Dargestellt wird wie einige kleine Unterschiede zu Kontinentaleuropa den
Übergang zu einer neuen Gesellschaftsordnung in England bewirken, ebenso
wie die Wechselwirkung mit dem Kontinent dafür ausschlaggebend war.
Ausgehend von der internationalen Nachfrage nach englischer Wolle
wandelt sich die englische Landwirtschaft seit dem ausgehenden
Mittelalter allmählich von einer feudal geprägten Wirtschaftsweise in
eine kapitalistische wobei auch der grundbesitzende Adel von dem
Übergang profitiert, ja ihn wesentlich mit vorantreibt. Im Gefolge
dessen dringt auch städtisches Kapital aufs Land vor. erwirbt
Grundeigentum und errichtet Manufakturen, wodurch der hemmende Einfluss
der Zünfte gebrochen wird. Im Ergebnis setzt sich im 16. Jhd. die kap.
Wirtschaftsweise durch.
Schockierend, aber auch irgendwie typisch für beide
Gesellschaftesordnungen ist dabei, wie menschenverachtend mittels
Blutgesetzgebung gegen die von ihrem Land vertriebenen ehemaligen Bauern
vorgegangen wird.
LAKO Kreativpreis_2024_Startnummer_02_(LFS_LA).pdf
Entstehung des kapitalismus in England
1. Ralf Malz / Oktober 2017 1/8
Entstehung des Kapitalismus in England
- Ein Beitrag zum Geschichtswochenende der Zukunftswerkstatt Jena 2017 –
basierend auf:
Jürgen Kuczynski: Gesellschaften im Untergang
Kapitel IV.: Eine positive Niedergangsperiode: England [1]
2. Ralf Malz / Oktober 2017 2/8
Zeitraum Basis Überbau
England konnte sich auch in der Vergangenheit häu-
fig nicht komplett mit Nahrungsmitteln selbst ver-
sorgen [1]. Außenhandel und Geld spielten daher
schon immer eine Rolle.
Bereits im Feudalismus beginnt die Umwandlung der
Natural- in die Geldrente.
13.-14. Jhd. England produziert die damals beste Wolle
Basis für die Tuchproduktion in Flandern und
Italien
Grundherren können Wolle leicht verkaufen,
aber auch die Bauern selbst verkaufen diese in
den Städten (beide haben Interesse an Produk-
tionssteigerung und kommen an Geld, Geld-
wirtschaft nimmt auch für den Adel an Bedeu-
tung zu [Gegensatz zum Kontinent])
Export durch die Städte
Mischformen von Fron- und Geldwirtschaft
Möglichkeit sich freizukaufen => persönlich
freie Bauern
Pest und kleine Eiszeit => starker Bevölke-
rungsrückgang [2]
Schafzucht bietet Grundherren die Möglich-
keit mit reduzierter Bauernschaft Einkommen
zu erzielen
Landflucht der Bauern wird immer weniger
verfolgt, im Gegenteil Bauernvertreibung =>
Entstehung von Tagelöhnern
Verbesserung der Lebensverhältnisse der Bauern
Leibeigenschaft verliert an Bedeutung
3. Ralf Malz / Oktober 2017 3/8
Aufgrund der Geldrente stellen auch kleine
und mittlere Grundeigentümer stellen selbst
Tagelöhner ein => Akkumulation
Herausbildung eines neuen Adels (gentry) in den
auch reiche Bauern hineinwachsen
In Städten ist Warenproduktion, d.h. für den
Markt mit Ziel Profit, bereits entwickelt.
Allmähliche Umwandlung der Fronverhältnis-
se in geldbasierte Vertragsverhältnisse erlaubt
es städtischem Kapital aufs Land vorzudrin-
gen (Pacht, später Kauf) und dort ebenfalls
profitorientiert zu wirtschaften.
