Vortrag im Rahmen der Ringvorlesung "Wissenschaftskommunikation erforschen" der Abteilung Wissenschaftskommunikation am Institut für Germanistik des Karlsruher Institut für Technologie (KIT).
Gehalten am 27. November 2014 von Prof. Dr. Torsten Schäfer (Institut für Kommunikation und Medien, Hochschule Darmstadt).
2. # Perspektiven: Berufsethik, Rollenselbstbilder, Redaktionspraxis
# Journalistik = Sozialwissenschaft Bezug auf andere Disziplinen
# Umweltjournalist, der gesellschaftliche Wirkung erzielen will
# Konstruktivismus als Theorie, Normativität (Ethik) als Ansatz
# Sozialwissenschaftliches Denken für die Praxis erfordert zuerst
eine sozial bzw. gesellschaftsethische Klärung der Praxisziele
# Interesse: Erkenntnisgewinns für die Journalismusforschung und
berufliche Fachdebatte; Rollenselbstbildforschung + Medienethik
Analyserahmen
2
3. 1- Analyserahmen
2 - Das Friedrichs-Dogma und seine Dekonstruktion
3 - Verkürzungen in der journalistischen Rollendebatte
4 - Journalismus als normatives Geschäft
5 - Handlungsrahmen und Bedeutungsindikatoren
6 - Normativitätsängste und Wertebenen
7 - Nachhaltigkeit als universeller Wert
8 - Engagement und Objektivität: Praktisches Verhalten
9 - Darmstädter Ansätze, Schlussthesen + Zitat
Struktur der Grenzerkundung
4. „Die Sendung hat eine grüne Botschaft: Wenn der Mensch sich
weiter so bemüht, dann kriegt er das auch noch kaputt. Zum
Beispiel der letzte Film, der über Biber. Das war kein reiner
Tierfilm.“
Von wem ist dieses Zitat?
- Bernhard Grzimek
- Heinz Sielmann
- Horst Stern
- Hanns Joachim Friedrichs
- Andreas Kieling
Ein Zitat und seine Wirkung...
5. # Rolle 1: Umweltjournalist Rollenmanagement
# Rolle 2: Meinungsbürger: SPD-Engagement? „Weil ich meine
aktive Fernsehzeit hinter mir hatte. Weil ich nicht mehr in Sendungen
arbeiten muß, die Glaubwürdigkeit verlangen.“
# Rolle 3: Nachrichtenjournalist: „Das hab'' ich in meinen fünf
Jahren bei der BBC in London gelernt: Distanz halten, sich nicht
gemein machen mit einer Sache, auch nicht mit einer guten...
# Kontextdifferenzierung: ...nicht in öffentliche Betroffenheit
versinken, im Umgang mit Katastrophen cool bleiben, ohne kalt zu
sein.“ situative Betroffenheit vs. wertgebundene Haltung
# Interkulturalität der Thematik: Lernen von anderen Ländern?
Zitat + Wirkung: Friedrichs, Spiegel 1995
6. # Friedrichs: keine prinzipielle Intention Differenzierung der Debatte
# Ein Journalist kann gleichzeitig mehrere Rollen haben
# Rolle abhängig von Stilform bzw. Format
# Zeitkontext beachten: Aktuelles vs. Hintergründe
# Subjektivitätsdifferenzen: Spontane Betroffenheit vs. Haltung
# Rollenselbstverständnis divergiert mitunter kulturell
# Parteipräferenzen + Einstellungen vs. Sendungsdrang (Schäfer 2011)
Verzerrte Rollendebatte in der Praxis
7. 7
Journalismus als normatives Geschäft mit
Verhandlungssystemen
# Jedes menschliche kommunikative Handeln ist in seine politischen,
kulturellen und individuellen Kontexte, Normen + Werte eingebunden
# Journalistisches Handeln unterliegt Entscheidungsprogrammen
(Redaktionsforschung), individuellen und kulturellen Mustern + Werten
# Journalismus =wertgebundenes, normatives Geschäft, das durch
Handwerk und Standards Normen der Unparteilichkeit entwickelt hat
# Austauschsystem: Wertbestände vs. Informationsfluss
17. Normativitätsferne der
Kommunikationswissenschaften
