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Ausgabe 01 / 2012




       Fernbusse
Nächster Halt:
   Lohnabbau
Hier passt
alles zusammen:
Qualität aus einer Hand!
Die mobifair-Zertifizierungs- und Beratungsgesellschaft mbH unterstützt
Unternehmen, Verbände und Institutionen mit einer Vielzahl von Dienstleistungen.
Sie alle sind miteinander verbunden und bieten in den Bereichen Beratung,
Zertifizierung, Studien und Kontrolle individuelle Lösungen an.


						Den Guten eine Chance!

Kontakt: mobifair GmbH,
Westendstraße 52, 60325
Frankfurt/Main

Telefon: +49 (69) 271 39 96 - 6
Fax: +49 (69) 271 39 96 - 77

E-Mail: info@mobifair-gmbh.eu
Internet: www.mobifair-gmbh.eu
Inhalt




Editorial
                                       Auch im Jahr 2012 gibt es in Deutschland noch Lohndumping, werden gesetzlich fest-
                                       gelegte Sozialstandards mit Füßen getreten, Beschäftigte wie auf einem modernen
                                       Sklavenmarkt „verliehen“. Für mobifair heißt das, sich weiterhin engagiert dafür ein-
                                       zusetzen, dass der Wettbewerb im Verkehrsbereich fair abläuft. Denn immer noch
                                       und viel zu oft sind die Beschäftigten die Leidtragenden, während Unternehmen satte
                                       Profite einstreichen

                                       Wettbewerb soll für den Menschen da sein und nicht auf ihrem Rücken ausgetra-
                                       gen werden. Wer arbeitet, darf nicht mit Billiglöhnen abgespeist werden und am Mo-
                                       natsende feststellen müssen, dass der Gang zum Sozialamt unausweichlich ist. Wer
                                       als Unternehmer anständige Beschäftigungsbedingungen anbietet, darf nicht von
                                       Ausbeuterfirmen aus dem Markt gedrängt werden, die skrupellos ausnutzen, dass
                                       der Gesetzgeber keine fairen Rahmenbedingungen geschaffen hat.

„Den Guten eine Chance“ hat sich mobifair zum Motto gemacht. In diesem Sinne werden wir uns auch in diesem Jahr dafür
stark machen, dass schwarze Schafe, die sich auf Kosten der Allgemeinheit bedienen, vom Markt verschwinden, dass die
Politik sich auf ihre soziale Verantwortung besinnt und dass faire Bedingungen in der Arbeitswelt die Norm werden.

Im Namen des Vorstands und des Teams von mobifair möchte ich mich schon jetzt bei allen bedanken, die uns bei dieser
Aufgabe unterstützen werden.
                                                                                     Helmut Diener, Geschäftsführer



Aus dem Inhalt
                                           Titelthema: Fernbusse                               Arbeitsmarkt:
                                           Konsequenzen der Liberalisierung                    Der Niedriglohnsektor boomt
                                           im Fernbusverkehr – Lohn- und                       Kräftige Profite auf Kosten
                                           Sozialstandards werden dadurch                      der Allgemeinheit..................... S. 10
                                           gefährdet................................ S. 4
                                                                                               mobifair intern:
                                           Tatort Führerstand:                                 Abschlussbericht zu
                                           Keine Rechtsgrundlage für                           Ausschreibungsverfahren
                                           selbständige Lokführer............ S. 7             Sozialstandards als Kriterien
                                                                                               bleiben Mangelware................. S. 11
                                           Gigaliner:
                                           Die Monsterlaster starten durch                     Verschiedenes.......................... S. 12
                                           Rollende Riesentransporter auf
                                           deutschen Straßen.................... S. 8




  Impressum
                        Herausgeber:          Kontakt:              Geschäftsführer:        Redaktion:              Druck:

                        mobifair e. V.        069 / 271 39 96-6     Helmut Diener           Brigitte Klein/         alpha print medien AG
                        Westendstraße 52      info@mobifair.eu      (verantwortlich)        Tobias Lipser           Kleyerstraße 3
                        60325 Frankfurt       www.mobifair.eu                               presse@mobifair.eu      64295 Darmstadt

                        Eingetragen im Vereinsregister Frankfurt am Main: VR 13555



                                                                                                                                         3
Fernbusse




Fernbusse:
Nächste Haltestelle Lohnabbau
Fernbusreisen – das weckt Erinnerungen an Klassenfahrten als Kind oder an den Traum, im Greyhound-Bus die
USA zu durchqueren. In beiden Fällen ein Symbol der Freiheit und des Abenteuers. Es entsteht das Bild von preis-
werten Reisen in interessante Gegenden. Leider bleibt von diesem Bild nur ein verblichenes Exemplar übrig,
wenn man sich die Realität ansieht. Denn diese Träume haben alle ein Kehrseite: In der Regel sind es die Beschäf-
tigten, die für diesen Traum bezahlen müssen: in Form von niedrigen Löhnen und langen und schlechten Arbeits-
zeiten. Das führt zu einem unfairen Wettbewerb, in dem Unternehmen, die sich nicht am Lohn- und Sozialdumping
oder der Ausbeutung von Menschen beteiligen, den Kürzeren ziehen und vom Markt gedrängt werden. „Die Guten
haben keine Chance.“

Vor diesem Hintergrund haben wir                                                  innerungen, die z.T. geweckt wer-
in den letzten Monaten den Ge-                                                    den, auf einen fruchtbaren Boden.
setzgebungsprozess begleitet und                                                  Sie bedient auch die stets populäre
uns den Fernbuslinienverkehr in                                                   Diskussion darüber, wie schlecht
Deutschland und Europa angese-                                                    die Bahn ist. Jede Verspätung wird
hen. Wir sind in Bussen mitgefahren                                               dafür als Beweis genommen und
und haben uns die Lohnstandards in                                                außerdem hat ja schon jeder mal
der Branche genauer betrachtet. Es                                                eine schlechte Erfahrung gemacht –
bleibt dabei: Der Fernbuslinienver-                                               oder kennt jemanden, der jemanden
kehr wird auf Dauer nicht dem mo-                                                 kennt, der eine gemacht hat. Der
torisierten Individualverkehr Anteile                                             letzte Stau oder die letzte Werkstatt-
abnehmen, sondern vor allem dem                                                   rechnung dagegen nehmen nicht
Schienenpersonenverkehr. Er wird                                                  einen solchen prominenten Platz im
daher auch auf Kosten von guten Ar-                                               Erinnerungsvermögen ein.
beitsplätzen bei Eisenbahnverkehrs-     Bahn weitere Konkurrenz machen
unternehmen gehen und er wird die       sollen. Die Erfahrungen von auslän-       Auf diesen Boden fällt also die Dis-
Sozialstandards der Arbeitsplätze       dischen Anbietern, die jetzt auf den      kussion und daher stimmen viele ein
im Bereich des Busdienstes negativ      deutschen Markt drängen wollen,           in den Chor, die sagen, dass man der
beeinflussen.                           machen deutlich, dass preiswertere        Bahn mit Konkurrenz mal so richtig
                                        Tickets auf Kosten sinkender Lohn-        Druck machen müsse. Leider ohne
Damit reiht sich die Liberalisierung    und Sozialstandards der Beschäf-          die Konsequenzen zu beachten. Dem
im Fernbuslinienverkehr ein in das      tigten erkauft werden. So steht mit       soll dieser Themenschwerpunkt et-
neoliberale Dogma vom Wettbewerb,       der First Group Ltd. ein Anbieter         was entgegensetzen. Wir wollen das
der alles regeln wird. Im Personen-     parat, der in den USA (Greyhound,         Thema Fernbus etwas umfassender
fernverkehr gibt es zum jetzigen        Schulbusse) vor allem durch das           beleuchten und Konsequenzen der
Zeitpunkt noch keinen wirklichen        aktive Behindern gewerkschaft-            Liberalisierung aufzeigen.
Wettbewerb. Im Schienenverkehr          licher Arbeit und schlechte Löhne
versuchen Anbieter sich lukrative       aufgefallen ist. Hier gilt es politisch
Teilstücke herauszugreifen und hier     darauf zu achten, dass auch die Ver-
gezielte Angebote entgegen zu set-      gabe von Konzessionen für Fernbus-
zen. Außerdem sieht die schwarz-        linien an Lohn- und Sozialstandards
gelbe Novellierung des Personen-        gekoppelt werden muss.
beförderungsgesetzes (PBfG) die
vereinfachte Zulassung von inner-       Die Diskussion um die Fernbusse
deutschen Fernbuslinien vor, die der    fällt aber nicht nur wegen der Er-

    4                                                                                                    mopinio 01/2012
Fernbusse




Reform des
Personenbeförderungsgesetzes
Der Sozialschutz bleibt auf der Strecke




Mit der Novellierung des Personenbeförderungsgesetzes soll auch die Liberalisierung des Fern-
buslinienverkehrs erfolgen. Nach Lesart der Befürworter wird damit ein schon zu lange beste-
hendes Wettbewerbshemmnis aus dem Weg geräumt, um endlich den von vielen gewünschten
Markt für nationale Buslinien zu öffnen. Diesem Grundsatz folgt die Bundesregierung mit ihrem
Gesetzentwurf.

Sie legt damit einen Entwurf vor, der die privaten Unternehmensprofite im ÖPNV und Linienfern-
busverkehr zu Lasten der öffentlichen Haushalte bevorteilt. Beispielhaft dabei zeigt sich die er-
folgreiche Mitarbeit des größten deutschen Anbieters Deutsche Touring, der an der Erarbeitung
des Gesetzes mitgewirkt hat. Ein Wettbewerber, der sich durch eine dezentrale Struktur und keine
einheitlichen Lohn- und Sozialstandards auszeichnet. Das Gros der Verkehrsleistungen der Deut-
schen Touring GmbH bzw. der Euroline Germany wird durch Subunternehmen erbracht. Im Jahre
2007 waren nach Unternehmensangaben bereits 15 Subunternehmen für die Touring tätig. Zu-
sätzlich hat die Deutsche Touring ein Netz ausländischer Töchter gegründet, über die derzeit aus-
schließlich die Neueinstellungen erfolgen. Bei Lohnunterschieden von Busfahrern zwischen rund
700 Euro monatlich in Portugal und rund 2000 Euro in Deutschland, ist wohl klar, wohin die Reise
gehen soll.

