dem Satz von
Hess und in Analogie zur Berechnung einer Reaktionsenthalpie beziehungsweise Reaktionsentropie verwendet man
tabellierte Werte molarer freier Standardbildungsenthalpien ΔG0m,B.
Beispiel: Die Synthese von Salpetersäure aus Stickstoffdioxid, Wasser und Sauerstoff.
4NO 2 ( g ) + 2H 2 O( l ) + O 2 ( g ) → 4HNO 3 ( l )
ΔG 0
m,R = 4 ∗ ΔG 0
m,B ( HNO3 ( l ) ) − [4 ∗ ΔGm,B ( NO2 ( g ) ) + 2 ∗ ΔGm,B ( H 2O( l ) ) + 1∗ ΔGm,B ( O2 ( g ) ) ]
0 0 0
kJ kJ kJ kJ kJ
ΔGm,R = 4 ∗ -81
0
− 4 ∗ 51 + 2 ∗ -237 +1∗ 0 = −54
mol mol mol mol mol
Gleichung 44 : Synthese von Salpetersäure aus Stickstoffdioxid, Wasser und Sauerstoff
Temperatur- und Druckabhängigkeit der freien Enthalpie
Aus der Definition der Änderung der inneren Energie (siehe Gl. 19), der Gibbs-Helmholtz-Gleichung (siehe Gl. 40) und
der Volumenarbeit (siehe Gl. 23) können wir nun die Funktion der inneren Energie besser verstehen:
dU = TdS − ρdV
Gleichung 45 : Innere Energie 1
U ist damit eine Funktion der Entropie und des Volumens: U = U(S,V).
Die Enthalpie H = U + ρ*V lässt sich differenziell nach dU umstellen, man erhält dU = dH – ρ * dV-V. Setzt man diese
Gleichung gleich der Gl. 45 und stellt um, erhält man
dH = TdS +Vdρ
Gleichung 46 : Innere Energie 2
H ist damit eine Funktion der Entropie und des Drucks: H = H(S,ρ).
Setzen wir wieder die Gibbs-Helmholtz-Gleichung in differenzieller Schreibweise, erhalten wir
dG = −SdT +Vdρ
Gleichung 47 : Innere Energie 3
ist somit eine Funktion der Temperatur und des Drucks: =(T,ρ).
Damit ergeben sich
δG
● die Temperaturabhängigkeit: = −S und
δT p
δG
● die Druckabhängigkeit:
δρ T =V .
-18-
16. Physikalische Chemie
Guggenheim-Schema
Das Guggenheim-Schema ermöglicht
S U V
H A
P G T
Abbildung 11 : Guggenheim-Schema
Pfeile nach rechts verlangen ein positives, Pfeile nach links ein negatives Vorzeichen. Merksätze für das Guggenheim-
Schema:
● Schon unter Varus hatten alle progressiven Germanen Taschenrechner.
● Heute singt unser Vampir auch tagsüber ganz prächtig.
Mit dem Guggenheim-Schema ergeben sich unter anderem folgende Gleichungen:
dU dU dH dU
= +T; = − ρ; = +T;
dρ = +V
dS V dV S dS ρ S
Gleichung 48 : Temperatur- und Druckabhängigkeit der freien Enthalpie nach dem Guggenheim-Schema
Phasengleichgewichte im Einkomponentensystem
dG
Bei einem Phasengleichgewicht (ΔG = 0) und der Relation = −S erhalten wir für die Phase α die Gleichung
dT ρ
dGα
= −S α . Für die gasförmige, flüssige und feste Phase gilt
dT ρ
S( g ) 〉〉 S( l ) 〉 S( s )
Gleichung 49 : Phasengleichgewicht (Grundsatz)
Abbildung 12 : Phasengleichgewicht im Einphasensystem
dG dGα
Aus der Relation dρ = V erhalten wir für die Phase α die Gleichung
= Vα . Für die gasförmige,
T dP T
flüssige und feste Phase gilt, wie man in diesem Fall auch schon aus dem Allgemeinwissen schließen kann
V( g ) 〉〉 V( l ) 〉 V( s )
Gleichung 50 : Phasengleichgewicht
Bei Druckerhöhung steigen Schmelzpunkte und Siedepunkte.
