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Eckpunkte zur
           Umsetzung des Koalitionsvertrags für die Arzneimittelversorgung


1. Handlungsbedarf

  Die Arzneimittelausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung sind im Jahre 2009 um 5,3
  % je Versicherten gestiegen. Dies entspricht einem Zuwachs von rd. 1,5 Mrd. Euro. Die
  hohen Ausgabenzuwächse der vergangenen Jahre haben dazu geführt, dass im Jahr 2009
  einschließlich der Zuzahlungen der Versicherten mehr als 32 Mrd. Euro für Arzneimittel
  ausgegeben wurden. Der Kostenzuwachs wird durch Arzneimittel ohne Festbetrag
  verursacht (2009: + 8,9%), während die GKV-Umsätze mit Festbetragsarzneimitteln sinken
  (2009: minus 2%). Wachstumsträger sind kostenintensive Spezialpräparate mit jährlich
  zweistelligen Zuwachsraten. Ihr Anteil am GKV-Arzneimittelumsatz erreicht bereits rd. 26 %,
  obwohl ihr Verordnungsanteil nur 2,5 % beträgt.


2. Ziele

  Eine Neuordnung des Arzneimittelmarktes muss drei Ziele verfolgen:
  1.   Den Menschen müssen im Krankheitsfall die besten und wirksamsten Arzneimittel zur
       Verfügung stehen.
  2. Die Preise und Verordnungen von Arzneimitteln müssen wirtschaftlich und
       kosteneffizient sein.
  3. Es müssen verlässliche Rahmenbedingungen für Innovationen, die Versorgung der
       Versicherten und die Sicherung von Arbeitsplätzen geschaffen werden.
  Zur Weiterentwicklung des Arzneimittelbereiches schlagen wir ein Maßnahmenbündel vor,
  das Deregulierung, kurzfristig wirksame Sparbeiträge und langfristig wirkende strukturelle
  Veränderungen beinhaltet.


3. Erstattung innovativer Arzneimittel

   • Der freie Marktzugang bleibt erhalten. Die Unternehmen können im ersten Jahr der
       Markteinführung ihr Produkt zum geforderten Preis vermarkten.
   • Das pharmazeutische Unternehmen ist verpflichtet, zur Markteinführung ein Dossier zu
       Nutzen und Kosten einzureichen. Basis hierfür sind insbesondere die Phase III-Studien
       des Zulassungsverfahrens, die ggf. in Abstimmung mit dem IQWiG/ G-BA um weitere
       Studien ergänzt werden. Grundsätzlich soll im Sinne einer größeren Planungssicherheit
       und eines frühen Dialogs das IQWiG/ der G-BA dem pharmazeutischen Unternehmen
       bei Bedarf frühzeitig beratend zur Seite stehen.
• Mit einem Dossier werden folgende Nachweise erbracht:
    o   zugelassene Anwendungsgebiete,
    o   medizinischer Nutzen,
    o   medizinischer Zusatznutzen im Vergleich zum Therapiestandard bzw. zu Thera-
        piealternativen,
    o   Therapiekosten,
    o   Quantifizierung der Anzahl der Patienten bzw. Abgrenzung für die Behandlung in
        Frage kommender Patientengruppen,
    o   Beschreibung der Anforderung an eine qualitätsgesicherte Anwendung.
•   Auf Grundlage des eingereichten Dossiers veranlasst der G-BA in kurzer Frist eine
    Nutzenbewertung, die in der Regel spätestens drei Monate nach Zulassung vorliegen
    soll. Er kann das IQWiG damit beauftragen. In der Bewertung wird insbesondere
    festgestellt, für welche Patienten und Erkrankungen ein Zusatznutzen besteht, was die
    Vergleichsprodukte sind und ob das Arzneimittel "Solist" ist oder ob Wettbewerb mit
    ähnlichen Arzneimitteln besteht (= kein "Solist").

Arzneimittel ohne Zusatznutzen
• Arzneimittel, für die in dieser Nutzenbewertung kein Zusatznutzen festgestellt wird,
    sollen künftig direkt in das Festbetragssystem überführt werden. Grundsätzlich soll es
    darüber hinaus bei Analogarzneimitteln eine Umkehr der Beweislast geben. Eine
    therapeutische Verbesserung wird nur auf Antrag des Unternehmens anerkannt. Dieses
    ist verpflichtet, die notwendigen Belege dazu selbst vorzulegen. Dabei ordnet der
    G-BA Molekülvariationen automatisch der entsprechenden pharmakologischen
    Vergleichsgruppe zu. Der G-BA entscheidet bei neu zugelassenen Arzneimitteln
    innerhalb von 90 Tagen nach Vorliegen der Nutzenbewertung. Eine Klage hat keine
    aufschiebende Wirkung.