Bei der Diskussion um den Sinn der Liberalisierung des Fernbuslinienverkehrs sind Argumen-
tationen zu finden, die einerseits auf den Glauben an die Kraft des Wettbewerbs bauen und an-
dererseits gestützt werden durch ein tiefes Misstrauen gegenüber dem Branchenführer und Ex-
Monopolisten DB AG. Aus diesen Komponenten lässt sich trefflich begründen, dass Wettbewerb
stattfinden muss, „weil die Bahn ja bekanntermaßen schlecht ist“ und „durch den Wettbewerb eine
bessere Qualität zum niedrigeren Preis erzielt werden kann.“

In der Bugwelle dieser Diskussion nutzt die Bundesregierung jetzt die Chance, den Fernbuslini-
enverkehr weitestgehend zu liberalisieren. Sie verzichtet dabei bewusst auf eine Regulierung der
Lohn- und Sozialstandards und begeht damit die Fehler der Vergangenheit erneut. Erfahrungen
in ehemals geschützten Bereichen, die ohne Absicherung von Lohn- und Sozialstandards libe-
                                                                   weiter auf der nächsten Seite »
                                                                                                           5
Fernbusse




» ralisiert wurden, sollten hier als        stießen wir auf Aussagen von Bus-        Zweifelhaft auch, ob der Einsatz im
  warnende Beispiele gelten, weil der       unternehmern wie „Gegen diese Ma-        Sinne des Arbeitszeitgesetzes war.
  Wettbewerb dort vor allem auf dem         fia haben wir eh keine Chance“ oder      Dem muss einen Riegel vorgescho-
  Rücken der Beschäftigten ausgetra-        „wenn wir unsere Leute anständig         ben werden.
  gen wird. Man denke an Telekom-           bezahlen wollen, dann können wir
  munikationsdienstleister oder auch        diesen Markt nicht bedienen“. Und        Wir fordern den Gesetzgeber auf,
  die Privatisierung von kommunalen         so wird das auch sein. Die Unterneh-     im Gesetz eine Sicherung von Lohn-
  Abfallentsorgungsunternehmen.             men im Fernbuslinienverkehr wer-         und Sozialstandards zu verankern.
                                            den sich wohl an den Arbeitsmärkten      Das muss sein, denn einen Mindest-
 Hier wird Politik für die bestimmte        der europäischen Billiglohnländer        lohn für diese Branche gibt es nicht.
 Unternehmen betrieben und die              versorgen. Das rechnet sich auch.        Ebenso wird es notwendig sein, dass
 Rechnung dafür bekommt der Steu-           Bei unserem „Ausflug“ nach Kra-          verstärkte Kontrollen durchgeführt
 erzahler. So dient der Wettbewerb          kau - siehe Bericht auf dieser Sei-      werden. Unser Vorschlag wäre das
 nicht dem Menschen, sondern nur            te - waren vier polnische Busfahrer      Bundesamt für Güterverkehr, BAG.
 den Unternehmen – und mittelbar            und eine Servicekraft an Bord. Wir
 vielleicht der schwarz-gelben Koa-         haben eine Kostenanalyse der Reise       Wir bleiben dabei: Wer es ernst da-
 lition durch vermehrte Parteispen-         gemacht und kommen zum klaren            mit meint, den Raubbau an Löhnen
 den. Mövenpick lässt grüßen!               Ergebnis, dass mit Anwendung des         und Sozialstandards endlich zu be-
                                            deutschen Tarifniveaus ein sattes        enden, der darf solche Gesetzesän-
 Auf der Strecke bleiben mit Sicher-        Minus herausgekommen wäre. Billig        derungen, wie im Personenbeför-
 heit die mittelständischen Busun-          für die Kunden heißt in diesem Fall      derungsgesetz (PBefG) vorgesehen,
 ternehmen. In unseren Recherchen           auch billiger Lohn und Ausbeutung.       nicht ohne Sozialschutz zulassen.




         Bequem ist
         etwas Anderes
         Ein dunkler verlassener Parkplatz in Heilbronn. Es ist schwer vorstell-
         bar, dass an diesem Ort um Punkt 20 Uhr ein Reisebus halten soll,
         der uns nach Krakau bringt. Es ist 20:04 Uhr, als ein weißer Doppelde-
         cker-Reisebus wie aus dem Nichts um die Ecke biegt. Es öffnen sich
         Türen von parkenden Autos. In kürzester Zeit bildet sich eine Men-
         schentraube am Bus. Fahrkarten werden gezeigt, Listen kontrolliert,
         Sitzplatznummern und Gepäckmarken verteilt. Das Gepäck wird im
         Bauch des Fernbusses verstaut. Die digitale Uhr im vorderen Teil des
         Busses zeigt 20:11 Uhr, der Bus befindet sich bereits auf dem Weg zum
         nächsten Halt. Es läuft ein polnischer Film. Das Licht ist aus, lediglich
         kleine rote LED-Leuchten über jedem Platz sorgen für eine unwirk-
         liche Stimmung. Die Knie stoßen an den Sitz des Vordermanns, es sind
         nicht mehr als zwei Sitzpositionen möglich. Der Bus rauscht durch die
         Nacht. Die Fahrt besteht aus unzähligen Schlafversuchen, kurzen Hal-
         ten und einer halben Stunde Pause, um sich die Beine zu vertreten.
         Gegen 09:04 Uhr erreichen wir Gliwice. 13 Stunden im Bus. Nach dem
         Umstieg erscheinen die letzten 1,5 Stunden wie ein Augenblick. Mit
         unseren Taschen in der Hand stehen wir nun am Bahnhof in Krakau.
         Diese Art zu reisen ist möglich, aber ruhig und bequem ist etwas An-
         deres. Es war eine langer Tag, eine kurze Nacht.



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Tatort führerstand




Nicht existente Lokführer
– Vorsicht Geisterfahrer
Bundesregierung bestätigt mobifair-Rechtsauffassung

„Für selbständige Lokführer gibt es keine Rechtsgrundlage“ teilte die Bundesregierung auf eine kleine Anfrage
der SPD-Bundestagsfraktion mit. Damit wird die Auffassung von mobifair bestätigt. Tatsache ist allerdings: Selb-
ständige Lokführer bieten ihre Dienste an und sind auf den Schienen unterwegs.

Wörtlich heißt es in der Stellung-    mationen, ob tatsächlich Einsätze     mobifair appelliert:
nahme der Regierung: „Es gibt kei-    gefahren würden. mobifair wertet
ne Rechtsgrundlage dafür, dass        diese Aussage als „merkwürdig“.       An alle EVU: Keine Geisterfahrer auf
Triebfahrzeugführer ihren Dienst      Einfache Kontrollen könnten dieser    der Schiene einsetzen! Die Haftung
„selbständig“ im Sinne von fach-      „Wissenslücke“ leicht abhelfen. Zu-   für „selbständige Lokführer“ liegt
lich unabhängig oder unkontrolliert   mal mobifair den zuständigen Be-      klar beim einsetzenden Eisenbahn-
von einem Eisenbahnverkehrsun-        hörden zu diesem Thema Namen          verkehrsunternehmen. Wer soge-
ternehmen ausüben dürfen.“ Dabei      und Informationen von Eisenbahn-      nannte „selbständige Lokführer“
weist die Bundesregierung auf die     unternehmen gemeldet hat. Nun         ohne ausreichende Kontrolle der
Verpflichtung der Eisenbahnen hin,    sollte man auch mal prüfen, ob hier   Zulassung und aller notwendigen
besonders qualifiziertes Personal     alles mit rechten Dingen im Sinne     Bescheinigungen beschäftigt sowie
vorhalten zu müssen. „Das heißt:      der eisenbahnrechtlichen Vorschrif-   ihnen ohne Einbindung in das eige-
Eigenes Personal“, so kommentiert     ten und der Sozialversicherungs-      ne Eisenbahnunternehmen - Über-
mobifair-Geschäftsführer Helmut       pflicht zugeht.                       wachungspflicht - Aufträge erteilt,
Diener, „oder zumindest Personal,                                           handelt nicht rechtmäßig. Er kommt
das für eine bestimmte Zeit in das    Aktuell liegen mobifair weitere na-   den Sicherheitsverpflichtungen im
Eisenbahnverkehrsunternehmen          mentliche Hinweise über den Ein-      Sinne des Allgemeinen Eisenbahn-
eingegliedert ist.“                   satz von „Geisterfahrern“ vor. Die    gesetzes (AEG) nicht ausreichend
                                      Recherchen ergaben grünes Licht       nach
Zwar habe man Kenntnis darüber,       für eine Anzeige beim Eisenbahn-
dass Personen ihre Dienste als        bundesamt und dem zuständigen         An alle so genannten selbständigen
Triebfahrzeugführer im Internet an-   Rentenversicherungsträger.            Lokführer: Schadet nicht länger der
bieten, heißt es in der Antwort auf                                         Branche und werdet wieder Lokfüh-
die Anfrage, aber keinerlei Infor-                                          rer mit Festanstellung in einem EVU!




                                                                                                             7
Gigaliner




Achtung:
Monsterlaster unterwegs
Verkehrsexperten warnen, Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht drohen, die Bevölkerung ist mehrheitlich
dagegen – unbeeindruckt von alldem hat Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer den Feldversuch für über-
lange Transporter durchgesetzt. In sieben Bundesländern werden die Monsterlaster demnächst unterwegs sein.

                                                               stellvertretender Allianz pro Schiene-Vorsitzender. Die
                                                               Ampelsignale und Schrankenschaltungen der Bahnü-
                                                               bergänge in Deutschland seien für die Riesen-Lkw nicht
                                                               ausgelegt. Die Räumzeiten würden bislang nach der re-
                                                               gulären Lkw-Maximallänge von 18,75 Meter berechnet,
                                                               gibt er zu bedenken.

