4. Ideen für die Zukunft…
Wir sind gewöhnlich stark mit der Bewältigung
von drängenden Problemen beschäftigt
Heute wollen wir ein paar eher utopische Ideen
durchgehen
Demokratie statt Gouvernokratie
Antwort auf die Frage des Untertitels: Yes we can
«Man ist nicht realistisch, indem man keine Idee
hat.» Max Frisch
4 Silvano Moeckli
5. Problem resultiert aus Erfreulichem
In Kriegs- und Krisenzeiten dominieren die politischen
Einheiten. Die Grenzen sind dicht.
Wenn Grenzen durchlässig werden, Individuen,
Unternehmungen und politische Einheiten frei
Bindungen eingehen können, verändern sich die
funktionalen Räume.
Was wir jetzt erleben ist nichts anderes als eine
politische Anpassung an das Ergebnis des
einigermassen freien Spiels der Kräfte.
Regierungen und Verwaltungen haben sich
angepasst.
Parlamente und direkte Demokratie haben
5 Nachholbedarf.
Silvano Moeckli
6. Kurzdiagnose
Die politischen Räume sind fix
Funktionale Räume wandeln sich ständig
Die Prozesse überschreiten die Grenzen der
politischen Räume
Politische Räume können die neu entstehenden
Probleme nur noch gemeinsam lösen, mit bi- und
multilateralen Verträgen, die auch gemeinsame
Institutionen schaffen.
Es gibt unter den Schweizer Kantonen etwa 800
Konkordate
6 Silvano Moeckli
7. These 1
Die unabdingbare horizontale Kooperation der
Staaten, Gliedstaaten und Gemeinden
transformiert die Demokratie allmählich zu einer
Gouvernokratie. Zu den Gewinnern gehören nicht
nur die Regierungen, sondern auch die
Verwaltungsspitzen und Interessengruppen.
7 Silvano Moeckli
8. Begründung These 1
Regierungen schaffen die Regeln, Regierungen
spielen nach diesen Regeln,
Regierungsmitglieder besetzen die wichtigen
Ämter in den neu geschaffenen Organen,
Regierungen sind für die Kontrolle zuständig,
Ausgaben sind gebunden
Die Entscheidungsvorbereitung und die
Umsetzung verschieben sich in
ausserparlamentarische und nichtöffentliche
Bereiche
8 Silvano Moeckli
9. These 2
Die derart gestaltete grenzüberschreitende Politik
hat Demokratie-, Diskurs-, Begeisterungs- und
Informationsdefizite.
Regierungen sind zwar auch direkt vom Elektorat
gewählt (in den Gemeinden und Kantonen) oder
indirekt durch das Elektorat legitimiert, bilden es
aber nicht in gleicher Weise ab wie Parlamente.
9 Silvano Moeckli
10. Begründung These 2
Der Meinungsbildungsprozess in der
grenzüberschreitenden Politik ist ein anderer als
in der gliedstaatlichen und kommunalen.
Es findet bei dieser kaum ein öffentlicher Diskurs
statt, weil es keinen gemeinsamen öffentlichen
Raum gibt.
Wer nicht mitreden kann, informiert sich auch
nicht und lässt sich nicht für eine Sache
begeistern.
10 Silvano Moeckli
11. These 3
Aus einer Gesamtperspektive ist die Frage nicht,
wer Macht gewinnt oder verliert, sondern: Wie
gestalten wir die Strukturen, Prozesse und
Entscheide so, dass sie demokratisch,
sachgerecht und bürgernah sind?
Grenzüberschreitende Demokratie darf als Option
kein Tabu sein.
