1. Pierre Leich, Nürnberg
Kunstförderung zwischen Sponsoring und Mäzenatentum1
Die Beziehung von Kunst und Wirtschaft ist gefragt. Sie wird auf Kongressen, Symposien und in den
Feuilleton-Spalten der Zeitungen diskutiert. Doch Unsicherheit und sprachliche Bedacht im Umgang
mit dem offensichtlich als brisant empfundenen Thema sind unübersehbar. Auch von mir werden Sie
keine provokanten Thesen zu erwarten haben, die folgenden Überlegungen möchten die Argumente
zusammenfassen und einer Diskussion eine erste Orientierung bieten. Sie erheben keinen Anspruch
auf Vollständigkeit und ihre Stichhaltigkeit mag für unterschiedliche Wirtschaftssparten durchaus
verschieden ausfallen. Dennoch sprechen sie die einschlägigen Überlegungen an und bemühen sich um
Ordnung.
Es wird geschickt sein, eine Begriffsbestimmung von Sponsoring voranzustellen. Nach Prof. Manfred
Bruhn, Dozent an der European Business School und Leiter des Instituts für Marketing, bedeutet
Sponsoring „die Planung, Organisation, Durchführung und Kontrolle sämtlicher Aktivitäten, die mit
der Bereitstellung von Geld, Sachmitteln oder Dienstleistungen durch Unternehmen für Personen oder
Organisationen im sportlichen, kulturellen oder sozialen Bereich zur Erreichung von unternehmerischen
Marketing- und Kommunikationszielen verbunden sind.“2
Der Mäzen scheint selten geworden, er ist vom Sponsor abgelöst worden. Aus Verbundenheit zur
Kunst oder um an der gesellschaftlichen Verantwortung für Kunst teilzunehmen, leistet heute kaum
ein Wirtschaftsunternehmen einen Betrag für ein künstlerisches Projekt.
Dennoch unterstützt BMW massiv das Münchner Filmfest, stattet die Deutsche Bank die Etagen ihres
Frankfurter Firmensitzes mit den Werken zeitgenössischer Maler aus und gibt der Zigarettenkonzern
Philip Morris mit Atelierstipendien Künstlern die Gelegenheit, sich ohne finanzielle Not ihrer Arbeit
widmen zu können. Mehr als eine Viertel Milliarde Mark sind der bundesdeutschen Industrie solche
Aktivitäten wert.
Was sind die Motive für die Annäherung der zwei verschiedenen Welten von Kunst und Wirtschaft?
Für die Initiativen und Institutionen, welche die Kunstvermittlung leisten, bedarf dies keiner tief-
sinnigen Erklärung und auch die Kommunen von Flensburg bis Lindau stimmen in das Konzert ein,
in Zeiten schwindender Kulturetats nun die private Wirtschaft zur Kasse zu bitten. Die Gründe für die
Finanzknappheit sind hinlänglich bekannt: Während die Schlüsselzuweisungen der Länder zurück
gingen, stieg der Kostenaufwand für Sozialleistungen in nur vier Jahren um knapp sieben Milliarden
DM. Für die Zukunft errechnete der Deutsche Städtetag durch die Steuerreform bedingte Minder-
einnahmen von rund 31,1 Milliarden DM. Speziell in Nürnberg belasten weiterhin der Einwohnerrück-
gang, der U-Bahnbau, die Entschwefelung Sandreuth sowie Aussiedler den kommunalen Haushalt.
Doch der Verweis auf die gesellschaftliche Rolle von Kunst genügt hier nicht, Leistung will Gegen-
leistung und was hat die Kunst der Wirtschaft eigentlich zu bieten?
Ich möchte fünf Argumente nennen:
1. Kultur als Image
Nur selten wie bei der Siemens AG in München ist der Referent für Kultur direkt dem Vorstand
verpflichtet. In der Regel ist die Förderung von Kunst und Kultur in die Abteilung Werbung und
Öffentlichkeitsarbeit eingebunden. Hier ist auch das Hauptmotiv zu finden. Die Marketingstrategen –
1 Vortrag für BJU zur Performance „Schlips oder Kragen“ von Jürgen O. Olbrich in der ehemaligen Bayerischen
Metallwarenfabrik Nürnberg am 9.11.88.
