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Märchen als User Generated Content
Was die Kulturgeschichte zur Erklärung des Web 2.0
beitragen kann




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    Sabria David | re:publica 09
Jetzt geht‘s los




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Am Anfang war…




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                     Sabria David | re:publica 09
… das Wort




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                 Sabria David | re:publica 09
… das gesprochene Wort




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                         Sabria David | re:publica 09
Märchen…




Sind gesprochene Worte.
Gehörte und weitererzählte Geschichten.
Erzählungen.




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Wo kommen die Märchen her?




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                             Sabria David | re:publica 09
Wo kommen die Märchen her?

Von diesen beiden Herren vielleicht?




          Wilhelm und Jacob Grimm



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                                    Sabria David | re:publica 09
Nein.




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             Sabria David | re:publica 09
Nein.

Die Brüder Grimm haben die Märchen
nicht geschrieben.




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                             Sabria David | re:publica 09
Nein.

Die Brüder Grimm haben die Märchen
nicht geschrieben.


Sie haben sie aufgeschrieben.




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                                Sabria David | re:publica 09
Die Brüder Grimm haben sich Märchen
erzählen lassen und sie schriftlich
dokumentiert.




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                             Sabria David | re:publica 09
Diese Damen z.B. haben den Grimms
Märchen erzählt:




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                             Sabria David | re:publica 09
Die Märchenerzählerin Marie Hassenpflug
Jung, gebildet aus gutem Hause




                                 15
                                          Sabria David | re:publica 09
Und die Märchenfrau Dorothea Viehmann
Tochter des Wirtes der Brauerei „Knallhütte“




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                                               Sabria David | re:publica 09
Aus dem Handexemplar Jacob und Wilhelm Grimms, Gebrüder Grimm Museum, Kassel




                                     17
                                                                    Sabria David | re:publica 09
Auch sie haben die Märchen nicht
selbst erfunden. Sie haben erzählt, was
man sich erzählte.

Was von Generation zu Generation
weitergegeben wurde.




                  18
                                Sabria David | re:publica 09
Märchen sind das Ergebnis einer
mündlichen Überlieferungstradition.




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                                Sabria David | re:publica 09
Märchen
     Volksmärchen
Mär fabula Erzählung
Ammenmärchen Gerücht
  Fairy tale        Conte de fées
                         Hoax
  Urbane Mythen




               20
                                    Sabria David | re:publica 09
Mündlichkeit ↔ Schriftlichkeit
   Oralität ↔ Literalität




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                            Sabria David | re:publica 09
Mündliche Tradition




                 22
                      Sabria David | re:publica 09
Mündliche Tradition
Wikipedia:
„Mündliche Überlieferung bezeichnet die erzählende
Weitergabe von geschichtlichen, gesellschaftlichen und
religiösen Informationen“




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                                                Sabria David | re:publica 09
Mündliche Tradition
Wikipedia:
„Mündliche Überlieferung bezeichnet die erzählende
Weitergabe von geschichtlichen, gesellschaftlichen und
religiösen Informationen“

Ergänzung:
Weitergabe UND Schaffung von Kultur/Informationen




                           24
                                                Sabria David | re:publica 09
Mündliche Tradition
• Erzählungen wurden in rituelle Handlungen eingebunden
 (z.B. Krippenspiele)



• Formelhafte Wendungen und Wiederholungen

• Reim, Versmaß, Rhythmik und Singen erleichtern das
  Memorieren und Weitererzählen (Homer, Koran)




                          25
                                              Sabria David | re:publica 09
Mündliche Tradition
Der Autor (im weiteren Sinne: Urheber) kommt erst mit
der Schriftlichkeit.




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                                              Sabria David | re:publica 09
Mündliche Tradition
Der Autor (im weiteren Sinne: Urheber) kommt erst mit
der Schriftlichkeit.

Vorher gab es keinen Autor. Es gab Autoren.




                          27
                                              Sabria David | re:publica 09
Parallelen für den Übergang von
mündlicher zu schriftlicher
Tradition:
• die Bibel
    • lange währender Prozess der Verschriftlichung
       (1.000 v. Chr. - 100 n. Chr.)
    • verschiedene Erzählkränze wurden miteinander
      verwoben
    • Kanonisierung
    • Apokryphen (bleiben virulent, Ochs und Esel)

• Klassische Sagen des Altertums
    • Homer: Odyssee, Ilias (700 v. Chr.)
    • die „Homerische Frage“ („Wer bin ich und wenn ja wie viele?“)

                                       28
                                                               Sabria David | re:publica 09
Märchen…
• entstehen im Volk (Sie sind eine „res publica“)
• haben keinen einzelnen Autor
• entstehen in kollektiver Autorschaft
• werden über Generationen hinweg weitererzählt
• Individuelles wurde hinzugefügt
• und wenn dies kein Echo in den Zuhörern fand, wurde
  es wieder weggelassen
• Motive und Stoffe werden immer wieder neu zu
  Geschichten verwoben, bis sie sich zu einer immer
  dichter werdenden Form kondensierten




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                                              Sabria David | re:publica 09
Ergebnis
• menschlich Allgemeingültiges
• Reifungskrisen, Entwicklungs- und Loslösungsprozesse
• Gut und Böse

= was Menschen angeht und betrifft, und zwar zeit- und
regionsunabhängig (it‘s all about you)

Entstanden nach den Regeln der Evolution:
Was sich bewährt, besteht.
Was sich nicht bewährt, fliegt raus.