Arzneimittel mit Zusatznutzen
• Das pharmazeutische Unternehmen vereinbart mit dem Spitzenverband Bund der
    Krankenkassen innerhalb eines Jahres nach Zulassung in Direktverhandlungen einen
    Rabatt auf den Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers (ApU) mit Wirkung für
    alle Krankenkassen. Der Listenpreis des Unternehmens bleibt unverändert. Der Vertrag
    soll auch Vereinbarungen zu Versorgung und Qualität sowie zur Ablösung der
    Richtgrößenprüfung beinhalten.
• Erfolgt keine Einigung, entscheidet eine zentrale Schiedsstelle innerhalb von drei
    Monaten. Die Schiedsstelle setzt den Rabatt z.B. auf Basis internationaler
    Vergleichspreise fest. Der Rahmen für Schiedsentscheidungen wird durch Gesetz
    vorgegeben. Durch einheitliche Verfahrensvorschriften wird der Aufwand begrenzt. Eine
Klage gegen den Schiedsspruch hat keine aufschiebende Wirkung. Während dieser
       Bewertung gilt der Schiedsspruch fort.
   • Beide Seiten können nach einem Schiedsspruch auch eine Kosten-Nutzenbewertung
       verlangen. Zur Vorbereitung von Kosten-Nutzen-Bewertungen vereinbaren der
       Gemeinsame Bundesausschuss und der pharmazeutische Hersteller eine angemessene
       Frist zur Vorlage von Versorgungsstudien und die darin zu behandelnden Schwerpunkte.
       Diese sind bevorzugt in Deutschland durchzuführen; die Ergebnisse sind zusammen mit
       klinischen Studien Basis einer anschließenden Kosten-Nutzen-Bewertung durch das
       IQWiG oder für Direktverhandlungen zwischen Krankenkassen und
       Pharmaunternehmen. Die Frist bemisst sich nach der Indikation des Arzneimittels und
       dem nötigen Zeitraum zur Bereitstellung valider Daten durch Studien. Sie beträgt
       maximal drei Jahre.
   •   Abweichend vom zwischen Spitzenverband Bund und pharmazeutischen Unternehmen
       geschlossenen Vertrag bzw. von der Entscheidung der Schiedsstelle oder einem
       festgesetzten Höchstbetrag können Kassen einzeln oder im Verbund davon
       abweichende vertragliche Vereinbarungen mit dem pharmazeutischen Unternehmen
       treffen, z.B. so genannte Mehrwert- und Versorgungsverträge oder eine Beteiligung an
       Verträgen der Integrierten Versorgung. Der Abschluss dezentraler Verträge wird durch
       gesetzliche Rahmenbedingungen erleichtert.
   •   Für den Bestandsmarkt von patentgeschützten, nicht festbetragsfähigen Arzneimitteln
       kann das Vertragsverhandlungsverfahren auf Initiative der Beteiligten in Gang gesetzt
       werden.


4. Festbetragsmarkt

  •    Das Festbetragssystem bleibt erhalten. Bei der jährlichen Anpassung der
       Festbetragshöhe sollen die Zuzahlungsfreistellungsgrenzen (30 % unter Festbetrag)
       berücksichtigt werden. Dadurch wird eine Preisspirale nach unten (Kellertreppeneffekt)
       vermieden.
  •    Die Rabattverträge werden weiterentwickelt. Die Vertragsbedingungen werden
       verstetigt. Die Zuständigkeit der Zivilgerichtsbarkeit für das Vergaberecht wird
       hergestellt. Es werden flankierende Regelungen getroffen zum Erhalt des Wettbewerbs.
       Damit wird sichergestellt, dass genügend Anbieter im Markt bleiben und der
       Preiswettbewerb nicht mittelfristig durch Oligopolisierung eingeschränkt wird.
  •    Versicherte können ein anderes als das Rabatt-Präparat ihrer Krankenkasse wählen und
       erhalten dafür Kostenerstattung im Rahmen einer Mehrkostenregelung.
  • Die vollständige Anwendbarkeit des Kartellrechts für Rabattverträge einschließlich der
       Rechtswegzuweisung zu den Zivilgerichten wird angestrebt.
5. Deregulierung

  Die Instrumente im Bereich der Arzneimittelregulierung sollen auf ihre weitere Notwendigkeit
  hin überprüft werden, insbesondere: Verschlankung der Wirtschaftlichkeitsprüfungen, Bonus-
  Malus-Regelung, Zweitmeinung, Importarzneimittel. Das bestehende und unübersichtliche
  System an Therapiehinweisen und Verordnungsausschlüssen wird klarer geregelt.