                                                               Auch beim Überholen kann es brenzlig werden: Gerade
                                                               mal 13 Zentimeter hoch ist das Hinweisschild auf den
                                                               Fahrzeugen, das auf einen „Lang-Lkw“ aufmerksam ma-
                                                               chen soll. Da wird so mancher Autofah-
                                                               rer erst während des Überholvorgangs
                                                               feststellen, dass er einen über sechs Me-
                                   Foto: Allianz pro Schiene   ter längeren Transporter passieren muss.
Sicherheitsbedenken der Riesentruck-Gegner wurden              Gerade auf den „nachgeordneten Straßen“
vom Bundesverkehrsministerium bisher ebenso unge-              kann das ein schwer kalkulierbares Risiko
rührt ignoriert wie die rechtlichen Bedenken gegen die         darstellen.
Ausnahmeverordnung, mit der der Feldversuch erst er-
möglicht wurde. Ein Gutachten, das die Allianz pro Schie-      mobifair befürchtet zudem, dass sich mit
ne und die Gewerkschaft EVG in Auftrag gegeben haben,          dem Einsatz der Monstertrucks die
bewertet die rechtliche Grundlage des Feldversuchs als         Arbeitssituation für die Lkw-Fah-
verfassungswidrig, da Bundestag und Bundesrat nicht            rer weiter verschlechtern wird. „Ge-
beteiligt wurden. Die Bundestagsfraktionen von SPD und         sundheits- und Arbeitsschutz sind im
Grünen erwägen ebenso eine Klage vor dem Bundesver-            Speditionsgewerbe bereits jetzt mehr
fassungsgericht wie das Land Baden-Württemberg.                als schlecht“, sagt Geschäftsführer Hel-
                                                               mut Diener. Der enorme Wettbewerbs-
Bayern, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Sachsen,               druck auf dem Markt zwinge bereits jetzt
Schleswig-Holstein und Thüringen dagegen haben                 die Lkw-Fahrer quasi zur Selbstausbeu-
grünes Licht gegeben – für Autobahnstrecken ebenso             tung. Diener bewertet den Feldversuch
wie für ausgewiesene Bundesstraßen und „nachgeord-             als „unsinnig und gefährlich“.
nete Straßen“, das bedeutet auch Landstraßen. Wenn
es nicht schon in den Autobahnbaustellen für andere            In die Reihen der Kritiker reiht sich auch
Fahrzeuge eng wird, sind die Probleme spätestens für           der Auto Club Europa (ACE) ein. Eine
Kreisverkehre vorprogrammiert. Weitere Engpässe und            Stärkung des Transportes auf der Straße
Gefahrenstellen sind absehbar.                                 verringere den Druck auf den Bund, ein
                                                               vernünftiges Güterverkehrskonzept mit
„Wenn Gigaliner sich demnächst in einzelnen Bundes-            hohem Schienenanteil vorzulegen, urtei-
ländern breit machen sollten, kann es zu schweren Un-          len Verkehrsexperten des ACE. Die Zulassung
fällen kommen“, warnt zum Beispiel Michael Ziesak,             von Gigalinern widerspreche dem Ziel, den Koh-
Bundesvorsitzender des Verkehrsclubs Deutschland und           lendioxid-Ausstoß zu verringern.

    8                                                                                                   mopinio 01/2012
Gigaliner




      Hier kann es gefährlich werden:
      Ausgewiesene Strecken für
      den Gigaliner-Feldversuch
A 1	  Heiligenhafen/Bremen/Osnabrück               A 66	 Wiesbaden/Frankfurt;
A 2	  Bad Eilsen/Magdeburg                         	      Frankfurt/Neuhof; Fulda
A 3	  Landesgrenze Rheinland-Pfalz/Hessen bis      A 67	 Mönchhof Dreieck/Viernheimer Kreuz
	     österreichische Grenze                       A 70	Schweinfurt/Bayreuth
A 4	  Gerstungen/Nieder Seifersdorf                A 71	Sömmerda/Werntal
A 5	  Hattenbacher Dreieck bis                     A 72	 Bayerisches Vogtland/Niederfrohna
	     Grenze Baden-Württemberg                     A 73	Suhl/Nürnberg
A 6	  Viernheimer Dreieck/Grenze BW bis            A 81	 Würzburg/Grenze BW
	     tschechische Grenze                          A 92	 München/Deggendorf
A 7	  dänische Grenze bis österreichische Grenze   A 93	 Hochfranken/Holledau;
A 8	  Landesgrenze BW/Bayern bis München und       	      Inntal/österreichische Grenze
	     München bis österreichische Grenze           A 94	 München/Forstinning; Mühldorf/Burghausen
A 9	  Wiedemar/Großkugel/Eisenberg/München         A 95	 München/Eschenlohe
A 13	Schönborn/Dresden                             A 96	 österreichische Grenze/München
A 14	 Magdeburg/Nossen                             A 99	 München Süd-West/München-Süd
A 17	 Dresden-West/Dresden-Pohlis                  A 210	 Kiel/Schacht
A 20	 Landesgrenze Schleswig-Holstein/Weede        A 215	 Bordesholm/Kiel
A 21	 Bargteheide/Wankendorf                       A 226	 Bad Schwartau/Lübeck
A 23	 Hamburg/Heide                                A 261	 Hamburg/Bucholz
A 24	 Hamburg/Grenze Schleswig-Holstein            A 293	Oldenburg-Nord/Oldenburg-West
A 25	 Hamburg/Geesthacht                           A 352	 Hannover-Nord/Hannover-West
A 26	Stade/Horneburg                               A 391	 Braunschweig-Wenden/
A 27	 Cuxhaven/Bremen/Walsrode                     	Braunschweig-Südwest
A 28	 Leer/Delmenhorst                             A 392	 Watenbüttel/Braunschweig
A 29	 Fedderwardergroden/Ahlhorner Heide           A 395	 Braunschweig/Vienenburg
A 30	 niederländische Grenze/Rheine;               A 480	 Reiskirchener Dreieck/
	Hasbergen/Bruchmühlen                             	      Gießener Nordkreuz
A 31	 Emden/Schüttorf                              A 485	 Gießener Nordkreuz/B 3
A 33	 Dissen/Osnabrück                             A 643	Schiersteiner Kreuz/
A 37	 Beinhorn/Hannver                             	      Grenze Rheinland-Pfalz
A 38	 Heringen/Drammetal; Leipzig/Parthenaue       A 648	 Eschborner Dreieck/Frankfurt
A 39	 Maschen/Lüneburg; Weyhausen/Salzgitter       A 661	 Bad Homburger Kreuz/Langen
A 44	 Grenze NRW/Kassel                            A 671	 Mainspitz-Dreieck/Wiesbaden
A 45	 Grenze NRW/ Seligenstädter Dreieck           A 672	 Darmstadt/B 26
A 49	 Kassel/Gudensberg                            A 952	Starnberg/Percha
A 60	 Rüsselsheimer Dreieck/Mainspitz-Dreieck      A 980	 AD Allgäu/Waltenhofen
                                                   A 995	 München-Giesing/München-Süd

                                                                                             9
Arbeitsmarkt




Einkommen unter
dem Existenzminimum
Unternehmen profitieren – die Allgemeinheit zahlt drauf

Über zwei Milliarden Euro jährlich kostet es den Bund, so eine DGB-Studie, um Geringverdienern mit Vollzeitjob
das Existenzminimum zu sichern. Die Zahl der so genannten „Aufstocker“, die Hartz IV-Gelder in Anspruch neh-
men müssen, um trotz Arbeit über die Runden zu kommen, steigt.

Rechnet man die sozialversicherten Teilzeitarbeitneh-       Im Jahr 2010 lag laut Armutsbericht des Paritätischen
mer hinzu, die ebenfalls „aufstocken“, ergibt sich nach     Wohlfahrtsverbandes die Armutsgefährdungsschwelle
DGB-Berechnungen eine Summe von mehr als vier               für einen Single-Haushalt bei 826 Euro, für eine vierköp-
Milliarden Euro pro Jahr. Armut trotz Erwerbstätigkeit      fige Familie bei 1735 Euro. Von einer Armutsgefährdung
kommt damit, so der DGB, nicht nur den Betroffenen,         wird gesprochen, wenn jemand weniger als 60 Prozent
sondern auch den Staat teuer zu stehen.                     des durchschnittlichen Einkommens zur Verfügung hat.
                                                            Bei dem ausufernden Niedriglohnbereich in Deutsch-
„Hier werden auf Kosten der Allgemeinheit Ausbeuter-        land geraten immer mehr – trotz Vollzeitarbeit – in diese
firmen unterstützt“, meint dazu mobifair-Geschäftsfüh-      fatale Situation. Unausweichlich abgezeichnet scheint
rer Helmut Diener. „Die Unternehmen fahren kräftige         damit auch der Weg in die Altersarmut. Hartz IV, so be-
Profite ein, zahlen Armutslöhne und spekulieren dabei       mängelt der DGB, trägt noch zusätzlich zur Ausweitung
auf darauf, dass der Staat den Beschäftigten unter die      des Niedriglohnsektors bei. Denn alle noch so schlech-
Arme greift.“ Was in der Tat auch passiert. Besonders in    ten Jobs seien für Hartz IV-Bezieher zumutbar – bis zur
der Leiharbeitsbranche, so hat der DGB ermittelt, sind      Grenze der Sittenwidrigkeit.
Hungerlöhne an der Tagesordnung. Gut jeder zehnte Be-
schäftigte in dieser Branche sei im Jahr 2010 auf zusätz-   „Wenn Menschen von ihrer Arbeit nicht mehr leben
liche Gelder aus Hartz IV angewiesen gewesen. Obwohl        können, muss die Politik etwas unternehmen“, so mo-
der Leiharbeitssektor nur rund 2,7 Prozent aller sozial-    bifair-Geschäftsführer Diener. Die Zeit für einen flä-
versicherten Beschäftigten umfasst, wurden in keinem        chendeckenden Mindestlohn sei längst überfällig. Davon
anderen Wirtschaftszweig mehr Haushalte gezählt, die        profitierten nicht nur die Sozialkassen, sondern garan-
trotz Vollzeitbeschäftigung auf Hartz IV angewiesen wa-     tiert werde auch ein gerechterer Wettbewerb zwischen
ren.                                                        den Unternehmen. Derzeit seien Firmen, die faire Be-
                                                            schäftigungsbedingungen böten im Nachteil gegenüber
Oftmals geraten die Betroffenen in einen Teufelskreis –     ihren mit Armutslöhnen kalkulierenden Mitbewerbern.
der DGB warnt vor einer „Prekaritätsfalle“. Trotz aller     Dass diese Schieflage von staatlicher Seite mit „Aufsto-
Anstrengungen sei der Ausstieg aus Hartz IV besonders       ckungen“ auch noch gefördert wird, muss endlich ein
für Beschäftigte mit befristeten Verträgen oder Arbeit-     Ende haben, fordert Diener. Der DGB erhebt darüber
nehmer aus dem Niedriglohnbereich meist schwer. Wer         hinaus die Forderung, Qualifizierungsmaßnahmen für
aus der Arbeitslosigkeit in Erwerbstätigkeit geht, wird     Hartz IV-Bezieher auszubauen und für Geringqualifi-
immer öfter mit wenig Verdienst abgespeist. Das Insti-      zierte stärker in Bildung zu investieren.
tut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) gibt an,
dass fast jeder zweite aus diesem Personenkreis weniger
als 7,50 Euro die Stunde verdiente. Damit ist der Zwang
zum „Aufstocken“ nahezu vorprogrammiert. Die Chan-
cen für Arbeitslose, eine unbefristete Beschäftigung zu
finden, sind seit den 90er Jahren rapide gesunken.