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                                               Sabria David | re:publica 09
Also
• Rezeption und Produktion von Content liegen in einer
  Hand

• Der Entstehungsprozess bildet sich in der zeitlichen
  Vertikalen ab, über Generationen und Jahrhunderte
  hinweg

• Es gibt Filter   (jeder, der etwas hinzufügt oder weglässt, filtert)


• Es gibt Multiplikatoren: Die Märchenerzählerin ist
  „Medium“, durch das „Volkes Stimme“ spricht




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                                                                         Sabria David | re:publica 09
Was wir hier sehen…




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                      Sabria David | re:publica 09
… dokumentiert den Übergang von einer mündlichen in
eine schriftliche Tradition.
                         33
                                             Sabria David | re:publica 09
Mit allen Schwierigkeiten und
Konsequenzen, die das mit sich
bringt:

• Dokumentation um den Preis der Festschreibung
• Kanonisierung
• Filter




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                                              Sabria David | re:publica 09
Filtermechanismen
•   Eine Auswahl repräsentiert die Erwartungen
•   „struppige“ Märchen wurden nicht aufgenommen
•   Grimms hatten ein volkskundliches Interesse
•   Märchen mussten trotzdem „salonfähig“ sein
•   hohes künstlerisches Niveau wurde erwartet
•   sexuelle Anspielungen wurden entschärft
                                   Rapunzels Schwangerschaft
• Ergänzungen, Überarbeitungen im Laufe der
  Editionen
• Nach und nach entwickelt sich der typische
  „Märchenstil“




                           35
                                                     Sabria David | re:publica 09
Schauen wir uns den Übergang von
mündlicher zu schriftlicher
Tradition etwas genauer an




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                             Sabria David | re:publica 09
Schauen wir uns den Übergang von
mündlicher zu schriftlicher
Tradition etwas genauer an

Der Übergang lässt sich nicht genau datieren

Mündlichkeit und Schriftlichkeit waren über
Jahrhunderte parallele Stränge




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                                               Sabria David | re:publica 09
Aber ein Ereignis hat doch
die Schriftlichkeit über die
Mündlichkeit siegen lassen.




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                               Sabria David | re:publica 09
Aber ein Ereignis hat doch
die Schriftlichkeit über die
Mündlichkeit siegen lassen.


Und zwar…




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                               Sabria David | re:publica 09
(Shift happens!)




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                        Sabria David | re:publica 09
Der Buchdruck.




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                      Sabria David | re:publica 09
Paradigmenwechsel Buchdruck




Mitte des 15. Jh. erfindet Gutenberg den Buchdruck
mit beweglichen Lettern




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                                               Sabria David | re:publica 09
Durch diese Technik war es nun
möglich, mit Büchern in
Massenproduktion zu gehen
• Demokratisierung der Rezeption von Büchern, des Lesens
• Viele konnten sich jetzt Bücher leisten
• Jeder dufte lesen (Alphabetisierung vorausgesetzt)
• Höfe und Klöster hatten kein Buchmonopol mehr
• sogar die Bibel konnte vom Volk gelesen werden, seit
  Luther die Bibel vom Lateinischen (grch., hebr.) ins
  Frühneuhochdeutsche übersetzt hat (1534)
• Technische Entwicklung spiegelt sich in der
  sprachlichen Demokratisierung
                   Übergang von Mittelhochdeutschen zum Neuhochdeutschen



                               43
                                                               Sabria David | re:publica 09
Andererseits:

Produktion und Rezeption werden
getrennt




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                              Sabria David | re:publica 09
Andererseits:

Produktion und Rezeption werden
getrennt

• Es darf zwar jeder Lesen




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                                  Sabria David | re:publica 09
Andererseits:

Produktion und Rezeption werden
getrennt

• Es darf zwar jeder Lesen
• aber das Schreiben bleibt die Sache einiger
  Auserwählter (Autoren/Autoritäten)




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                                                Sabria David | re:publica 09
Und so blieb es lange.




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                         Sabria David | re:publica 09
Und so blieb es lange.
Bis dieses Ding kam:




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                         Sabria David | re:publica 09
Und so blieb es lange.
Bis dieses Ding kam:




            Z3 von Konrad Zuse (Deutschland 1941)




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                                                    Sabria David | re:publica 09
Am Anfang blieb alles beim Alten.




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                                Sabria David | re:publica 09
Am Anfang blieb alles beim Alten.

Weil das Ding benutzt wurde wie eine
bessere Rechen- oder
Schreibmaschine. Oder wie ein
Publikationsmedium. Wie eine
Umsetzmaschine. Wie ein
Informationskanal.



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                                Sabria David | re:publica 09
Aber dann…




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                  Sabria David | re:publica 09
Aber dann…

(Shift happens)




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                       Sabria David | re:publica 09
Aber dann…

(Shift happens)

… wurde die Technologie erwachsen.




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                              Sabria David | re:publica 09
Aber dann…

(Shift happens)

… wurde die Technologie erwachsen.

Und die Nutzer wurden es auch.




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                                 Sabria David | re:publica 09
Und aus dem Kanal wurde




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                          Sabria David | re:publica 09
Und aus dem Kanal wurde




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                          Sabria David | re:publica 09
Und aus dem Kanal wurde



   … ein Wechselkanal




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                          Sabria David | re:publica 09
Viele Menschen können zeitgleich auf
dasselbe Material zugreifen.




