21. Fachtagung des Forums Medienpädagogik der BLM am 12.11.2015
Rechtlicher Rahmen – Übersicht und Praxisbeispiele
Dipl. Jur. Stephan Dreyer Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Hans-Bredow-Institut, Hamburg
Vergangenes Jahr eroberte eine Lebensmittelkette ihre junge Zielgruppe mit einem ungewöhnlichen Musik-Clip. Mit mehr als 1,2 Millionen Klicks mutierte der Song zum viralen Video-Wunder. Nicht das erste Mal, dass ein Video-Spot einen solchen Hype auslöste. Während Kinder und Jugendliche früher zwischen den Mainzelmännchen Reklamefilme mit Klementine oder Lurchi sahen, sind sie heute mit komplexeren Werbeformen konfrontiert. Diese erreichen sie häufig über Smartphone, Tablet oder Computer, nicht mehr nur über den klassischen TV-Bildschirm.
Gerade Jugendliche nutzen Medien intensiv und meist ohne Begleitung. Dabei nehmen sie neue Werbeformen wie Social-Media-Marketing oder In-App-Werbung oft gar nicht als solche wahr, da sie sie nur schwer von Inhalten trennen können. Auch im Hinblick auf Aspekte wie Datenschutz oder Kostenfallen bestehen vermehrt Risiken. Jugendliche sollten daher – als ökonomisch durchaus potente Konsumenten und wichtige Zielgruppe für die Werbeindustrie – aufgeklärt und kritisch mit Werbung umgehen.
Grund genug für die diesjährige Fachtagung, nicht nur neue Werbeformen und ihre Mechanismen vorzustellen, sondern auch auf aktuelle Problemfelder hinzuweisen. Darüber hinaus geben unsere Experten konkrete Tipps und praktische Anregungen für den reflektierten Umgang damit an die Hand. Eine Ideenbörse und verschiedene Informationsstände bieten die Möglichkeit zur Vertiefung und zum Austausch.
Bertram Gugel auf dem Social TV Summit 2017: Social Storytelling
Rechtlicher Rahmen von Online-Werbung – Dipl. Jur. Stephan Dreyer
1. Wenn Idole zu
Influencern werden
Rechtlicher Rahmen von
(jugendaffiner) Online-Werbung
Stephan Dreyer, Wissenschaftlicher Referent
Hans-Bredow-Institut für Medienforschung
BLM Medienpuls “Like it! Share it! Buy it!”
München, 12. November 2015
3. - Unterschiedliche Schutzziele, u.a. unabhängige redaktionelle
Entscheidungen, fairer Wettbewerb, Verbraucherschutz,
Jugendschutz
- Vorgaben auf mehreren Ebenen (EU-Vorgaben, Gesetzgeber
auf Bundes- und Länderebene, behördliche Stellen,
Institutionen der Selbstregulierung)
- Medienspezifische Regelungen und produkt-/dienstleistungs-
spezifische Vorgaben
4. WerbeRL
Fernsehen
WerbeRL
Hörfunk
JuSchRiL
UWG RStV TMG JMStV
BDSG BGB StGB JuSchG HWG WpÜG Vorl. TabakG LFGB ...
Grundregeln zur
kommerziellen
Kommunikation
Grundsätze zur
Herabwürdigung und
Diskriminierung von Personen
Hörfunk
Verhaltensregeln für die
Werbung mit und vor
Kindern in Hörfunk und
Fernsehen
VR Lebensmittel VR Alkohol VR Glücksspiele ...
FSM Verhaltenskodex FSM Subkodex SuMa FSM Subkodex SNS
ICC Consolidated Code of
Advertising and Marketing
Communication Practice
„EU Pledge“
IAB Europe EU Framework
for Online Behavioural
Advertising
DDOW-Kodizes für
Telemedienanbieter / für
Dienstleister
Gesetze
Behördliche Richtlinien
Werbeselbstkontrolle
Jugendschutzkodizes
EU-Selbstkontrolle OBA-Kodizes
Das Werberecht ist kein internetfreier Raum.
