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Presseinformation
                                                                    Rosenthaler Straße 31
                                                                    10178 Berlin
                                                                    E-MAIL presse@bv.aok.de
                                                                    INTERNET www.aok-bv.de
                                                                    TELEFON 030 34646-2309
                                                                    TELEFAX 030 34646-2507


                                                                    27. Juni 2012


AOK warnt vor weiterer Ausdehnung des Kartell-
rechts auf gesetzliche Krankenkassen und vor
einer erneuten Schwächung der Rechte des
Bundestages


Gemeinsame Krebsvorsorge und Schutzimpfun-
gen werden erschwert

Berlin.   Der AOK-Bundesverband warnt eindringlich davor,
das Kartell- oder Wettbewerbsrecht undifferenziert in noch
größerem Umfang als bisher auf die gesetzlichen Kranken-
kassen auszudehnen, wie es die Bundesregierung in der
8. Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkun-
gen (GWB) plant.


Anlässlich des Expertengesprächs im Gesundheitsaus-
schuss forderte die AOK die Bundesregierung auf, im Inte-
resse der Patienten von diesen Plänen Abstand zu nehmen.
Besser für die Versicherten und für die Gesundheitswirt-
schaft sei die Entwicklung eines speziell auf die gesetzliche
Krankenversicherung        ausgerichteten      Gesundheitswettbe-
werbsrechts. Damit lasse sich auch die mit der GWB-Novelle



PRESSEINFORMATION DES AOK-BUNDESVERBANDES VOM 27.06.2012                  SEITE 1 VON 5
verbundene erneute Schwächung der Rechte des Deutschen
Bundestages vermeiden.


Jürgen     Graalmann,      Vorstandsvorsitzender           des   AOK-
Bundesverbandes, sagte hierzu: „Das privatrechtliche Kar-
tellrecht und die soziale Krankenversicherung passen nicht
zusammen. Folge dieser unbedachten Änderung ist, dass
Kooperationen der Krankenkassen und ihrer Verbände dann
grundsätzlich dem Kartellverbot unterliegen. Gemeinsame
Kassenaktionen zum Beispiel bei der Krebsvorsorge oder bei
Schutzimpfungen würden erschwert oder gar verhindert.“
Auch ein Abbau der Rechte von Bundestag und Bundeslän-
dern und eine demokratisch nicht legitimierte Stärkung der
EU-Bürokratie sei die Folge der geplanten Implantation eines
unverträglichen Fremdkörpers ins deutsche Sozialrecht.


Graalmann: „Mit dieser Novelle gibt die Bundesregierung
Regelungskompetenzen für die deutsche Gesundheitsver-
sorgung an die Brüsseler EU-Kommission ab. Die demokra-
tisch legitimierte Kompetenz von Bundesländern und Bun-
destag in Sachen Gesetzliche Krankenversicherung wird oh-
ne erkennbaren Nutzen für die Versicherten an Brüssel über-
tragen.“


Die AOK hätte überhaupt kein Problem mit einer fairen Wett-
bewerbskontrolle, betonte Graalmann. Die Frage sei aber
zunächst einmal, für wen man den Wettbewerb organisiere.
Wettbewerb in der gesetzlichen Krankenversicherung müsse
den Patienten und Beitragszahlern nutzen und die medizini-
sche Versorgung verbessern. Der Wettbewerb in der GKV
folge nicht in erster Linie rein wirtschaftlichem Kalkül. Die
PRESSEINFORMATION DES AOK-BUNDESVERBANDES VOM 27.06.2012                SEITE 2 VON 5
Kassen wollten ihren Patienten vor allem gute und effiziente
Behandlung bieten.


Nicht zuletzt deshalb weise die AOK immer wieder darauf
hin, dass die Krankenkassen mehr Handlungsspielraum
brauchen, um etwa mit ausgewählten Krankenhäusern gute
Versorgungsverträge schließen zu können. In diesem Ver-
hältnis von Kassen und Leistungserbringern gelte das Wett-
bewerbsrecht bereits seit dem 01.01.2011 - so auch für die
Arzneimittel-Rabattverträge.


Bisher sei die Bundesregierung hier an der Seite der Kran-
kenkassen gestanden.