Bürger wachsen ebenfalls in den neuen Adel hin-
ein
Im Laufe des 14. Jhd. geht verstärkter Über-
gang zu eigener Tuchproduktion
1453 100jähriger Krieg geht verloren
Im Laufe des Krieges bereits einsetzende Distan-
zierung zum Papsttum [2]
1455-1483 Rosenkriege
Großer Feudaladel vernichtet sich selbst
Seitenlinien (Tudors) und neuer Adel gelangt an
die Macht, für den bedeutet Geld = Macht
ca. 1450-1550 Auflösung feudaler Gefolgschaften (öko. wie
pol.)
Aufblühen der Tuchproduktion in Flandern
=> steigende Wollpreise; verstärkte Umwand-
lung in Weideland
„Enclosures“, gewaltsame Umwandlung von
Allmende in Privatbesitz (u.a. Ausnutzung
unklarer Besitzverhältnisse)
Im Streben nach Absolutismus stütz sich die
Krone auf den neuen Adel und die Bourgeoisie
und bricht die Macht des verbliebenen alten
Adels (Heinrich VII.), Gegensatz zu Frankreich
wo sich die Krone auf einen „gezähmten“ Adel
stützt
Durch Loslösung vom Papsttum und Enteignun-
gen wird die Macht der feudalen Kirche gebro-
4. Ralf Malz / Oktober 2017 4/8
=> massive Vernichtung bäuerlicher Existen-
zen, zusätzliches Land wird frei
chen (Heinrich VIII.). Übereignung von Kir-
chenland an Günstlinge (neuer Adel).
=> massive Freisetzung von Arbeitskräften die
von den neuen Manufakturen nicht aufge-
nommen werden können (Bettler, Räuber, Va-
gabunden)
Blutgesetzgebung (72.000 Hinrichtungen unter
Heinrich VIII.; 300-400 /Jahr unter Elisabeth) =>
Disziplinierung zur Arbeit
Mit Trennung vom Katholizismus wird Land-
verkauf nicht länger als unmoralisch betrach-
tet => Bürger erwerben verstärkt Land
Enteignung der Bauern und kleinen Pächter,
Großpächter erlangen wachsende Bedeutung
und 2-3 Jhd. später dominieren sie die gesam-
te Landwirtschaft (Höhepunkt der Enclosures
im 19. Jhd.)
Händler kümmern sich vermehrt auch um die
Produktion
erwerben Land (=>Rohstoffe) für die komplet-
te Produktionskette
finden auf dem Land die nötigen billigen Ar-
beitskräfte
Auflösung der feudalen Verhältnisse auf dem
Land ermöglicht hier die Errichtung von Ma-
nufakturen (in Städten noch verhindert durch
Zünfte)
Wasserkraft
Handelskap. wird zu produzierenden Kap.
5. Ralf Malz / Oktober 2017 5/8
In der ersten Hälfte des 16. Jhd. wird die Pha-
se des nicht mehr feudal, noch nicht kapitalis-
tisch in der Wirtschaft überwunden
Staat bleibt feudal obwohl Parlament mehr und
mehr Bedeutung erlangt (z.B. Steuern)
Ganze Dörfer und Städte fallen der Schafzucht zum Opfer, damit fällt auch die Nahrungsmittelprodukti-
on
Mit Beginn der feudalen Zersetzung verbessern sich die Lebensverhältnisse, aber je mehr der Kap. sich
durchsetzt desto stärker verschlechtern sie sich wieder bis zur Rev. von 1640. Nicht betroffen davon
sind in Naturalien bezahlte Arbeiter oder solche mit Landbesitz, da Ursache Inflation (gewisser Vorteil
für halbfeudale Beziehungen).
Reallohn Landarbeiter in England
0
50
100
150
200
1350 1400 1450 1500 1550 1600 1650
Jahr
rel.Lohn
Reallohn bzgl. Getreidepreis
Bis zum 17. Jhd. signifikante Steigerung der Hektarerträge in der restlichen Landwirtschaft (Düngung
[Schafdung], Bewässerung, neue Flächen, Fruchtwechsel, Konzentration in größeren Betrieben).
Verbleibenden Bauern geht es besser. Zwischen 1200 und 1450 dagegen kaum Änderung.