   10                                                                                                  mopinio 01/2012
Portugal


                   Gesetzliche Mindestlöhne in der Europäischen Union
                                                                    Arbeitsmarkt                                                                  Malta
                                                                                                                                               Spanien
                                                                                                                                                  Irland
                                                                                                                                       Großbritannien
                                                                                                                                             Frankreich
                                                                                                                                                                  Portugal

Gesetzliche Mindestlöhne              Stand März 2011
                                                                                              Schweden
                                                                                                                                            Niederlande
                                                                                                                                                 Belgien
                                                                                                                                             Luxemburg
                                                                                                                                                                       Malta
                                                                                                                                                                     Spanien

in der Europäischen Union*                                                                                     Finnland                      Slowenien
                                                                                                                                           Griechenland
                                                                                                                                              Bulgarien
                                                                                                                                                       Großbritannien
                                                                                                                                                                       Irland

                                                              *Stand: März 2011
                                                                                                                       Estland                   Ungarn        Frankreich
                                                                                                                        1,73€                 Rumänien
                                                                                                                                                            Niederlande
Im internationalen Vergleich                                                                                              Lettland             Slowakei
                     Stand März 2011                                                                                       1,68€
                                                                                                                                             Tschechien
                                                                                                                                                                     Belgien
hinkt die Bundesrepublik                                                                      Schweden                 Litauen
                                                                                                                                                  Polen        Luxemburg
                                                                                                                        1,40€
hinterher. Die meisten EU-                                                                                            Finnland                   Litauen       Slowenien
                                                                                        Dänemark
Länder haben die Notwendig-                                                                                                                    Lettland
                                                                                                                                                           Griechenland
                                                                                                                                                 Estland
keit erkannt und Regelungen                        Irland
                                                              Großbritannien                                    Polen                                           Bulgarien
                                                                  6,91€        Niederlande                      1,85€                                      0     5     10     15
                                                   7,65€
eingeführt. In Deutschland                                                         8,74€                                     Estland                                 Ungarn
                                                                                                                                                       Quelle: Hans-Böckler Stiftung /
                                                                                                                                                       WSI-Mindestlohndatenbank
                                                                                          Deutschland
können Unternehmen immer                                                       Belgien                Tschechien       Slowakei1,73€                           Rumänien
                                                                                8,58€                    1,82€          1,82€ Lettland                           Slowakei
noch Hungerlöhne zah-                                                                  Luxemburg
                                                                                         10,16€                       Ungarn      1,68€
                                                                                                                                  Rumänien
                                                                                                      Österreich                                               Tschechien
len und damit kalkulieren,                                                                                            1,61€           0,93€
                                                                                                                                 Litauen
                                                                        Frankreich                                                                                     Polen
                                                                                                          Slowenien
dass der Staat zuzahlt.                                                   9,00€
                                                                                                            4,32€
                                                                                                                                  1,40€
                                                                                                                                           Bulgarien                 Litauen
                                                                                       Dänemark                                             0,71€
                                                                                                                                                                     Lettland
                                                                                                     Italien                                                         Estland
                                                                                                                                  Griechenland
                                                   Großbritannien                                                       Polen
                                    Irland                                                                                            4,28€
                                                       6,91€             Niederlande                                    1,85€                                                        0     5     10     15
                                    7,65€
                                        Portugal            Spanien
                                         2,92€               3,89€           8,74€                                                                                               Quelle: Hans-Böckler Stiftung /
                                                                                                                                                                                 WSI-Mindestlohndatenbank
 EU-Mitgliedsländer mit                                                             Deutschland
 gesetzlichen Mindestlöhnen                                              Belgien                Tschechien                       Slowakei                            Zypern
 EU-Mitgliedsländer ohne                                                  8,58€                    1,82€                          1,82€
                                                                                 Luxemburg
 gesetzlichen Mindestlöhnen                                                                         Malta
                                                                                                                              Ungarn
                                                                                   10,16€           3,84€                                         Rumänien
                                                                                                Österreich                    1,61€                 0,93€
                                                                  Frankreich
Projektabschluss: Wettbewerb bei Ausschreibungen                    9,00€
                                                    EU-Mitgliedsländer mit gesetzlichen Mindestlöhnen
                                                                                                               Slowenien
                                                                                                                 4,32€                                     Bulgarien
                                                                                                                                                            0,71€
                                                    EU-Mitgliedsländer ohne gesetzliche Mindestlöhne
Sozial faire Vergabepolitik wird nach wie vor zu selten praktiziert. Nachdem mobifair bereits die Aufgabenträger
                                                                      Italien
als zuständige Vergabestellen unter die Lupe nahm, ging es bei dem jetzt abgeschlossenen Projekt um die Anfor-
                                                                                       Griechenland
derungen an die Unternehmen selbst.                                                        4,28€

                         Portugal            Spanien
                        2,92€        3,89€
Fazit: Immer noch verzichten Aufgabenträger weitest-            mobifair empfiehlt zur Durchsetzung fairer Vergabe-
gehend auf Lohn- und Sozialstandards als Vergabekri-            praktiken konzertierte Aktionen von Gewerkschaften
                                                                                                                Zypern
terien. Die Unternehmen selbst reagierten ihrerseits mit        und Arbeitgebern, vor allem mit Unterstützung der Un-
Preisangeboten, bei denen sie teils auf die schwächeren                           Malta
                                                                ternehmen, die den Branchentarifvertrag unterzeichnet
                                                                                  3,84€
Tarifverträge in der Branche zurückgriffen.                     haben. In den Bundesländern ohne Tariftreuegesetz
                                                                sollten regionale Kampagnen durchgeführt werden. Ak-
Im Projektzeitraum konnte die Gewerkschaft EVG einen tivitäten des DGB sind bereits im Gange. Immer noch gibt
Branchentarifvertrag durchsetzen, der die wichtigsten es Aufgabenträger, die eine Festlegung des Branchenta-
                               EU-Mitgliedsländer mit gesetzlichen Mindestlöhnen
Unternehmen in der SPNV-Branche an tarifliche Min- rifvertrages als repräsentative Anforderung ablehnen.
                               EU-Mitgliedsländer ohne gesetzliche Mindestlöhne
deststandards bindet. Tariftreuegesetze und Branchen- Die Hauptargumente sind dabei in der Regel „ein unzu-
tarifvertrag gehören eng zusammen, wenn es um die lässiger Eingriff in die Tarifautonomie“, die Anwendung
Festlegung eines repräsentativen Tarifvertrages für die sei nicht rechtssicher oder der Tarifvertrag nicht allge-
Branche geht. Bremen und Rheinland-Pfalz haben dies meinverbindlich. Aus Sicht von mobifair sind diese Argu-
bereits ausdrücklich anerkannt. Mecklenburg-Vorpom- mente vorgeschoben, um Ausschreibungen weiterhin al-
mern und Brandenburg werden folgen. Das Gesetz in lein über den Preis abwickeln zu können. Gemeinsam mit
NRW wird als das beste bewertet. Auch Hessen, ein Bun- der Kanzlei Heussen Rechtsanwaltsgesellschaft wurde
desland ohne Tariftreuegesetz, bekennt sich zum Bran- eine Argumentationshilfe gegen die „typischen Einwän-
chentarifvertrag. Die Erfahrungen im Projektverlauf und de im Vergabeverfahren, wenn es um die berechtigten
der Abschluss des Branchentarifvertrages bilden die Forderungen nach Tariftreueerklärungen und anderen
Grundlage für Handlungsempfehlungen als Ergebnis Sozialstandards geht“ erarbeitet und veröffentlicht. Wei-
des Projektes.                                                  tere Informationen zum Thema unter www.mobifair.eu

                                                                                                                                                                                                  11
Lokführer von
Hordorf angeklagt
Zehn Menschen kamen ums Leben als am 29. Januar ver-
gangenen Jahres bei Hordorf auf der Bahnstrecke Mag-
deburg/Thale ein Personenzug und ein Güterzug zusam-
menstießen. Gegen den Lokführer des Güterzugs hat die
Staatsanwaltschaft nun Anklage erhoben. Der Vorwurf
lautet auf fahrlässige Tötung und Körperverletzung so-
wie auf fahrlässige Gefährdung des Bahnverkehrs. Er soll
Ermittlungen zufolge Signale übersehen und so das Un-
glück verursacht haben.

Der schwere Unfall ereignete sich auf einem eingleisigen Streckenabschnitt. Nach einem Bericht des Bundesver-
kehrsministeriums sollte der Güterzug an dem auf „Halt“ gestellten Hauptsignal die Ausfahrt des Personenzuges
Harz-Elbe-Express abwarten, der Lokführer habe das Signal jedoch nicht beachtet. Der eingleisige Abschnitt der
Strecke Magdeburg/Thale war zum Zeitpunkt des Unglücks nicht mit einem automatischen Bremssystem ausgestat-
tet. Diese Technik stoppt Züge auch dann, wenn ein Lokführer die Haltesignale missachtet. Der Führer des zweiten
am Zusammenstoß beteiligten Zuges gehörte zu den Todesopfern.