Noch in einer Stellungnahme der Bundesregierung gegen-
über der EU-Kommission vom Oktober 2011 heiße es wort-
wörtlich: „Die von den gesetzlichen Krankenkassen angebo-
tene Krankheitskostenvollversicherung ist keine wirtschaftli-
che Tätigkeit." Damals ging es um den Vorwurf, die gesetzli-
chen Angebotsmöglichkeiten von Wahltarifen verstießen ge-
gen EU-Wettbewerbsrecht. Dagegen habe sich die Regie-
rung selbstverständlich gewehrt. Jetzt, nur ein paar Monate
später, würden dieselben Ministerien eine Kartellrechtsnovel-
le auf den Weg bringen, die das Gegenteil bewirken solle.
Durch die erweiterte Anwendung des Kartellrechts drohe
Deutschland der Verlust der demokratisch legitimierten nati-
onalen Regelungskompetenz für weite Teile der Gesund-
heitsversorgung. Wenn der deutsche Gesetzgeber die ge-
setzlichen Krankenkassen so, wie geplant, dem Kartellrecht
unterstelle, behandle er sie wie privatwirtschaftliche - also
gewinnorientierte - Unternehmen.
PRESSEINFORMATION DES AOK-BUNDESVERBANDES VOM 27.06.2012        SEITE 3 VON 5
Bisher folge der Europäische Gerichtshof der deutschen
Rechtsauffassung, dass gesetzliche Krankenkassen keine
gewinnorientierten Unternehmen sind.


Graalmann: „Warum sollte der EuGH daran festhalten, wenn
Deutschland nun selbst durch seine Regierung diese Auffas-
sung durch die Änderung des Kartellrechts in Frage stellt?
Will das Wirtschaftsministerium wirklich das deutsche Sozial-
recht aufs Spiel setzen oder erkennt der Wirtschaftsminister
nur die Gefahr nicht? Die Bundesregierung würde mit dieser
GWB-Novelle die eigene Argumentation vom Oktober 2011
durch eigenes gesetzgeberisches Handeln aus den Angeln
heben. In der Folge wäre laut EU-Recht die EU-Kommission
für Grundsätze und Einzelfragen der beihilfen-, steuer- und
wettbewerbsrechtlichen Regulierung von Krankenkassen zu-
ständig, ohne dass Deutschland direkten Einfluss nehmen
könnte.“


Graalmann verwies darauf, dass die Kassen bereits jetzt
wirksamer Aufsicht auch bei wettbewerbsrelevanten Frage-
stellungen unterliegen. Dafür seien das Bundesversiche-
rungsamt bzw. die Aufsichtsbehörden in den Ländern zu-
ständig. Parallel prüfe auch der Bundesrechnungshof die
Krankenkassen. Dieser habe kürzlich ausdrücklich noch
mehr Kassenkooperationen - als Alternativen zu Vereinigun-
gen - gefordert. Mit der geplanten Wettbewerbsrechtsnovelle
käme das Bundeskartellamt als weitere Behörde, und zwar
mit   industrieökonomischen         Prüfungsmaßstäben,     hinzu.
Graalmann: „Zusätzlicher Wettbewerb braucht eine sinnvolle
Regulierung. Diese sollte im Sozialrecht getroffen werden
PRESSEINFORMATION DES AOK-BUNDESVERBANDES VOM 27.06.2012            SEITE 4 VON 5
und nicht durch europarechtlich geprägtes Wirtschaftsrecht.
Ziel des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversiche-
rung sind effiziente Versorgungsstrukturen und nicht üppige
Renditen. Die jetzt vorgesehenen Neuregelungen für Kran-
kenkassen bringt Deutschland diesem Ziel keinen Schritt nä-
her. Aber das Bundeskartellamt wird durch die Novelle zur
zusätzlichen Kontrollbürokratie der Kassen.“


Statt sich gemeinsam um eine bessere Versorgung der Ver-
sicherten kümmern zu können, müssten sich die Kassen
dann vor allem darauf konzentrieren, widersprüchliche
Rechtsbestimmungen in Einklang zu bringen. Das ginge
nicht nur zu Lasten der Patienten und Versicherten, sondern
widerspräche den Zielvorgaben des Fünften Sozialgesetz-
buchs. Darin wird in Paragraf 4 ausdrücklich gefordert, dass
gesetzliche Krankenkassen im Interesse der Leistungsfähig-
keit und Wirtschaftlichkeit eng zusammenarbeiten. Das ge-
plante Verbot einer engen Zusammenarbeit mittels Kartell-
recht laufe dem zuwider.