Bauernaufstände und Schaftötungen im 16. Jhd. wegen Einhegungen
6. Ralf Malz / Oktober 2017 6/8
Inflation
0
100
200
300
400
500
600
700
800
1400 1450 1500 1550 1600 1650
Jahr
Produktpreisentwicklung
Landwirtschaft Industrie
Industrieproduktion wird effektiver Landarbeiter kaufen Industrieprodukte => erhöhte Nachfrage
1540-1640 Industrielle Revolution
Verwendung nicht zunftgebundener Arbeitskräfte
Kohle als neue Energiequelle (Ursache: Holz wird knapp)
Schafzucht steht Aufforstung entgegen. Gesetze zum Schutz der Wälder ab Mitte des 16. Jhd.
Kohlebedarf: Heizung, Salzsieder, Eisen, Schmiede, Ziegeleien, Brauereien, Färbereien, Glasherstellung
Kohleverschiffung in dem Zeitraum ca. verzwanzigfacht (Millionen Tonnen) => Lastschiffe werden
größer
immer größere Tiefe der Bergwerke, alte Pumpentechnik wird zum Hemmnis (zu was gut für Silber ist
ist zu teuer für Kohle), 1712 erste Dampfpumpen
Holzschienen vom Bergwerk zum Schiff verdrängt unabhängige Fuhrleute
Umstellung von Holz auf Kohle erforderte neue Technologien, verbunden mit erhöhtem Kapitalbedarf.
Kleine Produzenten werden vernichtet.
7. Ralf Malz / Oktober 2017 7/8
Übergang von der Luxusgüter-Produktion zur Produktion von Massengütern, z.B. anstatt künstlerischer
Glasgefässe Fensterglas
Damit entsteht Konsumgüterindustrie, die die freien Arbeitskräfte aufzunehmen beginnt.
Industrie (z.B. Hochöfen) anfangs teilweise getriggert von Militärbedarf
Außenhandel wird zu einer wesentlichen Akkumulationsquelle (Nichtäquivalententausch in den neuen
Ländern)
Risiken der Entdeckungs-/Handelsfahrten führen zur Einführung von Aktiengesellschaften in England,
welche Herrschaftsrechte (+Monopolrechte) in den neuen Gebieten erhalten. Sklavenhandel
Vermengung von Außenhandel, Piraterie und Militär
1640 Revolution
Ende des 16. Jhd. wahre Invasion Englands durch feudale/katholische Agenten => zunehmende Gleich-
setzung von Katholik, Agent und Landesverräter
Verschärfung des Gegensatzes zwischen absolutistischem König, mit relativ schwindenden Einnahmen
aus Königsbesitz, und dem Parlament (Steuern)
Feudalvertreter im Staat erlangten großen Einfluss (Wales und der Norden nicht von Veränderungen be-
troffen). Macht der Kirche nahm wieder zu.
Moralischer Verfall des königlichen Staatsapparates, Korruption, Ämter- und Titelkauf, bis zur Strafe
wenn man keinen Adelstitel kaufen wollte. Gleichzeitiges Wachstum der Bürokratie. (besonders unter
Karl I.)
Steuerpol. des Königs richtet sich gegen kap. Interessen. „Forrest Courts“ auch gegen den neuen Adel
und die Investitionssicherheit auf dem Land.
Bourgeoisie und neuer Adel stehen gegen König um den Kap. gegenüber dem Staat zu sichern und
Überbau und Wirtschaft in Einklang zu bringen. D.h. bewahren der öko. Verhältnisse.
Freie Bauernschaft nicht im Bündnis mit Kap., im Ergebnis der Rev. wird sie langfristig sogar als
Schicht vernichtet
Werktätige und Vagabunden in Städten meist für die Rev.
Es geht nicht darum dem Kap. zum Durchbruch zu verhelfen, das hat er öko. schon geschafft, sondern
8. Ralf Malz / Oktober 2017 8/8
das Bestehende zu bewahren und die Ökonomie mit dem Überbau in Einklang zu bringen.
[1] Jürgen Kuczynski: Gesellschaften im Untergang; Akademie-Verlag Berlin 1984
[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Geschichte_Englands; 4. November 2017