                                                           Fahrverbot im
 Volle Fahrtkosten für Zeitarbeiter                        Urlaub aussitzen
                                                           Nach einem Urteil des         als       Berufskraftfahrer.
 Kosten für den Weg zur Arbeit können von Zeitarbei-       Landesarbeitsgerichts         Nachdem gegen ihn ein
 tern voll steuerlich abgesetzt werden. Das Finanzge-      Mecklenburg-Vorpom-           Fahrverbot verhängt wur-
 richt Münster entschied (Az: 13 K 456/10), dass diese     mern (Az: 5 Sa 295/10) ist    de, erhielt der Lkw-Fahrer
 Regelung auch gilt, wenn über längere Zeit hinweg         ein einmonatiges Fahrver-     von seinem Arbeitgeber
 der gleiche Arbeitsplatz aufgesucht wird. Im vorlie-      bot für einen Berufskraft-    die fristlose Kündigung mit
 genden Fall hatte das Finanzamt die Anerkennung           fahrer kein unbedingter       der Begründung, dass er
 der Wegekosten abgelehnt, weil der Kläger über ein        Grund für eine Kündigung.     nun als Fahrer nicht mehr
 Jahr bei einem Arbeitgeber beschäftigt war. Die Rich-     Nach Ansicht der Richter      arbeiten könne. Der Be-
 ter begründeten ihre Entscheidung damit, dass der         kann das auf einen Monat      troffene beschritt den Kla-
 Betroffene im Vorfeld keine Planungssicherheit hat-       beschränkte Verbot inner-     geweg und sowohl das Ar-
 te, sich auf einen Arbeitsort einzustellen. Nach dem      halb des Urlaubs abgegol-     beitsgericht als auch das
 Arbeitsvertrag sei ein bundesweiter Einsatz möglich       ten werden.                   LAG hielten die Kündigung
 gewesen. Nur wer mit einem immer gleichen Weg                                           für unwirksam. Schließ-
 rechnen könne, habe die Möglichkeit, Fahrtkosten          Allerdings stand im vorlie-   lich, so die Erläuterung,
 zu sparen. Daher seien die tatsächlich entstandenen       genden Fall der Verkehrs-     hätte der Kläger noch
 Kosten anzuerkennen.                                      verstoß des Betroffenen       genügend       Urlaubstage,
                                                           nicht im Zusammenhang         um den Monat des Fahr-
                                                           mit seiner Beschäftigung      verbots zu überbrücken.

   12                                                                                                 mopinio 01/2012