8. - Notwendigkeit der Objektivierung subjektiver Tatbestands-
merkmale
- Nicht immer einheitliche oder empirisch fundierte
Entscheidungs- und Spruchpraxis
- Zu alten werberechtlichen Diskussionen treten neue
Herausforderungen durch Hypertextualität, Hybridität und
Interaktivität von Onlinewerbung
9. - Rechtsanwender müssen entscheiden, ob bei einem
Einzelfall eine bestimmte Voraussetzung gegeben ist, u.a.:
- Handelt der vermeintlich Werbende mit Werbeabsicht?
- Hat er ggf. eine Gegenleistung dafür erhalten?
- Ist die Werbung für einen Durchschnittsnutzer
erkennbar? Wer ist der jeweilige Durchschnittsnutzer
eines Angebots? Welche Werbekompetenz kann einem
z.B. 15-Jährigen dabei unterstellt werden?
- Versteht der Nutzer einen „Tipp“ als Kaufaufforderung?
„Objektivierung
subjektiver
Tatbestandsmerkmale“?
29. Ausblick
Derzeitige Rechtsunsicherheiten bieten gleichzeitig Risiken
und Chancen für Werbetreibende, Vermarkter und Inhalteanbieter.
Die „Nutzung“ dieser Unsicherheiten gehen
im Zweifel zu Lasten der Nutzer.
(Kleiner) Trost: Die Kenntnis entsprechender Werbeformen wird mit
dem Grad ihres Einsatzes auf Nutzerseite fortwährend besser.
30. Vielen Dank!
Stephan Dreyer
Senior Researcher
Hans-Bredow-Institut
für Medienforschung
http://www.hans-bredow-institut.de
s.dreyer@hans-bredow-institut.de
Notas del editor
Werbung im Internet ist stark durch rechtliche Vorgaben gerahmt
Vielschichtigkeit und Fundstellenvielfalt werberechtlicher Vorgaben auch begründet in den unterschiedlichen Regulierungszielen:
Ausschluss der direkten Einflussnahme auf redaktionelle Entscheidungen zum Schutz einer freien individuellen und öffentlichen Meinungsbildung
Schutz eines fairen Wettbewerbs
Schutz vor Irreführung des Einzelnen
Schutz der allgemeinen Handlungsautonomie von Konsumenten
Schutz der unbeeinträchtigten Persönlichkeitsentwicklung und –entfaltung
Werberecht (vor allem im Medienbereich) auch als Patchwork
Werberegulierung als Mehrebenensystem (EU-Vorgaben, EU-Selbstverpflichtungen, formale Gesetze, behördliche Richtlinien, Vorgaben der Selbstkontrolleinrichtungen (u.a. Werberat, FSM im Jugendschutz, DDOW im Datenschutz)
Beispiel: Bannerwerbung für ein neues Medikament auf einer Nachrichtenseite: UWG, RStV, TMG, JMStV, HWG gleichzeitig, mit teils leicht unterschiedlichen Begrifflichkeiten oder Definitionen – und unterschiedlichen Aufsichtsbehörden, Selbstkontrolleinrichtungen und Beanstandungs- und Klageverfahren
Einige der zentralen zentralen Vorgaben sind insgesamt vergleichbar; hier sind sich die unterschiedlichen Werbevorgaben einig, egal ob im Wettbewerbsrecht, im Rundfunkstaatsvertrag oder im Telemediengesetz. Die Rechtsprechung orientiert sicht oftmals an der gerichtlichen Spruchpraxis aus einem der anderen Bereiche, so dass die zentralen Vorgaben ungefähr zu gleichen Anforderungen führen.
Welche Grundprinzipien gelten also für Onlinewerbung?
Trennungs- bzw. Erkennbarkeitsgebot: Werbung muss für den typischen Nutzer immer leicht als Werbung erkennbar sein. Wo sie nicht ohne Weiteres erkennbar ist (z.B: durch deutliche Trennung vom redaktionellen Teil), kann eine Kennzeichnung angebracht erscheinen. Eine allgemeine Kennzeichnungspflicht für Werbung gibt es in Telemedien aber nicht!
