Wie können Museen in Zukunft neue Besucher ansprechen und die Loyalität in der breiten Bevölkerung stärken? Die Bemühungen von Museen eine repräsentativere Besucherschaft zu erreichen sind nicht neu. Bei der Suche nach möglichen Lösungen stößt man unweigerlich auf das Outreach-Konzept. In dem Maße wie die Frage danach, wie Museen ihrem Bildungsauftrag und ihrer gesellschaftlichen Verantwortung gerechter werden können, wird Outreach auch in Deutschland eine stärkere Bedeutung bekommen. Dabei stellen sich zunächst einige grundsätzliche Fragen. Was ist Outreach? Welche Formen hat Outreach? Was sind die Ziele von Outreach? Welche Möglichkeiten bietet Outreach für die Museumsarbeit in Deutschland?
1. outreach [ˈaʊtriːtʃ] = freundlicher Kontakt
Menschen für Museum begeistern.
Ivana Scharf für die Jahrestagung des Arbeitskreis Museumspädagogik
Ostdeutschland e.V. „ am 20. und 21. Mai 2011, Jüdisches Museum Berlin
2. Woher kommt Outreach ?
- Ursprung in den USA der 1920er Jahre
- 1922 Columbian Museum of Chicago beginnt Bildungsarbeit
- Philadelphia Museum of Art gründete in den 1930er Jahren mehre
Außenstellen und zeigt routierende Teile der Sammlung
- 1954 setzt sich Outreach im heutigen Verständnis nach gesetzlicher
Forderung (Anti-Diskriminierung) durch
- Vor allem Kunstmuseen wir vorgeworfen, sie seinen elitär
- 1960er Gründung von Nachbarschaftsmuseen
- Museumstypus Nachbarschaftsmuseum trägt zur weiteren Etablierung des
Konzeptes bei
- 60er und 70er: Museen suchen die Nichtbesucher vor Ort auf
- Seit 80er: Ausrichtung hin zu Community Management und Engagement
3. Outreach in Deutschland
- 1876 Julius Post gründet Wandermuseum für Arbeiterbildungsvereine
- 1903 Konferenz Museen als Volksbildungsstätten
- Museen öffnen sich um Zuge der Volksbildungsbewegung
- 1970er weitere Öffnung und Demokratisierung der Museen
- 1970er Museumspädagogik gewinnt an Bedeutung
- Etablierung des Museumskoffers als Methode das Museum außer
Haus zu präsentieren
- 2008 das Outreach Konzept wird mit JMB on.tour des Jüdischen Museums
Berlin erstmalig in Deutschland umgesetzt
4. Was bedeutet Outreach ?
Outreach bedeutet als Verb wortwörtlich übersetzt: hinausreichen, übertreffen
oder auch freundlicher Kontakt.
Als Nomen bedeutet Outreach zugänglich machen von Informationen und
Dienstleistungen an Personen, die andererseits benachteiligt sein könnten oder
auch Reichweite.
Outreach wird auch im Kontext von Sozialarbeit verwendet. Outreach work ist
die aufsuchende Sozialarbeit.
5. Definitionen von Outreach
„Outreach is a flexible term used to describe a range of services. At one end of
the spectrum it can be an extension of the museum service whereby collection
items and educational sessions are relocated to schools, centres, hospitals or
meeting rooms to substitute for a visit to the museum‘s premises. At the other
end, it can mean active marketing and awareness raising designed to
encourage more visits to the museum itself.“ (Lorente 1996)
„Extension' refers to the programmes museums offer outside the museum
building to their traditional audiences, while 'outreach' refers to museum
activities that are designed for new or non-traditional audiences, whether
offered in the museum or another location.“ (Lord/Lord: 1997)
6. Definitionen von Outreach
„Ebenfalls in den Museen der USA wurde der „outreach“-Gedanke entwickelt.