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                               Sabria David | re:publica 09
Viele Menschen können zeitgleich auf
dasselbe Material zugreifen.

Sie lesen, rezipieren, konsumieren ihn.




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                                Sabria David | re:publica 09
Viele Menschen können zeitgleich auf
dasselbe Material zugreifen.

Sie lesen, rezipieren, konsumieren ihn.

Aber nicht nur.




                  61
                                Sabria David | re:publica 09
Viele Menschen können zeitgleich auf
dasselbe Material zugreifen.

Sie lesen, rezipieren, konsumieren ihn.

Aber nicht nur.

Sie verändern ihn auch.



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                                Sabria David | re:publica 09
Viele Menschen können zeitgleich auf
dasselbe Material zugreifen.

Sie lesen, rezipieren, konsumieren ihn.

Aber nicht nur.

Sie verändern ihn auch. Sie greifen
ein.


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                                Sabria David | re:publica 09
Viele Menschen können zeitgleich auf
dasselbe Material zugreifen.

Sie lesen, rezipieren, konsumieren ihn.

Aber nicht nur.

Sie verändern ihn auch. Sie greifen
ein. Sie produzieren mit.


                  64
                                Sabria David | re:publica 09
Viele Menschen können zeitgleich auf
dasselbe Material zugreifen.

Sie lesen, rezipieren, konsumieren ihn.

Aber nicht nur.

Sie verändern ihn auch. Sie greifen
ein. Sie produzieren mit. Sie
hinterlassen Spuren.

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                                Sabria David | re:publica 09
Diese Dynamik war bisher nur in der
mündlichen Tradition möglich.




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                               Sabria David | re:publica 09
Diese Dynamik war bisher nur in der
mündlichen Tradition möglich.

Neue Technologie ermöglicht neue
Kommunikation.




                 67
                               Sabria David | re:publica 09
Diese Dynamik war bisher nur in der
mündlichen Tradition möglich.

Neue Technologie ermöglicht neue
Kommunikation.

Rezeption und Produktion haben
wieder zusammengefunden.



                 68
                                 Sabria David | re:publica 09
Diese Dynamik war bisher nur in der
mündlichen Tradition möglich.

Neue Technologie ermöglicht neue
Kommunikation.

Rezeption und Produktion haben
wieder zusammengefunden.



                 69
                                 Sabria David | re:publica 09
Auf eine Formel gebracht bedeutet
das:




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                               Sabria David | re:publica 09
Auf eine Formel gebracht, bedeutet
das:

Das Internet ist ein Schriftmedium




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                                Sabria David | re:publica 09
Auf eine Formel gebracht, bedeutet
das:

Das Internet ist ein Schriftmedium,
das nach den Regeln der Mündlichkeit
funktioniert.




                 72
                               Sabria David | re:publica 09
Auf eine Formel gebracht, bedeutet
das:

Das Internet ist ein Schriftmedium,
das nach den Regeln der Mündlichkeit
funktioniert.
Was entsteht, ist eine synchrone schriftliche Mündlichkeit




                            73
                                                  Sabria David | re:publica 09
Die Generierung von Content
funktioniert bei Wikipedia und Open
Source Projekten wie sie auch bei
Märchen funktioniert.




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                                Sabria David | re:publica 09
Die Generierung von Content
funktioniert bei Wikipedia und Open
Source Projekten wie sie auch bei
Märchen funktioniert.

Nur:




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                                Sabria David | re:publica 09
Es spielt sich nicht über Generationen
hinweg in der zeitlichen Vertikalen ab.




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                                 Sabria David | re:publica 09
Es spielt sich nicht über Generationen
hinweg in der zeitlichen Vertikalen ab.

Sondern nahezu zeitgleich, in der
zeitlichen Horizontalen.
Der synchrone Zugriff großer Usermengen macht es
möglich.




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                                             Sabria David | re:publica 09
Wie auch bei Märchen entsteht etwas
Übergeordnetes, ein sich selbst
organisierendes, wachsendes,
lebendes, offenes System.(„Das Märchen lebt“)




                 78
                                      Sabria David | re:publica 09
Wie auch bei Märchen entsteht etwas
Übergeordnetes, ein sich selbst
organisierendes, wachsendes,
lebendes, offenes System.            („Das Märchen lebt“)


Es tauscht sich mit der Umwelt aus




                          79
                                                  Sabria David | re:publica 09
Wie auch bei Märchen entsteht etwas
Übergeordnetes, ein sich selbst
organisierendes, wachsendes,
lebendes, offenes System.             („Das Märchen lebt“)


Es tauscht sich mit der Umwelt aus
Es kann sich Veränderungen anpassen




                         80
                                                    Sabria David | re:publica 09
Wie auch bei Märchen entsteht etwas
Übergeordnetes, ein sich selbst
organisierendes, wachsendes,
lebendes, offenes System.             („Das Märchen lebt“)


Es tauscht sich mit der Umwelt aus
Es kann sich Veränderungen anpassen
Es ist wandelbar




                         81
                                                   Sabria David | re:publica 09
Wie auch bei Märchen entsteht etwas
Übergeordnetes, ein sich selbst
organisierendes, wachsendes,
lebendes, offenes System.               („Das Märchen lebt“)


Es   tauscht sich mit der Umwelt aus
Es   kann sich Veränderungen anpassen
Es   ist wandelbar
Es   wächst mit Entwicklungen mit