Politik ist Interessenvertretung und Kampf um
Macht. Aber sie ist auch Ausgleich und die Suche
nach der besten Lösung
11 Silvano Moeckli
12. Begründung These 3
Zentralisierung ist ein anhaltender Prozess seit
der Gründung der Bundesstaaten
Sie setzt sich fort auf internationaler Ebene
Sie muss gekoppelt sein mit Demokratisierung
(wie 1874)
Stärkere Beteiligung des Elektorats erhöht den
Komplexitätsgrad bestehender Verflechtungen
zusätzlich
Momentan nicht realisierbar, muss aber im Auge
bleiben, denn die Konstellationen können ändern
Gerade bei der hohen Komplexität und dem
ständigen Wandel der funktionalen Einheiten
12 Silvano Moeckli es stabile Gebilde wie die politischen
braucht
Einheiten.
13. Institutionen und Ideen in der
Bodenseeregion
Bodenseerat
IBK
Parlamentarier-Konferenz Bodensee
http://www.emb.net (Electronic Mall Bodensee)
Bodensee-Konvent 2011
Forderung der SBI nach einem Bodensee-Parlament
(Romanshorn 1993)
Zukunftskonferenz Bodensee am 13.Juni 2006 in
Friedrichshafen: Einführung eines gewählten
Bodenseeparlaments, Einführung einer aktiven
Bodenseeregierung
Bevölkerung muss einbezogen werden
Ein Parlament müsste echte Kompetenzen haben
13 Silvano Moeckli
14. Das Modell
Ein Modell der grenzüberschreitenden
Zusammenarbeit mit direkt- und
repräsentativdemokratischen Elementen ist der
Distrikt.
Der Distrikt organisiert nicht nur Politik und den
Service Public, sondern ist auch ein Mittel zur
Herausbildung eines grenzüberschreitenden
regionalen Bewusstseins und zur Revitalisierung
der Demokratie.
14 Silvano Moeckli
15. Der Distrikt
Dieser Distrikt wäre gewissermassen eine
Spezialgemeinde über Landesgrenzen hinweg
mit repräsentativdemokratischen Organen und
direktdemokratischen Instrumenten.
„Grundeinheiten“ eines Distrikts wären politischen
Gemeinden rund um den Bodensee der
Gliedstaaten Vorarlberg, Bayern, Baden-
Württemberg, Thurgau und St. Gallen.
15 Silvano Moeckli
16. Aufgabenbereich eines Distrikts
Der Distrikt hätte eine ganz konkrete Aufgabe im
Bereich des Service Public zu erfüllen
Öffentlicher Nahverkehr
Wasserversorgung
Abwasserreinigung
Müllabfuhr und -entsorgung
Schifffahrt
Spitäler
Beispiel BART in der Region San Francisco
http://www.bart.gov/about/index.aspx
16 Silvano Moeckli
17. Politische Struktur des Distrikts
Organe
Elektorat
Distriktsparlament
Distriktsrat
Eventuell Distriktsgericht
17 Silvano Moeckli
18. Elektorat
Organ Befugnisse/Aufgaben Personenkreis/Re
-krutierungsbasis
Elektorat Wahl des Die
Distriktsparlaments Wahlberechtigten
in den beteiligten
Obligatorisches Gemeinden
Referendum über
rechtliche Grundordnung
Fakultatives
Finanzreferendum
Volksinitiative als
allgemeine Anregung
18 Silvano Moeckli
19. Distriktsparlament
Organ Befugnisse/Aufgaben Personenkreis/Rekru-
tierungsbasis
Distriktsparla- Wahl und Entlassung des Die Wahlberechtigten
ment Distriktsrates in den beteiligten
Gemeinden
Entscheidungsvorbereitung
für Elektorat Mitglieder regionaler
und lokaler Räte sind
Budgethoheit wählbar
Setzung von Zielen und Verhältniswahlrecht
Erteilung von mit Wahlkreisen
Leistungsaufträgen für den
Distriktsrat Amtszeitbeschränkun
g
Controlling
19 Silvano Moeckli
20. Distriktsrat
Organ Befugnisse/ Personenkreis/Rekru-
Aufgaben tierungsbasis
Distriktsrat Entscheidungsvorbere Politiker und parteipolitisch
itung für das unabhängige Manager
Distriktsparlament
Umsetzung der
Zielsetzung
Leistungsvereinbarun
gen mit
Leistungserbringern
Führung der
Verwaltung
20 Silvano Moeckli
21. Ressourcen
Der Distrikt verfügt über hoheitliche Befugnisse
Er ist nicht auf schnellen Gewinn aus (keine
Privatisierung)
Er finanziert sich durch Steuern und Gebühren
21 Silvano Moeckli
22. Schwierigkeiten
Es gibt sicher hunderte von Einwänden, wieso
der Distrikt die ungeeignete Form der
Zusammenarbeit ist, wieso er in dieser Form
niemals funktionieren kann... Solche Einwände
gibt es immer, wenn eine neue Idee auftaucht.