6. Arbeit des IQWIG

  •   Das IQWIG wird in seiner wissenschaftlichen Arbeit gestärkt. Die Verfahrensabläufe
      werden gestrafft.
  •   Das IQWIG erstellt den Berichtsplan nach Anhörung der Fachkreise (Scoping).


7. Vertriebsweg

  Für die flächendeckende und sichere Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln durch
  Apotheken soll der Missbrauch des Versandhandels durch sogenannte Pick-up-Stellen
  unterbunden werden.


8. Kurzfristig wirksame Entlastungen

  • Der Abschlag für Arzneimittel ohne Festbetrag wird von derzeit 6 % auf 16 % angehoben.
      Er kann durch Verträge, die einem Abschlag mindestens in Höhe dieses gesetzlichen
      Abschlages entsprechen, abgelöst werden.
  • Für die Geltungsdauer des erhöhten Abschlags gilt ein Preisstopp. Preiserhöhungen
      werden durch einen Zusatzrabatt in gleicher Höhe für die GKV neutralisiert. Preisbasis ist
      der 1. August 2009. Der Preistopp gilt bis zum 31.12.2013. Bei Änderungen der
      Packungsgröße oder der Wirkstärke je Applikationseinheit gilt der Preis je Tagesdosis der
      jeweiligen größten Packung mit dem gleichen Packungsgrößenkennzeichen zum Stichtag
      als Vergleichsbetrag.
  • Der Großhandel erhält eine leistungsgerechte Vergütung. Der Großhandelszuschlag wird
      auf einen preisunabhängigen Fixzuschlag und einen prozentualen Zuschlag umgestellt.
      Dabei werden Funktionsrabatte an Apotheken berücksichtigt.
  • Die mit der 15. AMG-Novelle geänderten Regeln zur Zytostatikaversorgung sollen
      dahingehend überprüft werden, ob die angestrebten Verbesserungen zur wirtschaftlichen
      Versorgung tatsächlich erreicht wurden.