                           82
                                                     Sabria David | re:publica 09
Wie auch bei Märchen entsteht etwas
Übergeordnetes, ein sich selbst
organisierendes, wachsendes,
lebendes, offenes System.                  („Das Märchen lebt“)


Es   tauscht sich mit der Umwelt aus
Es   kann sich Veränderungen anpassen
Es   ist wandelbar
Es   wächst mit Entwicklungen mit
Es   ist agil, flexibel, überlebensfähig




                             83
                                                        Sabria David | re:publica 09
Die Folge?




             84
                  Sabria David | re:publica 09
Die Folge?

+ Open Source Software




                         85
                              Sabria David | re:publica 09
Die Folge?

+ Open Source Software
+ Wikipedia




                         86
                              Sabria David | re:publica 09
Die Folge?

+ Open Source Software
+ Wikipedia
+ Kollaborative Geschäftsmodelle




                          87
                                   Sabria David | re:publica 09
Die Folge?

+   Open Source Software
+   Wikipedia
+   Kollaborative Geschäftsmodelle
+   Forschungsplattformen (Innocentive)




                           88
                                          Sabria David | re:publica 09
Die Folge?

+   Open Source Software
+   Wikipedia
+   Kollaborative Geschäftsmodelle
+   Forschungsplattformen (Innocentive)
+   Rekordspendensummen im amer. Wahlkampf




                         89
                                             Sabria David | re:publica 09
Die Folge?

+   Open Source Software
+   Wikipedia
+   Kollaborative Geschäftsmodelle
+   Forschungsplattformen (Innocentive)
+   Rekordspendensummen im amer. Wahlkampf
+   Ein digitales Stadtarchiv Köln




                         90
                                             Sabria David | re:publica 09
Die Folge?

+   Open Source Software
+   Wikipedia
+   Kollaborative Geschäftsmodelle
+   Forschungsplattformen (Innocentive)
+   Rekordspendensummen im amer. Wahlkampf
+   Ein digitales Stadtarchiv Köln
+   …




                         91
                                             Sabria David | re:publica 09
Die Folge?

+   Open Source Software
+   Wikipedia
+   Kollaborative Geschäftsmodelle
+   Forschungsplattformen (Innocentive)
+   Rekordspendensummen im amer. Wahlkampf
+   Ein digitales Stadtarchiv Köln
+   …
+   …




                         92
                                             Sabria David | re:publica 09
Partizipation, Kollaboration und die
Web 2.0-Technologien bringen
Bewegung in die Sache.

Die Grenze zwischen Rezeption und
Produktion von Content, von Wissen,
löst sich auf.




                  93
                                 Sabria David | re:publica 09
Etwas Festes verflüssigt sich, wenn es
bewegt wird:

In der Physik nennt man diese
Eigenschaft Thixotropie.
                grch. thixis „das Berühren“ und trepo „ich ändere, wende“




                     94
                                                        Sabria David | re:publica 09
Etwas Festes verflüssigt sich, wenn es
bewegt wird.

In der Physik nennt man diese
Eigenschaft Thixotropie.
                                       grch. thixis „das Berühren“ und trepo „ich ändere, wende“



z.B. Ketchup, Wiederverflüssigungen von Blutreliquien („Blutwunder“)




                                             95
                                                                               Sabria David | re:publica 09
Wissen (und: Kultur) hat thixotrope
Eigenschaften.




                  96
                                Sabria David | re:publica 09
Wissen (und: Kultur) hat thixotrope
Eigenschaften.

Es kann durch Bewegung verflüssigt
werden. Aggregatzustände des Wissens




                             97
                                       Sabria David | re:publica 09
Die Web 2.0-Technologien bringen in
diesem Sinne Wissen in Bewegung.
                         Der Ketchup-Effekt des Web 2.0




                 98
                                       Sabria David | re:publica 09
Das bedeutet nicht, dass alles besser
ist.




                  99
                                Sabria David | re:publica 09
Das bedeutet nicht, dass alles besser
ist.

Partizipation und Dynamik garantieren
nicht Qualität.




                  100
                                Sabria David | re:publica 09
Das bedeutet nicht, dass alles besser
ist.

Partizipation und Dynamik garantieren
nicht Qualität.

Sie ermöglichen sie aber.
Weil sie Rückkopplungsmöglichkeiten zur Verfügung stellen.
Weil sie die Voraussetzung für Emergenz schaffen.




                          101
                                               Sabria David | re:publica 09
Es bringt die Dinge in Bewegung.
Es löst starre Strukturen und macht
neue möglich.
Neue Verknüpfungen.
Neue Muster.
Neue Antworten.

Erstarrtes löst sich und fügt sich zu
Neuem.


                   102
                                  Sabria David | re:publica 09
Was geschrieben wird, ist keine letzte
Wahrheit mehr.




                  103
                                 Sabria David | re:publica 09
Was geschrieben wird, ist keine letzte
Wahrheit mehr. Es wird wahrer, je
mehr sich daran beteiligen.




                  104
                                 Sabria David | re:publica 09
Was geschrieben wird, ist keine letzte
Wahrheit mehr. Es wird wahrer, je
mehr sich daran beteiligen.
Es überholt sich selbst.




                  105
                                 Sabria David | re:publica 09
Was geschrieben wird, ist keine letzte
Wahrheit mehr. Es wird wahrer, je
mehr sich daran beteiligen.
Es überholt sich selbst.
Es schreibt sich fort.




