1. Wie kann das Phänomen der
offenen (digitalen) Bildung/Open
Education
erziehungswissenschaftlich
bearbeitet werden?
Markus Deimann
FernUniversität in Hagen
2. Das Thema
● Open Education als pädagogische
Reformbewegung: Was steckt aus Sicht der
Bildungstheorie dahinter?
● Vorgehen:
(1)Gegenstandtheoretische Darstellung des
Phänomens Open Education
(2)Grundlagentheoretische Rahmung
(3)Zusammenführung und Weiterentwicklung der
Idee von Bildung
4. Eckpunkte der OE-Entwicklung
● 1960/70er Jahre: stark ideologisch und politisierend
mit geringer empirischer Evidenz; Open als Kampfwort
● Danach: Abkehr von OE zugunsten traditioneller
Lehrmethoden (Frontalunterricht)
● Revival seit 2001: Start der Open Educational
Resources (OER) Bewegung; MIT, UNESCO
● 2007 :Kapstadt Open Education Declaration:
Gemeinsam das Potenzial von "Open Educational
Resources (OER)" realisieren
● 2008: Massive Open Online Courses (MOOCs):
xMOOCs vs. cMOOCs
● 2012: for-proft Unternehmen (z.B. Coursera):
Kommodifzierung von Bildung
5. Was sind Open Educational
Resources?
● „klassische“ Defnition von Atkinson et al, 2007,
p.4:
OER are teaching, learning, and research resources that reside in
the public domain or have been released under an intellectual
property license that permits their free use or re-purposing by
others. Open educational resources include full courses, course
materials, modules, textbooks, streaming videos, tests, software,
and any other tools, materials, or techniques used to support
access to knowledge.
● Offener Zugang durch entsprechend liberale
Lizenzierung ist entscheidend, muss daher nicht
per se kostenfrei sein
6.
7. Potentiale von OER
● Ökonomisch: Kostenreduktion durch (lizenz-)freie
Lehrmaterialien
● Sozial: Chancengleichheit, Demokratisierung von
Bildung
● Kulturell: Leitbild des Teilens und der
Wiederverwertung (entgegen dem Homo
oeconomicus); Kollaborative Formen der
Wissensbearbeitung (z.B. Wikipedia)
● Bildungstheoretisch/-philosophisch: neue
Denkfguren
8. Bildung für die Masse: MOOCs
● OER und Open Access machen noch keine Bildung
aus
● Lehrmethoden und Lernpraktiken müssen sich
auch ändern
● Wissen liegt nicht nur innerhalb der Person,
sondern auch in den Knoten des digitalen Netzes
● Social Media Anwendungen unterstützen Lernen
und Bildung durch Aggregation, Kuration,
Bewertung, Teilen etc.
9. Bildungsprinzipien nach Marotzki:
Die vier MOOC 1) Information muss in Wissen transformiert
Prinzipien: werden
1.Aggregate 2) Reflexion über dieses Wissen hinsichtlich
2.Remix (a) seiner Genese und Konstitution
(b) seiner Reichweite
3.Repurpose (c) der gerechtfertigten Anwendung
4.Feed Forward 3) Artikulation der eigenen Haltung im
öffentlichen Raum
10. Alles neu macht der MOOC?
● Kann in die Tradition des Projektunterrichts
eingebunden werden
● Orientiert an Prinzipien einer
Gelehrtengesellschaft: Ausnutzen der
Forschungsergebnisse anderer und Verpflichtung
zur Rückgabe an die Gemeinschaft
● Leitbild digitaler Bildung? Neue Kompetenzen
erforderlich zur Orientierung, Artikulation und
Partizipation
● Prototyp für Veränderungen im Bildungssystem:
– Disruption
– Unbundling
11. Ein Schritt zurück
● Durch die hohen TN-Zahlen wurden
wirtschaftliche Begehrlichkeiten geweckt
● Sog. Open Courses, die nur vordergründig in der
Tradition von OE stehen (Restriktion durch
Standard-Urheberrecht)
● „Einsperren der Bestie OER“ auf einer
(geschlossenen) Plattform zur besseren
Vermarktung
● Moralische Fragen werden aufgeworfen: Bildung
für alle verschiebt sich vom Zweck zum
Nebeneffekt; Zweck sind nun allein neue
Einkommensquellen
12.
13. 2. Schritt: Bildungstheoretische
Rahmung
● Mit welchen Theorien und Ansätzen?
● Genereller Anspruch von OE: Bildungsideal nach
Humboldt (Deutscher Idealismus); Bildung und OE
als verwandte Seelen
● Spezifsche Wirkungsweise: Strukturale
Bildungstheorie nach Marotzki; Bildung als
Fähigkeit zur Orientierung, Artikulation und
Partizipation in offenen digitalen Räumen
● Blick auf Kehrseiten: Befreiung vs. Ausgrenzung,
philosophische Positionen von Foucault
14. Einschätzung der OE-Bewegung
● 1960/70er Jahre: ideologisch; bildungsphilosophische
Engführung durch Fokussierung auf Rousseau
● 2001-2008 OER: Technik als einziger Treiber für
Bildungsinnovationen; humanistische Ideale: Wissen als
kollektives Gut und Recht auf Bildung
● 2008-2012: klassische MOOCs; Leitbild des Connectivism
● Ab 2012: kommerzielle MOOCs; Untergraben die
ursprüngliche Philosophie; Kommodifzierung und
Kommerzialisierung von Bildung
15. Fragerichtungen
● Bildungstheorie → OE
– Begriff
– Instanz
– Gesellschaftlicher Bezug
– Prozess
– Moralische Implikationen
● OE → Bildung
– Weiterdenken des Bildungsbegriffs, z.B.
„Sharing Turn“ und Coming Out
– OE als Katalysator der Digitalisierung; Napster
Effekt
16. Fragen zur Diskussion
● Welche bildungstheoretischen Fragen sollten an
die OE Bewegung gestellt werden?
● Wie können Bildungsinnovationen durch OE
angeleitet und durch Bildungstheorie abgesichert
werden?
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