Publikumsbeteiligung bei der SZ und sueddeutsche.de
1. Publikumsbeteiligung bei der SZ und sueddeutsche.de
Ausgewählte Befunde aus dem Projekt
„Die (Wieder-)Entdeckung des Publikums“
Wiebke Loosen & Jan-Hinrik Schmidt
München| 14. Januar 2015
3. Methodisches Design
• Vier Fallstudien zu nachrichtenjournalistischen
Angeboten aus den Bereichen TV/Online sowie
Print/Online: SZ, Tagesschau, wöchentlicher
ARD-Polittalk sowie Der Freitag
• Online-Befragungen unter
Redaktionsmitgliedern (n=139) sowie mit
Nutzer/innen von sueddeutsche.de (n=525)
• Leitfadengestützte Interviews mit
Redaktionsmitgliedern (n=10) sowie
Leser/innen bzw. Nutzer/innen
unterschiedlichen Aktivitätsgrads (n=8)
• Zusätzlich (heute nicht im Fokus): Inhalts- und
Kommentaranalysen
• Feldzeit: Februar bis Oktober 2013
• Ausführliche Ergebnisse im Arbeitspapier (http://hans-bredow-institut.de/webfm_send/1050)
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7. Inklusionslevel bei der SZ: generelle Befunde
• Hoher redaktioneller Aufwand für das Management der vielfältigen „Kanäle“
der Publikumsbeteiligung, aber auch vergleichsweise niedriger Anteil an
„Nicht-Aktiven“
• Praktiziert werden allerdings vielfach Aktivitäten, die eher wenig Aufwand
bedeuten: teilen/empfehlen von Beiträgen sowie Teilnahme an Umfragen
• Alles was mehr Einsatz erfordert wird von weniger Befragten und seltener
praktiziert: z. B. Leserbriefe verfassen, Beiträge kommentieren
• Auf redaktioneller Seite und auf Seiten des Publikums: hoher Anspruch an
Qualität und „Mehrwert“ von Publikumsbeiträgen
• Hoher Ressourceneinsatz zur Sicherung der angestrebten Qualität: z. B.
Moderation der Kommentarbereiche, Betreuung der Leserbriefseiten
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9. 1. weil ich meine Erfahrungen und mein Wissen mit
anderen teilen will.
2. weil ich mit meinen Beiträgen eine Person, eine
Bevölkerungsgruppe oder ein bestimmtes Anliegen
unterstützen und bekannt machen möchte.
3. weil ich meine Meinung öffentlich einbringen möchte.
4. weil ich nicht einfach nur Leser, sondern aktiv sein
möchte.
5. um bestimmte Themen einzubringen, die mir wichtig
sind.
6. weil ich die Journalisten bei ihrer Arbeit unterstützen
möchte.
7. weil ich mich dadurch als Teil einer Gemeinschaft fühle.
8. um mir die Zeit zu vertreiben, aus Langeweile.
9. weil ich im Dialog mit anderen etwas lernen,
Denkanstöße erhalten und mein Wissen erweitern
möchte.
10. weil ich es als meine Bürgerpflicht betrachte.
11. um auf Fehler in Beiträgen oder auf der Webseite
hinzuweisen.
12. weil ich hoffe, dass mir die Journalisten oder die
anderen Nutzer bei einem Problem helfen können.
13. um mich und meine Kenntnisse öffentlich darzustellen.
14. um eine Beziehung zu den Journalisten der SZ
aufzubauen.
15. weil ich einfach mal "Dampf ablassen" und meinen Ärger
rauslassen möchte.
(Vermutete) Beteiligungsmotive auf sueddeutsche.de
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ZustimmungPublikum
Zustimmung Journalisten
Likert-Skala von 1=„stimme überhaupt nicht zu“ bis 5=„stimme voll und ganz zu“;
MW ohne „weiß nicht“ berechnet. n=123-135 bzw. 41-43
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10. Inklusionsdistanz: Rollenselbst- und -fremdverständnis
1. Diskussionen unter den Nutzern/Lesern anstoßen und
moderieren.
2. es den Nutzern/Lesern ermöglichen, soziale Beziehungen
untereinander zu pflegen.
3. eine Beziehung zum eigenen Publikum aufbauen und
pflegen.
4. positive Ideale vermitteln.