2 Manfred Bruhn, „Von der Bandenwerbung zum Sponsoring“, wörkshop, Mai 1988, 16; nahezu identisch, aber leichter
verfügbar: Ders., Sponsoring. Unternehmen als Mäzene und Sponsoren, Frankfurt a.M. 1987, S. 16.
2. nie um ausgefallene Werbekonzepte verlegen – haben die Kultur als eine Form von Image entdeckt.
Nur wenige gesellschaftliche Felder sind mit einem so uneingeschränkt positiven Imageeffekt belegt
wie Kunst. Über Kunst besteht die Möglichkeit sich zu profilieren, ein weltoffenes Format zu zeigen,
besser zu sein als die Konkurrenz.
Der Vizepräsident der Nürnberger Industrie- und Handelskammer Dr. Gustl Drechsler spricht diesen
Gedanken für die Produktgestaltung aus: „Wenn wir nämlich auf Dauer mit unseren Produkten nicht
billiger sein können [...], dann müssen wir ein Stück besser sein.“3 Diese Einsicht kann auf das Firmen-
image schlechthin ausgeweitet werden.
Indem sich der Künstler in Zusammenhang mit dem Sponsor bringt, kann dieser hoffen, daß vom
Glanz umjubelter Veranstaltungen oder der Qualität eines Kunstwerkes auch etwas auf seinen Marken-
namen fällt.
Die Mittel dazu sind gemeinsame Auftritte, die Erwähnung in den Medien und das dezente, aber
sichtbare Anfügen eines „gesponsert von ...“ auf Plakaten, Katalogen und Transparenten oder auch –
etwas ausgefallener – eine Performance mit Produkten einer Firma. Ein Zwischenvorhang mit
Werbung in Peter Zadeks Inszenierung von Shakespeares Wie es euch gefällt mag heute noch für
Aufsehen sorgen, aber wer sich den Beginn bundesdeutschen Sportsponsorings ins Gedächtnis ruft,
wird die Situation rasch gelassener sehen. Damals nutzte ein Unternehmen die Bandenwerbung einer
Sportveranstaltung und hoffte auf die Ausstrahlung durch öffentlich-rechtliche Fernsehanstalten. Der
Aufschrei der Öffentlichkeit und die Intervention der Rundfunkanstalten waren erfolglos. Ein Trikot
mit Firmenemblem vermag inzwischen keinen Fußballfan mehr aus der Fassung zu bringen und Ulrich
Greiner sieht in der Zeit bereits wie Hamlet an die Rampe tritt und diskret sein Jackett lüftet, auf dessen
Innenseite wir alle Boss lesen können. Von Schleichwerbung wird nicht mehr gesprochen – die
Branche hat sich auf gewisse Werberegeln geeinigt.
Für die Firmen steht die Erreichung unternehmerischer Marketingziele im Vordergrund. Effiziente
Kommunikationsinstrumente sind gefordert und der Künstler liefert hohe Kontaktzahlen. Er
verschafft dem Sponsor Zugang zu einem Publikum, das durch die konventionelle Werbung nicht
wirksam angesprochen werden kann. So ist für weitsichtige Unternehmen Kunstförderung auch
Förderung der eigenen Interessen.
2. Sozialbindung der Kunst
Es gibt noch andere Motive. Eines könnte schlicht formuliert lauten: Die Kunst soll sich mit der
Industrie befassen, also muß sich die Industrie mit der Kunst befassen.
Durch Aufträge aus Kreisen der Wirtschaft kommt der Künstler mit einer Sphäre in Kontakt, die sonst
kaum sein künstlerisches Schaffen inspiriert und zu den Themen zählt, die in künstlerischen Arbeiten
auftreten. Der Unternehmer qua Unternehmer fühlt sich daher selten angesprochen.
Ein heikles Feld, denn der Künstler wittert aus Unsicherheit vor möglicher Einflußnahme eine zu enge
Umarmung. Neben der Irritation des Publikums fürchtet er in eine Abhängigkeit zu geraten. Subven-
tionen der öffentlichen Hand garantieren mehr Ruhe. Dabei geht es weniger um Zensur als die
verinnerlichte Zurückhaltung. Als künstlerisches Ausdrucksmittel mag manches Element berechtigt
sein, dagegen tabu auf dem Feld unternehmerischer Imagepflege.