Abbildung 13 : Phasengleichgewichte im Einphasensystem (mit Druckerhöhung)
-19-
17. Physikalische Chemie
In der Grafik bezeichnen Tm1, Tm2 die Schmelzpunkte und Tb1, Tb2 die Siedepunkte bei einer Druckerhöhung von
Zustand 1 auf Zustand 2.
Gleichgewicht zwischen zwei Phasen α und β
Aus der Bedingung für das Gleichgewicht
Gα = G β ; dGα = dGβ
Gleichung 51 : Bedingung für das Gleichgewicht
und der Änderung der freien Enthalpie
dG dG
dG = ∗ dT +
dρ ∗ dρ
dT ρ T
Gleichung 52 : Änderung der freien Enthalpie
folgt
− S α ∗ dT +Vα ∗ dρ = −S β ∗ dT +V β ∗ dρ
(S β − S α ) ∗ dT = (V β −Vα ) ∗ dρ
(S β − S α ) = (V β −Vα ) ∗
dρ
dT
dρ
ΔS = ΔV ∗
dT
dρ ΔS
=
dT ΔV
Gleichung 53 : Änderung der freien Enthalpie in einem Gleichgewicht
ΔH
Mit ΔS = erhält man die Clapeyronsche Gleichung, in der T die Phasenumwandlungstemperatur bedeutet:
T
dρ ΔH
=
dT T ∗ ΔV
Gleichung 54 : Clapeyronsche Gleichung
Die Gleichung gilt für alle Phasenübergange, zum Beispiel Schmelzen ((s) → (l)), Verdampfen ((l) → (g)), Sublimieren
((s) → (g)).
Wir können für den Fall der Verdampfung und der Sublimation eine Näherung einführen, da V( g ) 〉〉 V( l ) 〉 V( s ) . Wir
setzen die Volumenänderung etwa dem Gasvolumen gleich:
R ∗T
ΔV ≈V(g) =
ρ
Gleichung 55 : Näherung der Volumenänderung (l→g, s→g)
Wir setzen diese Näherung in die Clapeyronsche Gleichung (siehe Gl. 51) ein und lösen nach den Drücken auf:
dρ ΔH ν,s ∗ ρ
=
dT T 2 ∗R
dρ ΔH
= 2 ν,s
ρ ∗ dT T ∗ R
dρ ΔH
= 2 ν,s ∗ dT
ρ T ∗R
Z ρ2 ZT 2
dρ ΔH ν,s
= ∗ dT
T1 T ∗ R
2
ρ1 ρ
ZT 2
Z ρ2 ΔH ν,s
ρ1 d ln ρ = ∗ dT
T1 T ∗ R
2
Gleichung 56 : Auflösung der Clapeyronschen Gleichung nach den Drücken unter Einbeziehung der Volumenänderung
Durch Ausrechnen des Integrals erhält man die Clausius-Clapeyronsche-Gleichung:
-20-
18. Physikalische Chemie
ρ2 ΔH T − T1
ln = 2 ν,s ∗ 2
ρ1 T ∗ R T1 ∗T2
Gleichung 57 : Clausius-Clapeyronsche-Gleichung
Durch unbestimmte Integration hingegen erhält man die Augustsche Gleichung:
ΔH ν,s
ln ρ = ∗ T = const
T2 ∗R
Gleichung 58 : Augustsche Gleichung
Zustandsdiagramme
Für H2O gilt V(l)<V(s). Dieser negative Für CO2 gilt V(l)>V(s). Die (s)-(l)-Kurve
Anstieg der (s)-(l)-Kurve heißt Anomalie des steigt positiv. Unterhalb gibt es kein
Wassers. flüssiges CO2. Bei 1,013 bar findet
Sublimation statt (Trockeneis).
