2. 02 Überfi schung
Höchste Zeit für eine
nachhaltige Fischerei
Lange Zeit galten die Fischbestände
in den unendlichen Weiten der Meere
als unerschöpfliche Reichtümer.
Doch seit industrielle, hochmodern
ausgestattete Fangflotten die Ozeane
plündern, schrumpfen die Bestände
dramatisch. Die Flotten weichen in
immer entlegenere Gebiete aus und
dringen mit ihren Netzen in Tiefen bis
2.000 Meter vor. Die industrielle Fische-
rei richtet nicht nur ökologische
Schäden an, sondern gefährdet auch
eine langfristige Nutzung der Meere.
Leere Meere
Seit dem Jahr 1970 hat sich die Kapazität
der Fischereiflotte weltweit verdoppelt.
Von den rund vier Millionen Fischerei-
schiffen im Einsatz sind zwar nur etwa
ein Prozent industrielle Trawler, diese
erbeuten jedoch über die Hälfte der
Gesamtfangmenge von rund 90 Millionen
Tonnen pro Jahr. Technologische Raffines-
sen machen es möglich: Echolot und
Radar orten Fischschwärme selbst in
entlegensten Winkeln. Durch effizientere
Fangtechniken wird die Situation immer
kritischer. Die Welternährungsorgani-
sation (FAO) schätzt, dass von den Die Grundschleppnetz-Fischerei erzeugt massiven Beifang.
weltweit kommerziell genutzten Fischbe-
ständen 52 Prozent bis an ihre Grenze So werden weltweit jedes Jahr bis zu 30 Verwüstung unter Wasser
genutzt, 19 Prozent überfischt und acht Millionen Tonnen Leben verschwendet. Keine andere Fangmethode ist so zer-
Prozent bereits erschöpft sind. Extrem viel Beifang – bis zu 80 Prozent – störerisch wie die Grundschleppnetz-
Laut Wissenschaftlern wurden die Be- erzeugt die Jagd nach Tieren, die im oder Fischerei. Kostbare Lebensräume wie
stände der großen Raubfische wie auf dem Boden leben, darunter Scholle, Korallenriffe werden dem Erdboden
Thunfisch, Schwertfisch und Kabeljau Seezunge und Krabben. Dabei werden gleich gemacht, Bodenlebewesen werden
innerhalb von 50 Jahren um bis zu Grundschleppnetze mit schwerem zerquetscht oder untergepflügt. Mittler-
90 Prozent dezimiert. Sie prognostizieren Geschirr über den Meeresboden gezogen. weile dringen die Schleppnetzfischer in
einen Kollaps der meisten kommerziellen Sie nehmen alles mit, was dort wächst 2.000 Meter Tiefe vor, wo es besonders
Fischereien bis zur Mitte dieses Jahrhun- und krabbelt. empfindliche Ökosysteme wie Tiefsee-
derts. In den europäischen Meeren ist die Auch die Treib- und Stellnetzfischerei berge (Seamounts) gibt. Sie erheben sich
Situation ebenso dramatisch: 88 Prozent verursachen unerwünschten Beifang. Eines zum Teil mehr als 1.000 Meter vom
der europäischen Speisefischbestände der Opfer: Schweinswale, die in Europa Meeresboden und sind ein einzigartiger
sind überfischt, und 30 Prozent dieser am stärksten bedrohte Walpopulation. Lebensraum für Tausende Tierarten.
Bestände befinden sich außerhalb sicherer Allein in der dänischen Stellnetzfischerei Tiefseefische sind besonders anfällig, über-
biologischer Grenzen, so dass möglicher- sterben über 5.000 Schweinswale pro Jahr. fischt und ausgerottet zu werden. Denn in
weise keine Erholung mehr erfolgt. Bei der Industriefischerei in der Nordsee, der Tiefe wachsen Tiere langsam und
auch Gammelfischerei genannt, werden
Verschwendung von Leben zum Teil noch lebende Fische, häufig
Der ökosystemare
Einer der schlimmsten Auswüchse der Sandaal und Sprotte, zu Fischmehl und
Fischerei ist der Beifang: In den riesigen Fischöl verkocht. Jedes Jahr enden so Ansatz: Hier kümmert sich das
Netzen verfangen sich neben kommer- rund 20 Millionen Tonnen Fisch als Fischereimanagement nicht nur
ziell verwertbaren Fischen auch andere billiges Futter für Hühner, Schweine oder nachhaltig um den Fisch, der im Netz
Lebewesen, unter anderem Jungfische, auch Garnelen und Lachse in der Aqua- landen soll, z.B. Scholle, sondern
Vögel, Schildkröten und sogar Haie und kultur. Für die „Produktion“ von nur beachtet das gesamte Ökosystem.
