Eine Branche steht unter Druck: Wie verändert sich angesichts von Klimawandel und Preissteigerungen die Reputation der Energieversorger und ihrer Vorstände?
1. Imageanalyse (2): Energie
Achtung,
Hochspannung!
Eine Branche steht unter Das Image der Energieversorger
Druck: Wie verändert sich
angesichts von Klimawandel
und Preissteigerungen die
Reputation der Energiever-
sorger und ihrer Vorstände?
Nach den Autobauern
(prmagazin 7/2008, Seiten
32-35) analysierten Kuhn,
Kammann & Kuhn und
Hidden Images zum
zweiten Mal rund eine
halbe Million Meinungs-
äußerungen in Blogs,
Foren und auf Websites.
Fazit: Von den Konzernen Die Nähe eines Begriffs
zur Marke zeigt, wie
punktet allein E.ON mit häufig er online mit ihr
einem klaren Profil als verbunden wird.
Innovationsführer – auch
dank CEO Wulf Bernotat.
I
n Zeiten, in denen Investitionen wegen mangelnden ternehmen gehen nicht nur mit ihren Produkten, son-
politischen Rückhalts immer riskanter werden, stei- dern auch in der Kommunikation ganz unterschiedliche
gende Energiepreise die Haushalte unter Druck setzen Wege. Einige davon bergen die Chance, aus der Defen-
und die Klimadebatte weiter intensiv geführt wird, schei- sive in die Offensive zu kommen.
nen vor allem die Energiekonzerne zwangsläufig in der
Defensive zu sein. Ist ihr Ruf wirklich so ruiniert? Oder Ökothemen hatten es lange schwer, die Massen
urteilen die Verbraucher differenzierter als die Gatekee- zu mobilisieren. Erst schmelzende Polkappen und ver-
per in den Medien? Wie werden die Stromanbieter – von heerende Naturkatastrophen sorgten dafür, dass Umwelt-
den Großkonzernen über ihre Discountmarken bis hin schützer ihr Image als naive Idealisten loswurden. Wie
zu Regional- und Ökostromanbietern – wahrgenommen? die Ergebnisse der Reputationsanalyse zeigen, sind
Die Energiebranche in Deutschland ist heterogen – Nachhaltigkeit und Vertrauenswürdigkeit aus Sicht der
und seit einigen Jahren enorm in Bewegung. In politi- Märkte inzwischen zwei Seiten einer Medaille.
scher und wirtschaftlicher Hinsicht werden Zukunfts- Den untersuchten Ökostromanbietern bringen die
szenarien diskutiert, die unterschiedlicher nicht sein Konsumenten auf dem Feld der Glaubwürdigkeit viel
könnten. Alles auf die Alternative-Energien-Karte? Aus- Vertrauen entgegen. Naturstrom, Lichtblick und EWS
stieg aus dem Atomausstieg? Oder doch lieber die bunte werden oft mit Attributen wie „glaubwürdig“, „zukunfts-
Mischung aus Ökostrom und Teilchenenergie? Die Un- fähig“, „qualitätsbewusst“ und „sympathisch“ in Verbin-
30 prmagazin 11 2008
2. Imageanalyse (2): Energie
Special
dung gebracht – Begriffe, die sehr emotional und Energie
„warm“ sind und eine starke, fast persönliche Bindung
der Verbraucher zu den Unternehmen nahelegen.
„Hidden Images“
Die kleinen Anbieter haben beim Thema Nachhaltig- Der elektronische Meinungsforscher
keit und Ökologie klar die Nase vorn – trotz immenser
Im Internet gibt es unzählige Websites, Foren, Blogs und
Bemühungen der vier großen Versorger. Das große Ver-
Plattformen – und überall wird über Energieunternehmen
trauen ist nicht Ergebnis umfangreicher Kampagnen,
und -marken diskutiert. Die Software „Hidden Images“
denn keins der drei Ökounternehmen, die sich in puncto
versucht, die Quellen systematisch auszuwerten.