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  • 1. Ausgabe 01 / 2012 Fernbusse Nächster Halt: Lohnabbau
  • 2. Hier passt alles zusammen: Qualität aus einer Hand! Die mobifair-Zertifizierungs- und Beratungsgesellschaft mbH unterstützt Unternehmen, Verbände und Institutionen mit einer Vielzahl von Dienstleistungen. Sie alle sind miteinander verbunden und bieten in den Bereichen Beratung, Zertifizierung, Studien und Kontrolle individuelle Lösungen an. Den Guten eine Chance! Kontakt: mobifair GmbH, Westendstraße 52, 60325 Frankfurt/Main Telefon: +49 (69) 271 39 96 - 6 Fax: +49 (69) 271 39 96 - 77 E-Mail: info@mobifair-gmbh.eu Internet: www.mobifair-gmbh.eu
  • 3. Inhalt Editorial Auch im Jahr 2012 gibt es in Deutschland noch Lohndumping, werden gesetzlich fest- gelegte Sozialstandards mit Füßen getreten, Beschäftigte wie auf einem modernen Sklavenmarkt „verliehen“. Für mobifair heißt das, sich weiterhin engagiert dafür ein- zusetzen, dass der Wettbewerb im Verkehrsbereich fair abläuft. Denn immer noch und viel zu oft sind die Beschäftigten die Leidtragenden, während Unternehmen satte Profite einstreichen Wettbewerb soll für den Menschen da sein und nicht auf ihrem Rücken ausgetra- gen werden. Wer arbeitet, darf nicht mit Billiglöhnen abgespeist werden und am Mo- natsende feststellen müssen, dass der Gang zum Sozialamt unausweichlich ist. Wer als Unternehmer anständige Beschäftigungsbedingungen anbietet, darf nicht von Ausbeuterfirmen aus dem Markt gedrängt werden, die skrupellos ausnutzen, dass der Gesetzgeber keine fairen Rahmenbedingungen geschaffen hat. „Den Guten eine Chance“ hat sich mobifair zum Motto gemacht. In diesem Sinne werden wir uns auch in diesem Jahr dafür stark machen, dass schwarze Schafe, die sich auf Kosten der Allgemeinheit bedienen, vom Markt verschwinden, dass die Politik sich auf ihre soziale Verantwortung besinnt und dass faire Bedingungen in der Arbeitswelt die Norm werden. Im Namen des Vorstands und des Teams von mobifair möchte ich mich schon jetzt bei allen bedanken, die uns bei dieser Aufgabe unterstützen werden. Helmut Diener, Geschäftsführer Aus dem Inhalt Titelthema: Fernbusse Arbeitsmarkt: Konsequenzen der Liberalisierung Der Niedriglohnsektor boomt im Fernbusverkehr – Lohn- und Kräftige Profite auf Kosten Sozialstandards werden dadurch der Allgemeinheit..................... S. 10 gefährdet................................ S. 4 mobifair intern: Tatort Führerstand: Abschlussbericht zu Keine Rechtsgrundlage für Ausschreibungsverfahren selbständige Lokführer............ S. 7 Sozialstandards als Kriterien bleiben Mangelware................. S. 11 Gigaliner: Die Monsterlaster starten durch Verschiedenes.......................... S. 12 Rollende Riesentransporter auf deutschen Straßen.................... S. 8 Impressum Herausgeber: Kontakt: Geschäftsführer: Redaktion: Druck: mobifair e. V. 069 / 271 39 96-6 Helmut Diener Brigitte Klein/ alpha print medien AG Westendstraße 52 info@mobifair.eu (verantwortlich) Tobias Lipser Kleyerstraße 3 60325 Frankfurt www.mobifair.eu presse@mobifair.eu 64295 Darmstadt Eingetragen im Vereinsregister Frankfurt am Main: VR 13555 3
  • 4. Fernbusse Fernbusse: Nächste Haltestelle Lohnabbau Fernbusreisen – das weckt Erinnerungen an Klassenfahrten als Kind oder an den Traum, im Greyhound-Bus die USA zu durchqueren. In beiden Fällen ein Symbol der Freiheit und des Abenteuers. Es entsteht das Bild von preis- werten Reisen in interessante Gegenden. Leider bleibt von diesem Bild nur ein verblichenes Exemplar übrig, wenn man sich die Realität ansieht. Denn diese Träume haben alle ein Kehrseite: In der Regel sind es die Beschäf- tigten, die für diesen Traum bezahlen müssen: in Form von niedrigen Löhnen und langen und schlechten Arbeits- zeiten. Das führt zu einem unfairen Wettbewerb, in dem Unternehmen, die sich nicht am Lohn- und Sozialdumping oder der Ausbeutung von Menschen beteiligen, den Kürzeren ziehen und vom Markt gedrängt werden. „Die Guten haben keine Chance.“ Vor diesem Hintergrund haben wir innerungen, die z.T. geweckt wer- in den letzten Monaten den Ge- den, auf einen fruchtbaren Boden. setzgebungsprozess begleitet und Sie bedient auch die stets populäre uns den Fernbuslinienverkehr in Diskussion darüber, wie schlecht Deutschland und Europa angese- die Bahn ist. Jede Verspätung wird hen. Wir sind in Bussen mitgefahren dafür als Beweis genommen und und haben uns die Lohnstandards in außerdem hat ja schon jeder mal der Branche genauer betrachtet. Es eine schlechte Erfahrung gemacht – bleibt dabei: Der Fernbuslinienver- oder kennt jemanden, der jemanden kehr wird auf Dauer nicht dem mo- kennt, der eine gemacht hat. Der torisierten Individualverkehr Anteile letzte Stau oder die letzte Werkstatt- abnehmen, sondern vor allem dem rechnung dagegen nehmen nicht Schienenpersonenverkehr. Er wird einen solchen prominenten Platz im daher auch auf Kosten von guten Ar- Erinnerungsvermögen ein. beitsplätzen bei Eisenbahnverkehrs- Bahn weitere Konkurrenz machen unternehmen gehen und er wird die sollen. Die Erfahrungen von auslän- Auf diesen Boden fällt also die Dis- Sozialstandards der Arbeitsplätze dischen Anbietern, die jetzt auf den kussion und daher stimmen viele ein im Bereich des Busdienstes negativ deutschen Markt drängen wollen, in den Chor, die sagen, dass man der beeinflussen. machen deutlich, dass preiswertere Bahn mit Konkurrenz mal so richtig Tickets auf Kosten sinkender Lohn- Druck machen müsse. Leider ohne Damit reiht sich die Liberalisierung und Sozialstandards der Beschäf- die Konsequenzen zu beachten. Dem im Fernbuslinienverkehr ein in das tigten erkauft werden. So steht mit soll dieser Themenschwerpunkt et- neoliberale Dogma vom Wettbewerb, der First Group Ltd. ein Anbieter was entgegensetzen. Wir wollen das der alles regeln wird. Im Personen- parat, der in den USA (Greyhound, Thema Fernbus etwas umfassender fernverkehr gibt es zum jetzigen Schulbusse) vor allem durch das beleuchten und Konsequenzen der Zeitpunkt noch keinen wirklichen aktive Behindern gewerkschaft- Liberalisierung aufzeigen. Wettbewerb. Im Schienenverkehr licher Arbeit und schlechte Löhne versuchen Anbieter sich lukrative aufgefallen ist. Hier gilt es politisch Teilstücke herauszugreifen und hier darauf zu achten, dass auch die Ver- gezielte Angebote entgegen zu set- gabe von Konzessionen für Fernbus- zen. Außerdem sieht die schwarz- linien an Lohn- und Sozialstandards gelbe Novellierung des Personen- gekoppelt werden muss. beförderungsgesetzes (PBfG) die vereinfachte Zulassung von inner- Die Diskussion um die Fernbusse deutschen Fernbuslinien vor, die der fällt aber nicht nur wegen der Er- 4 mopinio 01/2012
  • 5. Fernbusse Reform des Personenbeförderungsgesetzes Der Sozialschutz bleibt auf der Strecke Mit der Novellierung des Personenbeförderungsgesetzes soll auch die Liberalisierung des Fern- buslinienverkehrs erfolgen. Nach Lesart der Befürworter wird damit ein schon zu lange beste- hendes Wettbewerbshemmnis aus dem Weg geräumt, um endlich den von vielen gewünschten Markt für nationale Buslinien zu öffnen. Diesem Grundsatz folgt die Bundesregierung mit ihrem Gesetzentwurf. Sie legt damit einen Entwurf vor, der die privaten Unternehmensprofite im ÖPNV und Linienfern- busverkehr zu Lasten der öffentlichen Haushalte bevorteilt. Beispielhaft dabei zeigt sich die er- folgreiche Mitarbeit des größten deutschen Anbieters Deutsche Touring, der an der Erarbeitung des Gesetzes mitgewirkt hat. Ein Wettbewerber, der sich durch eine dezentrale Struktur und keine einheitlichen Lohn- und Sozialstandards auszeichnet. Das Gros der Verkehrsleistungen der Deut- schen Touring GmbH bzw. der Euroline Germany wird durch Subunternehmen erbracht. Im Jahre 2007 waren nach Unternehmensangaben bereits 15 Subunternehmen für die Touring tätig. Zu- sätzlich hat die Deutsche Touring ein Netz ausländischer Töchter gegründet, über die derzeit aus- schließlich die Neueinstellungen erfolgen. Bei Lohnunterschieden von Busfahrern zwischen rund 700 Euro monatlich in Portugal und rund 2000 Euro in Deutschland, ist wohl klar, wohin die Reise gehen soll. Bei der Diskussion um den Sinn der Liberalisierung des Fernbuslinienverkehrs sind Argumen- tationen zu finden, die einerseits auf den Glauben an die Kraft des Wettbewerbs bauen und an- dererseits gestützt werden durch ein tiefes Misstrauen gegenüber dem Branchenführer und Ex- Monopolisten DB AG. Aus diesen Komponenten lässt sich trefflich begründen, dass Wettbewerb stattfinden muss, „weil die Bahn ja bekanntermaßen schlecht ist“ und „durch den Wettbewerb eine bessere Qualität zum niedrigeren Preis erzielt werden kann.“ In der Bugwelle dieser Diskussion nutzt die Bundesregierung jetzt die Chance, den Fernbuslini- enverkehr weitestgehend zu liberalisieren. Sie verzichtet dabei bewusst auf eine Regulierung der Lohn- und Sozialstandards und begeht damit die Fehler der Vergangenheit erneut. Erfahrungen in ehemals geschützten Bereichen, die ohne Absicherung von Lohn- und Sozialstandards libe- weiter auf der nächsten Seite » 5