                  106
                                 Sabria David | re:publica 09
Was geschrieben wird, ist keine letzte
Wahrheit mehr. Es wird wahrer, je
mehr sich daran beteiligen.
Es überholt sich selbst.
Es schreibt sich fort.
Es lebt.




                  107
                                 Sabria David | re:publica 09
Vielen Dank.
Sabria David www.text-raum.de
www.twitter.com/meta_blum

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einer Creative Commons Lizenz.




                                 108
                                       Sabria David | re:publica 09
Abbildungsnachweise
Henriette Sauvant, „Hänsel und Gretel“. Aus: „Zaubermärchen“, Hanser Verlag, München 2004.

Rotkäppchen, verschiedene Buchtitel der „Rotkäppchen“-Sammlung, Bilderbuchmuseum Troisdorf. Fotos: Sabria David.

Doppelportrait Gebrüder Grimm, Radierung nach einer Bleistiftzeichnung von Ludwig Emil Grimm. Zit. nach: Brüder Grimm, Kinder- und
Hausmärchen. Reclam, Stuttgart 1997, S. 941.

Portrait der Märchenfrau Dorothea Viehmann: L. E. Grimm, Radierung, 1819
und Portrait Marie Hassenpflug zitiert nach: www.grimms.de, Brüder Grimm Museum Kassel.

Aus dem Handexemplar Jacob und Wilhelm Grimms, Gebrüder Grimm Museum, Kassel. Vollständig digitalisiert zu finden unter www.grimms.de

Genrebild über den Besuch der Brüder Jacob und Wilhelm Grimm bei der Märchenerzählerin Dorothea Viehmann in Niederzwehren bei Kassel, Louis
Katzenstein 1810. Digitales Archiv Marburg/Hessisches Staatsarchiv Marburg.

Gutenberg-Portrait. Zit. nach http://de.wikipedia.org/wiki/Johannes_Gutenberg

Zuse Z3: Image courtesy of Computer History Museum, http://www.computerhistory.org/timeline/?year=1941

Ketchup: http://www.mensa.unibe.ch/lenya/mensa/live/News.html

Sollte ich weitere Rechteinhaber übersehen haben, bitte ich um Nachricht und um Nachsicht.




                                                                 109
                                                                                                                     Sabria David | re:publica 09