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  • 1. Eckpunkte zur Umsetzung des Koalitionsvertrags für die Arzneimittelversorgung 1. Handlungsbedarf Die Arzneimittelausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung sind im Jahre 2009 um 5,3 % je Versicherten gestiegen. Dies entspricht einem Zuwachs von rd. 1,5 Mrd. Euro. Die hohen Ausgabenzuwächse der vergangenen Jahre haben dazu geführt, dass im Jahr 2009 einschließlich der Zuzahlungen der Versicherten mehr als 32 Mrd. Euro für Arzneimittel ausgegeben wurden. Der Kostenzuwachs wird durch Arzneimittel ohne Festbetrag verursacht (2009: + 8,9%), während die GKV-Umsätze mit Festbetragsarzneimitteln sinken (2009: minus 2%). Wachstumsträger sind kostenintensive Spezialpräparate mit jährlich zweistelligen Zuwachsraten. Ihr Anteil am GKV-Arzneimittelumsatz erreicht bereits rd. 26 %, obwohl ihr Verordnungsanteil nur 2,5 % beträgt. 2. Ziele Eine Neuordnung des Arzneimittelmarktes muss drei Ziele verfolgen: 1. Den Menschen müssen im Krankheitsfall die besten und wirksamsten Arzneimittel zur Verfügung stehen. 2. Die Preise und Verordnungen von Arzneimitteln müssen wirtschaftlich und kosteneffizient sein. 3. Es müssen verlässliche Rahmenbedingungen für Innovationen, die Versorgung der Versicherten und die Sicherung von Arbeitsplätzen geschaffen werden. Zur Weiterentwicklung des Arzneimittelbereiches schlagen wir ein Maßnahmenbündel vor, das Deregulierung, kurzfristig wirksame Sparbeiträge und langfristig wirkende strukturelle Veränderungen beinhaltet. 3. Erstattung innovativer Arzneimittel • Der freie Marktzugang bleibt erhalten. Die Unternehmen können im ersten Jahr der Markteinführung ihr Produkt zum geforderten Preis vermarkten. • Das pharmazeutische Unternehmen ist verpflichtet, zur Markteinführung ein Dossier zu Nutzen und Kosten einzureichen. Basis hierfür sind insbesondere die Phase III-Studien des Zulassungsverfahrens, die ggf. in Abstimmung mit dem IQWiG/ G-BA um weitere Studien ergänzt werden. Grundsätzlich soll im Sinne einer größeren Planungssicherheit und eines frühen Dialogs das IQWiG/ der G-BA dem pharmazeutischen Unternehmen bei Bedarf frühzeitig beratend zur Seite stehen.
  • 2. • Mit einem Dossier werden folgende Nachweise erbracht: o zugelassene Anwendungsgebiete, o medizinischer Nutzen, o medizinischer Zusatznutzen im Vergleich zum Therapiestandard bzw. zu Thera- piealternativen, o Therapiekosten, o Quantifizierung der Anzahl der Patienten bzw. Abgrenzung für die Behandlung in Frage kommender Patientengruppen, o Beschreibung der Anforderung an eine qualitätsgesicherte Anwendung. • Auf Grundlage des eingereichten Dossiers veranlasst der G-BA in kurzer Frist eine Nutzenbewertung, die in der Regel spätestens drei Monate nach Zulassung vorliegen soll. Er kann das IQWiG damit beauftragen. In der Bewertung wird insbesondere festgestellt, für welche Patienten und Erkrankungen ein Zusatznutzen besteht, was die Vergleichsprodukte sind und ob das Arzneimittel "Solist" ist oder ob Wettbewerb mit ähnlichen Arzneimitteln besteht (= kein "Solist"). Arzneimittel ohne Zusatznutzen • Arzneimittel, für die in dieser Nutzenbewertung kein Zusatznutzen festgestellt wird, sollen künftig direkt in das Festbetragssystem überführt werden. Grundsätzlich soll es darüber hinaus bei Analogarzneimitteln eine Umkehr der Beweislast geben. Eine therapeutische Verbesserung wird nur auf Antrag des Unternehmens anerkannt. Dieses ist verpflichtet, die notwendigen Belege dazu selbst vorzulegen. Dabei ordnet der G-BA Molekülvariationen automatisch der entsprechenden pharmakologischen Vergleichsgruppe zu. Der G-BA entscheidet bei neu zugelassenen Arzneimitteln innerhalb von 90 Tagen nach Vorliegen der Nutzenbewertung. Eine Klage hat keine aufschiebende Wirkung. Arzneimittel mit Zusatznutzen • Das pharmazeutische Unternehmen vereinbart mit dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen innerhalb eines Jahres nach Zulassung in Direktverhandlungen einen Rabatt auf den Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers (ApU) mit Wirkung für alle Krankenkassen. Der Listenpreis des Unternehmens bleibt unverändert. Der Vertrag soll auch Vereinbarungen zu Versorgung und Qualität sowie zur Ablösung der Richtgrößenprüfung beinhalten. • Erfolgt keine Einigung, entscheidet eine zentrale Schiedsstelle innerhalb von drei Monaten. Die Schiedsstelle setzt den Rabatt z.B. auf Basis internationaler Vergleichspreise fest. Der Rahmen für Schiedsentscheidungen wird durch Gesetz vorgegeben. Durch einheitliche Verfahrensvorschriften wird der Aufwand begrenzt. Eine