T bei ρ = 0,006 bar und 273,15 K T bei ρ = 5,18 bar und 216,6 K
Tb bei ρ = 1,013 bar und 373,15 K Tb bei ρ = 1,013 bar und 195 K
K bei 230,6 bar K bei 79,75 bar und 324,1 K
Abbildung 14 : Zustandsdiagramme von Wasser und Kohlendioxid
In den Graphen eingezeichnet und darunter mit Werten angegeben sind der Tripelpunkt T, die Siedetemperatur Tb und
der kritische Punkt K.
In Einphasengebieten kann ρ und T in weiten Bereichen unabhängig voneinander variiert werden, ohne dass die Phase
verändert wird. Bei zwei Phasen variiert nur ρ oder T; jeweils eine Zustandsvariable wird durch die andere festgelegt. Bei
drei Phasen ist weder ρ noch T variierbar, ohne dass eine der Phasen verschwindet. Diese Beziehung zwischen den Phasen
und den Freiheitsgraden beschreibt die Gibbsche Phasenregel:
f = 2 +k − ρ
Gleichung 59 : Gibbsche Phasenregel
f ist die Zahl der Freiheitsgrade, k die Zahl der Komponenten im System und ρ die Zahl der Phasen. Am Tripelpunkt
gilt: f=0.
-21-
19. Physikalische Chemie
Mehrkomponentensysteme
Partielle molare Größen
Wir betrachten ein System, in dem das Volumen von mehreren darin vorkommenden Stoffen ni abhängt: V=V(n1,n2,...).
Für zwei Stoffe lässt sich leicht einsehen, dass
δV δV
dV =
δn
∗ dn1 + ∗ dn2
1 T,ρ,ρ1 δn 2 T,ρ,ρ2
Gleichung 60 :
Nach Integration erhält man unter den Annahmen V = n1 ∗ν1 + n2 ∗ν2
dV = ν1 ∗ d n1 + ν2 ∗ d n2
Gleichung 61 :
mit ν 1 und ν 2 als partielle molare Volumina. Das chemische Potential einer reinen Substanz errechnet sich als
G
μ=
n
Gleichung 62 : Chemisches Potential einer reinen Substanz
In der Mischphase gilt:
δG
μi =
δn
i t,ρ,ρi
dG = μ1 ∗ d n1 + μ 2 ∗ d n2
X
dG = −S ∗ dT +V ∗ dρ + ∫ μi ∗ d ni
i
Gleichung 63 : Chemisches Potential in der Mischphase
Chemisches Potential eines idealen bzw. realen Gases
Wir betrachten n Mol eines idealen Gas bei T = const. Für eine Komponente dn = 0 gelten dG = V * dρ und μ = G/n.
Damit ergibt sich
dG V
dμ = = ∗ dp
n n
Gleichung 64 : Chemisches Potential eines idealen Gases I
Mit V/n = R * T/p ergibt sich aus der Gl. 61 die folgende Form:
R ∗T
dμ = ∗ dp = R ∗T ∗ d ln p
p
Gleichung 65 : Chemisches Potential eines idealen Gases II
Man integriert nun über μ und erhält folgende Darstellung:
Zμ Zp
R ∗T
∫ dμ = p ∗ dp = R ∗T p∫ d ∗ ln p
μ0 0
Gleichung 66 : Chemisches Potential eines idealen Gases III
Fasst man die Gl. 61 bis 63 zusammen ergibt sich für das chemische Potential eines idealen Gases:
p
μ = μ 0 + R ∗T ∗ ln
p0
Gleichung 67 . Chemisches Potential eines idealen Gases IV
-23-
20. Physikalische Chemie
Für ein reales Gas gilt:
p ∗ϕ fg
μ = μ 0 + R ∗ T ∗ ln = μ0 + R ∗ T ∗ ln
p0 p0
Gleichung 68 : Chemisches Potential eines realen Gases
Mit φ als Fugazitätskoëffiziënt und fg als Fugazität.