Diese Bedenken scheinen mir Folge eines Mißtrauens, das durch gegenseitiges Vertrauen und
persönliches Kennenlernen jedoch überwunden werden kann. Die behutsame Annäherung kann für
beide Parteien Einsichten eröffnen und letztlich auch zu dem führen, was unter dem Titel Sozialbindung
firmiert. Gustav Stein vom Kulturkreis im Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. sah die
mangelnde Kontaktaufnahme wichtiger gesellschaftlicher Gruppen gar als einen Hauptgrund für das
3 August Drechsler, „Design-Forum fördern – ein Beitrag zur Zukunft“, Informationen für Handel und Gewerbe 3 (Mai/Juni
1988), hrsg. v. IHK Nürnberg, S. 5.
3. Scheitern der Weimarer Republik. Nach Arend Oetker hat der Kulturkreis es sich daher folgerichtig
zur Aufgabe gemacht, Kunst und Wirtschaft im dauernden Gespräch miteinander zu halten.4
3. Kunst als Garant für Kreativität
Herr Avenarius vom BMW-Vorstand erkennt die „kreativitätsfördernde Funktion des künstlerischen
Chaos für die ästhetische Qualität unserer Produkte“5. Auch Philip Morris verspricht sich vom
Austausch von Kunst und Wirtschaft Vorteile. Von dessen Vorstandsvorsitzenden ist die Äußerung
überliefert: „Unsere grundsätzliche Entscheidung, die Kunst zu fördern, war nicht bestimmt durch die
Bedürftigkeit der Kunstszene. Unser Bestreben war es besser als die Konkurrenz zu sein.“6 Neben der
gegenseitigen Befruchtung betrachtet der Konzern den Künstler als empfindsamen Sensor für
gesellschaftliche Entwicklungen. Für Produkte, die sich überwiegend durch Image verkaufen, ein
Forschungsbereich, der den Umsatz von morgen bestimmt.
4. Standortfrage für neue Wirtschaftszweige
Weniger auf Kunden, denn auf Mitarbeiter richtet sich das Interesse der Deutschen Bank, wenn sie die
Grafiken und Gemälde ihres Frankfurter Firmensitzes zu den Filialen im Lande reisen läßt. Die Sach-
bearbeiter sollen an eine Form von Kreativität herangeführt werden, die ihnen in ihrem Büroalltag
selten begegnet. Insoweit moderne Unternehmen aber verantwortlicher, flexibler, kreativer Kräfte
bedürfen, schafft die Auseinandersetzung mit zeitgenössischer Kunst im weitesten Sinne ein günstiges
Klima für wirtschaftlichen Fortschritt. Darüberhinaus geht aus empirischen Untersuchungen hervor,
daß qualifizierte Beschäftigte ihren Arbeitsplatz auch in Abhängigkeit der Attraktivität des Ortes
auswählen. Der Anteil der Kultur ist hierbei zwar schwer zu ermitteln, seine Rolle gilt jedoch als
unbestritten.
Damit wird Kultur zu einem ökonomischen Faktor, von dem der Nürnberger Oberbürgermeister
Dr. Peter Schönlein konstatiert: „Ein reiches kulturelles Leben ist [...] ein wichtiges Standortkriterium
für die Wirtschaft. Das ist gar keine Frage. Es ist aber auch das entscheidende Kriterium für Lebens-
und Wohnqualität in einer Stadt.“7 Da die konventionelle Infrastruktur – Straßen, Krankenhäuser,
Schulen – in den Verdichtungsräumen überwiegend ein gleichartiges Niveau aufweist, spielt im
interkommunalen Wettbewerb um ein enger werdendes Entwicklungspotential die Qualität der
kulturellen Infrastruktur für Image und Attraktivität der Metropolen eine zunehmende Rolle.
5. Kunst für die Unternehmenskultur
Kunst schafft ein kreatives Umfeld, Kunst provoziert Kreativität und Kunst wirken stabilisierend auf
das innerbetriebliche Klima.
Unternehmenskultur ist das Stichwort. Die Chemische Fabrik Stockhausen in Krefeld feierte den
75. Jahrestag ihrer Gründung neben festlichen Reden mit der Welturaufführung eines Werkes von
Siegfried Matthus. Dieser zählt zu den führenden Komponisten der DDR und lieferte – weitgehend
geläutert vom sozialistischen Realismus in der Musik – ein beherztes Beispiel für kapitalistischen
Realismus.8 Für Stockhausen eine gelungene Feier, die sogar einen Ausstrahlungseffekt hatte.