Er umfasst verschiedene Maßnahmen, durch die ein Museum einem einzelnen
Bürger oder auch der Bevölkerung eines ganzen Stadtteils näher gebracht und
es in die jeweilige Lebenswirklichkeit integriert wird. Dies ist unter anderem
durch gezielte Zusammenarbeit mit Schulen und Gruppen aller Art,
Museumsbusse, Museumskoffer und kleine, leicht montierbrae
Wanderausstellungen zu erreichen.“ (Waidacher 1999)
„The socially engaged musem is now no longer to be conceived of as a building
to which visitors are enticed, but a service which tailors its work to different
target audiences. As a result, outreach work has become an important menas
of service delivery, both as an end in itself, and as a way in which musuem can
publicise itself.“ (Merriman 2004)
7. Definitionen von Outreach
„Basically museum outreach is a process that ‘involves going out from a
specific organization or centre to work in other locations with sets of people
who typically do not or cannot avail themselves of the services of that
centre’.“ (Golding 2006)
„A systematic attempt to provide services beyond conventional limits, as to
particular segments of a community.“ (Dolan 2008)
Outreach kann als eine mögliche Strategie beschrieben werden, mit der
proaktiv und systematisch Museumsinhalte außerhalb des Museums vermittelt
und neue Besucher angesprochen werden, um perspektivisch die Bereitschaft
für einen Museumsbesuch zu erhöhen. (Scharf 2010)
8. Vorbehalte in Verbindung mit Outreach
- Das Museum kann nicht die Defizite der Gesellschaft ausgleichen.
- Das ist Sozialarbeit und sprengt die Aufgaben des Museums.
- Was kann ein Museum schon dazu beitragen, um dieses Problem zu lösen?
- Eine Konzentration auf Outreach bedeutet die Vernachlässigung der
Kernaufgaben.
- Wenn wir uns an neuen Besuchern orientieren, verlieren wir unsere
Stammbesucher.
- Es fehlen die Ressourcen (Zeit, Geld, Mitarbeiter, Know-How)
9. Welche Formen hat Outreach ?
Outreach mit klassischen Vermittlungsformaten
Everson Museum of St. Augustine Morris Museum, New
Art, New York Lighthouse & Jersey
Museum, Florida
10. Welche Formen hat Outreach ?
Outreach mit Museumskoffern
Boston Children‘s Museum im Koffer, The open Museum
Museum Nürnberg Glasgow
11. Welche Formen hat Outreach ?
Outreach mit mobilen Museen damals
1933, Besucherandrang vor dem 1949, Museumobile 1953, Artmobile
Hygiene-Auto auf seiner
Ostgrenzlandfahrt Illinois State Museum Virginia Museum of Fine Arts
Hygiene Museum Dresden, DHMB
2006/506
12. Welche Formen hat Outreach ?
Outreach mit mobilen Museen heute
MAYA MOBILE, Los Angeles Bucks County Community JMB on.tour, Jüdisches
County Museum of Art, College Artmobile, Museum Berlin
Californien Pennsylvania
13. Welche Formen hat Outreach ?
Online Outreach
Online Teaching Resources Virtual Outreach Videoconferencing
Phildadelphia Musuem of Art Michigan State University Museum of London
Museum
14. Welche Formen hat Outreach ?
Community Outreach
Museum of Tolerance Tuscon Museum Moma
Los Angeles of Art
16. Herausragende Beispiele
Das Philadelphia Museum of Art wurde 1876 als Pennsylvania Museum and School of Industrial Art
gegründet nach dem Vorbild der V&A in London. Outreach hat dort eine lange Tradition. „The
Phildelphia Museum’s outreah efforts go back to the 1930s, when it established several satellite
museums to which selections from the permanent collection’s were circulated for audiences unlikely
to visit the parent building.“ (Newsom / Silver 1978: 144) 1970 wurde das DUO (Department of
Urban Outreach) gegründet mit zahlreichen Aktivitäten in unmittelbarer Nachbarschaft des
Museums. Aus dieser Tradition heraus ist der Gedanke heute fest im Leitbild des Musuems
verankert: „Making art accessible to everyone“. Das spiegelt sich auch im umfangreichen
Museumsprogramm mit Community Engagement, Diversity & Outreach, Accessibility, Online
Learning und Social Media“ wider.
http://www.philamuseum.org
Das National Museum of Australia in Canberra (Völkerkundemuseum ) wurde 2001 eröffnet.