  • 3. Klage gegen den Schiedsspruch hat keine aufschiebende Wirkung. Während dieser Bewertung gilt der Schiedsspruch fort. • Beide Seiten können nach einem Schiedsspruch auch eine Kosten-Nutzenbewertung verlangen. Zur Vorbereitung von Kosten-Nutzen-Bewertungen vereinbaren der Gemeinsame Bundesausschuss und der pharmazeutische Hersteller eine angemessene Frist zur Vorlage von Versorgungsstudien und die darin zu behandelnden Schwerpunkte. Diese sind bevorzugt in Deutschland durchzuführen; die Ergebnisse sind zusammen mit klinischen Studien Basis einer anschließenden Kosten-Nutzen-Bewertung durch das IQWiG oder für Direktverhandlungen zwischen Krankenkassen und Pharmaunternehmen. Die Frist bemisst sich nach der Indikation des Arzneimittels und dem nötigen Zeitraum zur Bereitstellung valider Daten durch Studien. Sie beträgt maximal drei Jahre. • Abweichend vom zwischen Spitzenverband Bund und pharmazeutischen Unternehmen geschlossenen Vertrag bzw. von der Entscheidung der Schiedsstelle oder einem festgesetzten Höchstbetrag können Kassen einzeln oder im Verbund davon abweichende vertragliche Vereinbarungen mit dem pharmazeutischen Unternehmen treffen, z.B. so genannte Mehrwert- und Versorgungsverträge oder eine Beteiligung an Verträgen der Integrierten Versorgung. Der Abschluss dezentraler Verträge wird durch gesetzliche Rahmenbedingungen erleichtert. • Für den Bestandsmarkt von patentgeschützten, nicht festbetragsfähigen Arzneimitteln kann das Vertragsverhandlungsverfahren auf Initiative der Beteiligten in Gang gesetzt werden. 4. Festbetragsmarkt • Das Festbetragssystem bleibt erhalten. Bei der jährlichen Anpassung der Festbetragshöhe sollen die Zuzahlungsfreistellungsgrenzen (30 % unter Festbetrag) berücksichtigt werden. Dadurch wird eine Preisspirale nach unten (Kellertreppeneffekt) vermieden. • Die Rabattverträge werden weiterentwickelt. Die Vertragsbedingungen werden verstetigt. Die Zuständigkeit der Zivilgerichtsbarkeit für das Vergaberecht wird hergestellt. Es werden flankierende Regelungen getroffen zum Erhalt des Wettbewerbs. Damit wird sichergestellt, dass genügend Anbieter im Markt bleiben und der Preiswettbewerb nicht mittelfristig durch Oligopolisierung eingeschränkt wird. • Versicherte können ein anderes als das Rabatt-Präparat ihrer Krankenkasse wählen und erhalten dafür Kostenerstattung im Rahmen einer Mehrkostenregelung. • Die vollständige Anwendbarkeit des Kartellrechts für Rabattverträge einschließlich der Rechtswegzuweisung zu den Zivilgerichten wird angestrebt.
  • 4. 5. Deregulierung Die Instrumente im Bereich der Arzneimittelregulierung sollen auf ihre weitere Notwendigkeit hin überprüft werden, insbesondere: Verschlankung der Wirtschaftlichkeitsprüfungen, Bonus- Malus-Regelung, Zweitmeinung, Importarzneimittel. Das bestehende und unübersichtliche System an Therapiehinweisen und Verordnungsausschlüssen wird klarer geregelt. 6. Arbeit des IQWIG • Das IQWIG wird in seiner wissenschaftlichen Arbeit gestärkt. Die Verfahrensabläufe werden gestrafft. • Das IQWIG erstellt den Berichtsplan nach Anhörung der Fachkreise (Scoping). 7. Vertriebsweg Für die flächendeckende und sichere Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln durch Apotheken soll der Missbrauch des Versandhandels durch sogenannte Pick-up-Stellen unterbunden werden. 8. Kurzfristig wirksame Entlastungen • Der Abschlag für Arzneimittel ohne Festbetrag wird von derzeit 6 % auf 16 % angehoben. Er kann durch Verträge, die einem Abschlag mindestens in Höhe dieses gesetzlichen Abschlages entsprechen, abgelöst werden. • Für die Geltungsdauer des erhöhten Abschlags gilt ein Preisstopp. Preiserhöhungen werden durch einen Zusatzrabatt in gleicher Höhe für die GKV neutralisiert. Preisbasis ist der 1. August 2009. Der Preistopp gilt bis zum 31.12.2013. Bei Änderungen der Packungsgröße oder der Wirkstärke je Applikationseinheit gilt der Preis je Tagesdosis der jeweiligen größten Packung mit dem gleichen Packungsgrößenkennzeichen zum Stichtag als Vergleichsbetrag. • Der Großhandel erhält eine leistungsgerechte Vergütung. Der Großhandelszuschlag wird auf einen preisunabhängigen Fixzuschlag und einen prozentualen Zuschlag umgestellt. Dabei werden Funktionsrabatte an Apotheken berücksichtigt. • Die mit der 15. AMG-Novelle geänderten Regeln zur Zytostatikaversorgung sollen dahingehend überprüft werden, ob die angestrebten Verbesserungen zur wirtschaftlichen Versorgung tatsächlich erreicht wurden.