Verschleierungs- und Irreführungsverbot: Ein werblicher Inhalt darf nicht als eine unabhängige redaktionelle Berichterstattung erscheinen; ein vermeintlich privater Kommentar darf nicht in Wirklichkeit von werblichen Interessen und Gegenleistungen motiviert sein.
Bei Minderjährigen: Ausnutzungsverbot & Verbot direkter Kaufaufforderungen: Keine Ausnutzung der Unerfahrenheit bei Kindern und Jugendlichen, keine direkten Kaufaufforderungen an Kinder (und Jugendliche).
Werbebegriff
Äußerung
mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen zu fördern
gegen Entgelt oder eine andere Gegenleistung oder als Eigenwerbung
Unterschiedliche Auffassung von Gerichten und Richtern, anhand welcher Kriterien das Vorliegen dieser Voraussetzungen zu ermitteln ist; teils schwer vergleichbare Entscheidungspraxis unterschiedlicher Gerichte (was rechtlich richterliches Tagesgeschäft und im Rechtssystem bewußt so angelegt ist); dies führt aber zu Rechtsunsicherheiten
Neue Problemlagen ergeben sich aus der im Internet teils zusammengesetzten Dienste und Angebote, die aus einer Mehrzahl von Anbietern und Diensten besteht, aus dem Umstand, dass Nutzer von der Werbung direkt in die Produkt- und Markenwelt springen und aus dem Umstand der Verfügbarkeit eines unmittelbaren Rückkanals (inklusive der dadurch möglichen Beobachtbarkeit der Internetnutzung im Rahmen von Behavioral Targeting)
Problem: Notwendigkeit der Objektivierung subjektiver Tatbestandsmerkmale (will der vermeintlich Werbende Werbung im Sinne des Gesetzes machen?; kann ein durchschnittlich informierter (minderjähriger) Nutzer die Werbung erkennen?; empfindet ein Minderjähriger eine bestimmte Ansprache oder einen Appell als Kaufaufforderung?; welche Kompetenzen können einem durchschnittlichen Jugendlichen unterstellt werden?)
Richterliche Empirie beschränkt sich hier teils auf die eigenen Kinder und allgemeine Lebenserfahrung
Alte Herausforderungen:
Form der Ansprache (duzen, indirekte Kaufaufforderungen)
Einsatz von psychologischen Anreizen oder Druckmitteln (Gewinnspielgestaltung, zeitliche oder nummernmäßige Begrenzung, Erzeugung einer Mangel- oder Sondersituation, Kopplung von Nutzungsvorteilen an Werberezeption, spielerische Anreize)
Cross-Media-Marketing (alt: Merchandise und Programm; neu: Youtube-Stars und Musikalben)
Neue Herausforderungen:
Bezahlte Produkterwähnung ("Product Placement“)
Virales Marketing (Verschleierung der Werblichkeit von Medieninhalten)
Content Marketing (Nutzung journalistischer Stilmittel und vermeintlich journalistischer Angebote durch Werbetreibende)
Native Advertising (Redaktionell gestaltete Werbung)
Branded Content
Affiliate Marketing
Einige derzeit eingestzte Werbeformen/Marketingformen, betratchtet aus der Perspektive der dargestellten allgemeinen Prinzipien
Problem: mögliche direkte Kaufaufforderung
Erst Zielgruppe einer App ermitteln (Gestaltung der App, Spielprinzip, Ansprache etc.)
Direkte Aufforderung zum Kauf oder lediglich Angebot zum Abschluss eines (Lizenz-)Vertrags?
Bekanntheit von Youtubern führt zu Betätigung in anderen Entertainment-Bereichen; Marketingmaßnahmen erfolgen dann im ursprünglichen Medium
In Deutschland ist Eigenwerbung vom Werbebegriff umfasst, so dass für Eigenwerbung die beschriebenen Grundanforderungen gelten: Verständiger Nutzer ahnt aber (Trennung bzw. Erkennbarkeit), dass die Werbung für andere eigene Produkte Werbung sein könnte; Irreführungsrisiko hier eher nicht anzunehmen.