Es gibt viele bestehende Interessen
Politische Einheiten müssten Kompetenzen
abtreten und erhielten nicht wie bei der
Privatisierung Cash
Drei Rechtsordnungen – plus EU
Ein Distrikt im Bodenseeraum wäre weltweit
22 einzigartig
Silvano Moeckli
Es bräuchte einen komplizierten Staatsvertrag
23. Nutzen
Der demokratisch organisierte Distrikt fördert die
Identität und damit auch die Solidarität
In einem Distrikt werden Kosten und Nutzen
verteilt; man kann nicht den Nutzen auf Kosten
der anderen erlangen (Spillover-Effekt).
Um das Band der Verbundenheit um den
Bodensee zu schnüren, müssen auch die
Menschen einander näher kommen und in
dauerhafte Beziehungen treten
Nicht nur mit besseren öffentlichen Leistungen (=
Output), sondern durch Beteiligung (= Input).
Chancen für einen öffentlichen Raum.
23 Silvano Moeckli
24. Privatisierung statt Demokratisierung
Stadt St. Gallen: Verkehrsbetriebe als AG geplant
Kanton St. Gallen: Weitere Privatisierung der
Kantonalbank (mit Staatsgarantie)
«Liberalisierung» des Strommarktes
In Rorschach konnte früher zu den Stromtarifen
das Referendum ergriffen werden
Es gibt Dienstleistungen, auf die man nicht
verzichten kann (too important to fail): Auf
Lastwagenproduktion konnte man in Arbon
verzichten, nicht aber auf die Wasserversorgung
24 Silvano Moeckli
25. Riegel gegen Privatisierung
Privatisierung des Service public bei
monopolisierten Angeboten führt i.d.R.
Zu höheren Löhnen der Manager
Zu höheren Preisen
Zu schlechterem Service
Es gibt nach der Vergabe keinen Markt mehr,
sondern «Rent seeking»
Nur der Staat kann die Kontinuität der Leistungen
und die Erneuerung der Infrastruktur garantieren
Vorsicht auch bei PPP: Public Private Partnership
25 Silvano Moeckli
26. Wasser: Gefahr aus der EU
Europäische Wasserrahmenrichtlinie
Neuer Richtlinenvorschlag bezüglich Ausschreibung
der Wasserversorgung
Konzessionsvergaben mit einem Vertragswert von
mehr als fünf Millionen Euro sollen künftig in ganz
Europa ausgeschrieben werden
Erfahrungen in Portugal, Frankreich und GB
EU-»Bürgerinitiative»: Wasser und sanitäre
Grundversorgung sind ein Menschenrecht! Wasser ist
ein öffentliches Gut und keine Handelsware!
Gegenbewegung in Paris
Forderung nach Demokratisierung geht genau in die
andere Richtung
26 Silvano Moeckli
27. Fazit
Grenzüberschreitende regionale Demokratie ist
möglich
Idee ist schwer durchzusetzen
Man muss wohl auf «Fenster der Möglichkeit»
warten
Mit Idee kann ein Gegengewicht gesetzt werden
zur Privatisierung des Service public
Die Demokratisierung (Distrikt) kann in einem
ersten Schritt auch innerhalb der Landesgrenzen
erfolgen
Demokratisierung statt Privatisierung
27 Silvano Moeckli