Chemisches Potential einer verdünnten bzw. konzentrierten Lösung
Analog zur Gl. 64 gilt für das chemische Potential idealer Lösungen:
c
μ = μ0 + R ∗T ∗ ln
c0
Gleichung 69 : Chemisches Potential einer idealen Lösung
mit μ0 als chemischem Potential bei c0 und c0 als Referenzkoëffiziënten4.
In einem realen Gas gilt:
c ∗γ α
μ = μ0 + Κ ∗T ∗ ln = c0 + Κ ∗T ∗ ln
c0 c0
Gleichung 70 : Chemisches Potential eines realen Gases
mit γ als Aktivitätskoëffiziënten und α als Aktivität.
Nernstsches Verteilungsgleichgewicht
Bei T = const., P = const., und –dη‘ = dη‘‘ gilt:
dG = dG' + dG'' = μ' ∗ dη' + μ'' ∗ dη'' = ( μ'' − μ' ) dη = 0
Gleichung 71 : Nernstsches Verteilungsgleichgewicht 1
Ein spontaner Ablauf (dG>0) findet statt, wenn µ‘>µ‘‘. Im Gleichgewicht (dG=0) ist µ=µ und damit
µ '0 − µ ''0
c' c '' c'
µ + R ∗ T ∗ ln = µ ''0 + R ∗ T ∗ ln → = e
'0 R∗T
= k (T )
c0 c0 c
Gleichung 72 : Nernstsches Verteilungsgleichgewicht 2
mit k(T) als Nernstschem Verteilungskoëffiziënten.
Löslichkeitsgleichgewicht von Gasen in Flüssigkeiten
Die Konzentration C‘‘ eines Gases A im Gasraum über einer Flüssigkeit5 beträgt:
η ρ
c' ' = =
V R ∗T
Gleichung 73 : Konzentration eines Gases im Gasraum über einer Flüssigkeit
Aus dem Nernstschen Verteilungsgesetz für die Konzentration c von A in der flüssigen Phase gilt das
Henrysche Gesetz:
c'' ρ
c= = = kH ∗ ρ
k k ∗ R ∗T
Gleichung 74 : Henrysches Gesetz
mit kH als Henryschem Löslichkeitskoëffiziënten. Die Löslichkeit eines Gases in einer kondensierten Phase ist bei
konstanter Temperatur proportional zu dessen Partialdruck über der Flüssigkeitsoberfläche.
4
c0 = lmol/l
5
Zum Beispiel Luft über Wasser
-24-
21. Physikalische Chemie
Beispiel: Sauerstoff bei 25 °C und ρ = 0,2 bar
0 ,2[bar ∗ K ∗ mol ] mol
c= = 8,1 ∗10 −3
8,134 ∗ 298[ bar ∗l ∗ K ] l
mol
k H = 1,25 ∗10 −3
l ∗bar
mol ∗bar mol
cO2 ( Blut ) = 1,25 ∗10 −3 ∗ 0 ,2 = 2 ,5 ∗10 −4
l ∗bar l
Gleichung 75 : Sauerstofflöslichkeit in Blut
Kolligative Eigenschaften
Kolligative Eigenschaften hängen nur von der Anzahl der gelösten Teilchen und nicht von ihrer chemischen Natur ab:
● Dampfdruckerniedrigung
● Siedepunktserhöhung
● Gefrierpunktserniedrigung
● Osmotischer Druck
Bei binären Mischungen mit nur einer flüchtigen Komponente wird der Dampfdruck einer Komponente vernachlässigt.