Glaubwürdigkeit nur geringfügig voneinander unter-
scheiden, hat in den vergangenen Jahren hohe Budgets
in die Kommunikation gesteckt. Das zeigt: Ökologie ist
nicht nur ein Pflichtthema, sondern ein langer Hebel,
D ie Untersuchung umfasst die vier größten Energieproduzenten in
Deutschland, ihre drei Discounttöchter, eine Auswahl unabhängiger
regionaler Stromversorger sowie mit EWS, Lichtblick und Naturstrom
der mit vergleichsweise wenig Aufwand viel Konsumen- außerdem führende Ökostromanbieter. Gegenstand der Analyse sind die
tenvertrauen schafft. Themenfelder Glaubwürdigkeit, Preis und Service sowie Nachhaltigkeit.
Insgesamt wurden rund eine halbe Million aktuelle Sites, Foren und Blogs
Und wie ist das Image von EnBW, Vattenfall, RWE sowie elektronische Versionen von Printausgaben einbezogen.
und E.ON? Immerhin unternehmen sie große Anstren- Angesichts dieser Zahl führt an einer automatisierten Auswertung der
gungen, sich mittels millionenschwerer Kampagnen stär- Funde kein Weg vorbei. Die Software „Hidden Images“ erledigt diese
ker in Richtung Nachhaltigkeit und Ökologie zu positio- Fleißarbeit. Zunächst trägt ein so genannter Metacrawler mithilfe von
nieren. Dass diese Investitionen nicht automatisch zum Suchmaschinen sämtliche online verfügbaren Texte zusammen, in denen
(wie auch immer) definierten Markencharakter führen, die untersuchten Marken im Zusammenhang mit bestimmten, vorab de-
belegt die Online-Reputationsanalyse. Nur E.ON hat es finierten Begriffen erwähnt werden. Beispielsweise enthält der Wort-
geschafft, überhaupt ein klares Profil zu bilden. Die Düs- schatz zum Thema Nachhaltigkeit rund 500 verschiedene Begriffe und
seldorfer haben sich im Bereich Technologie ein Image Synonyme, von „Abnahme von Belastungen“ bis „zukunftsfähig“. Die
aufgebaut, das sie mit Begriffen wie „neueste Technik“, Software berücksichtigt Onlinemedien und die Websites von TV-Sen-
„Forschung“ und „führend“ in Verbindung bringt und in dern ebenso wie Beiträge in Foren und Weblogs. Printmedien werden
dieser Ecke als Primus positioniert. Von hier aus ließen vor allem über ihre Onlineausgaben erfasst. Tabu sind nur die Home-
sich Brücken auch zu „wärmeren“ Themen wie Zukunfts- pages der untersuchten Unternehmen: Eigenlob wird ignoriert.
vorsorge, Vertrauen und Glaubwürdigkeit bauen. Hat der Metacrawler die Fundstellen zusammengetragen, kommt „Hid-
Ganz anders RWE aus Essen: Trotz millionenschwe- den Images“ zum Einsatz. Im ersten Schritt werden absolute Trefferzah-
rer Kommunikationskampagnen ist es dem Energie- len ermittelt – je öfter ein Unternehmen im Zusammenhang mit einem
riesen bislang nicht gelungen, den Verbrauchern gegen- Begriff auftaucht, desto wichtiger ist dieser. In den Grafiken drückt sich
über klar Stellung zu beziehen – zumindest nicht mit die Bedeutung durch den Abstand aus: Wichtige Begriffe liegen näher
Blick auf seine energiestrategische Ausrichtung. Das am Markennamen, irrelevante bleiben auf Distanz. Zur besseren Ver-
schlägt sich in der Wahrnehmung im Internet nieder, die ständlichkeit wurden die Ergebnisse zudem in vier Quadranten sortiert.
RWE insbesondere mit unternehmenspolitischen Aspek- Die Auswertung der absoluten Zahlen lässt noch keinen Rückschluss
ten wie „Übernahmen“, „Monopol“ oder „Profit“ in Ver- darauf zu, wie stark das untersuchte Unternehmen im betrachteten Feld
bindung bringt. Die Essener werden als eher arroganter, profiliert ist und wie es gegenüber Wettbewerbern abschneidet. Grund:
rein am Gewinn orientierter Industriegigant abgestem- Ein Unternehmen, das eine Million mal, und zwar bei jedem zehnten
pelt. Emotionale Bindung der Verbraucher ans Unter- Treffer im Zusammenhang mit Nachhaltigkeit erwähnt wird, bringt es
nehmen? Fehlanzeige. auf die dieselbe Zahl von Nennungen wie der Konkurrent, der nur halb
so oft zu finden ist, aber bei jedem fünften Eintrag mit dem Begriff in
Doch wo bei E.ON und RWE wenigstens Charak- Verbindung gebracht wird.