  • 6. Fernbusse » ralisiert wurden, sollten hier als stießen wir auf Aussagen von Bus- Zweifelhaft auch, ob der Einsatz im warnende Beispiele gelten, weil der unternehmern wie „Gegen diese Ma- Sinne des Arbeitszeitgesetzes war. Wettbewerb dort vor allem auf dem fia haben wir eh keine Chance“ oder Dem muss einen Riegel vorgescho- Rücken der Beschäftigten ausgetra- „wenn wir unsere Leute anständig ben werden. gen wird. Man denke an Telekom- bezahlen wollen, dann können wir munikationsdienstleister oder auch diesen Markt nicht bedienen“. Und Wir fordern den Gesetzgeber auf, die Privatisierung von kommunalen so wird das auch sein. Die Unterneh- im Gesetz eine Sicherung von Lohn- Abfallentsorgungsunternehmen. men im Fernbuslinienverkehr wer- und Sozialstandards zu verankern. den sich wohl an den Arbeitsmärkten Das muss sein, denn einen Mindest- Hier wird Politik für die bestimmte der europäischen Billiglohnländer lohn für diese Branche gibt es nicht. Unternehmen betrieben und die versorgen. Das rechnet sich auch. Ebenso wird es notwendig sein, dass Rechnung dafür bekommt der Steu- Bei unserem „Ausflug“ nach Kra- verstärkte Kontrollen durchgeführt erzahler. So dient der Wettbewerb kau - siehe Bericht auf dieser Sei- werden. Unser Vorschlag wäre das nicht dem Menschen, sondern nur te - waren vier polnische Busfahrer Bundesamt für Güterverkehr, BAG. den Unternehmen – und mittelbar und eine Servicekraft an Bord. Wir vielleicht der schwarz-gelben Koa- haben eine Kostenanalyse der Reise Wir bleiben dabei: Wer es ernst da- lition durch vermehrte Parteispen- gemacht und kommen zum klaren mit meint, den Raubbau an Löhnen den. Mövenpick lässt grüßen! Ergebnis, dass mit Anwendung des und Sozialstandards endlich zu be- deutschen Tarifniveaus ein sattes enden, der darf solche Gesetzesän- Auf der Strecke bleiben mit Sicher- Minus herausgekommen wäre. Billig derungen, wie im Personenbeför- heit die mittelständischen Busun- für die Kunden heißt in diesem Fall derungsgesetz (PBefG) vorgesehen, ternehmen. In unseren Recherchen auch billiger Lohn und Ausbeutung. nicht ohne Sozialschutz zulassen. Bequem ist etwas Anderes Ein dunkler verlassener Parkplatz in Heilbronn. Es ist schwer vorstell- bar, dass an diesem Ort um Punkt 20 Uhr ein Reisebus halten soll, der uns nach Krakau bringt. Es ist 20:04 Uhr, als ein weißer Doppelde- cker-Reisebus wie aus dem Nichts um die Ecke biegt. Es öffnen sich Türen von parkenden Autos. In kürzester Zeit bildet sich eine Men- schentraube am Bus. Fahrkarten werden gezeigt, Listen kontrolliert, Sitzplatznummern und Gepäckmarken verteilt. Das Gepäck wird im Bauch des Fernbusses verstaut. Die digitale Uhr im vorderen Teil des Busses zeigt 20:11 Uhr, der Bus befindet sich bereits auf dem Weg zum nächsten Halt. Es läuft ein polnischer Film. Das Licht ist aus, lediglich kleine rote LED-Leuchten über jedem Platz sorgen für eine unwirk- liche Stimmung. Die Knie stoßen an den Sitz des Vordermanns, es sind nicht mehr als zwei Sitzpositionen möglich. Der Bus rauscht durch die Nacht. Die Fahrt besteht aus unzähligen Schlafversuchen, kurzen Hal- ten und einer halben Stunde Pause, um sich die Beine zu vertreten. Gegen 09:04 Uhr erreichen wir Gliwice. 13 Stunden im Bus. Nach dem Umstieg erscheinen die letzten 1,5 Stunden wie ein Augenblick. Mit unseren Taschen in der Hand stehen wir nun am Bahnhof in Krakau. Diese Art zu reisen ist möglich, aber ruhig und bequem ist etwas An- deres. Es war eine langer Tag, eine kurze Nacht. 6 mopinio 01/2012
  • 7. Tatort führerstand Nicht existente Lokführer – Vorsicht Geisterfahrer Bundesregierung bestätigt mobifair-Rechtsauffassung „Für selbständige Lokführer gibt es keine Rechtsgrundlage“ teilte die Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der SPD-Bundestagsfraktion mit. Damit wird die Auffassung von mobifair bestätigt. Tatsache ist allerdings: Selb- ständige Lokführer bieten ihre Dienste an und sind auf den Schienen unterwegs. Wörtlich heißt es in der Stellung- mationen, ob tatsächlich Einsätze mobifair appelliert: nahme der Regierung: „Es gibt kei- gefahren würden. mobifair wertet ne Rechtsgrundlage dafür, dass diese Aussage als „merkwürdig“. An alle EVU: Keine Geisterfahrer auf Triebfahrzeugführer ihren Dienst Einfache Kontrollen könnten dieser der Schiene einsetzen! Die Haftung „selbständig“ im Sinne von fach- „Wissenslücke“ leicht abhelfen. Zu- für „selbständige Lokführer“ liegt lich unabhängig oder unkontrolliert mal mobifair den zuständigen Be- klar beim einsetzenden Eisenbahn- von einem Eisenbahnverkehrsun- hörden zu diesem Thema Namen verkehrsunternehmen. Wer soge- ternehmen ausüben dürfen.“ Dabei und Informationen von Eisenbahn- nannte „selbständige Lokführer“ weist die Bundesregierung auf die unternehmen gemeldet hat. Nun ohne ausreichende Kontrolle der Verpflichtung der Eisenbahnen hin, sollte man auch mal prüfen, ob hier Zulassung und aller notwendigen besonders qualifiziertes Personal alles mit rechten Dingen im Sinne Bescheinigungen beschäftigt sowie vorhalten zu müssen. „Das heißt: der eisenbahnrechtlichen Vorschrif- ihnen ohne Einbindung in das eige- Eigenes Personal“, so kommentiert ten und der Sozialversicherungs- ne Eisenbahnunternehmen - Über- mobifair-Geschäftsführer Helmut pflicht zugeht. wachungspflicht - Aufträge erteilt, Diener, „oder zumindest Personal, handelt nicht rechtmäßig. Er kommt das für eine bestimmte Zeit in das Aktuell liegen mobifair weitere na- den Sicherheitsverpflichtungen im Eisenbahnverkehrsunternehmen mentliche Hinweise über den Ein- Sinne des Allgemeinen Eisenbahn- eingegliedert ist.“ satz von „Geisterfahrern“ vor. Die gesetzes (AEG) nicht ausreichend Recherchen ergaben grünes Licht nach Zwar habe man Kenntnis darüber, für eine Anzeige beim Eisenbahn- dass Personen ihre Dienste als bundesamt und dem zuständigen An alle so genannten selbständigen Triebfahrzeugführer im Internet an- Rentenversicherungsträger. Lokführer: Schadet nicht länger der bieten, heißt es in der Antwort auf Branche und werdet wieder Lokfüh- die Anfrage, aber keinerlei Infor- rer mit Festanstellung in einem EVU! 7
  • 8. Gigaliner Achtung: Monsterlaster unterwegs Verkehrsexperten warnen, Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht drohen, die Bevölkerung ist mehrheitlich dagegen – unbeeindruckt von alldem hat Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer den Feldversuch für über- lange Transporter durchgesetzt. In sieben Bundesländern werden die Monsterlaster demnächst unterwegs sein. stellvertretender Allianz pro Schiene-Vorsitzender. Die Ampelsignale und Schrankenschaltungen der Bahnü- bergänge in Deutschland seien für die Riesen-Lkw nicht ausgelegt. Die Räumzeiten würden bislang nach der re- gulären Lkw-Maximallänge von 18,75 Meter berechnet, gibt er zu bedenken. Auch beim Überholen kann es brenzlig werden: Gerade mal 13 Zentimeter hoch ist das Hinweisschild auf den Fahrzeugen, das auf einen „Lang-Lkw“ aufmerksam ma- chen soll. Da wird so mancher Autofah- rer erst während des Überholvorgangs feststellen, dass er einen über sechs Me- Foto: Allianz pro Schiene ter längeren Transporter passieren muss. Sicherheitsbedenken der Riesentruck-Gegner wurden Gerade auf den „nachgeordneten Straßen“ vom Bundesverkehrsministerium bisher ebenso unge- kann das ein schwer kalkulierbares Risiko rührt ignoriert wie die rechtlichen Bedenken gegen die darstellen. Ausnahmeverordnung, mit der der Feldversuch erst er- möglicht wurde. Ein Gutachten, das die Allianz pro Schie- mobifair befürchtet zudem, dass sich mit ne und die Gewerkschaft EVG in Auftrag gegeben haben, dem Einsatz der Monstertrucks die bewertet die rechtliche Grundlage des Feldversuchs als Arbeitssituation für die Lkw-Fah- verfassungswidrig, da Bundestag und Bundesrat nicht rer weiter verschlechtern wird. „Ge- beteiligt wurden. Die Bundestagsfraktionen von SPD und sundheits- und Arbeitsschutz sind im Grünen erwägen ebenso eine Klage vor dem Bundesver- Speditionsgewerbe bereits jetzt mehr fassungsgericht wie das Land Baden-Württemberg. als schlecht“, sagt Geschäftsführer Hel- mut Diener. Der enorme Wettbewerbs- Bayern, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Sachsen, druck auf dem Markt zwinge bereits jetzt Schleswig-Holstein und Thüringen dagegen haben die Lkw-Fahrer quasi zur Selbstausbeu- grünes Licht gegeben – für Autobahnstrecken ebenso tung. Diener bewertet den Feldversuch wie für ausgewiesene Bundesstraßen und „nachgeord- als „unsinnig und gefährlich“. nete Straßen“, das bedeutet auch Landstraßen. Wenn es nicht schon in den Autobahnbaustellen für andere In die Reihen der Kritiker reiht sich auch Fahrzeuge eng wird, sind die Probleme spätestens für der Auto Club Europa (ACE) ein. Eine Kreisverkehre vorprogrammiert. Weitere Engpässe und Stärkung des Transportes auf der Straße Gefahrenstellen sind absehbar. verringere den Druck auf den Bund, ein vernünftiges Güterverkehrskonzept mit „Wenn Gigaliner sich demnächst in einzelnen Bundes- hohem Schienenanteil vorzulegen, urtei- ländern breit machen sollten, kann es zu schweren Un- len Verkehrsexperten des ACE. Die Zulassung fällen kommen“, warnt zum Beispiel Michael Ziesak, von Gigalinern widerspreche dem Ziel, den Koh- Bundesvorsitzender des Verkehrsclubs Deutschland und lendioxid-Ausstoß zu verringern. 8 mopinio 01/2012
  • 9. Gigaliner Hier kann es gefährlich werden: Ausgewiesene Strecken für den Gigaliner-Feldversuch A 1 Heiligenhafen/Bremen/Osnabrück A 66 Wiesbaden/Frankfurt; A 2 Bad Eilsen/Magdeburg Frankfurt/Neuhof; Fulda A 3 Landesgrenze Rheinland-Pfalz/Hessen bis A 67 Mönchhof Dreieck/Viernheimer Kreuz österreichische Grenze A 70 Schweinfurt/Bayreuth A 4 Gerstungen/Nieder Seifersdorf A 71 Sömmerda/Werntal A 5 Hattenbacher Dreieck bis A 72 Bayerisches Vogtland/Niederfrohna Grenze Baden-Württemberg A 73 Suhl/Nürnberg A 6 Viernheimer Dreieck/Grenze BW bis A 81 Würzburg/Grenze BW tschechische Grenze A 92 München/Deggendorf A 7 dänische Grenze bis österreichische Grenze A 93 Hochfranken/Holledau; A 8 Landesgrenze BW/Bayern bis München und Inntal/österreichische Grenze München bis österreichische Grenze A 94 München/Forstinning; Mühldorf/Burghausen A 9 Wiedemar/Großkugel/Eisenberg/München A 95 München/Eschenlohe A 13 Schönborn/Dresden A 96 österreichische Grenze/München A 14 Magdeburg/Nossen A 99 München Süd-West/München-Süd A 17 Dresden-West/Dresden-Pohlis A 210 Kiel/Schacht A 20 Landesgrenze Schleswig-Holstein/Weede A 215 Bordesholm/Kiel A 21 Bargteheide/Wankendorf A 226 Bad Schwartau/Lübeck A 23 Hamburg/Heide A 261 Hamburg/Bucholz A 24 Hamburg/Grenze Schleswig-Holstein A 293 Oldenburg-Nord/Oldenburg-West A 25 Hamburg/Geesthacht A 352 Hannover-Nord/Hannover-West A 26 Stade/Horneburg A 391 Braunschweig-Wenden/ A 27 Cuxhaven/Bremen/Walsrode Braunschweig-Südwest A 28 Leer/Delmenhorst A 392 Watenbüttel/Braunschweig A 29 Fedderwardergroden/Ahlhorner Heide A 395 Braunschweig/Vienenburg A 30 niederländische Grenze/Rheine; A 480 Reiskirchener Dreieck/ Hasbergen/Bruchmühlen Gießener Nordkreuz A 31 Emden/Schüttorf A 485 Gießener Nordkreuz/B 3 A 33 Dissen/Osnabrück A 643 Schiersteiner Kreuz/ A 37 Beinhorn/Hannver Grenze Rheinland-Pfalz A 38 Heringen/Drammetal; Leipzig/Parthenaue A 648 Eschborner Dreieck/Frankfurt A 39 Maschen/Lüneburg; Weyhausen/Salzgitter A 661 Bad Homburger Kreuz/Langen A 44 Grenze NRW/Kassel A 671 Mainspitz-Dreieck/Wiesbaden A 45 Grenze NRW/ Seligenstädter Dreieck A 672 Darmstadt/B 26 A 49 Kassel/Gudensberg A 952 Starnberg/Percha A 60 Rüsselsheimer Dreieck/Mainspitz-Dreieck A 980 AD Allgäu/Waltenhofen A 995 München-Giesing/München-Süd 9