Es werden ideal verdünnte Lösungen angenommen. Folgende Konvention wird verwendet:
● Index „1“ = Lösungsmittel (LM)
● Index „2“ = Gelöster Stoff (G)
Dampfdruckerniedrigung
Über einer Lösung befindet sich im Gasraum Dampf des Lösungsmittels. Nun gilt für einen reinen Stoff(*):
ρ*
μ(*l ) = μ*g ) = μ(0g ) = R ∗T ∗ ln
(
ρ0
Gleichung 76 :
Analog gilt für die Komponente Lösungsmittel der Lösung:
ρ1
μ1( l ) = μ1( g ) = μ10( g ) + R ∗ T ∗ ln
ρ0
*
ρ1 ρ
μ1( l ) = μ1( l ) + R ∗ T ∗ ln
*
+ R ∗ T ∗ ln 1
ρ0 ρ0
ρ1
μ1( l ) = μ1( l ) + R ∗ T ∗ ln
*
*
ρ1
μ1( l ) = μ1( l ) + R ∗ T ∗ ln χ1
*
Gleichung 77 :
Aus den vorangegangenen Überlegung ergibt sich nun das Raoultsche Gesetz:
ρ1 = ρ1 ∗ χ1
*
Gleichung 78 : Raoultsches Gesetz
Der Dampfdruck der Lösung einer nichtflüchtigen Substanz ist gleich dem Produkt aus dem Dampfdruck des reinen
Lösungsmittels und seinem Stoffmengenanteil.
Abbildung 15 : Diagramm einer Lösung einer nichtflüchtigen Substanz
-25-
22. Physikalische Chemie
Wegen der Voraussetzung χ1 = 1- χ2 gilt:
ρ1 − ρ1 Δρ
*
*
= * = χ2
ρ1 Ρ1
Gleichung 79 : Relative Dampdruckerniedrigung
Die relative Dampfdruckerniedrigung ist gleich dem Molenbruch der gelösten Substanz.
Siedepunktserhöhung und Gefrierpunktserniedrigung
Ausgangspunkt ist das chemische Potential des Lösungsmittels.
μ1( l ) = μ1( l ) * + R ∗ T ∗ ln χ1
Gleichung 80 : Chemisches Potential des Lösungsmittels
Abbildung 16 : Diagramm von chemischen Potentialen
Siedepunktserhöhung
ΔT lg = Tb − Tb* = Κ e ∗ b2
Gleichung 81 : Siedepunktserhöhung
Gefrierpunktserniedrigung
ΔT ls = Tm − Tm = Κ k ∗ b2
*
Gleichung 82 : Gefrierpunktserniedrigung
mit Κe als ebullioskopische bzw. Κk als kryoskopische Konstante und b2 als Molalität des gelösten Stoffes.
Osmotischer Druck
Bei einem osmotischen Vorgang sind ein reines Lösungsmittel und eine Lösung durch eine nur für das Lösungsmittel
permeable (sogenannte semipermeable) Membran voneinander getrennt. Das Lösungsmittel fließt solange in die Kammer
mit der Lösung, bis das chemische Potential der Lösung dem Höhenpotential des Anstiegs entspricht:
-26-
23. Physikalische Chemie
Abbildung 17 : osmotischer Vorgang
Unter Abschluss hat die Lösung ein unausgeglichenes Potential:
Abbildung 18 : Osmose - unausgeglichenes Potential
Es gilt:
μ1L = μ1* 〉 μ1R = μ1* + R ∗ T ∗ lnχ1
Gleichung 83 : Osmose - unausgeglichenes Potential
Es erfolgt ein spontaner Übertritt von Lösungsmittelmolekülen von links nach rechts. Dies führt zu einer Verdünnung
der Lösung. Im Gleichgewicht gilt:
μ1( ρ ) = μ1 ∗ ( ρ − π )
*
Gleichung 84 : Osmose im Gleichgewicht
Der osmotische Druck ist der Druck, der den Lösungsmittelfluss zum Stillstand bringt.
Van't Hofftsche Gleichung
π ∗V = η2 ∗ R ∗T
Gleichung 85 : Van't Hofftsche Gleichung
Kolligative Eigenschaften von Elektrolyten
Man berücksichtigt infolge der durch die Dissoziation erhöhte Anzahl frei beweglicher Teilchen in der Lösung durch
Einführen des Van't Hofftschen Faktors:
i =1 + α ∗( ν −1)
Gleichung 86 : Van't Hofftscher Faktor
mit α als Dissoziationsgrad (0 ≥ α ≥ 1) und ν als Anzahl der Ionen, in die ein Teilchen zerfällt. Daraus folgt, dass die
Gleichungen für die kolligativen Eigenschaften mit dem Van't Hofftschen Faktor multipliziert werden müssen.