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  • 24. Mündliche Tradition Wikipedia: „Mündliche Überlieferung bezeichnet die erzählende Weitergabe von geschichtlichen, gesellschaftlichen und religiösen Informationen“ Ergänzung: Weitergabe UND Schaffung von Kultur/Informationen 24 Sabria David | re:publica 09
  • 25. Mündliche Tradition • Erzählungen wurden in rituelle Handlungen eingebunden (z.B. Krippenspiele) • Formelhafte Wendungen und Wiederholungen • Reim, Versmaß, Rhythmik und Singen erleichtern das Memorieren und Weitererzählen (Homer, Koran) 25 Sabria David | re:publica 09
  • 26. Mündliche Tradition Der Autor (im weiteren Sinne: Urheber) kommt erst mit der Schriftlichkeit. 26 Sabria David | re:publica 09
  • 27. Mündliche Tradition Der Autor (im weiteren Sinne: Urheber) kommt erst mit der Schriftlichkeit. Vorher gab es keinen Autor. Es gab Autoren. 27 Sabria David | re:publica 09
  • 28. Parallelen für den Übergang von mündlicher zu schriftlicher Tradition: • die Bibel • lange währender Prozess der Verschriftlichung (1.000 v. Chr. - 100 n. Chr.) • verschiedene Erzählkränze wurden miteinander verwoben • Kanonisierung • Apokryphen (bleiben virulent, Ochs und Esel) • Klassische Sagen des Altertums • Homer: Odyssee, Ilias (700 v. Chr.) • die „Homerische Frage“ („Wer bin ich und wenn ja wie viele?“) 28 Sabria David | re:publica 09
  • 29. Märchen… • entstehen im Volk (Sie sind eine „res publica“) • haben keinen einzelnen Autor • entstehen in kollektiver Autorschaft • werden über Generationen hinweg weitererzählt • Individuelles wurde hinzugefügt • und wenn dies kein Echo in den Zuhörern fand, wurde es wieder weggelassen • Motive und Stoffe werden immer wieder neu zu Geschichten verwoben, bis sie sich zu einer immer dichter werdenden Form kondensierten 29 Sabria David | re:publica 09
  • 30. Ergebnis • menschlich Allgemeingültiges • Reifungskrisen, Entwicklungs- und Loslösungsprozesse • Gut und Böse = was Menschen angeht und betrifft, und zwar zeit- und regionsunabhängig (it‘s all about you) Entstanden nach den Regeln der Evolution: Was sich bewährt, besteht. Was sich nicht bewährt, fliegt raus. 30 Sabria David | re:publica 09
  • 31. Also • Rezeption und Produktion von Content liegen in einer Hand • Der Entstehungsprozess bildet sich in der zeitlichen Vertikalen ab, über Generationen und Jahrhunderte hinweg • Es gibt Filter (jeder, der etwas hinzufügt oder weglässt, filtert) • Es gibt Multiplikatoren: Die Märchenerzählerin ist „Medium“, durch das „Volkes Stimme“ spricht 31 Sabria David | re:publica 09
  • 32. Was wir hier sehen… 32 Sabria David | re:publica 09
  • 33. … dokumentiert den Übergang von einer mündlichen in eine schriftliche Tradition. 33 Sabria David | re:publica 09
  • 34. Mit allen Schwierigkeiten und Konsequenzen, die das mit sich bringt: • Dokumentation um den Preis der Festschreibung • Kanonisierung • Filter 34 Sabria David | re:publica 09
  • 35. Filtermechanismen • Eine Auswahl repräsentiert die Erwartungen • „struppige“ Märchen wurden nicht aufgenommen • Grimms hatten ein volkskundliches Interesse • Märchen mussten trotzdem „salonfähig“ sein • hohes künstlerisches Niveau wurde erwartet • sexuelle Anspielungen wurden entschärft Rapunzels Schwangerschaft • Ergänzungen, Überarbeitungen im Laufe der Editionen • Nach und nach entwickelt sich der typische „Märchenstil“ 35 Sabria David | re:publica 09
  • 36. Schauen wir uns den Übergang von mündlicher zu schriftlicher Tradition etwas genauer an 36 Sabria David | re:publica 09
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  • 41. Der Buchdruck. 41 Sabria David | re:publica 09
  • 42. Paradigmenwechsel Buchdruck Mitte des 15. Jh. erfindet Gutenberg den Buchdruck mit beweglichen Lettern 42 Sabria David | re:publica 09
  • 43. Durch diese Technik war es nun möglich, mit Büchern in Massenproduktion zu gehen • Demokratisierung der Rezeption von Büchern, des Lesens • Viele konnten sich jetzt Bücher leisten • Jeder dufte lesen (Alphabetisierung vorausgesetzt) • Höfe und Klöster hatten kein Buchmonopol mehr • sogar die Bibel konnte vom Volk gelesen werden, seit Luther die Bibel vom Lateinischen (grch., hebr.) ins Frühneuhochdeutsche übersetzt hat (1534) • Technische Entwicklung spiegelt sich in der sprachlichen Demokratisierung Übergang von Mittelhochdeutschen zum Neuhochdeutschen 43 Sabria David | re:publica 09
  • 44. Andererseits: Produktion und Rezeption werden getrennt 44 Sabria David | re:publica 09
  • 45. Andererseits: Produktion und Rezeption werden getrennt • Es darf zwar jeder Lesen 45 Sabria David | re:publica 09
  • 46. Andererseits: Produktion und Rezeption werden getrennt • Es darf zwar jeder Lesen • aber das Schreiben bleibt die Sache einiger Auserwählter (Autoren/Autoritäten) 46 Sabria David | re:publica 09
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  • 48. Und so blieb es lange. Bis dieses Ding kam: 48 Sabria David | re:publica 09
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  • 50. Am Anfang blieb alles beim Alten. 50 Sabria David | re:publica 09
  • 51. Am Anfang blieb alles beim Alten. Weil das Ding benutzt wurde wie eine bessere Rechen- oder Schreibmaschine. Oder wie ein Publikationsmedium. Wie eine Umsetzmaschine. Wie ein Informationskanal. 51 Sabria David | re:publica 09
  • 52. Aber dann… 52 Sabria David | re:publica 09