Status quo:
Sinkende TKP-Preise (wegen immer mehr Werbeplätzen)
Schlechte Clickthrough-Raten (<0,1 %)
Geringe Werbe-Akzeptanz, schlechter Ruf
Rein in den Content für eine bessere User / Brand Experience, Markenbildung
Balance-Akt der Werbetreibenden und der „Influencer“ zwischen Produktplatzierung und Schleichwerbung
Anders als für das klassische Fernsehen sind die rechtlichen Rahmenbedingungen für Schleichwerbung und Produktplatzierungen in YouTube-Videos und auf Blogs bislang nicht abschließend geklärt
Die genannten Grundprinzipien gelten auf jeden Fall; aber: die Frage, welche Vorgaben aus dem Rundfunkstaatsvertrag für welche Internetangebote („Telemedien“) gelten, ist sehr umstritten und bisher nicht höchstrichterlich geklärt.
Die Landesmedienanstalten folgen der Ansicht, dass es sich jedenfalls bei Youtube-Kanälen mit einer Vielzahl von Einzelsendungen um fernsehähnliche Angebote handelt, für die die TV-Werbevorgaben gelten: Die sind aber insbesondere im Hinblick auf die Anforderungen an Product Placements und Produktbeistellungen nicht trivial. Im Falle eines Rechtsverstoßes kann die zuständige Aufsichtsbehörde (regelmäßig die Landesmedienanstalt, in Bayern ist die Bezirksregierung Mittelfranken zuständigt) ein Bußgeld von bis zu 50.000 Euro gegen den Anbieter verhängen. Zudem ist aufgrund des wachsenden Wettbewerbs mit weiteren Kosten oder zumindest Ärger durch Abmahnungen zu rechnen.
Für die Stars, die in ihrem Angebot Werbung machen, aber auch für die Vermarkter ist die Rechtsunsicherheit hier derzeit groß, und die wettbewerbsrechtliche Abmahnung nicht weit.
Im Folgenden einige Beispiele anhand aktueller Werbeformen bei Youtube-Stars und anderen Influencern.
Haul: YouTuber präsentieren Produkte, die Sie vor kurzem gekauft/bekommen haben, und erzählen, warum es gerade dieses Produkt geworden ist. Dabei nennen Sie auch weitere Details wie z.B. den Preis oder Bezugsquellen.
LookBook: Neim LookBook präsentieren sich YouTuber mit ihren aktuellen Outfits und Trends.
Dreh- und Angelpunkt: Gegenleistung?
Wer die Produkte selbst kauft und keinerlei Gegenleistung erhält: Keine Werbung!
Wer die Produkte geschenkt/zugesandt bekommt, erhält einen Gegenwert für die Produktpräsentation – Werberecht ist einschlägig!
Als zentraler Gegenstand eines Videos: Werbung bzw. Dauerwerbesendung
Als beiläufig verwendetes Produkt: Produktbeistellung (unter 1000,- EUR egal; über 1000,- EUR An- und Abkündigung)
Wer ein zusätzliches Entgelt für die Erwähnung erhält: Werbung; deutlich machen/kennzeichnen
(Praxis: Unterstützt durch Produktplatzierung; aber Zahlungsströme sind nicht immer nachweisbar; Aussage der Youtuber „Hab ich eingekauft“ stehen gegen die Angebote der Vermarkter)
Mention/Erwähnung: Eine Erwähnung des Produkts oder Service im Video.
Favorites: Bei den Favorites empfehlen die YouTuber ihre Lieblingsprodukte. Sie erklären dabei den Zuschauern, warum es ihr Lieblingsprodukt ist.
- Im Prinzip die gleichen Anforderungen wie eben gesagt, in der Praxis steht hier das gesponsorte Produkt selten im Mittelpunkt eines Videos.
Package Surprises: YouTuber erhält ein Paket zugeschickt und packt es aus; im Prinzip wie ein Haul, bei dem man die Produkte (angeblich) nicht kennt.
Unboxing: Als besonders wertig empfundenes, neues Produkt wird vor der Kamera ausgepackt und beschrieben. Insbesondere bei exklusiven Vorab-Events beliebt (zB Apple Wahch).