# Dominanz von pragmatischen, technikorientierten Fragen
Zunahme durch Medienkrise + Nutzwertzwang = Utilitarismus-Dogma
# normative vs. deskriptive, positivistische vs. kritische Perspektiven
# Journalistische Funktion statt Aufgabe (Horst Pöttker) Stetes
Abwiegeln der ethischen Frage und Verantwortung
# Ethik + Argumentationsverlust, Verlust der normativen
Grundlagen, Antwortleere zu medienpolitischen Fragen (Alexander
Filipovic)
# Unterbelichtung von systemrelevanten Sachwissen in der JA
18. # Demokratische Werte: Pluralität, freiheitl.-demokrat. Grundordnung,
Meinungsfreiheit, Menschenrechte, Gleichberechtigung
# Soziale, ökonomische, kulturelle Werte: Sozialstaat, Marktwirtschaft
Wachstumslogik, Minderheitenschutz, Völkerverständigung,
Multikulturalität, europäische Idee, Generationengerechtigkeit =
Nachhaltige Entwicklung als Leitbild + universeller Wert:
• Anthropozän, Wirtschaftsweise umfassende Relevanz
• 300 Jahre Tradition, Debatte in allen Systemen („Gesellschaftsgrün“)
• Teil der internat. Rechtskultur (Verträge, Verfassungen, Gesetze)
Wertebenen – ein Vorschlag
19. „Leitbilder sind Voraussetzung für eine Kommunikation zwischen
verschiedenen Wissenskulturen und Lebensstilgruppen. (...)
Konkret ermöglicht der Nachhaltigkeitsbegriff z.B. eine
Verständigung zwischen eher postmaterialistisch ausgerichteten
Umweltaktivistinnen und -aktivisten und wertkonservativ
ausgerichteten Bürgerinnen, ohne sofort Konfrontation und
Blockaden zu provozieren.“
Seeger, Peter: Qualitätsjournalismus am Beispiel des Zukunftsthemas ´Nachhaltige
Entwicklung und Lebensqualität´. Werkstattbericht, Darmstadt/Dieburg 2012, S.5.
# Schärfung im Diskurs: Bsp. Demokratie, Bsp. Marktwirtschaft
# Verbale Brückenfunktion durch Unschärfe
# Dabei: Semantische Normativität = „Aufforderungscharakter“
Nachhaltigkeit als Leitbild:
20. Engagement + Objektivität in der Praxis
# Objektivität als handwerklicher Auftrag und Nährungsgröße
# Objektivität in der Themenagenda: Neue vs. alte Themen
# Umfassenden Berichterstattung vs. vermachtete Öffentlichkeit
# Kennenlernen des Pro + Contra sowie der Gewichtungen
# Transparent machen von Pro + Contra nicht zwingend Zitate
# Gefahr: „balance as bias“ Neutralitätsreflexe
# Interessenstransparenz: Finanzierung, Herkunft, Verbindungen
21. „Darmstädter Denken“ für
journalistisches Engagement
# Lorenz Lorenz-Meyer, Peter Seeger, Silke Heimes, Torsten Schäfer
# Betonung öffentlich-rechtlicher Finanzierung („public value“)
# Wertegebundener, demokratiefunktionaler Journalismus
# (System)kritisches Denken, z.B. im Wissenschaftsjournalismus
# Umwelt und Nachhaltigkeit als Lehrschwerpunkt
# Projekte: GJ (Schäfer/Seeger) + Public Value (LLM)
# Themengebundene Schwerpunkte: Europa + Wissenschaft/Daten
22. Thesen und Fazit
# Mediale Fensterzeit (Chancen!), die Rollenbilder verändert
# Wertewandel, auf den Medien bereits reagieren: z.B. Zeithoheit;
Journalismus braucht Reflexion + Recherche Achtsamkeit
# eklatanter Bedarf nach medienethischer Ausbildung + Debatte
# Forschung 1:normativ, transdisziplinär, neue Methoden, alle
Wahrnehmungsbereiche (Claus Eurich)
# Forschung 2: Verdinglichung überkommen + neue „Menschnatur“
(Anthropozän) anerkennen + Demut schärfen
# Kommunikation: Sicherheit durch Unsicherheit Bsp. Klimawandel
# Kritische Theorie?: Rosa, Ott, (Welzer), KOWI: Eurich, (Filipovic)