-27-
24. Physikalische Chemie
Beispiel: Nehmen wir an, Natronlauge habe einen Dissoziationsgrad α = 0,75. Sie zerfällt bekanntlich in Na+ + OH- ,
also zwei Teilchen: ν = 2. Dann ergibt sich für den Van't Hofftschen Faktor i = (1+0,75*(2-1)) = 1,75.
Angenommen, wir wollten den osmotischen Druck für eine Natronlauge der Konzentration c = 1 Mol*l- 1 bei der
Temperatur T = 298 K errechnen, beziehen wir den Van't Hofftschen Faktor ein:
mol ∗ bar ∗ l ∗ K
π = c ∗ R ∗T ∗ ι = 1 ∗ 0 ,083145 ∗ 298 ∗1,75 = 43,3bar
l ∗ K ∗ mol
Abbildung 19 : Osmotischer Druck von Natronlauge
-28-
25. Physikalische Chemie
Chemisches Gleichgewicht
Massenwirkungsgesetz (MWG)
Für ein gewöhnliches chemisches Gleichgewicht mit zwei Produkten und zwei Edukten gilt die allgemeine Gleichung
rA ∗ A + rB ∗ B ⇔ rP ∗ P + rQ ∗Q
Gleichung 87 : Chemisches Gleichgewicht von 2 Produkten und 2 Edukten
Dabei ist T = const. und ρ = const. Die freie Reaktionsenthalpie beträgt
ΔR = ( rA ∗ μ A + rB ∗ μ B ) − ( rP ∗ μ P + rQ ∗ μQ )
Gleichung 88 : Freie Reaktionsenthalpie für zwei Edukte und zwei Produkte
Nehmen wir an, A,B,P und Q lägen ideal verdünnt vor. Es gilt für das chemische Potential (siehe Gl. 67)
cP
μ P = μ P + R ∗ T ∗ ln
0
c0
Gleichung 89 : Chemisches Potential
Durch Einsetzen erhält man
cQ
( 0
) ( A
0
)
c
ΔG R = rP ∗ μ P + rQ ∗ μQ − rA ∗ μ 0 + rB ∗ μ B + R ∗ T ∗ rP ∗ ln P + rQ ∗ ln
0
c0 c0
c
c0
c
− R ∗ T ∗ rA ∗ ln A + rB ∗ ln B
c0
Gleichung 90 :
Die ersten zwei Klammern bezeichnen die freie Standardreaktionsenthalpie ∆G R , darüber hinaus kann man die
0
Logarithmen zusammenfassen:
r
c PP ∗ cQQ
r
ΔG R = ΔG + R ∗ T ∗ ln
0
R
c AA ∗ c AA
r r
Gleichung 91 :
Im chemischen Gleichgewicht gilt, dass ΔGR = 0 ist. Damit folgt
r
c PP ∗ cQQ
r
ΔG = − R ∗ T ∗ ln
0
R
c AA ∗ c AA
r r
Gleichung 92 :
Für den Term im Logarithmus führt man die Gleichgewichtskonstante KC ein und schreibt
ΔG R = −R ∗T ∗ ln K C
0
Gleichung 93 :
0
ΔGR
0
Nachdem mit ΔG R =const., T = const. folgt KC = const.
K C = e −R∗T
Eigenschaften eines Gleichgewichts
Die Einstellung eines Gleichgewichts erfolgt von beiden Seiten. Das Gleichgewicht ist „dynamisch“, das heißt,
Reaktionen finden auch im Gleichgewicht in beide Richtungen statt. Kinetische Faktoren wirken bis zur
Gleichgewichtseinstellung, Katalysatoren beziehungsweise deren biologische Äquivalente, Enzyme, helfen bei der
Einstellung. Ein Enzym ändert nicht die Lage des Gleichgewichts, sondern nur die Geschwindigkeit der Einstellung!