5. dem Publikum möglichst schnell Informationen
vermitteln.
6. neue Trends aufzeigen und neue Ideen vermitteln.
7. das Publikum auf interessante Themen hinweisen und
ihnen zeigen, wo sie sich darüber informieren können.
8. Kritik an Missständen üben.
9. Menschen eine Chance geben, ihre Meinung über
Themen von öffentlichem Interesse zum Ausdruck zu
bringen.
10. komplexe Sachverhalte erklären und vermitteln.
11. das Publikum möglichst neutral und präzise informieren.
12. mit den Bürgern in einen Dialog über aktuelle Themen
treten.
13. dem Publikum eigene Ansichten präsentieren.
14. Lebenshilfe für das Publikum bieten und als Ratgeber
dienen.
15. Menschen eine Möglichkeit geben, um von ihnen erstellte
Inhalte zu veröffentlichen.
16. dem Publikum Gesprächsstoff liefern.
17. die Bereiche Politik, Wirtschaft und Gesellschaft
kontrollieren.
18. dem Publikum Unterhaltung und Entspannung bieten.
19. sich auf Nachrichten konzentrieren, die für ein möglichst
breites Publikum interessant sind.Likert-Skala von 1=„stimme überhaupt nicht zu“ bis 5=„stimme voll und ganz zu“;
MW ohne „weiß nicht“ berechnet. n=128-136 bzw. 476-510
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ErwartungendesPublikumsanJournalisten
Selbstbild Journalisten
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11. (Erwartungs-)Erwartungen
„Ich erwarte [Die Nutzer erwarten] von der SZ, dass ich [sie]…“
1. Informationen über die (Entscheidungs-)Prozesse in der
Redaktion erhalten kann
2. die Redaktion oder einzelne Redaktionsmitglieder vorgestellt
bekomme
3. journalistische Inhalte einfach und schnell an Freunde oder
Familie weiterleiten oder empfehlen kann
4. dass die Redaktion eine Plattform für die öffentliche
Diskussion über die Art und Qualität der journalistischen
Arbeit bereitstellt
5. selbst Material (Fotos, Videos, Interviewfragen etc.) für die
Berichterstattung beisteuern kann
6. der Redaktion Ideen und Vorschläge (z.B. für Themen oder
Interviewpartner) zukommen lassen kann.
7. zusätzliche Informationen und Verweise zu den Quellen
erhalte, die der Zeitung zu Grunde liegen
8. sehen kann, welche Inhalte von vielen anderen
Lesern/Nutzern gesehen, kommentiert oder geteilt wurden
9. mit anderen Lesern/Nutzern der Süddeutschen Zeitung in
Kontakt treten und mich austauschen kann
10. journalistische Beiträge kommentieren und bewerten kann
11. mit der Redaktion bzw. einzelnen Journalisten in direkten
Kontakt und Dialog treten kann
12. dass die Redaktion auf sozialen Netzwerken vertreten und
ansprechbar ist
13. von den Journalisten ernst genommen werde
14. meine Verbundenheit mit der Zeitung für andere sichtbar
zeigen kann
15. mit anderen Lesern/Nutzern inhaltlich über die Themen der
Süddeutschen Zeitung diskutieren kann
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ErwartungendesPublikumsanBeteiligung
Annahmen der Journalisten über Erwartungen des Publikums
Likert-Skala von 1=„stimme überhaupt nicht zu“ bis 5=„stimme voll und ganz zu“;
MW ohne „weiß nicht“ berechnet. n=119-129 bzw. 480-515
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12. Fazit I: Publikumsbeteiligung und Print/Online
• Print und Online im Balanceakt zwischen Komplementarität und Konvergenz:
ähnliche Ansprüche an die eine „Marke“, aber auch andere zeitliche
Rhythmen der Produktion und Rezeption wirkt sich auch auf Umgang mit
Publikumsbeteiligung aus
• teils unterschiedliche journalistische Selbstverständnisse (z. B. im Hinblick
auf journalistische Kontrollfunktion; Dialog- und Partizipationsorientierung)
• weitgehend überschneidungsfreie Publika – und auch auf Nutzerseite ein
Bewusstsein für die unterschiedlichen Teilpublika (z. B. Nutzer der SZ auf
Facebook vs. Leser der Printausgabe)
• Publikumsbeteiligung hat höhere Bedeutung in der Online-Redaktion,
dadurch gefühlt größere „Nähe“ zum Publikum - es gibt aber
„Ausstrahlungseffekte“ in die Print-Redaktion (z. B. Aufwertung der
Leserbriefseiten)
Loosen/Schmidt 12 von 14
13. Fazit II: Die Journalismus/Publikum-Beziehung
• Redaktion misst der „Community“ hohe Bedeutung bei; dementsprechend
sollen auch die Kommentarbereiche eigenen Qualitätsstandards folgen und
einen „Mehrwert“ auch für diejenigen darstellen, die Kommentare lediglich
passiv nutzen
• Vergleichsweise hohe Kongruenz bei Selbst- und Fremdbild: Journalisten
wollen und sollen sich vor allem auf die klassischen Aufgaben der
Information und Vermittlung sowie Kritik an Missständen konzentrieren
• Kontinuierlicher Balanceakt: Wo sind die Grenzen der Beteiligung, sowohl
aus Sicht von eingesetzten Ressourcen als auch im Hinblick auf Erwartungen
und Erwartungserwartungen?