Auch hier gelten die eben gesagten Prinzipien: Nur steht hier in der Regel der Markenname oder ein Produkt im Mittelpunkt, so dass von einer reinen Produktbeistellung nicht mehr auszugehen ist. Hinweis nötig!
Review: Ein Video, in dem der YouTuber seine Erfahrungen mit einem Produkt oder Service erläutert und es testet. Anderes Beispiel sind (gekaufte oder vom Hersteller selbst produzierte) Reviews auf Shoppingplattformen wie Amazon.
Tutorial: Ein YouTube Erklärvideo, in dem demonstriert wird, wie man ein Produkt oder einen Service nutzt.
- Reviews kommen sehr redaktionell und kritisch daher, insoweit noch mehr Relevanz für die Kenntlichmachung von Gegenleistungen und Beistellungen; Tutorials dagegen können oftmals auch rein redaktionellen Hintergrund haben (selbst gekaufte Produkte).
Bei Branded Entertainment spielen die Produkte keine Hauptrolle, sondern sind eher der Kontext für irgendeine Geschichte, einen Sketch etc.
Problem: Teils fließen hier Gegenleistungen für diese Form der Produktplatzierung und beiläufige Thematisierung. Werberecht ist dann anwendbar, und die erfolgte Produktplatzierung ist deutlich zu machen.
Erkennbarkeitsgebot gilt auch für Tweets und andere Kurznachrichten/Microblogs: In der Praxis durchgesetzt hat sich #sponsored oder #sponsoredby, seltener #werbung oder gar #anzeige
Auch in Blogs gibt es Artikel, die sich Produkten widmen, die die Bloggerin oder der Blogger (gegen Entgelt) bespricht.
Auch hier muss die werbliche Kommunikation deutlich gemacht werden, in der Praxis nutzen BloggerInnen hier oftmals den Hinweis „Sponsored post“.
Bisher keine abschließende Rechtsprechung, ob diese Praxis ausreichend ist. Je kleiner der Sponsorenhinweis ist oder je schlechter erkennbar, desto eher handelt es sich um unzulässige Schleichwerbung.
Gesponsorte Instagram Postings sind derzeit sehr beliebt; auch hier wird mit einem #sponsored oder #werbung auf die Entgeltlichkeit der Erwähnung hingewiesen;
Problematisch: Teils arbeiten die Postings mit einer Vielzahl von hashtags, und #sponsored ist dann nur ein Hashtag unter vielen; schlechte Erkennbarkeit
Affiliate Links führen auf Shopping-Seiten, auf denen man vorgestellte Produkte kaufen kann; der Linksetzer/Youtuber/Blogger wird dann an dem über den link generierten Umsatz beteiligt.
Jeder Affiliate-Link für sich ist rechtlich als Werbung einzustufen und entsprechend zu kennzeichnen: in der Praxis wird mit einem Sternchen und einer Fussnote gearbeitet, wo die Affiliate-Praxis erklärt wird und auf die Umsatzbeteiligung des Linksetzers hingewiesen wird.
Bei Native Advertising werden werbliche Inhalte an die redaktionelle Umgebung angepasst, so dass die kommerzielle Kommunikation nicht auf den ersten Blick aus „anderer Inhalt“ erkannt wird. Würden entsprechende Artikel nicht als „Werbung“ oder „Anzeige“ gekennzeichnet, wären sie nur schwierig als werbliche Kommunikation zu identifizieren.
Native Advertising will die User Experience nicht durch traditionelle Werbung unterbrechen – sie spielt geradezu mit ihrer Nicht- oder Schlecht-Erkennbarkeit.
Problem: In der Regel fließt ein Entgelt, so dass auch hier das Erkennbarkeitsgebot gilt. Die in der Praxis genutzten Hinweise sind nicht immer deutlich und leicht zu sehen.