  • 10. Arbeitsmarkt Einkommen unter dem Existenzminimum Unternehmen profitieren – die Allgemeinheit zahlt drauf Über zwei Milliarden Euro jährlich kostet es den Bund, so eine DGB-Studie, um Geringverdienern mit Vollzeitjob das Existenzminimum zu sichern. Die Zahl der so genannten „Aufstocker“, die Hartz IV-Gelder in Anspruch neh- men müssen, um trotz Arbeit über die Runden zu kommen, steigt. Rechnet man die sozialversicherten Teilzeitarbeitneh- Im Jahr 2010 lag laut Armutsbericht des Paritätischen mer hinzu, die ebenfalls „aufstocken“, ergibt sich nach Wohlfahrtsverbandes die Armutsgefährdungsschwelle DGB-Berechnungen eine Summe von mehr als vier für einen Single-Haushalt bei 826 Euro, für eine vierköp- Milliarden Euro pro Jahr. Armut trotz Erwerbstätigkeit fige Familie bei 1735 Euro. Von einer Armutsgefährdung kommt damit, so der DGB, nicht nur den Betroffenen, wird gesprochen, wenn jemand weniger als 60 Prozent sondern auch den Staat teuer zu stehen. des durchschnittlichen Einkommens zur Verfügung hat. Bei dem ausufernden Niedriglohnbereich in Deutsch- „Hier werden auf Kosten der Allgemeinheit Ausbeuter- land geraten immer mehr – trotz Vollzeitarbeit – in diese firmen unterstützt“, meint dazu mobifair-Geschäftsfüh- fatale Situation. Unausweichlich abgezeichnet scheint rer Helmut Diener. „Die Unternehmen fahren kräftige damit auch der Weg in die Altersarmut. Hartz IV, so be- Profite ein, zahlen Armutslöhne und spekulieren dabei mängelt der DGB, trägt noch zusätzlich zur Ausweitung auf darauf, dass der Staat den Beschäftigten unter die des Niedriglohnsektors bei. Denn alle noch so schlech- Arme greift.“ Was in der Tat auch passiert. Besonders in ten Jobs seien für Hartz IV-Bezieher zumutbar – bis zur der Leiharbeitsbranche, so hat der DGB ermittelt, sind Grenze der Sittenwidrigkeit. Hungerlöhne an der Tagesordnung. Gut jeder zehnte Be- schäftigte in dieser Branche sei im Jahr 2010 auf zusätz- „Wenn Menschen von ihrer Arbeit nicht mehr leben liche Gelder aus Hartz IV angewiesen gewesen. Obwohl können, muss die Politik etwas unternehmen“, so mo- der Leiharbeitssektor nur rund 2,7 Prozent aller sozial- bifair-Geschäftsführer Diener. Die Zeit für einen flä- versicherten Beschäftigten umfasst, wurden in keinem chendeckenden Mindestlohn sei längst überfällig. Davon anderen Wirtschaftszweig mehr Haushalte gezählt, die profitierten nicht nur die Sozialkassen, sondern garan- trotz Vollzeitbeschäftigung auf Hartz IV angewiesen wa- tiert werde auch ein gerechterer Wettbewerb zwischen ren. den Unternehmen. Derzeit seien Firmen, die faire Be- schäftigungsbedingungen böten im Nachteil gegenüber Oftmals geraten die Betroffenen in einen Teufelskreis – ihren mit Armutslöhnen kalkulierenden Mitbewerbern. der DGB warnt vor einer „Prekaritätsfalle“. Trotz aller Dass diese Schieflage von staatlicher Seite mit „Aufsto- Anstrengungen sei der Ausstieg aus Hartz IV besonders ckungen“ auch noch gefördert wird, muss endlich ein für Beschäftigte mit befristeten Verträgen oder Arbeit- Ende haben, fordert Diener. Der DGB erhebt darüber nehmer aus dem Niedriglohnbereich meist schwer. Wer hinaus die Forderung, Qualifizierungsmaßnahmen für aus der Arbeitslosigkeit in Erwerbstätigkeit geht, wird Hartz IV-Bezieher auszubauen und für Geringqualifi- immer öfter mit wenig Verdienst abgespeist. Das Insti- zierte stärker in Bildung zu investieren. tut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) gibt an, dass fast jeder zweite aus diesem Personenkreis weniger als 7,50 Euro die Stunde verdiente. Damit ist der Zwang zum „Aufstocken“ nahezu vorprogrammiert. Die Chan- cen für Arbeitslose, eine unbefristete Beschäftigung zu finden, sind seit den 90er Jahren rapide gesunken. 10 mopinio 01/2012
  • 11. Portugal Gesetzliche Mindestlöhne in der Europäischen Union Arbeitsmarkt Malta Spanien Irland Großbritannien Frankreich Portugal Gesetzliche Mindestlöhne Stand März 2011 Schweden Niederlande Belgien Luxemburg Malta Spanien in der Europäischen Union* Finnland Slowenien Griechenland Bulgarien Großbritannien Irland *Stand: März 2011 Estland Ungarn Frankreich 1,73€ Rumänien Niederlande Im internationalen Vergleich Lettland Slowakei Stand März 2011 1,68€ Tschechien Belgien hinkt die Bundesrepublik Schweden Litauen Polen Luxemburg 1,40€ hinterher. Die meisten EU- Finnland Litauen Slowenien Dänemark Länder haben die Notwendig- Lettland Griechenland Estland keit erkannt und Regelungen Irland Großbritannien Polen Bulgarien 6,91€ Niederlande 1,85€ 0 5 10 15 7,65€ eingeführt. In Deutschland 8,74€ Estland Ungarn Quelle: Hans-Böckler Stiftung / WSI-Mindestlohndatenbank Deutschland können Unternehmen immer Belgien Tschechien Slowakei1,73€ Rumänien 8,58€ 1,82€ 1,82€ Lettland Slowakei noch Hungerlöhne zah- Luxemburg 10,16€ Ungarn 1,68€ Rumänien Österreich Tschechien len und damit kalkulieren, 1,61€ 0,93€ Litauen Frankreich Polen Slowenien dass der Staat zuzahlt. 9,00€ 4,32€ 1,40€ Bulgarien Litauen Dänemark 0,71€ Lettland Italien Estland Griechenland Großbritannien Polen Irland 4,28€ 6,91€ Niederlande 1,85€ 0 5 10 15 7,65€ Portugal Spanien 2,92€ 3,89€ 8,74€ Quelle: Hans-Böckler Stiftung / WSI-Mindestlohndatenbank EU-Mitgliedsländer mit Deutschland gesetzlichen Mindestlöhnen Belgien Tschechien Slowakei Zypern EU-Mitgliedsländer ohne 8,58€ 1,82€ 1,82€ Luxemburg gesetzlichen Mindestlöhnen Malta Ungarn 10,16€ 3,84€ Rumänien Österreich 1,61€ 0,93€ Frankreich Projektabschluss: Wettbewerb bei Ausschreibungen 9,00€ EU-Mitgliedsländer mit gesetzlichen Mindestlöhnen Slowenien 4,32€ Bulgarien 0,71€ EU-Mitgliedsländer ohne gesetzliche Mindestlöhne Sozial faire Vergabepolitik wird nach wie vor zu selten praktiziert. Nachdem mobifair bereits die Aufgabenträger Italien als zuständige Vergabestellen unter die Lupe nahm, ging es bei dem jetzt abgeschlossenen Projekt um die Anfor- Griechenland derungen an die Unternehmen selbst. 4,28€ Portugal Spanien 2,92€ 3,89€ Fazit: Immer noch verzichten Aufgabenträger weitest- mobifair empfiehlt zur Durchsetzung fairer Vergabe- gehend auf Lohn- und Sozialstandards als Vergabekri- praktiken konzertierte Aktionen von Gewerkschaften Zypern terien. Die Unternehmen selbst reagierten ihrerseits mit und Arbeitgebern, vor allem mit Unterstützung der Un- Preisangeboten, bei denen sie teils auf die schwächeren Malta ternehmen, die den Branchentarifvertrag unterzeichnet 3,84€ Tarifverträge in der Branche zurückgriffen. haben. In den Bundesländern ohne Tariftreuegesetz sollten regionale Kampagnen durchgeführt werden. Ak- Im Projektzeitraum konnte die Gewerkschaft EVG einen tivitäten des DGB sind bereits im Gange. Immer noch gibt Branchentarifvertrag durchsetzen, der die wichtigsten es Aufgabenträger, die eine Festlegung des Branchenta- EU-Mitgliedsländer mit gesetzlichen Mindestlöhnen Unternehmen in der SPNV-Branche an tarifliche Min- rifvertrages als repräsentative Anforderung ablehnen. EU-Mitgliedsländer ohne gesetzliche Mindestlöhne deststandards bindet. Tariftreuegesetze und Branchen- Die Hauptargumente sind dabei in der Regel „ein unzu- tarifvertrag gehören eng zusammen, wenn es um die lässiger Eingriff in die Tarifautonomie“, die Anwendung Festlegung eines repräsentativen Tarifvertrages für die sei nicht rechtssicher oder der Tarifvertrag nicht allge- Branche geht. Bremen und Rheinland-Pfalz haben dies meinverbindlich. Aus Sicht von mobifair sind diese Argu- bereits ausdrücklich anerkannt. Mecklenburg-Vorpom- mente vorgeschoben, um Ausschreibungen weiterhin al- mern und Brandenburg werden folgen. Das Gesetz in lein über den Preis abwickeln zu können. Gemeinsam mit NRW wird als das beste bewertet. Auch Hessen, ein Bun- der Kanzlei Heussen Rechtsanwaltsgesellschaft wurde desland ohne Tariftreuegesetz, bekennt sich zum Bran- eine Argumentationshilfe gegen die „typischen Einwän- chentarifvertrag. Die Erfahrungen im Projektverlauf und de im Vergabeverfahren, wenn es um die berechtigten der Abschluss des Branchentarifvertrages bilden die Forderungen nach Tariftreueerklärungen und anderen Grundlage für Handlungsempfehlungen als Ergebnis Sozialstandards geht“ erarbeitet und veröffentlicht. Wei- des Projektes. tere Informationen zum Thema unter www.mobifair.eu 11
  • 12. Lokführer von Hordorf angeklagt Zehn Menschen kamen ums Leben als am 29. Januar ver- gangenen Jahres bei Hordorf auf der Bahnstrecke Mag- deburg/Thale ein Personenzug und ein Güterzug zusam- menstießen. Gegen den Lokführer des Güterzugs hat die Staatsanwaltschaft nun Anklage erhoben. Der Vorwurf lautet auf fahrlässige Tötung und Körperverletzung so- wie auf fahrlässige Gefährdung des Bahnverkehrs. Er soll Ermittlungen zufolge Signale übersehen und so das Un- glück verursacht haben. Der schwere Unfall ereignete sich auf einem eingleisigen Streckenabschnitt. Nach einem Bericht des Bundesver- kehrsministeriums sollte der Güterzug an dem auf „Halt“ gestellten Hauptsignal die Ausfahrt des Personenzuges Harz-Elbe-Express abwarten, der Lokführer habe das Signal jedoch nicht beachtet. Der eingleisige Abschnitt der Strecke Magdeburg/Thale war zum Zeitpunkt des Unglücks nicht mit einem automatischen Bremssystem ausgestat- tet. Diese Technik stoppt Züge auch dann, wenn ein Lokführer die Haltesignale missachtet. Der Führer des zweiten am Zusammenstoß beteiligten Zuges gehörte zu den Todesopfern. Fahrverbot im Volle Fahrtkosten für Zeitarbeiter Urlaub aussitzen Nach einem Urteil des als Berufskraftfahrer. Kosten für den Weg zur Arbeit können von Zeitarbei- Landesarbeitsgerichts Nachdem gegen ihn ein tern voll steuerlich abgesetzt werden. Das Finanzge- Mecklenburg-Vorpom- Fahrverbot verhängt wur- richt Münster entschied (Az: 13 K 456/10), dass diese mern (Az: 5 Sa 295/10) ist de, erhielt der Lkw-Fahrer Regelung auch gilt, wenn über längere Zeit hinweg ein einmonatiges Fahrver- von seinem Arbeitgeber der gleiche Arbeitsplatz aufgesucht wird. Im vorlie- bot für einen Berufskraft- die fristlose Kündigung mit genden Fall hatte das Finanzamt die Anerkennung fahrer kein unbedingter der Begründung, dass er der Wegekosten abgelehnt, weil der Kläger über ein Grund für eine Kündigung. nun als Fahrer nicht mehr Jahr bei einem Arbeitgeber beschäftigt war. Die Rich- Nach Ansicht der Richter arbeiten könne. Der Be- ter begründeten ihre Entscheidung damit, dass der kann das auf einen Monat troffene beschritt den Kla- Betroffene im Vorfeld keine Planungssicherheit hat- beschränkte Verbot inner- geweg und sowohl das Ar- te, sich auf einen Arbeitsort einzustellen. Nach dem halb des Urlaubs abgegol- beitsgericht als auch das Arbeitsvertrag sei ein bundesweiter Einsatz möglich ten werden. LAG hielten die Kündigung gewesen. Nur wer mit einem immer gleichen Weg für unwirksam. Schließ- rechnen könne, habe die Möglichkeit, Fahrtkosten Allerdings stand im vorlie- lich, so die Erläuterung, zu sparen. Daher seien die tatsächlich entstandenen genden Fall der Verkehrs- hätte der Kläger noch Kosten anzuerkennen. verstoß des Betroffenen genügend Urlaubstage, nicht im Zusammenhang um den Monat des Fahr- mit seiner Beschäftigung verbots zu überbrücken. 12 mopinio 01/2012