Ihr Kontakt zur Pressestelle
Udo Barske
Tel.: 030 / 346 46 2309
E-Mail: udo.barske@bv.aok.de




PRESSEINFORMATION DES AOK-BUNDESVERBANDES VOM 27.06.2012       SEITE 5 VON 5

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2012-06-27 AOK warnt vor weiterer Ausdehnung des Kartellrechts auf gesetzliche Krankenkasse.pdf

  • 1. Presseinformation Rosenthaler Straße 31 10178 Berlin E-MAIL presse@bv.aok.de INTERNET www.aok-bv.de TELEFON 030 34646-2309 TELEFAX 030 34646-2507 27. Juni 2012 AOK warnt vor weiterer Ausdehnung des Kartell- rechts auf gesetzliche Krankenkassen und vor einer erneuten Schwächung der Rechte des Bundestages Gemeinsame Krebsvorsorge und Schutzimpfun- gen werden erschwert Berlin. Der AOK-Bundesverband warnt eindringlich davor, das Kartell- oder Wettbewerbsrecht undifferenziert in noch größerem Umfang als bisher auf die gesetzlichen Kranken- kassen auszudehnen, wie es die Bundesregierung in der 8. Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkun- gen (GWB) plant. Anlässlich des Expertengesprächs im Gesundheitsaus- schuss forderte die AOK die Bundesregierung auf, im Inte- resse der Patienten von diesen Plänen Abstand zu nehmen. Besser für die Versicherten und für die Gesundheitswirt- schaft sei die Entwicklung eines speziell auf die gesetzliche Krankenversicherung ausgerichteten Gesundheitswettbe- werbsrechts. Damit lasse sich auch die mit der GWB-Novelle PRESSEINFORMATION DES AOK-BUNDESVERBANDES VOM 27.06.2012 SEITE 1 VON 5
  • 2. verbundene erneute Schwächung der Rechte des Deutschen Bundestages vermeiden. Jürgen Graalmann, Vorstandsvorsitzender des AOK- Bundesverbandes, sagte hierzu: „Das privatrechtliche Kar- tellrecht und die soziale Krankenversicherung passen nicht zusammen. Folge dieser unbedachten Änderung ist, dass Kooperationen der Krankenkassen und ihrer Verbände dann grundsätzlich dem Kartellverbot unterliegen. Gemeinsame Kassenaktionen zum Beispiel bei der Krebsvorsorge oder bei Schutzimpfungen würden erschwert oder gar verhindert.“ Auch ein Abbau der Rechte von Bundestag und Bundeslän- dern und eine demokratisch nicht legitimierte Stärkung der EU-Bürokratie sei die Folge der geplanten Implantation eines unverträglichen Fremdkörpers ins deutsche Sozialrecht. Graalmann: „Mit dieser Novelle gibt die Bundesregierung Regelungskompetenzen für die deutsche Gesundheitsver- sorgung an die Brüsseler EU-Kommission ab. Die demokra- tisch legitimierte Kompetenz von Bundesländern und Bun- destag in Sachen Gesetzliche Krankenversicherung wird oh- ne erkennbaren Nutzen für die Versicherten an Brüssel über- tragen.“ Die AOK hätte überhaupt kein Problem mit einer fairen Wett- bewerbskontrolle, betonte Graalmann. Die Frage sei aber zunächst einmal, für wen man den Wettbewerb organisiere. Wettbewerb in der gesetzlichen Krankenversicherung müsse den Patienten und Beitragszahlern nutzen und die medizini- sche Versorgung verbessern. Der Wettbewerb in der GKV folge nicht in erster Linie rein wirtschaftlichem Kalkül. Die PRESSEINFORMATION DES AOK-BUNDESVERBANDES VOM 27.06.2012 SEITE 2 VON 5
  • 3. Kassen wollten ihren Patienten vor allem gute und effiziente Behandlung bieten. Nicht zuletzt deshalb weise die AOK immer wieder darauf hin, dass die Krankenkassen mehr Handlungsspielraum brauchen, um etwa mit ausgewählten Krankenhäusern gute Versorgungsverträge schließen zu können. In diesem Ver- hältnis von Kassen und Leistungserbringern gelte das Wett- bewerbsrecht bereits seit dem 01.01.2011 - so auch für die Arzneimittel-Rabattverträge. Bisher sei die Bundesregierung hier an der Seite der Kran- kenkassen gestanden. Noch in einer Stellungnahme der Bundesregierung gegen- über der EU-Kommission vom Oktober 2011 heiße es