4 Cf. Arend Oetker, „Die Kunstförderung des Kulturkreises im Bundesverband der Deutschen Industrie e.V.“, in: Dieter
Honisch (ed.), Junge Kunst in Deutschland, Berlin 1982, S. 10.
5 Zitiert nach: Hans Bernhard Nordhoff, „Culture et économie, même combat!“, Kassel kulturell 8/88, S. 11.
6 Zitiert nach: Ulrich Greiner, „Mercedes Amen. Sponsoring: über die Verflechtung von Wirtschaft und Kultur“, Die Zeit,
1.7.88, S. 43.
7 Peter Schönlein, „Warten auf das Glückslos 2000. Interview mit Oberbürgermeister Peter Schönlein“, Nürnberger
Nachrichten, 16./17.7.88, S. 25.
8 Cf. Frieder Reininghaus, „Chemie und Kunst – ein Lehrstück“.
4. Kunst – so scheint es – rechnet sich, Kunst ist ein Wachstumsmarkt. Das vom Bundesinnenministerium
in Auftrag gegebene Ifo-Gutachten errechnete für den Kulturbetrieb einen Anteil von 3 % an der
Wertschöpfung unserer Gesellschaft. Doch – so lassen Sie mich abschließend fragen – können wir für
Kunst nur wirtschaftliche Argumente beitragen – und wollen wir dies überhaupt?
Kunst und Kultur fragen immer wieder von neuem, wie wir leben wollen. Künstler sind Deutungs-
wissenschaftler, sie erfüllen die Nachfrage nach Sinn, liefern der pluralistischen Gesellschaft Impulse,
die für ihre Weiterentwicklung notwendig sind. Es geht letztlich um das Unternehmen Mensch, das
hier entwickelt werden soll. Daher ist es immer auch eine Frage der Entscheidung, was entwickelt
werden soll und welchen gesellschaftlichen Aktivitäten wir uns widmen. Ich nehme an, das Ziel ist der
glückliche Mensch und das, was die Gesellschaft auf dem Weg dorthin im Auge behalten sollte, kann
wieder schlicht Gemeinwohl genannt werden. Kultursponsoring heißt in dieser Hinsicht Verantwortung
für das Ganze oder in den Worten von Hermann Glaser: „Kultursponsoring wäre dann in der Über-
zeugung fundiert, daß Wirtschaft nur in einer Gesellschaft gedeihen kann, in der sich die Menschen
geistig und seelisch wohlfühlen, also „Kulturbürger“ sind.“9
Wirtschaftliches Sponsorship erschöpft sich nicht darin, mit eingekauften Reißern Höhepunkte zu
setzen. Es sollte die kulturelle Identität einer Region und der Menschen, die dort leben, fördern.
Wirtschaftliches Sponsorship sollte sich auch nicht darauf reduzieren, die Rolle eines Pflegers des
nationalen Kulturerbes zu übernehmen und aus dem Fundus vergangener Jahrhunderte schöpfen. Die
Wirtschaft sollte eine innovative und produktive Rolle einnehmen und ein breites anregungsreiches
kulturelles Milieu fördern.
Und tatsächlich: Die Zurückhaltung und Ängstlichkeit im Umgang mit Kunst ist einer wachsenden
Souveränität gewichen. Als Beispiel dafür mag die Aluminium-Glas-Skulptur „Altar/CREE“ von
Stephan Huber dienen, die den Besucher der Kunsthalle der Münchner Hypo-Kulturstiftung über-
rascht, indem sie „Geld“ in Schwarz auf rotem Grund verkündet. Daß sich die Bankoberen nicht
provozieren lassen, zeugt von jener wachsenden Souveränität, von jenem kulturellen Verantwortungs-
bewußtsein, unabhängig vom kurzfristigen Werbeerfolg, welche der unternehmerischen Kunst-
förderung erst die Bedeutung einer nicht rasch verpuffenden Kulturleistung garantiert.10
9 Hermann Glaser, „Ein Gespenst geht um. Kultursponsoring: Über die Chancen und die Gefahren des neuen
Mäzenatentums“, Nürnberger Zeitung, 22.10.88, S. 23.
10 Cf. Ingrid Rein, „Hausgemachtes Wunder“, Süddeutsche Zeitung, 18./19.6.88.