Das Prinzip von Le Chatelier besagt:
1. Einfluss von Druckänderungen
Bei Gasen verschiebt sich das Gleichgewicht bei Druckerhöhung auf die Seite derjenigen Reaktanden, die unter
Volumenabnahme entstehen; ebenso verschiebt eine Druckerniedrigung in die andere Richtung.
Beispiel: Das Gleichgewicht von N2 + 3H2 = 2NH3 verschiebt sich bei Druckerhöhung nach rechts, bei
Druckerniedrigung nach links.
-29-
26. Physikalische Chemie
2. Einfluss von Temperaturänderungen
0
δU k ΔH R
=
δT ρ R ∗T
2
k 2 ΔH R 1
0
1
ln = ∗ −
T T
k1 R 1 2
Gleichung 94 : Gleichgewicht: Einfluss von Temperaturänderungen
Bei Temperaturerhöhung wird also die endotherme Reaktion begünstigt, bei Temperaturerniedrigung die
exotherme Reaktion.
3. Einfluss von Komponentenänderungen
Der Zusatz einer Komponente begünstigt die Reaktion, die diesen Stoff verbraucht beziehungsweise begünstigt
der Entzug einer Komponente die Reaktion, die diesen Stoff bildet.
Löslichkeitsprodukt
Ein einem heterogenen Gleichgewicht
AgCl ( s ) ⇔ Ag + + Cl −
Formel 3 : Dissoziationsgleichgewicht von Silberchlorid
mit
K=
[ Ag ] ∗[Cl ]
+ −
[ AgCl ]
Gleichung 95 : Gleichgewichtskonstante von Silberchlorid
können wir [AgCl] als konstant ansehen. Die Lösung ist also vollständig gesättigt. Um wissen zu können, wie gut sich
ein Stoff löst, definieren wir das Löslichkeitsprodukt KL für Stoffe der allgemeinen Summenformel AXBY:
K L = K ∗ [ AX BY ] = [ A] ∗ [ B ]
X Y
Gleichung 96 : Löslichkeitsprodukt
Also für unser Beispiel mit Silberchlorid
[
K L = K ∗ [ AgCl ] = Ag + ∗ Cl − ] [ ]
Gleichung 97 : Löslichkeitsprodukt von AgCl
( X +Y )
mol
Das Löslichkeitsprodukt wird in der Einheit angegeben. KL-Werte sind immer temperaturabhängig. Sie
l
werden gewöhnlich als Tabellenwerte bei 298 K angegeben.
Ionenprodukt des Wassers
Wasser bildet mit Protonen und Hydroxidionen ein Gleichgewicht:
H 2 O ⇔ H + + OH −
Formel 4 : Dissoziationsgleichgewicht von Wasser
Die Gleichgewichtskonstante ist somit
K=
[ H ] ∗ [OH ]
+ −
[ H 2O ]
Gleichung 98 : Gleichgewichtskonstante von Wasser
Die Konzentration [H2O] ist in verdünnten wässrigen Lösungen sehr hoch (55,5 Mol*l-1) und bleibt nahezu konstant. Es
folgt das Ionenprodukt des Wassers:
[ ] [
K W = K ∗ [ H 2 O ] = H + ∗ OH − ]
Gleichung 99 : Ionenprodukt des Wassers
Das Ionenprodukt ist wie das Löslichkeitsprodukt temperaturabhängig:
T [K] 273 298 313 373
KW [mol2*l-2 0,12*10-14 1*10-14 2,9*10-14 5,4*10-13
-30-
27. Physikalische Chemie
Tabelle 8 : Ionenprodukt des Wassers bei verschiedenen Temperaturen
Schreibt man das Ionenprodukt logarithmisch, erhält man
ρK H 2O = ρH + ρOH
Gleichung 100 : Ionenprodukt des Wassers, logarithmiert
Pufferlösungen
Pufferlösungen halten den pH-Wert bei begrenztem Zusatz von Säuren und Laugen konstant. Im menschlichen Blut
hält ein Bikarbonat-Puffer den pH ≈ 7,4.