  • 53. Aber dann… (Shift happens) 53 Sabria David | re:publica 09
  • 54. Aber dann… (Shift happens) … wurde die Technologie erwachsen. 54 Sabria David | re:publica 09
  • 55. Aber dann… (Shift happens) … wurde die Technologie erwachsen. Und die Nutzer wurden es auch. 55 Sabria David | re:publica 09
  • 56. Und aus dem Kanal wurde 56 Sabria David | re:publica 09
  • 57. Und aus dem Kanal wurde 57 Sabria David | re:publica 09
  • 58. Und aus dem Kanal wurde … ein Wechselkanal 58 Sabria David | re:publica 09
  • 59. Viele Menschen können zeitgleich auf dasselbe Material zugreifen. 59 Sabria David | re:publica 09
  • 60. Viele Menschen können zeitgleich auf dasselbe Material zugreifen. Sie lesen, rezipieren, konsumieren ihn. 60 Sabria David | re:publica 09
  • 61. Viele Menschen können zeitgleich auf dasselbe Material zugreifen. Sie lesen, rezipieren, konsumieren ihn. Aber nicht nur. 61 Sabria David | re:publica 09
  • 62. Viele Menschen können zeitgleich auf dasselbe Material zugreifen. Sie lesen, rezipieren, konsumieren ihn. Aber nicht nur. Sie verändern ihn auch. 62 Sabria David | re:publica 09
  • 63. Viele Menschen können zeitgleich auf dasselbe Material zugreifen. Sie lesen, rezipieren, konsumieren ihn. Aber nicht nur. Sie verändern ihn auch. Sie greifen ein. 63 Sabria David | re:publica 09
  • 64. Viele Menschen können zeitgleich auf dasselbe Material zugreifen. Sie lesen, rezipieren, konsumieren ihn. Aber nicht nur. Sie verändern ihn auch. Sie greifen ein. Sie produzieren mit. 64 Sabria David | re:publica 09
  • 65. Viele Menschen können zeitgleich auf dasselbe Material zugreifen. Sie lesen, rezipieren, konsumieren ihn. Aber nicht nur. Sie verändern ihn auch. Sie greifen ein. Sie produzieren mit. Sie hinterlassen Spuren. 65 Sabria David | re:publica 09
  • 66. Diese Dynamik war bisher nur in der mündlichen Tradition möglich. 66 Sabria David | re:publica 09
  • 67. Diese Dynamik war bisher nur in der mündlichen Tradition möglich. Neue Technologie ermöglicht neue Kommunikation. 67 Sabria David | re:publica 09
  • 68. Diese Dynamik war bisher nur in der mündlichen Tradition möglich. Neue Technologie ermöglicht neue Kommunikation. Rezeption und Produktion haben wieder zusammengefunden. 68 Sabria David | re:publica 09
  • 69. Diese Dynamik war bisher nur in der mündlichen Tradition möglich. Neue Technologie ermöglicht neue Kommunikation. Rezeption und Produktion haben wieder zusammengefunden. 69 Sabria David | re:publica 09
  • 70. Auf eine Formel gebracht bedeutet das: 70 Sabria David | re:publica 09
  • 71. Auf eine Formel gebracht, bedeutet das: Das Internet ist ein Schriftmedium 71 Sabria David | re:publica 09
  • 72. Auf eine Formel gebracht, bedeutet das: Das Internet ist ein Schriftmedium, das nach den Regeln der Mündlichkeit funktioniert. 72 Sabria David | re:publica 09
  • 73. Auf eine Formel gebracht, bedeutet das: Das Internet ist ein Schriftmedium, das nach den Regeln der Mündlichkeit funktioniert. Was entsteht, ist eine synchrone schriftliche Mündlichkeit 73 Sabria David | re:publica 09
  • 74. Die Generierung von Content funktioniert bei Wikipedia und Open Source Projekten wie sie auch bei Märchen funktioniert. 74 Sabria David | re:publica 09
  • 75. Die Generierung von Content funktioniert bei Wikipedia und Open Source Projekten wie sie auch bei Märchen funktioniert. Nur: 75 Sabria David | re:publica 09
  • 76. Es spielt sich nicht über Generationen hinweg in der zeitlichen Vertikalen ab. 76 Sabria David | re:publica 09
  • 77. Es spielt sich nicht über Generationen hinweg in der zeitlichen Vertikalen ab. Sondern nahezu zeitgleich, in der zeitlichen Horizontalen. Der synchrone Zugriff großer Usermengen macht es möglich. 77 Sabria David | re:publica 09
  • 78. Wie auch bei Märchen entsteht etwas Übergeordnetes, ein sich selbst organisierendes, wachsendes, lebendes, offenes System.(„Das Märchen lebt“) 78 Sabria David | re:publica 09
  • 79. Wie auch bei Märchen entsteht etwas Übergeordnetes, ein sich selbst organisierendes, wachsendes, lebendes, offenes System. („Das Märchen lebt“) Es tauscht sich mit der Umwelt aus 79 Sabria David | re:publica 09
  • 80. Wie auch bei Märchen entsteht etwas Übergeordnetes, ein sich selbst organisierendes, wachsendes, lebendes, offenes System. („Das Märchen lebt“) Es tauscht sich mit der Umwelt aus Es kann sich Veränderungen anpassen 80 Sabria David | re:publica 09
  • 81. Wie auch bei Märchen entsteht etwas Übergeordnetes, ein sich selbst organisierendes, wachsendes, lebendes, offenes System. („Das Märchen lebt“) Es tauscht sich mit der Umwelt aus Es kann sich Veränderungen anpassen Es ist wandelbar 81 Sabria David | re:publica 09
  • 82. Wie auch bei Märchen entsteht etwas Übergeordnetes, ein sich selbst organisierendes, wachsendes, lebendes, offenes System. („Das Märchen lebt“) Es tauscht sich mit der Umwelt aus Es kann sich Veränderungen anpassen Es ist wandelbar Es wächst mit Entwicklungen mit 82 Sabria David | re:publica 09
  • 83. Wie auch bei Märchen entsteht etwas Übergeordnetes, ein sich selbst organisierendes, wachsendes, lebendes, offenes System. („Das Märchen lebt“) Es tauscht sich mit der Umwelt aus Es kann sich Veränderungen anpassen Es ist wandelbar Es wächst mit Entwicklungen mit Es ist agil, flexibel, überlebensfähig 83 Sabria David | re:publica 09
  • 84. Die Folge? 84 Sabria David | re:publica 09