terzüge zu erkennen sind, wirken die Wahrnehmungs- Um dennoch eine Rangfolge aufzustellen, greifen die Statistiker auf
profile von EnBW und Vattenfall ungesteuert und zu- Erwartungswerte zurück: Aus den ermittelten Daten leiten sie ab, mit
fällig. EnBW besetzt immerhin einige positive Begriffe wie vielen Nennungen ein durchschnittlich profiliertes Unternehmen
im Themenfeld Dienstleistung wie „regional“, „gut orga- rechnen kann. So lässt sich herausfiltern, wer öfter als erwartbar mit
nisiert“, „erreichbar“ oder „persönlich“. Vor allem aber Nachhaltigkeit konnotiert wird, also in diesem Bereich hohe Reputation
ist die Wahrnehmung des Konzerns ebenso wie die von genießt, und wer hinter den Erwartungen zurückbleibt.
Vattenfall eher von „Risiken“, „Störfall“, „Müll“ und Die softwaregestützte Auswertung ist relativ immun gegen Manipulati-
„Atomstrom“ geprägt. onsversuche und Verzerrungen, die bei Befragungen entstehen können.
In diesem Zusammenhang fällt auf, dass die Bemühun- Auch gelingt es, einmalige Ereignisse – etwa einen Störfall – sinnvoll in
gen des Atomforums, die Kernenergie stärker mit Zukunft den gesamten Kommunikationszusammenhang einzuordnen: In dem
und Chancen zu verknüpfen, bisher vollkommen verpufft Maß, wie das Ereignis Diskussionen im Internet auslöst, steigt seine
sind: Atomenergie gilt weiterhin als Risiko, das Argument Relevanz. Hält sich die Debatte nur kurz, relativiert sich ihre Bedeutung
der CO2-freien Energie wird als unseriös empfunden und im Vergleich zur Masse der Nennungen. n
geht nach hinten los. Frank Sanders/Mathias Bucksteeg n
prmagazin 11 2008 31
3. Imageanalyse (2): Energie
Chefs machen Marken
Die Wahrnehmung der Konzerne im Netz folgt dem Image der Chefs. E.ON punktet dank seinem
Vorstandsvorsitzenden Wulf Bernotat, RWE leidet unter CEO Jürgen Großmann.
D ass die Wahrnehmung des CEO in der Öffentlichkeit Assoziationen, die zwar
Fotos (2): ddp
großen Einfluss auf die Reputation eines Unterneh- seine bisherige unterneh-
mens oder einer Marke haben kann, ist nichts Neues. Dass merische Leistung hono-
die den Vorstandschefs zugeschriebenen Charakterzüge rieren. Seine persönliche
aber so deutlich in synergetischem Einklang mit den wahr- Stärke und ein gewisser
genommenen Unternehmenscharakteristika stehen, war vor Grad an Arroganz haben
der Analyse nicht zu erwarten. Auch hier spielen RWE und aber großen Einfluss auf
E.ON die Hauptrollen. E.ON-Lenker Wulf Bernotat die gegenwärtige Gesamt-
werden vor allem sachlich anerkennende Eigenschaften wie reputation des Unterneh-
„strategisch“, „planvoll“, „kompetent“ und „langfristig“ zu- mens, die stärker über
geschrieben, die der technologischen Positionierung der wirtschaftliche als über
Marke E.ON entsprechen. energiepolitische Aspekte
entsteht.
Ganz anders der RWE-Chef. Der Stahlbaron Jürgen Die Internetanalyse zeigt E.ON-Chef Wulf Bernotat gilt
Großmann wird vor allem mit machtpolitischen Begrif- auch die großen Potentiale als strategisch, RWE-CEO
fen belegt. Streit, Macht und Durchsetzungsfähigkeit sind für die Kommunikation: Jürgen Großmann als arrogant.