wort- wörtlich: „Die von den gesetzlichen Krankenkassen angebo- tene Krankheitskostenvollversicherung ist keine wirtschaftli- che Tätigkeit." Damals ging es um den Vorwurf, die gesetzli- chen Angebotsmöglichkeiten von Wahltarifen verstießen ge- gen EU-Wettbewerbsrecht. Dagegen habe sich die Regie- rung selbstverständlich gewehrt. Jetzt, nur ein paar Monate später, würden dieselben Ministerien eine Kartellrechtsnovel- le auf den Weg bringen, die das Gegenteil bewirken solle. Durch die erweiterte Anwendung des Kartellrechts drohe Deutschland der Verlust der demokratisch legitimierten nati- onalen Regelungskompetenz für weite Teile der Gesund- heitsversorgung. Wenn der deutsche Gesetzgeber die ge- setzlichen Krankenkassen so, wie geplant, dem Kartellrecht unterstelle, behandle er sie wie privatwirtschaftliche - also gewinnorientierte - Unternehmen. PRESSEINFORMATION DES AOK-BUNDESVERBANDES VOM 27.06.2012 SEITE 3 VON 5
  • 4. Bisher folge der Europäische Gerichtshof der deutschen Rechtsauffassung, dass gesetzliche Krankenkassen keine gewinnorientierten Unternehmen sind. Graalmann: „Warum sollte der EuGH daran festhalten, wenn Deutschland nun selbst durch seine Regierung diese Auffas- sung durch die Änderung des Kartellrechts in Frage stellt? Will das Wirtschaftsministerium wirklich das deutsche Sozial- recht aufs Spiel setzen oder erkennt der Wirtschaftsminister nur die Gefahr nicht? Die Bundesregierung würde mit dieser GWB-Novelle die eigene Argumentation vom Oktober 2011 durch eigenes gesetzgeberisches Handeln aus den Angeln heben. In der Folge wäre laut EU-Recht die EU-Kommission für Grundsätze und Einzelfragen der beihilfen-, steuer- und wettbewerbsrechtlichen Regulierung von Krankenkassen zu- ständig, ohne dass Deutschland direkten Einfluss nehmen könnte.“ Graalmann verwies darauf, dass die Kassen bereits jetzt wirksamer Aufsicht auch bei wettbewerbsrelevanten Frage- stellungen unterliegen. Dafür seien das Bundesversiche- rungsamt bzw. die Aufsichtsbehörden in den Ländern zu- ständig. Parallel prüfe auch der Bundesrechnungshof die Krankenkassen. Dieser habe kürzlich ausdrücklich noch mehr Kassenkooperationen - als Alternativen zu Vereinigun- gen - gefordert. Mit der geplanten Wettbewerbsrechtsnovelle käme das Bundeskartellamt als weitere Behörde, und zwar mit industrieökonomischen Prüfungsmaßstäben, hinzu. Graalmann: „Zusätzlicher Wettbewerb braucht eine sinnvolle Regulierung. Diese sollte im Sozialrecht getroffen werden PRESSEINFORMATION DES AOK-BUNDESVERBANDES VOM 27.06.2012 SEITE 4 VON 5
  • 5. und nicht durch europarechtlich geprägtes Wirtschaftsrecht. Ziel des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversiche- rung sind effiziente Versorgungsstrukturen und nicht üppige Renditen. Die jetzt vorgesehenen Neuregelungen für Kran- kenkassen bringt Deutschland diesem Ziel keinen Schritt nä- her. Aber das Bundeskartellamt wird durch die Novelle zur zusätzlichen Kontrollbürokratie der Kassen.“ Statt sich gemeinsam um eine bessere Versorgung der Ver- sicherten kümmern zu können, müssten sich die Kassen dann vor allem darauf konzentrieren, widersprüchliche Rechtsbestimmungen in Einklang zu bringen. Das ginge nicht nur zu Lasten der Patienten und Versicherten, sondern widerspräche den Zielvorgaben des Fünften Sozialgesetz- buchs. Darin wird in Paragraf 4 ausdrücklich gefordert, dass gesetzliche Krankenkassen im Interesse der Leistungsfähig- keit und Wirtschaftlichkeit eng zusammenarbeiten. Das ge- plante Verbot einer engen Zusammenarbeit mittels Kartell- recht laufe dem zuwider. Ihr Kontakt zur Pressestelle Udo Barske Tel.: 030 / 346 46 2309 E-Mail: udo.barske@bv.aok.de PRESSEINFORMATION DES AOK-BUNDESVERBANDES VOM 27.06.2012 SEITE 5 VON 5