Ein wichtiges Ziel im strategischen Plan für 2008 bis 2013 des National Museum ist die
Einbeziehung der australischen Bevölkerung. Das Museum hat ein Interesse daran sich national
und international zu profilieren, indem es eine Vielzahl an eigenen Outreach Aktivitäten initiiert und
sich als Partner bei Outreach Programmen beteiligt. Die outreach Strategie mit Zielen und
Maßnahmen ist einsehbar ebenso wie die Dokumentation der Ergebnisse.
http://www.nma.gov.au/about_us/nma_corporate_documents/annual_report/2009_2010/part_two_performance_reports/
program_12_nat_ex_prog_services/outreach
18. Was bedeutet Outreach ?
Audience
Development /
Besucherentwicklung
Outreach
Social Inclusion / Community
Teilhabe- Engagement /
gerechtigkeit Partizipation
19. Was bedeutet Outreach ?
Outreach wird häufig in Verbindung mit Audience Development genannt.
Audience Development, verstanden als Besucherentwicklung hat in den USA
und in Großbritannien unterschiedliche Ausprägungen. Während in
Großbritannien kulturpolitische Ziele ausschlaggebend waren, ist Audience
Development in den USA historisch bedingt durch die wirtschaftliche
Notwendigkeit aufgrund von sinkenden Besucherzahlen, dem Rückgang
staatlicher und privater Fördergelder und zunehmenden Konkurrenzdruck
entstanden. (Siebenhaar 2008) Audience Development beinhaltet daher nicht
zwingend eine Outreach-Strategie zur Erreichung von im Museum
ausgegrenzten Gesellschaftsgruppen. Der Outreach-Ansatz beinhaltet den
Gedanken der Teilhabegerechtigkeit, die gezielte Auswahl von ungewöhnlichen
Orten und neuen Kontexten, um Menschen außerhalb des üblichen
Museumsumfeldes anzusprechen. Outreach trägt langfristig zu einer
repräsentativeren Besucherschaft in Museen bei. Outreach ist mehr Haltung
als Methode.
20. Stärken von Outreach
✔ ✖
Beteiligung unterschiedlichster Gesamtausrichtung der Institution
Personengruppen erforderlich
Kultur findet im unmittelbaren und Erfolg stellt sich erst nach einigen
vertrauten Lebensumfeld statt Jahren ein
Kann Nachfrage nach Kultur steigern Personalintensiv
Kontakt zu den Bürgern Zeitintensiv
Interner Schulungsbedarf von
Vertrauensbildend
Mitarbeitern
Öffentlichkeitswirksam
23. Literatur & Links
Literatur
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Dolan, E. (2008): Education Outreach and Public Engagement, Springer, New York
E. W. Eisner, M. D. Day. (2004): Handbook of research and policy in art education,Lawrence Erlbaum Associates, Inc., Publishers, New Jersey, Contexts for Teaching Art , Mary
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Moffat, H., Woollard, V. (2004): Museum & gallery Education. A manual of good practice, AltaMiraPress, Plymouth.
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Sandell, R. (2003): Social Inclusion, the museum and the dynamisc of sectoral change. In: museum and society , Bd. 1, Nr. 1, S.45-62, Leicester University of Leicester,
https://lra.le.ac.uk/bitstream/2381/52/1/mands4.pdf
Scharf, I. (2001): Wie macht man ein Museum mobil? Die Bildungsinitiative „on.tour – Das JMB macht Schule“ des Jüdischen Museums Berlin. Fachaufsatz, erschienen in der 22.
Ergänzungslieferung im Handbuch Kulturmanagement & Kulturpolitik, Herausgeber: Prof. Dr. Friedrich Loock, Prof. Dr. jur. Oliver Scheytt, RAABE Verlag,
http://slidesha.re/mobilesmuseum
Schulte, S. (2001): Das Deutsche Hygiene-Museum in Dresden von Wilhelm Kreis. Biographie eines Museums der Weimarer Republik, Inaugural-Dissertation zur Erlangung der
Doktorwürde der Philosophischen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Bonn
Waidacher, F. (1999): Handbuch der Allgemeinen Museologie, Böhlau, Wien.
Siebenhaar, K. (2008): „Herzlich willkommen!“ Audience Development als kulturmanageriale Herausforderung und gesellschaftlicher Auftrag. Vortrag am 29. Mai 2008 im Rahmen
der Tagung „Audience Development. Neue Konzepte für die Beziehung Museum – Öffentlichkeit“, Musuemsakademie Joaneum, Linz.