Die Zugkraft des
Vorstandsvorsitzenden kann reputationsprägend
Das Image der CEOs eingesetzt werden. Bei Vattenfall Europe war es
Tuomo Hatakka, der nach seinem Amtsantritt in
Berlin Anfang 2008 Stärke zeigte und Ruhe in eine
Je größer ein Begriff,
schwierige Situation brachte, nachdem das Unter-
desto höher seine
nehmen wegen der Pannenserie in Krümmel und
Bedeutung für die
Brunsbüttel nur negative Schlagzeilen produziert
Profilbildung des CEO. hatte. Eine Entscheidung, die sich in der Analyse
mit Zuschreibungen wie „Ruhe“, „Führung“, „Ver-
trauen“ und „guter Ruf“ niederschlägt.
Und der EnBW-Primus? Erst seit Frühjahr
2008 im Dienst des Energieversorgers aus Baden-
Württemberg, brachte Hans-Peter Villis weder
ein ausgeprägtes Profil mit, noch konnte er bisher
ein nennenswertes aufbauen. Positiv formuliert: Er
kann sich noch entscheiden, ob er in der Kommu-
nikation den Weg Bernotats, Großmanns oder
Hatakkas beschreiten will. n
Klimaschutz-Broschüre_U1U4.rz 08.02.2008 9:57 Uhr Seite 3
Die großen Versorger
versuchen mit teuren
Kampagnen, Punkte
beim Thema Umwelt
zu sammeln – mit
sehr mäßigem Erfolg.
KLIMASCHUTZ
DURCH
INNOVATION
4. Imageanalyse (2): Energie
Special
Energie
Gelber Strom am sympathischsten
Es muss nicht immer nur billig sein. yello zeigt, dass Discounttöchter ein eigenständiges Profil bilden
können. Auch Ökomarken punkten.
D ie Discounttöchter der Energieriesen müssen sich
nicht mit dem Label „billig“ zufriedengeben. Die
Reputationsanalyse weist große Wahrnehmungsunter-
Das Image der Discountmarken
schiede zwischen yello, eprimo und E wie ein-
fach auf. Klarer Sieger im Hinblick auf Charakter-
festigkeit und emotionale Bindung ist die am längsten
existierende EnBW-Tochter yello Strom. Nach neun
Jahren und einigen unkonventionellen Kampagnen
gilt der „gelbe Strom“ im Netz oft als „sympathisch“,
„glaubwürdig“ und „fair“.
Bei der E.ON-Tochter E wie einfach sieht
das völlig anders aus. Die Marke ist sehr wenig prä-
sent und hinkt hinsichtlich emotionaler Aspekte, die
yello stark machen, weit hinterher. Der etwas um-
ständliche Markenname macht es nicht einfacher. Im-
merhin bieten einige Attribute wie „zuverlässig“ und
„stabil“ Anknüpfungspunkte für eine Positionierung.
Bei eprimo ist es das Thema Ökologie: Der Discoun-
ter besetzt hier die „wärmsten“ Begriffe wie „Natur“,
„Vertrauen“ oder „Alternativen“. Er ist yello also
am ehesten auf den Fersen.
Noch nutzen übrigens auch die regionalen Versorger
ihre Profilierungschancen nicht. Mainova, Rhein-
Energie und die Stadtwerke München haben
zwar im Ansatz einen Glaubwürdigkeitsbonus gegen-
über den Konzernen. Mainova beispielsweise be-
setzt aber in Sachen Nachhaltigkeit nur Begriffe wie
„Ernsthaftigkeit“, „bemühen“ oder „Verbesserung“ –
allesamt Ausdruck einer defensiven Kommunika-
tion, und das bei einem ausgesprochenen Zukunftsthema. setzen. Wer sich von einer öffentlichen Agenda treiben
Aber so ist es wohl: Kommunikation ist in der Energiebran- lässt, verliert zwischen Corporate Social Responsibility,
che noch weithin auf Abwehr gepolt. Die Unternehmen Emissionswerten, Preisdiskussion und Führungsstrategien
sollten schnell auf Zukunft umschalten – denn nur durch schnell sein ureigenes Profil. Unternehmen mit Charakter
positive Kommunikation lässt sich Vertrauen aufbauen. sind auch im Energiemarkt gefragt – das zeigen die Öko-
Dabei sollten sie die Themen selbst auswählen und aktiv stromer und E.ON. n
Die Bemühungen Sieger in puncto
des Atomforums, Charakterfestigkeit
Kernenergie mit und emotionale
Zukunft und Chancen Bindung: die
zu verknüpfen, sind EnBW-Tochter
bisher verpufft. yello Strom.