  • 85. Die Folge? + Open Source Software 85 Sabria David | re:publica 09
  • 86. Die Folge? + Open Source Software + Wikipedia 86 Sabria David | re:publica 09
  • 87. Die Folge? + Open Source Software + Wikipedia + Kollaborative Geschäftsmodelle 87 Sabria David | re:publica 09
  • 88. Die Folge? + Open Source Software + Wikipedia + Kollaborative Geschäftsmodelle + Forschungsplattformen (Innocentive) 88 Sabria David | re:publica 09
  • 89. Die Folge? + Open Source Software + Wikipedia + Kollaborative Geschäftsmodelle + Forschungsplattformen (Innocentive) + Rekordspendensummen im amer. Wahlkampf 89 Sabria David | re:publica 09
  • 90. Die Folge? + Open Source Software + Wikipedia + Kollaborative Geschäftsmodelle + Forschungsplattformen (Innocentive) + Rekordspendensummen im amer. Wahlkampf + Ein digitales Stadtarchiv Köln 90 Sabria David | re:publica 09
  • 91. Die Folge? + Open Source Software + Wikipedia + Kollaborative Geschäftsmodelle + Forschungsplattformen (Innocentive) + Rekordspendensummen im amer. Wahlkampf + Ein digitales Stadtarchiv Köln + … 91 Sabria David | re:publica 09
  • 92. Die Folge? + Open Source Software + Wikipedia + Kollaborative Geschäftsmodelle + Forschungsplattformen (Innocentive) + Rekordspendensummen im amer. Wahlkampf + Ein digitales Stadtarchiv Köln + … + … 92 Sabria David | re:publica 09
  • 93. Partizipation, Kollaboration und die Web 2.0-Technologien bringen Bewegung in die Sache. Die Grenze zwischen Rezeption und Produktion von Content, von Wissen, löst sich auf. 93 Sabria David | re:publica 09
  • 94. Etwas Festes verflüssigt sich, wenn es bewegt wird: In der Physik nennt man diese Eigenschaft Thixotropie. grch. thixis „das Berühren“ und trepo „ich ändere, wende“ 94 Sabria David | re:publica 09
  • 95. Etwas Festes verflüssigt sich, wenn es bewegt wird. In der Physik nennt man diese Eigenschaft Thixotropie. grch. thixis „das Berühren“ und trepo „ich ändere, wende“ z.B. Ketchup, Wiederverflüssigungen von Blutreliquien („Blutwunder“) 95 Sabria David | re:publica 09
  • 96. Wissen (und: Kultur) hat thixotrope Eigenschaften. 96 Sabria David | re:publica 09
  • 97. Wissen (und: Kultur) hat thixotrope Eigenschaften. Es kann durch Bewegung verflüssigt werden. Aggregatzustände des Wissens 97 Sabria David | re:publica 09
  • 98. Die Web 2.0-Technologien bringen in diesem Sinne Wissen in Bewegung. Der Ketchup-Effekt des Web 2.0 98 Sabria David | re:publica 09
  • 99. Das bedeutet nicht, dass alles besser ist. 99 Sabria David | re:publica 09
  • 100. Das bedeutet nicht, dass alles besser ist. Partizipation und Dynamik garantieren nicht Qualität. 100 Sabria David | re:publica 09
  • 101. Das bedeutet nicht, dass alles besser ist. Partizipation und Dynamik garantieren nicht Qualität. Sie ermöglichen sie aber. Weil sie Rückkopplungsmöglichkeiten zur Verfügung stellen. Weil sie die Voraussetzung für Emergenz schaffen. 101 Sabria David | re:publica 09
  • 102. Es bringt die Dinge in Bewegung. Es löst starre Strukturen und macht neue möglich. Neue Verknüpfungen. Neue Muster. Neue Antworten. Erstarrtes löst sich und fügt sich zu Neuem. 102 Sabria David | re:publica 09
  • 103. Was geschrieben wird, ist keine letzte Wahrheit mehr. 103 Sabria David | re:publica 09
  • 104. Was geschrieben wird, ist keine letzte Wahrheit mehr. Es wird wahrer, je mehr sich daran beteiligen. 104 Sabria David | re:publica 09
  • 105. Was geschrieben wird, ist keine letzte Wahrheit mehr. Es wird wahrer, je mehr sich daran beteiligen. Es überholt sich selbst. 105 Sabria David | re:publica 09
  • 106. Was geschrieben wird, ist keine letzte Wahrheit mehr. Es wird wahrer, je mehr sich daran beteiligen. Es überholt sich selbst. Es schreibt sich fort. 106 Sabria David | re:publica 09
  • 107. Was geschrieben wird, ist keine letzte Wahrheit mehr. Es wird wahrer, je mehr sich daran beteiligen. Es überholt sich selbst. Es schreibt sich fort. Es lebt. 107 Sabria David | re:publica 09
  • 108. Vielen Dank. Sabria David www.text-raum.de www.twitter.com/meta_blum Dieser Vortrag steht unter einer Creative Commons Lizenz. 108 Sabria David | re:publica 09
  • 109. Abbildungsnachweise Henriette Sauvant, „Hänsel und Gretel“. Aus: „Zaubermärchen“, Hanser Verlag, München 2004. Rotkäppchen, verschiedene Buchtitel der „Rotkäppchen“-Sammlung, Bilderbuchmuseum Troisdorf. Fotos: Sabria David. Doppelportrait Gebrüder Grimm, Radierung nach einer Bleistiftzeichnung von Ludwig Emil Grimm. Zit. nach: Brüder Grimm, Kinder- und Hausmärchen. Reclam, Stuttgart 1997, S. 941. Portrait der Märchenfrau Dorothea Viehmann: L. E. Grimm, Radierung, 1819 und Portrait Marie Hassenpflug zitiert nach: www.grimms.de, Brüder Grimm Museum Kassel. Aus dem Handexemplar Jacob und Wilhelm Grimms, Gebrüder Grimm Museum, Kassel. Vollständig digitalisiert zu finden unter www.grimms.de Genrebild über den Besuch der Brüder Jacob und Wilhelm Grimm bei der Märchenerzählerin Dorothea Viehmann in Niederzwehren bei Kassel, Louis Katzenstein 1810. Digitales Archiv Marburg/Hessisches Staatsarchiv Marburg. Gutenberg-Portrait. Zit. nach http://de.wikipedia.org/wiki/Johannes_Gutenberg Zuse Z3: Image courtesy of Computer History Museum, http://www.computerhistory.org/timeline/?year=1941 Ketchup: http://www.mensa.unibe.ch/lenya/mensa/live/News.html Sollte ich weitere Rechteinhaber übersehen haben, bitte ich um Nachricht und um Nachsicht. 109 Sabria David | re:publica 09