Mit dem Begriff Sourcing verbinden viele Unternehmer einen knallharten und profitgetriebenen Personalabbau. Abgeschreckt durch diese medial hervorgehobene Form des Out-Sourcing bleibt dadurch zahlreiches Potential ungenutzt liegen. Sich strategisch Gedanken über die eigene Fertigungstiefe zu machen steigert nicht nur die operative Effizienz, sondern kann vielmehr helfen die eigene Unternehmung nachhaltiger aufzustellen und ungeahnte Potentiale freizusetzen.
Der Vortrag stellt hierzu zahlreiche Motive und Herangehensweisen zur Etablierung einer durchdachten Sourcing-Strategie dar und gibt praxisnahe Beispiele für unternehmerischen Nutzen im Sinne ganzheitlicher Unternehmensführung.
Neben Szenarien zur Reduktion von Kapitalbindung und Kosten, sowie der Verbesserung von Effektivität und Effizienz von Prozessen, wird auch aufgezeigt, wie sich durch geschicktes Sourcing mit den Veränderungen am Arbeitsmarkt umgehen lässt oder neue innovative Produkte und Dienstleistungen aufgebaut werden können.
Guten Abend meine sehr verehrten Damen und Herren Vertreter des Mittelstands! Ich möchte Ihnen heute Abend ein strategisches Instrument der Unternehmensführung vorstellen, dass - urteilend aus unserer praktischen Erfahrung - nicht gerade den besten Ruf genießt. Wie man unserem Firmennamen unschwer entnehmen kann beschäftigen wir uns schwerpunktmäßig mit dem Management von Sourcing Strategien. Erzählte ich das einem Bekannten, schaut der mich in der Regel erst einmal schief an.
Häufig kommen dann Vorurteile wie Massenentlassungen / persönliche Bereicherung / und Profitgier auf den Tisch: Ja, ich bin schon einmal mit Josef Ackermann verglichen worden ;-).Nicht zuletzt wird Outsourcing dann auch mit dem Verlagern von Arbeitsplätzen in Niedriglohnländer gleichgesetzt, worauf ich später noch einmal zurückkommen werde.
Oftmals wird dabei gerade so getan als würden wir nicht bereits seit jeher „sourcen“, sondern Outsourcing als kurzfristiges Instrument verwenden, um noch einmal schnell die Quartalszahlen aufzubessern. Gerade im Mittelstand passt das natürlich nicht zu Begriffen des ehrbaren Kaufmanns oder der nachhaltigen Wertschaffung eines Familienunternehmens. Aber diese Sicht auf das Thema Sourcing ist auch nicht die ganze Wahrheit!
In Wahrheit fährt jeder von uns eine – mehr oder minder bewusste – Sourcing-Strategie. Egal ob im Privaten – Wer hier im Raum nutzt nicht die Dienstleistung eines Steuerberaters / Frisörs / … - oder im Geschäftlichen: Das Thema ist omnipräsent! Meistens assoziieren wir das nur nicht mit dem Begriff Sourcing-Strategie.
Das Schlüsselwort heißt Arbeitsteilung und ist einer derjenigen Faktoren, die uns – basierend auf jüngsten Forschungsergebnissen – in der Evolution so erfolgreich gemacht haben. Warum sollten wir also etwas, dass uns einen evolutionären Vorteil gewährt von vornherein verteufeln?! Zahlreiche Erfolgsgeschichten aus der Praxis zeigen uns, dass es sich lohnt das eigene Unternehmen – sprich die DNA wirtschaftlichen Erfolgs –regelmäßig auf Evolutionsmöglichkeiten in diesem Bezug zu prüfen.
Je nach gewünschte Risiko- und Gewinnverteilung lassen sich dabei unterschiedliche Modelle der DNA-Kur wählen, die regelmäßig auf Passgenauigkeit hin überprüft werden sollten: Die Palette reicht vom klassischen Outsourcing bis hin zur Gründung eines Joint-Venture. Sourcing-Strategie heißt eben nicht nur simples abgeben von Verantwortung und Zuständigkeit!
In der Ausführung heißt dies vor allem eine Bewertung der primären und mittlerweile auch sekundären Geschäfts- und Produktionsprozesse und -abläufe auf Eigenerbringung oder Fremdbezug durchzuführen. Voraussetzung dafür ist ein umfassendes Verständnis der unternehmenseigenen Wertschöpfung und Prozesslandschaft.
Mittlerweile zeigt sich, dass Unternehmen auch nicht mehr davor zurückschrecken Teile Ihrer Kernprozesse und -produktbestandteile fremd zu beziehen. Zudem verschiebt sich die Zielsetzung von strategischen Sourcing-Überlegungen weg von einer reinen Kostenbetrachtung zu einer Betrachtung von Mehrwerten und Chancen. Gerade neue Unternehmen werden mittlerweile von Gründung an mit einem hohen Anteil an Fremdbezug aufgebaut.