• Fallstudienübergreifende Ähnlichkeiten:
• Journalisten halten Dialog und Austausch mit dem Publikum mittlerweile für „unver-
zichtbaren Bestandteil“ ihres Angebots – das Publikum stimmt dem eher nicht zu
• Gewandelte Ansprüche und Aufgaben v. a. bei aktiv(er)en Nutzern und Social-
Media-Redakteuren Transparenz, Dialog- und Partizipationsorientierung als
wesentliche Elemente des gegenwärtigen (Nachrichten-)Journalismus
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14. DFG-Projekt
„Die (Wieder-)Entdeckung des Publikums“
Journalismus unter sozialmedialen Bedingungen
Projektteam:
Wiebke Loosen, Jan-Hinrik Schmidt, Nele Heise, Julius Reimer
Projektblog: http://jpub20.hans-bredow-institut.de/
Twitter: @jpub20team
Loosen/Schmidt 14 von 14
Notas del editor
Übergeordnete Frage: Wie wirken journalistisch-professionelle Orientierung und Publikumsbeteiligung wechselseitig aufeinander?
Die Subgruppe der Facebook-Nutzer wird dann noch einmal deutlich kleiner, beim Freitag ist sie aber vergleichsweise hoch
auf FB schneiden beide Print-Fallstudien deutlich besser beim Empfehlen und Liken ab (bei %-Werten & Häufigkeit der Tätigkeit!) Bei ihnen übernimmt Publikum noch eher Distributionsleistungen
Insgesamt ist Kommentieren als High Involvement-Tätigkeit zwar vergleichsweise beliebt, wenn man die 90-9-1-Regel (meint, dass die große Mehrheit keine eigenen Inhalte beisteuert, 90 % seien nur Mitleser) bedenkt.
Aber anteilig und über andere Plattformen hinweg scheinen doch Low-Involvement Formen des Weiterleitens und Bewertens sowie der Teilnahme an Abstimmungen zu dominieren.
„Lurker“! DasPublikum hat ein Publikum!
Abgleich der Leistungen auf beiden Seiten: I-Level
Bei N-JOY ist der „Empfehlen“-Wert bei FB deutlich niedriger: 22% der FB-Nutzer (-> hier geht es vor allem um den Kontakt zu N-JOY und um N-JOY, kaum Inhalte, die außerhalb der Community geteilt werden -> bei der SZ stehen demgegenüber die Inhalte/Themen im Vordergrund, die offenbar deutlich eher als „teilbar“ wahrgenommen werden.
Übergeordnete Frage: Wie wirken journalistisch-professionelle Orientierung und Publikumsbeteiligung wechselseitig aufeinander?
Inklusionslevel = Abgleich der I-Leistungen auf redaktioneller Seite mit denen auf Publikumsseite
Aus dem Bericht: Diese über die Online-Befragungen ermittelte Überschätzung der Bedeutung von Publikums- beteiligung für das eigene Publikum auf journalistischer Seite steht in einem gewissen Widerspruch zu der in den Journalisten-Interviews immer wieder geäußerten Überzeugung, dass nur ein kleinerer Teil des eigenen Publikums aktiv werde, während die meisten Leserinnen und Leser nach wie vor insbesondere an den redaktionsseitigen Informationen und Analysen interessiert seien – ein Punkt der in ganz ähnlicher Weise auch in Nutzerinterviews thematisiert wird.