Beispiel hier: BZgA-Kampagne
Beispiel Native Advertising von o.b. auf Bravo.de
Klickt man dort einen (nicht extra gekennzeichneten) Link – man ist ja schon innerhalb der „Anzeige“, landet man auf der Seite Herzensschwester, einem guten Beispiel für Content Marketing:
O.B. bietet dort eine ganze Reihe an Tipps, medizinischen Hintergrundinfos, Tools und Apps – und Prouktinfos. Im Gegensatz zur Werbung setzt Content Marketing auf dasPublizieren individueller Inhalte,statt vordefinierte Anzeigenformate zu belegen: Eigene Apps, Ratgeber,E-Books und Newsletter zu publizieren, statt die Webseiten, Apps,Ratgeber, E-Books undNewsletter von etablierten Medienfür Anzeigen zu nutzen.
Problem: Das gesamte Telemedium ist hier die Werbung – und müsste entsprechend leicht erkennbar oder gekennzeichnet sein. Hier gibt es bisher so gut wie keine Rechtsprechung, welche Anforderungen an die Erkennbarkeit oder Kennzeichnung zu stellen sind; ein aussagekräftiger Domainname kann schon ausreichen.
Dreh- und Angelpunkt: Erkennbarkeit für bzw. Transparenz gegenüber dem Nutzer
Grundprinzip: Je weniger offensichtlich sich ein kommerzieller Inhalt aus der Form seiner Darstellung, Einbettung oder Gestaltung ergibt, desto wichtiger ist eine ausreichend deutliche Kennzeichnung.
Gestaltung der Kennzeichnung ist von diesem Prinzip umfasst: Je undeutlicher der werbliche Hintergrund einer Kommunikation desto höhere Ansprüche sind an die Gestaltung der Kennzeichnung zu stellen: Größe, Wortwahl, Farbe, Anordnung, Sichtbarkeit.
Zweifelsfälle gibt es in allen Bereichen der gezeigten Praxisbeispiele:
Produktplatzierung in heller Schrift vor weißem Grund, klein, verschlüsselt als „Advertorial“
Hinweis auf Placements nicht am Video, sondern in den Kommentaren bzw. der Inhaltsbeschreibung
Insb. bei Native Advertising führt die redaktionelle Gestaltung zum häufigen übersehen der Werblichkeit eines Beitrags
Auch bei hashtag-Haufen geht das #sponsored ggf. optisch unter
Kein Rechtsproblem, rechtliche Vorgaben gibt es genug. Sondern ein Rechtsanwendungsproblem, auf Seiten von Behörden und Gerichten. Ohne gerichtliche Präzedenzfälle wird die Rechtsanwendung hier weiterhin mehr Fragen aufwerfen als Antworten geben. Zur Schaffung von Präzendenzfällen ist die Medienaufsicht aufgerufen, in Zweifelsfällen entsprechende Verfahren einzuleiten. Solange das nicht passiert, haben wir auch ein Vollzugsproblem.
Ursache sind unbestimmte Rechtsbegriffe, die auf subjektive Tatbestandsmerkmale setzen, deren Vorliegen regelmäßig nur aus objektiver Perspektive bejaht oder verneint werden können. Dieser Ansatz ist nicht optimal, aber dem Schutzzweck geschuldet: Wo der Konsument geschützt werden soll, muss auf die dortige Werbewirkung abgestellt werden; die aber ist im besten Fall empirisch zu ermitteln, was aufwänsig und ggf. teuer ist.
Lichtblick: Die hier vorgestellten Werbeformen werden in der Zukunft immer bekannter sein, so dass das Risiko einer Fehlinterpretation auf Nutzerseite immer weiter sinkt. Wenn das keine Erkenntnis ist: Verbesserung der Werbekompetenz durch unbestimmte Gesetzesbegriffe!
Letzter Gedanke. Bisher fokussiert der Gesetzgeber im Telemedien- und Rundfunkrecht auf die Erkennbarkeit zur Verhinderung von Irreführung; psychologische Erkenntnisse, die wir heute gehört haben, zeigen aber, dass ggf. deutlich stärker psychologische und soziale Motivatoren (Selbstinszenierung, Idole, Peer Group) wirken. Ggf. ist es einen zweiten Gedanken wert, über das Problem der entwicklungspsychologisch bedingten Verhaltensweisen als regulatorisches Thema im Werberecht nachzudenken (Zwänge und psychologischer Druck sind bereits Elemente im Wettbewerbsrecht.)