Wale. Tot oder schwer verletzt, werden einem Kilogramm Lachs können bis zu Ziel ist es, auch andere Fische, Krebse,
diese Tiere wieder über Bord geworfen. vier Kilo Fischmehl oder Fischöl nötig sein. Seesterne etc. nicht zu schädigen.
3. Greenpeace Kurzinfo 03
Verfehlungen der Politik
Die Politik fördert die Überfischung:
Die industrielle Fischerei plündert die Meere, so dass die lokalen Fischer häufig leer ausgehen.
Fangquoten liegen regelmäßig weit über
den Empfehlungen der Wissenschaftler,
die Fangmethoden sind viel zu zerstöre-
risch, und die Flottenkapazität ist weltweit
50 Prozent zu hoch – gefördert durch
Subventionen. Zudem sind Kontrollen zu
selten und Strafen zu gering.
Nicht zuletzt fehlt noch immer die Um-
setzung des ökosystemaren Ansatzes und
Vorsorgeprinzips im Fischereimanage-
ment. Damit bricht zum Beispiel die
Europäische Union internationale, ge-
setzlich bindende Verpflichtungen, denn
im Plan von Johannesburg 2002 hat sie
einer nachhaltigen Bewirtschaftung der
Fischbestände bis 2015 zugestimmt.
Insgesamt dominiert kurzfristiger Profit
über langfristige Nutzung.
Vielerorts fehlt ein Fischereimanagement
ganz, vor allem in Gebieten der Hohen
See außerhalb der 200 Seemeilen-Zonen
In Aquakulturen werden Thunfische auf Maximalgewicht gebracht und als Wildfisch verkauft. vor der Küste. Seitdem die Küstenmeere
leer gefischt sind, wird die Hohe See von
vermehren sich spät, etwa der Atlantische gel nicht stoppen. Sie verschieben einfach Fischtrawlern immer häufiger aufgesucht.
Sägebauch: Er wird erst mit 25 Jahren ihre Probleme in den Süden der Welt. Die
geschlechtsreif, kann dafür aber 150 Jahre Supertrawler der Reichen schöpfen den
alt werden. Meeresreichtum der Armen ab – und das Das können Sie tun
zu skandalösen Dumpingpreisen. Essen Sie seltener und bewusster
Piratenfischer Fischereiabkommen mit kleinen pazifi- Fisch und Meeresfrüchte. Kaufen
Die illegale Fischerei verschärft die schen Inselstaaten bringen den Partnern Sie Fisch & Co. aus gesunden Bestän-
Krise. Piratenfischer scheren sich nicht wenige Prozente des eigentlichen Waren- den, die mit schonenden Methoden
um internationale Fischereiabkommen. werts. Beispiel westlicher Pazifik: Hier gefangen wurden oder aus Öko-Aqua-
Mit riesigen Fangschiffen jagen sie am holen internationale Flotten rund kultur stammen. Der Greenpeace-
liebsten dort, wo wenig kontrolliert wird, 70 Prozent des Gesamtfangs an Thunfisch Fischratgeber bietet Ihnen Informatio-
etwa im Südpolarmeer, Pazifik oder vor aus dem Meer, im Wert von über vier nen für die richtige Wahl.
Westafrika. Sie tarnen sich, indem sie ihre Milliarden Euro. Und obwohl 80 Prozent Als Erfolg der Greenpeace-Arbeit
Schiffe in Billigflaggen-Ländern registrie- des Fangs in den Hoheitsgewässern der kennzeichnen viele Supermärkte ihre
ren lassen oder ganz ohne Flagge fahren. Pazifischen Inselstaaten stattfindet, Fischprodukte mittlerweile besser.
Nicht selten sitzen die Schiffseigner in erhalten diese nur zwei bis fünf Prozent Falls nicht: Fragen Sie nach! Woher
Europa, Japan oder den USA. Der Umsatz des Fangwerts durch den Verkauf ihrer kommt der Fisch? Wie wurde er
illegaler Fischerei wird weltweit auf bis zu Fischereirechte. gefangen? Als Verbraucher haben Sie
sieben Milliarden Euro geschätzt. Als fatale Folge dieser Unfairness kehren ein Recht auf vollständige Information.
die lokalen Fischer immer häufiger Bestellen Sie den Ratgeber bei
Ausbeutung der Armen mit leeren Netzen heim. Ihre zentrale Greenpeace oder lesen Sie ihn online:
Leere Meere vor der eigenen Haustür kann Einnahmequelle und vielerorts einzige www.greenpeace.de/themen/
die Gier der Länder auf der Nordhalbku- Eiweißquelle fehlt. meere/fischerei