Stichworte zu anderen Fallstudien:
„Unausgeglichener“ Inklusionslevel bei Tagesschau = hoher redaktioneller Aufwand für die Bereitstellung weiterführender Inklusionsmöglichkeiten, der nur von einem (kleinen) Teil der Nutzer in Anspruch genommen wird, –geringer Niederschlag von Publikumsbeteiligung im „Kernprodukt“ Tagesschau
„Ausgewogeneres“ Verhältnis beim Polittalk: redaktionsseitig wenige Beteiligungsangebote, Redaktion zieht „mehr Sinn“ aus der Beteiligung des eigenen Publikums für die TV-Talkshow
Publikumsseitig werden überwiegend „Low Involvement“-Formen genutzt
Kaum sichtbarer Niederschlag in den journalistischen Inhalten; anders beim Freitag
Der kleinere „aktive“ Teil des Publikums sorgt für erheblichen redaktionellen „Managementbedarf“
Übergeordnete Frage: Wie wirken journalistisch-professionelle Orientierung und Publikumsbeteiligung wechselseitig aufeinander?
Beteiligungsmotive vorrangig auf Beeinflussung/Ergänzung journalistischer Leistungen (Selektion und Darstellung von Themen, Fakten, Meinungen) bezogen; weniger genannt: Gemeinschaftsbildung, Austausch der Nutzer untereinander, Affektregulierung, Selbstdarstellung
Konkret haben wir die J.en in der Online-Befragung gefragt, worum es ihnen in ihrem Beruf geht, –
und das Publ, haben wir gefragt welche Aufgaben die Journalisten des jew. Mediums erfüllen sollen.
Die entsprechende Itembatterie basiert weitgehend auf der Rollenbild-Skala aus der 2. „Journalismus in Deutschland“-Studie von Weischenberg/Malik/Scholl mit den bekannten Dimensionen I&V KKE sowie S&U Ergänzt haben wir Items zu neueren potentiellen Aufgaben von J.en, die wir theoretisch gruppiert haben.
Auf die Items gehen wir aber bei der Ergebnisvorstellung noch näher ein. J.en und Publ. konnten ihre Zustimmung zu den einzelnen Items bzw. j.en Aufg.en auf einer 5er-Likert-Skala ausdrücken.
Bearbeitet, neu eingefügt, richtig platziert?
Bei Publikum nur kleiner Teil – bei J.en erheblicher redaktioneller Aufwand, aber weitgehend beschränkt auf einzelne Redaktionsmitglieder, die damit betraut; Rest kann traditionellen Aufg nachgehen
z.B.: TS = Fokus auf neutrale Info über Fakten; PT = ebenfalls neutral info, aber indem alle MEINUNGEN dargestellt werden; Freitag = Meinungen einzelner!
einzelne aktivere TS-Nutzer erwarten durchaus auch die Mögl, mit J.en zu diskutieren
...
SZ: Journalisten wollen sich insbesondere auf die klassischen journalistischen Aufgaben der Information und Vermittlung sowie der Kritik an Missständen konzentrieren – und genau das sollen sie in den Augen ihres Publikums auch vorrangig.
Aber: auch Unterschiede zwischen Print und Online
Oberhand behalten: Dies ist auch ein Aspekt, der in den Journalisten- Interviews immer wieder zentral zum Ausdruck gekommen ist: Publikumsbeteiligung wird auch unter der Perspektive einer befürchteten dysfunktionalen Publikumsorientie- rung betrachtet: Das betrifft insbesondere die als „ureigene“ journalistische Aufgabe wahrgenommene Themensetzung und das Hinweisen auf als relevant erachtete Themen und Entwicklungen.
-> ggf. noch zu Punkt auf Folie machen
-> Aspekt, der in Zukunft wahrscheinlich für alle Medien/journali. Angebote wichtig wird, denn ihr Publikum wird zunehmend sichtbar – auch für das Publikums selbst -> Identitätsbildung/-management auch über die Medien, die wir (öffentlich sichtbar) nutzen.