Ein Essigsäure-Acetat-Puffer hält den pH ≈ 4,76. Bei Zugabe von Säure puffert die konjugierte Base
CH 3 COO − + H 3 O + ⇔ CH 3 COOH + H 2 O
Formel 5 : Essigsäure-Acetat-Puffer bei Zugabe von Säure
bei Zugabe von Lauge die Säure
CH 3 COOH + OH + ⇔ CH 3 COO − + H 2 O
Formel 6 : Essigsäure-Acetat-Puffer bei Zugabe von Lauge
Die Wirkungsweise lässt sich aus dem Massenwirkungsgesetz herleiten:
K S = K ∗ [ H 2O ] =
[ H O ] ∗ [CH COO ]
3
+
3
−
[ CH 3COOH ]
Gleichung 101 : Säurestärke von Essigsäure
KS bezeichnet die Säurestärke. Durch Umstellung und Logarithmierung erhält man die Henderson-Hasselbalch-
Gleichung:
pH = pK S + log
[CH COO ] 3
−
[ CH 3COOH ]
Gleichung 102 : pH-Wert (Henderson-Hasselbalch-Gleichung)
Beispiel: Eine Pufferlösung enthält 1 Mol*l-1 Essigsäure (pKS = 4,76) und 1 Mol*l-1 Natriumacetat. Welchen pH-Wert
hat
1. dieser Puffer?
2. die Lösung nach Zugabe von x = 0,1 Mol*l-1 HCl?
3. die Lösung nach Zugabe von y = 0,1 Mol*l-1 NaOH?
Wir stellen zunächst eine kleine Tabelle auf, die die Veränderungen erfasst:
Konzentration in mol*l-1 [CH3COOH] [CH3COO-]
1. Pufferlösung 1,0 1,0
2. Zugabe von HCl 1,0 + x 1,0 – x
3. Zugabe von NaOH 1,0 - y 1,0 + y
Tabelle 9 : Pufferveränderungen bei Zugabe von Säure oder Lauge
Damit ergeben sich laut Gl. 102:
1. pH = pKS = 4,76
2. pH = 4,76 + log 0,9/1,1 = 4,67
3. pH = 4,76 + log 1,1/0,9 = 4,85
Protolytische Gleichgewichte von Aminosäuren
Aminosäuren besitzen zwei Gruppen, die reagieren können: eine saure Carbonsäuregruppe und eine basische
Aminogruppe. Je nach pH der umgebenden Lösung kann die Aminosäure als reines Kation (Carbonsäuregruppe und
Aminogruppe protoniert), als Zwitterion (Carbonsäuregruppe deprotoniert, Aminogruppe protoniert) oder als Anion
(Carbonsäuregruppe und Aminogruppe deprotoniert) vorliegen. Für die Übergänge gibt es folglich zwei Säurestärken: Für
den Übergang vom Kation zum Zwitterion ist (für Glycin) pK1 = 2,35, für den Übergang vom Zwitterion zum Anion
pK2 = 9,6.
Der isoelektrische Punkt liegt dann vor, wenn genau so viele Kationen wie Anionen in der Lösung vorliegen:
-31-
28. Physikalische Chemie
[ Kation ] = [ Anion ]
K1 ∗ K 2 = H + [ ] 2
log K1 + log K 2 = 2 ∗ log H + [ ]
Gleichung 103 : Isoelektrischer Punkt 1
Der isoelektrische Punkt liegt also bei
1
pH ( IP ) = ∗ ( pK1 + pK 2 )
2
Gleichung 104 : Isoelektrischer Punkt 2
Für Glycin ist dies ≈ 5,98.
Abbildung 20 : Isoelektrischer Punkt
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