Der Outsourcing-Klassiker war bis zuletzt die primäre Betrachtung von Kosteneinsparungs- bzw. Qualitätssteigerungspotentialen, gemeinhin auch unter dem Stichwort Economy ofScale zu finden. Die Erfolge hierbei sind bisweilen eher durchwachsen und man hat schnell gelernt, dass diese Betrachtung für eine Bewertung nicht ausreicht.
In jüngster Zeit kam daher unter dem Schlagwort des Economy ofScope aber auch eine Betrachtung des sogenannten strategischen Deckungsgrads – also eine Bewertung der Kritikalität für das eigene Unternehmen –hinzu, der Relevanz, Spezifität und Effizienz von Prozessen mit einbezieht, was dem Erfolg von Sourcing-Maßnahmen sehr zuträglich war.
Dabei fragen Sie sich in jedem Szenario, ob dieses für eine Differenzierung am Markt, eine hochspezialisierte Sonderleistung oder eine, zwar nicht differenzierende aber hochoptimierte, Kernkompetenz steht. Wie sehen Sie das für z.B. den Service-Bereich, die Lohnbuchhaltung oder den Druck und Versand von Geschäftskorrespondenz?
Als Instrument der Bewertung lässt sich dabei z.B. eine lineare Bewertungsmatrix einsetzen, die Stärke des Unternehmens der Differenzierung gegenüber dem Wettbewerb gegenüberstellt. Über ein solches Instrument lässt sich sehr gut eine Vorauswahl treffen, die aufzeigt, welche Prozesse auf jeden Fall (nicht) aus dem Kernbereich des Unternehmens herausgelöst werden können.
Und nein, es war nicht immer alles „eitel Sonnenschein“: Nach massiv überzogenen Erwartungen Mitte der 2000‘er Jahre dauert es bis heute an einen wieder erwartungskonformen Beitrag zum Unternehmenserfolg zu leisten. Die Branche hat dabei auf jeden Fall viel an jetzt verwertbaren Erfahrungen gesammelt!
Aus all‘ diesen Erfahrungen lassen sich heute zahlreiche Mehrwerte für Unternehmen freisetzen, wenn eine durchdachte Sourcing-Strategie implementiert wird: Angefangen von Kosteneinsparungen bis hin zur Steigerung der Agilität und der Reduktion von Investitionsrisiken lässt sich ein breites Set identifizieren.
Ein weiterer spannender Effekt geschickten Sourcings ist die Möglichkeit Innovationsrückflüsse in die eigenen Produkte und Dienstleistungen aufzugreifen: Mitunter kann das sogar ein maßgebliches Entscheidungskriterium bei der Auswahl eines Sourcing-Nehmers sein, inwieweit dessen Kultur darauf getrimmt ist die angebotene Dienstleistung kontinuierlich mit Innovation anzureichern.
Beispiel Automobilindustrie: Hier steuern dutzende Zulieferbetriebe durch kleine Innovationen – z.B. im Car-Entertainment-Bereich – Produktbestandteile bei, die der OEM selbst nur mit massivem Aufwand alle selbst entwickeln könnte. Analoges lässt sich natürlich auch auf Rückflüsse aus ausgelagerten Prozessen (z.B. dem Service-Betrieb) anwenden.
Oder nehmen wir den Handlungsdruck durch den sich abzeichnenden Fachkräftemangel: Mitunter gelingt es einem Sourcing-Partner besser – z.B. durch den Unternehmensstandort – für ausreichend Personal zu sorgen. Beispiel IT-Fachkraft: Hier tummeln sich zahlreiche Fachkräfte in urbanen und kulturell vielseitigen Regionen! Macht es wirklich Sinn dort einen eigenen Standort aufzubauen oder den Umzugswillen teuer zu erkaufen?
Nicht aus den Augen verlieren sollte man dabei auch die Verknüpfung mit Offshoring-Szenarien, die sich entweder mit oder ohne Outsourcing-Bezug realisieren lassen. Auch hierbei lassen sich einerseits Kostenvorteile erwirtschaften und andererseits Ressourcenmangel beheben.
In jedem Fall bedarf es im Vorfeld einer Sourcing-Strategie einer durchdachten Sourcing-Governance, die zu den Werten des Unternehmens passt. Eine reine Fokussierung auf das „platte“ / klassische Out-Sourcing dürfte schnell mit dem Wertegefüge des Unternehmens in Konflikt kommen, ein Engagement auf allen Ebenen strategischen Sourcings hingegen kann hier Wege aufzeigen.
Ich hoffe durch meinen heutigen Vortrag das große Unbekannte „strategisches Sourcing“ etwas plastischer gemacht zu haben, stehe für Rückfragen und Diskussion gerne zur Verfügung und wünsche noch einen angenehmen Verlauf der Veranstaltung. Dankeschön!